Bewertung der Anwendung Automatischer Melksysteme. Landwirtschaft, Gartenbau und Ernährung

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Transkript:

Landwirtschaft, Gartenbau und Ernährung Bewertung der Anwendung Automatischer Melksysteme LVLF Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung

Impressum Herausgeber: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MLUV) Presse und Öffentlichkeitsarbeit Heinrich-Mann-Allee 103, 14473 Potsdam Tel.: 0331/866-7016 oder -/866-7017 Fax: 0331/866-7018 E-Mail: pressestelle@mluv.brandenburg.de Internet: www.mluv.brandenburg.de Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Ringstraße 1010 PF 1370 15236 Frankfurt (Oder) 15203 Frankfurt (Oder) E-Mail: poststelle@lvlf.brandenburg.de Internet: www.mluv.brandenburg.de/info/lvlf Redaktion: Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Referat 46 Tierzucht, Tierhaltung, Fischerei Dorfstraße 1 14513 Teltow/Ruhlsdorf Telefon: 03328/4360 Telefax: 03328/436118 Autoren: Dr. J. Trilk, Dr. P. Zube, K. Münch (LVLF) D. May (Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung Groß Kreutz e.v.) Schriftenreihe des Landesamtes für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Abteilung Landwirtschaft und Gartenbau Teltow, Groß Kreutz, Güterfelde, Paulinenaue, Wünsdorf Reihe Landwirtschaft, Band 7 (2006) Heft V Druck: Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Ringstraße 1010 15236 Frankfurt (Oder) TZ... Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung Brandenburg herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Nachdruck auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung, Mai 2006

Referat 46 Tierzucht, Tierhaltung, Fischerei Neue Chaussee 6 14550 Groß Kreutz (Havel) Abschlussbericht Bewertung der Anwendung Automatischer Melksysteme Basis für qualitäts-, leistungs- und tiergerechte Managementempfehlungen (Zusammenstellung der Publikationen und Auswertungen) Bearbeiter LVLF: Bearbeiter LVAT: Dr. Jürgen Trilk Dr. Peter Zube Kathleen Münch Detlef May Groß Kreutz: Mai 2006

2 Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort 3 1. Nutzung und Verbreitung 1.1 Erste Erfahrungen mit dem automatischen Melken in Brandenburger Betrieben 4 1.2 Wann erobern Melkroboter Amerika? 10 1.3 Stand der Anwendung und internationale Forschung zu Automatischen Melksystemen 14 2. Managementverfahren 2.1 Untersuchungen zum Management bei Anwendung automatischer Melksysteme 22 2.2 Außenklimastall und high-tech Melkverfahren 29 2.3 Ergebnisse und Erfahrungen zum Einsatz Automatischer Melksysteme 36 3. Arbeitszeitaufwand 3.1 Bewertung des Arbeitsaufwandes bei der Nutzung automatischer Melksysteme 49 (AMS) 3.2 Die Problemkühe geben den Ausschlag 55 3.3 The use of automatic milking systems (AMS) to save operation time 62 4. Kontrolle Eutergesundheit und Rohmilchqualität 4.1 Nutzung der Elektrischen Leitfähigkeit zur Rohmilch- und Eutergesundheitskontrolle 65 bei Automatischen Melksystemen 4.2 The use of electric conductivity to control milk quality and udder health 75 4.3 Untersuchungen zur Feststellung von Eutergesundheitsstörungen und Rohmilchveränderungen mit dem MQC und weiteren technischen Einrichtungen beim Automatischen Melksystem Lely ASTRONAUT 80 5. Wirtschaftlichkeit 5.1 Hohes Risiko für mehr Gewinn 90 5.2 Management, Kostenaufwand und Wirtschaftlichkeit Automatischer Melksysteme 95 in Auswertung mehrjähriger praktischer Nutzung

3 Vorwort Im vorliegenden Abschlussbericht werden die Ergebnisse praktischer Anwendung und gezielter Untersuchungen am Automatischen Melksystem (AMS) des Versuchsstandortes Groß Kreutz während des Zeitraumes 1999 bis 2005 zusammenfassend dargestellt. Die Präsentation erfolgt anhand der zu den einzelnen Themenschwerpunkten vorliegenden Publikationen. Damit ist eine vollständige und rationelle Darstellung der durchgeführten Untersuchungen und Auswertungen gegeben. Die z.t. umfangreichen Literaturrecherchen und hinweise ermöglichen eine vertiefende Betrachtung. Durch die Zusammenstellung der Beiträge nach einzelnen Komplexen kann auf eine zusätzliche Zusammenfassung der breit gefächerten Thematik verzichtet werden. Der Leser hat trotzdem die Möglichkeit, sich gezielt zu einzelnen Fragen zu informieren. Mit dem Bericht finden die eigenen Untersuchungen im Rahmen des Projektes Automatisches Melksystem einen vorläufigen Abschluss. Dem Ziel, dem potentiellen Anwender eine Entscheidungshilfe zur Anschaffung bzw. dem Nutzer Informationen zur praktischen Gestaltung des Verfahrens zu geben, wurde im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten entsprochen. Zusätzlich stehen umfangreiche nationale und internationale Ergebnisse zur Verfügung. Nach Auffassung der Autoren erlaubt der aktuelle Erkenntnisstand sowohl eine begründete Investitionsentscheidung zu treffen, als auch die Bewirtschaftung von Milchviehbeständen und -ställen gezielt auf die Erfordernisse eines AMS-Einsatzes abzustimmen. Weiterer Untersuchungsbedarf unter dem Gesichtspunkt der praktischen Anwendung wird sich aus veränderten Kosten-/Erlösverhältnissen sowie technischen Entwicklungen ergeben. Mit dem Demonstrationsprojekt in Groß Kreutz sowie den verbundenen Versuchs- und Forschungsthemen konnte das regionale Informationsbedürfnis zum Melkroboter umfangreich befriedigt werden. Außer in den vorliegenden Veröffentlichungen wurden die Ergebnisse in einer Vielzahl von Vorträgen, Seminaren und Weiterbildungsveranstaltungen einem breiten Fachpublikum vermittelt. Im Rahmen von Betriebsführungen hatten seit 1999 etwa 6.500 Besucher Gelegenheit, sich Automatisches Melken in Groß Kreutz anzusehen. Über die regionale Information hinaus flossen die Untersuchungsergebnisse in technische Prüfberichte sowie wissenschaftliche Graduierungsarbeiten ein und wurden auf nationalen und internationalen Tagungen vorgestellt.

4 1. Nutzung und Verbreitung 1.1 Erste Erfahrungen mit dem automatischen Melken in Brandenburger Betrieben P. Zube: 5. Brandenburgischer Stallbautag, Michendorf am 27. Mai 1999, Tagungsheft S. 29-31 Automatische Melksysteme (AMS) halten offenbar rascher als noch vor wenigen Jahren angenommen Einzug in das Verfahren Milchproduktion. In Brandenburg sind gegenwärtig AMS in 5 Betrieben im Einsatz (Übersicht 1). Übersicht 1: Stand der Einführung automatischer Melksysteme in Brandenburg Betrieb Art der Angabe A B C D E Rechtsform Einzeluntern. GbR GbR GmbH e. G Kuhzahl 150 145 300 1.150 240 Leistungsniveau kg Milch/Kuh u. Jahr 5.400 6.400 7.500 7.500 7.000 Nutzung des AMS seit Jan. 1999 Juni 1998 Febr. 1999 Nov. 1998 Dez. 1997 AMS-Typ Lely Astronaut Lely Astronaut Lely Astronaut Lely Astronaut Lely Astronaut Anzahl der Boxen 1 2 1 2 3 Was hat die Betriebe bewogen, in ein AMS zu investieren? In der Übersicht 2 sind jeweils die Motive angekreuzt, welche die Anwender bei ausdrücklicher Nachfrage als für ihre Entscheidung bedeutsam bestätigten. Als sonstiges Motiv war in den Betrieben, die solches überhaupt angeben, ausschlaggebend, dass keine Möglichkeit bestand, das Melken lediglich durch Nachrüstung vorhandener Anlagen zu sichern. Alle Anwender erwarten, dass sich der hohe finanzielle Aufwand für ein AMS letztlich auch bezahlt machen wird. In keinem Falle jedoch sind exakte Nutzeffektsberechnungen für die Entscheidung zur Einführung des AMS in erster Linie maßgebend gewesen. Das ist zwar ü- berraschend, steht aber durchaus in Übereinstimmung mit gelegentlich in der Literatur wiedergegebenen Feststellungen. Übersicht 2: Motive für die Einführung des AMS in den Betrieb Betrieb Motiv A B C D E Einsparung von Lohnkosten X X X X Gewinnung von mehr Unabhängigkeit. von Fremdarbeitskräften X X X X X. bezüglich eigener Zeitverwendung X X Erhöhung der Milchleistung X X X X Erhöhung der Arbeitsqualität X X X X Veränderung des Charakters der Arbeit X X X Verbesserung der Eutergesundheit X X X mehr Tiergerechtheit des Melkens X X X X sonstige Motive X X

5 In ausnahmslos allen Betrieben zählt das Argument, mehr Unabhängigkeit von Fremdarbeitskräften zu gewinnen. Im Betrieb C wird als der eigentlich entscheidende Grund mehr Tiergerechtheit angegeben. Hier wird das Ziel verfolgt, aus dem Gesamtbestand die jeweils leistungsstärksten Kühe am AMS mehr als zweimal täglich melken zu lassen. Das sei tiergerechter und leistungsfördernd. Im Betrieb D wurde ausdrücklich erklärt, die Steigerung der Milchleistung je Kuh sei nicht das Ziel des AMS-Einsatzes gewesen; man würde sie lediglich als Nebeneffekt mitnehmen. Ein positiver Einfluss auf die Eutergesundheit wurde in drei Betrieben als Argument für das AMS genannt. Hingegen wurde in den Betrieben C und D ganz unmissverständlich der Standpunkt vertreten, auch andere Melktechnik würde beste Eutergesundheit erlauben. Die Veränderung des Charakters der Arbeit wird unter zwei Aspekten positiv bewertet: Im Betrieb D geht man davon aus, dass bei Einsatz des AMS die Arbeit weniger schwer ist, so dass sie vorausgesetzt, der Mensch ist geistig rege - auch noch in höherem Alter bewältigt werden kann. Im Betrieb E sieht man in der Veränderung des Charakters der Arbeit eine Chance, jederzeit auch jüngere Menschen für eine Tätigkeit in der Milchviehhaltung zu gewinnen. Welche Erfahrungen wurden bisher gemacht? Auswahl der Kühe Die erste Erfahrung war, dass Kühe ganz konsequent nach ihrer Tauglichkeit für das automatische Melken ausgewählt werden müssen. Eine Aussage über den Anteil ungeeigneter Kühe in bestehenden Herden zu treffen, ist schwierig, weil die Gründe für Merzungen sehr verschiedenartig sind. Besonders problematisch ist die Einführung des automatischen Melkens, wenn sie mit einer generellen Haltungsumstellung verbunden ist. So bereitete im Betrieb E die gleichzeitig mit der Umstellung auf das AMS erfolgte Umstellung von Anbinde- zur Laufstallhaltung den Kühen offensichtlich die größeren Schwierigkeiten. Bei Inbetriebnahme des AMS mit Färsen erwiesen sich im Betrieb B von 166 eingestellten Tieren 6 (3,6 %) wegen ungeeigneter Euterform als untauglich; 7 weitere Tiere (4,2 %), die wegen zu geringer Melkgeschwindigkeit ausgesondert wurden, wären auch in einem anderen System unerwünscht gewesen. Im Betrieb E sind von 120 eingestellten Färsen im Verlauf von 7 Monaten 4 (3,3 %) wegen AMS-Untauglichkeit ausgeschieden. In der Literatur und aus der Praxis wird überwiegend berichtet, etwa 10 bis 15 % der Kühe seien für automatische Melksysteme ungeeignet. Dabei sind selbstverständlich die gehaltene Rasse und der erreichte züchterische Stand der jeweiligen Herde von Bedeutung. Für Betriebe mit größeren Beständen kann es vorteilhaft sein, das automatische Melken schrittweise einzuführen. Dafür können dann in erster Linie die leistungsstärksten Kühe herangezogen und strenge Maßstäbe bei der Auswahl nach Eignung angelegt werden. Gewöhnung der Tiere Wenn irgend möglich, sollten Kühe vor Beginn der Laktation an das AMS gewöhnt werden. Neu hinzukommende Färsen sind, sofern vorhanden, auf mehrere Boxen aufzuteilen. Anderenfalls verzögert sich der Gewöhnungsprozess und u. U. so die Erfahrung im Betrieb E gehen infolge übermäßiger Störungen an einer Box sogar bereits gewöhnte Tiere erneut nicht mehr selbständig zum Melken. Gewöhnung des Personals Wie die Tiere, hat sich auch das Betreuungspersonal umzustellen. Den übereinstimmenden Erfahrungen der Anwender zufolge, bedarf es einiger Gewöhnung, sich herausgelöst zu sehen

6 aus dem eigentlichen Melkprozess und mit hoher Disziplin einen Teil der freigewordenen Zeit in Kontrolltätigkeiten zu investieren. Während der ersten 14 Tage nach Inbetriebnahme des AMS ist eine nahezu durchgängige Aufsicht erforderlich. Einordnung des AMS in den Stall Für die Einordnung des AMS in den Stall wurden sehr verschiedenartige Lösungen gefunden. Nur in einem der Anwenderbetriebe gelangen die Kühe aus dem Liegebereich in einem gelenkten Umtrieb über das AMS zum Futter. In vier Betrieben wird das Prinzip des freien Umtriebs genutzt. Hier können sich die Tiere nach Belieben zwischen Liege- und Fressbereich bewegen, ohne die Melkbox passieren zu müssen. Kühe, die das AMS nicht freiwillig aufgesucht haben, werden manuell zugeführt. Als hilfreich dafür hat sich erwiesen, wenn ein der Melkbox vorgelagerter Stallbereich zeitweilig als Vorwartehof genutzt werden kann. Im Betrieb D wird ein weiterer Vorteil eines Vorwartehofes (hier über ein Einwegetor zu erreichen) darin gesehen, dass Kühe, die die Box freiwillig besuchen, Verweigerer anregen, es ihnen gleichzutun. Die maximale Entfernung von einer Melkbox zum Milchtank beträgt ca. 80 m. Auch unter Kaltstallbedingungen hat es bisher keine ernsthaften Probleme mit der Reinigung gegeben. Als im Betrieb E einige Zeit nach Inbetriebnahme der Melkboxen die Keimgehalte der Milch anstiegen, konnte sofort u. a. dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die Spülkreisläufe aller drei Boxen miteinander verbunden wurden. Auslastung der AMS Zum Zeitpunkt der Erfassung im April d. J. waren die AMS in den Betrieben wie folgt ausgelastet (Tab. 1): Tabelle 1: Anzahl Melkboxen und deren Auslastung Betrieb Art der Angabe A B C D E Anzahl Melkboxen 1 2 1 2 3 I II III Anzahl zugeordneter Kühe 36 135 27 75 Anzahl Melkungen je Melkbox und Tag * 85 172 63 117 je Kuh und Tag 2,4 2,5 2,3 3,1 56 60 63 kg Milch je Melkbox u. Tag 725 1.364 870 1.276 1.469 * Außer Betrieb D (24 Std.) Mittel über 3 x 24 Std. 165 2,8 Die Zahl der je Box maximal zuordenbaren Kühe hängt von ihrer Gewöhnung und Tauglichkeit für das System, ihrer Melkbarkeit und Leistungshöhe ab. Unbedingt sollte genügend Luft auch für die rangniedrigste Kuh bleiben so die Meinung von einem der Anwender. Gegenwärtig bestehen beachtliche Unterschiede: Im Betrieb B werden bei einer durchschnittlichen Auslastung mit 67,5 Kühen je Box 2,5 Gemelke je Kuh und Tag ermolken. Die Auslastung der Boxen ist im Tagesverlauf relativ gleichmäßig (Darst. 1). Häufig stehen mehrere Kühe vor der Melkbox in Warteposition. Dagegen ist die Auslastung im Betrieb D mit im Mittel nur 37,5 Kühen je Box wesentlich geringer. Hier werden die Tiere aber durchschnittlich 3,1 mal täglich gemolken und trotz der erheblich geringeren Tierzahl je Box lediglich 88 kg Milch weniger ermolken.

7 Darst. 1: Auslastung je Melkbox im Tagesverlauf Anzahl der Gemelke 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Betrieb B Betrieb D 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Stunde Für die Effektivität ist in erster Linie die Menge der ermolkenen Milch maßgebend. Je Box und Jahr sollten es mindestens 700.000 kg sein. Mit Mengen zwischen etwa 260.000 und 535.000 kg ist der aktuelle Stand in allen Anwenderbetrieben Brandenburgs unzureichend. In der Literatur finden sich zahlreiche Veröffentlichungen, in denen bei Annahme aktueller Preise selbst für den Fall einer vollständigen Kapazitätsauslastung eine um etwa 4 Pf je kg Milch höhere Belastung kalkuliert wird als bei Anwendung eines konventionellen Melkstandes. Leistung und Eutergesundheit Überwiegend wird eine Erhöhung der Milchleistung je Kuh bei gleichzeitig vermindertem Fettgehalt der Milch festgestellt. Das sind Resultate, wie sie auch aus einer Umstellung von zwei- auf dreimaliges Melken erwartet werden. In völliger Übereinstimmung damit steht die im Betrieb C getroffene Feststellung, dass die Leistung von Kühen, die auch nach Umstellung an das AMS nur zweimal gemolken wurden, zurückging offenbar eine Folge des zusätzlichen Stresses während der Eingewöhnung. Sehr stark gehen die Auffassungen zum Einfluss des AMS auf Eutergesundheit und den Gehalt der Milch an Somatischen Zellen auseinander: Im Betrieb E wird der deutliche Rückgang der Zellzahl von ca. 400.000 auf etwa 160.000 bis 230.000 voller Überzeugung dem AMS zugeschrieben. Parallel zur Senkung der Zellzahl ging die Häufigkeit von Euterbehandlungen zurück. Im Betrieb D erreichen Kühe an AMS gleiche Zellzahlen wie die in Melkkarussells gemolkenen. Hier liegt die Zellzahl allerdings in der abgelieferten Milch bei 125.000 140.000, in der Herdenmilch (lt. Milchkontrolle) bei 162.000. Auch im Betrieb C wird kein Einfluss des AMS erkannt; die Zellzahlen lagen vor wie nach der Umstellung auf das AMS bei < 100.000. Offenbar führt die Veränderung des Melkverfahrens allein keineswegs zu weiterer Verbesserung eines bereits vorher erreichten guten Niveaus. Vielmehr bedarf es auch unter Anwendung Automatischer Melksysteme eines straffen Bewirtschaftungsregimes und konsequenter Kontrolle. Das deckt sich weitgehend mit Hinweisen in der Literatur, denen zufolge ansonsten durchaus auch Verschlechterungen eintreten können. Auch zur Praktikabilität der Kontrolle über die elektrische Leitfähigkeit der Milch gehen die Meinungen weit auseinander. Kühe mit beginnender Eutererkrankung werden sicher erfasst. Es werden jedoch häufig auch solche Tiere gemeldet, bei denen keine Eutererkrankung erkennbar ist.

8 Die einen sehen darin ein ernstes Problem, weil nach ihrer Auffassung dadurch unnötiger Kontrollaufwand verursacht wird. Sie sehen deshalb die Überwachung der Eutergesundheit und Kontrolle der Milchqualität über die elektrische Leitfähigkeit als das schwächste Glied im AMS an. Die anderen hingegen sagen: Wenn erhöhte Leitfähigkeit signalisiert wird, ist das auch Ernst zu nehmen. Gefordert wird allerdings, dass das PC-Programm es erlauben sollte, dann die Werte für die betreffende Kuh auch zurückverfolgen zu können. Den praktischen Erfahrungen zufolge müssen Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit in ihrem Verlauf beobachtet und stets im Zusammenhang mit weiteren Informationen (z. B. über Veränderungen der Milchleistung der jeweiligen Kuh und über Bewirtschaftungsabläufe in der Herde) bewertet werden. Wichtig ist, dass man seine Kühe kennt und sich aus vielen Daten ein Bild macht sagt man im Betrieb D. Funktionssicherheit und Service Außer der Funktionalität im Betriebszustand selbst entscheidet selbstverständlich die relative Störunanfälligkeit des AMS über Zufriedenheit oder Unzufriedenheit des Anwenders: Im Betrieb B musste innerhalb von 4 Monaten für zwei AMS insgesamt 12 mal der Service in Anspruch genommen werden. Des weiteren traten etwa 3 bis 4 Störungen monatlich auf, die problemlos in Eigenleistung behoben werden konnten. Hier wie auch in anderen Betrieben sind am häufigsten Störungen am Laser gewesen. Im Betrieb D rechnet man, bezogen auf beide Boxen, mit etwa 1 bis 2 Störungen je Monat, zu deren Behebung der Service angefordert werden muss, und mit etwa wöchentlich einer Störung je Box, die in Selbsthilfe beseitigt werden kann. Im Betrieb C sind seit der Inbetriebnahme des AMS noch keine Störungen aufgetreten, die das Weiterarbeiten sofort unmöglich gemacht haben, so dass der Ablauf am AMS nicht gestört wurde. Im Betrieb E (3 Boxen) rechnet man mit 2 Servicefällen je Woche. Nach Auskunft der Anwender ist das Servicepersonal in der Regel 1 1 / 2 bis 2 Stunden, gelegentlich aber auch erst nach über 3 Stunden nach Anruf vor Ort. Diesbezüglich erwartet man eine Verbesserung durch weiteren Ausbau des Servicenetzes. In allen Betrieben erkennt man an, dass das Servicepersonal engagiert ist, jedoch kennt man offensichtlich sehr gut auch Unterschiede im fachlichen Können der Techniker. Übereinstimmend erklären alle Anwender, das Servicepersonal sei zu lange nicht genügend bereit gewesen, sie mehr und mehr zur Selbsthilfe zu befähigen. Erste Äußerungen, das habe sich in jüngerer Zeit grundlegend geändert, lassen hoffen. Es ist doch beispielsweise üblich, so einer der Anwender dass der Käufer eines Mähdreschers mit dem Kauf zugleich einen Gutschein für eine Schulung bei der DEULA erhält, warum erhält der Käufer eines AMS nicht auch eine Einladung zu einem Grundkurs? Grundsätzlich bleibt aber festzustellen, dass es auch Sache des Anwenders ist, seine Forderungen unmissverständlich zu äußern und selbst interessiert zu sein. Sowohl die Arbeit des AMS selbst wie auch die des Servicepersonals hängt vom eigenen Personal ab, so bringt es einer der Anwender auf den Punkt. Fazit In Brandenburg haben die ersten Betriebe praktische Erfahrungen mit Automatischen Melksystemen gesammelt. Gegenwärtig werden ausschließlich Einboxenanlagen einer Firma eingesetzt. Die teure Investition wurde in keinem Falle in erster Linie von monetären Erwägungen abhängig gemacht. Dennoch gehen die Anwender davon aus, dass sie sich letztlich durch die erwarteten Vorteile bezahlt machen muss. AMS verursachen bei den gegenwärtigen Preisen höhere Kosten als herkömmliche Systeme. Durch sinnvolle Auslastung ist die Mehrbelastung je kg Milch möglichst gering zu halten. Das System ist insgesamt aus technischer Sicht für eine praktische Anwendung geeignet.

9 Weitere Verbesserungen sind besonders im Hinblick auf die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit der Milch und auf die Erkennung von Eutergesundheitsstörungen erforderlich. Zwischen den Betrieben sind erhebliche Unterschiede bei der Beherrschung der Technik festzustellen. Mehr Aufmerksamkeit verdient die praktische Schulung der Anwender vor Einführung solcher Systeme.

10 1.2 Wann erobern Melkroboter Amerika? J. Trilk: Neue Landwirtschaft, Berlin 12 (2001) 2. S. 64-68 Im März fand in Toronto eine internationale Konferenz zur Anwendung Automatischer Melksysteme statt. Organisatoren waren das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung der Provinz Ontario, die Universität Guelph sowie verschiedene Organisationen der Milchviehzucht und Milchproduktion. Zu den mehr als 300 Teilnehmern aus 21 Ländern gehörte auch Dr. Jürgen Trilk vom Landesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft Brandenburg. Er hat seine Eindrücke für NL zusammengefasst. Während die praktische Einführung von Melkrobotern (Automatische Melksysteme, AMS) in Europa zum Ende des letzten Jahrzehntes rasche Fortschritte machte, ist der Einsatz dieser Technik in den USA und Kanada bislang eher selten. Von den weltweit etwa 1.100 Betrieben mit AMS befinden sich nach aktuellem Stand nur 6 in den Vereinigten Staaten und 35 in Kanada, über 90 % dagegen in Mittel- und Nordwesteuropa, vor allem in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark. Die Gründe dafür sind vor allem in den unterschiedlichen Betriebsstrukturen und in den deutlich differierenden Kosten der Arbeitserledigungen zwischen Europa und Nordamerika zu suchen. Die Organisatoren des Kongresses sehen aber gute Gründe, die den Einsatz der modernen Technik auch in Nordamerika zukünftig erwarten lassen. Nicht zufällig wurde die Konferenz in der Provinz Ontario abgehalten. Hier arbeitet seit 1999 der erste auf dem amerikanischen Kontinent installierte Roboter. Die in der Region überwiegend vorhandenen Familienfarmen mittlerer Größe kommen bei weiterem Wachstum an die Grenzen der Arbeitskapazität. Dabei soll aus Kostengründen der Einsatz von Fremdarbeitskräften nach Möglichkeit vermieden werden. Aber auch der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitserleichterungen sowie nach verbesserter Lebensqualität spielt vor allem bei der jüngeren Farmergeneration eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, zu automatischen Melkverfahren überzugehen. Darüber hinaus sind in den vergangenen Jahren eine Vielzahl holländischer Milchbauern nach Kanada eingewandert. Sie bringen Kenntnisse über Melkroboter mit. Der differenzierte Stand in der Anwendung von Melkrobotern spiegelte sich auch im Tagungsprogramm wider. Von den insgesamt 41 Vorträgen wurden mehr als die Hälfte von Referenten aus den Niederlanden und Deutschland gehalten. Auch die Erfahrungen und Untersuchungsergebnisse aus der Anwendung der Robotertechnik in der Region Brandenburg (Versuchsgut Groß Kreutz) wurden dem internationalen Auditorium durch Beiträge aus dem Landesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft Groß Kreutz sowie der Humboldt- Universität Berlin vorgestellt. Einsparungen beim Stallbau möglich Ein wichtiger Problemkreis beim Einsatz von Melkrobotern ist der Kuhverkehr. Dem freien Kuhverkehr mit freiwilligem Zugang zur Melkbox und generellem Zugang zum Futtertisch steht der geregelte Kuhverkehr mit gelenktem Zugang zum Futtertisch über die Melkbox gegenüber. Im ersten Fall müssen allerdings etwa 10 bis 15 % der Kühe zum Melken gebracht werden, da das freiwillige Aufsuchen nicht häufig genug erfolgt. International sind keine Unterschiede in der Faulheit oder der Lauffreude der Kühe festzustellen. Ein geregelter Kuhverkehr dagegen lässt eher die angestrebten Melkfrequenzen von durchschnittlich ca. 2,7 Melkungen je Kuh und Tag bei gleicher Kapazitätsauslastung erwarten und spart die zum

11 Zutrieb notwendige Arbeitszeit. Dagegen besteht kein ständiger freier Zugang zum Futtertisch, was besonders für Hochleistungstiere bzw. Frischlaktierende problematisch sein kann. Als zweckmäßigste Variante wird der selektiv geregelte Umtrieb empfohlen, bei dem Kühe über zusätzliche Selektionstore Zugang zum Futtertisch erhalten. In der Diskussion über die Anordnung der Funktionsbereiche und die Innengestaltung von Ställen wurde ein Simulationsmodell für den Stallbau vorgestellt, dass die betrieblichen Voraussetzungen und Ansprüche jeweils berücksichtigt. Eine Optimalvariante gibt es nicht. Bei der Ermittlung der Vorzugslösung sollten vorhandene Einrichtungen zur Milchkühlung, -lagerung und Fütterung, aktueller und zukünftiger Bedarf an Melkkapazität, Minimierung der Baukosten, betriebliche Managementpraktiken und Optionen für Stallerweiterungen berücksichtigt werden. Untersuchungen in einem Versuchsbetrieb mit einer Mehrboxenanlage in Deutschland ergaben, dass bei Beachtung des vergleichsweise einheitlichen Verhaltens der Kühe über den Tag Einsparungen im Stallbau möglich sind. So werden der Liege- und Fütterungsbereich bei selektiv geregeltem Kuhverkehr täglich etwa in gleicher Intensität rund um die Uhr genutzt. Damit kann die Anzahl an Futter- und Liegeplätzen auf ein angepasstes Niveau reduziert werden, ohne dass das Wohlbefinden der Tiere oder ihre Leistung beeinträchtigt werden. Keine negativen Auswirkungen auf die Eutergesundheit Der Einfluss Automatischer Melksysteme auf die Eutergesundheit der Herden und damit auf Parameter der Milchqualität wurde in der Vergangenheit durchaus kontrovers diskutiert. Nunmehr liegen dazu umfangreichere Analysen und exakte Versuchsergebnisse vor. Generell lassen sich keine negativen Auswirkungen des Robotermelkens auf die Eutergesundheit feststellen. Praxiserhebungen in mehreren Ländern stellen relativ übereinstimmend Veränderungen in der Tankmilchqualität nach AMS-Einführung fest. So erhöhen sich die Gesamtkeimzahlen und die Zahl an somatischen Zellen. Diese Veränderungen bleiben in der Regel auf die ersten Monate der Nutzung der Melkroboter beschränkt und normalisieren sich dann auf das vorherige Niveau. Im Hinblick auf die Milchqualität sind die Veränderungen vergleichsweise gering und bewegen sich deutlich unterhalb des Limits der in Europa geltenden Milchgüteverordnung. Die Ursachen für erhöhte Keim- und Zellzahlen werden in den begrenzten Möglichkeiten der Eigenkontrolle des Systems, z.b. bei Euterreinigung sowie Reinigung und Desinfektion, gesehen. Außerdem spielen neben den Unterschieden im Management auch die Anpassung der Herdenmanager an ein verändertes Aufgabenspektrum und neue Kontrollaufgaben im Bestand eine entscheidende Rolle. Günstige Prognosen zur Verbreitung von Melkrobotern Die Kalkulationen zum wirtschaftlichen Einsatz decken sich weit gehend mit den Diskussionen unter den ökonomischen Verhältnissen Europas. Dabei ist ein Einsatz von Melkrobotern eher in kleineren Herden (60 bis 120 Kühe) mit höheren Arbeitskosten bzw. begrenzter Arbeitskapazität zu befürworten.

12 Entscheidende Aspekte sind u.a. die Verwertung der durch das Automatische Melken freiwerdenden Arbeitszeit sowie die Lebensdauer der Melkroboter im Vergleich zu konventionellen Melkständen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass bei jüngeren Betriebsleitern eine deutlich größere Bereitschaft besteht, in die Robotertechnik zu investieren. Ungeachtet der durchaus differierenden Kosten-Erlös-Relationen in den verschiedenen Regionen mit intensiver Milcherzeugung in der Welt wurden günstige Prognosen zur Verbreitung von Melkrobotern gestellt. Gründe dafür werden im zunehmenden Verbraucherinteresse an den Produktionsprozessen zur Lebensmittelerzeugung sowie den Ansprüchen der Öffentlichkeit an die Lebensmittelsicherheit, die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Produktion und auch in zunehmender Tiergerechtheit der Haltungs- und Produktionsprozesse gesehen. Diesen Erwartungen wird mit dem Melkroboter weit gehend entsprochen. Darüber hinaus ist aufgrund der allgemein geringen Gewinnmarge ein erheblicher Zwang zur Rationalisierung vorhanden. Die Arbeitsproduktivität kann mit AMS deutlich verbessert werden. Wichtig für die zukünftige Akzeptanz dieser Produktionstechnik ist, dass es bei Melkrobotern nicht nur um die Einführung neuer Melktechnik geht. Es wird eine grundsätzlich neue Produktionsweise praktiziert, die ein verändertes Management voraussetzt, die aber zugleich neue Möglichkeiten der Produktionskontrolle und steuerung eröffnet. Außerdem bietet sie die Chance, dass die nächste Generation der Milchbauern eine deutlich verbesserte Arbeitsund Lebensqualität erleben kann. Traditionsbewusstsein über Generationen Einen Eindruck von der kanadischen Landwirtschaft konnten die Tagungsteilnehmer bei der Besichtigung mehrerer Milchviehfarmen gewinnen. Ontario gehört mit einem Anteil von 33,6 % des gesamten kanadischen Kuhbestandes zu den Kernprovinzen der Milcherzeugung. Die mittlere Jahresleistung pro Kuh liegt bei 8.200 kg, das Erstkalbealter beträgt knapp 27 Monate und die Reproduktionsrate liegt bei etwa 32 %. Es dominieren Familienbetriebe mit einem mittleren Kuhbestand von 60 Tieren. Auch in Kanada existiert ein Milchquotensystem wie in der Europäischen Union, allerdings besteht hier die Möglichkeit einer Zusatzquote. Diese Menge muss vertraglich gebunden werden und wird zu freien Marktpreisen veräußert. In Ontario beträgt dieser Anteil etwa 5 % der Erzeugung. Die Rentabilität des Zweiges ist mit den Ergebnissen erfolgreicher Milchviehbetriebe in Europa vergleichbar. Als durchschnittliches Ergebnis werden 9,02 je Arbeitskraftstunde angegeben. Der Nettomilchpreis liegt bei umgerechnet 0,41 /kg. Davon sind Kosten für Transport, Absatz/Werbung, Verwaltung sowie Forschung und Leistungsprüfung bereits abgezogen. Als durchschnittliche Produktionskosten werden 0,11 /kg Direktkosten, 0,07 /kg Futterkosten sowie 0,11 /kg Allgemeinund Festkosten angegeben. Kälber und Altkuherlöse liegen bei unter einem Eurocent je kg. Die besichtigten Farmen hatten Bestände zwischen 65 und 320 Kühen und wurden durchweg als Familienbetriebe bewirtschaftet. Einzelne Lohnarbeitskräfte sind auf den Betrieben die Ausnahme. Die kanadischen Farmer haben ein ausgeprägtes Traditionsbewusstsein und sind besonders stolz auf eine Betriebsentwicklung über mehrere Generationen. Ihre Ackerflächen werden fast ausschließlich für den Futteranbau genutzt. Dabei dominieren Mais- und Luzerneanbau. Einzelner Marktfruchtbau beschränkt sich auf Ölfrüchte und Gemüse. Grünland stand generell nicht zur Verfügung. Bei allen Farmen war im letzten Jahrzehnt der Kuhstall neu- oder umgebaut worden. Neben der Betriebsaufstockungen waren vor allem die Rationalisierung der Arbeit und verbesserter Kuhkomfort für die Entscheidung maßgebend. Stallbau und Aufstallungsvarianten entsprechen dabei weit gehend den Empfehlungen, wie sie auch für Deutschland getroffen werden.

13 Trotz des eher kontinentalen Klimas in dieser Region (Wintertemperaturen bis 25 C) ü- berwiegen Kaltstallvarianten ohne feste Seitenwände. Windschutz wird durch flexible Rollos (Curtains) gewährt. Ungewöhnlich für den deutschen Milchviehhalter ist das häufig im Stall anzutreffende Gefälle. Das betrifft sowohl die Vorwartehöfe mit einer Schräge von bis zu 7 %, als auch das leicht geneigte Stallprofil. Unabhängig von der Art der Beräumung von planbefestigten Laufflächen sorgt das Gefälle für trockene Laufgänge. Mit der Tagung konnten der wissenschaftliche Vorlauf und die umfangreichen praktischen Erfahrungen bei der Anwendung von AMS in Europa für Wissenschaft und Beratung in Kanada erschlossen und ein breites Nutzerinteresse geweckt werden.

14 1.3 Stand der Anwendung und internationale Forschung zu Automatischen Melksystemen J. Trilk: Aktuelle Beiträge zur Landwirtschaft, Schriftenreihe der LVL Brandenburg Band IV 2002, S. 26 34 Automatische Melksysteme (AMS) oder Melkroboter sind zweifellos die aktuell innovativste technische Anwendung, die in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung praktisch genutzt wird. Seit dem ersten Einsatz in einem kommerziellen Betrieb in den Niederlanden 1992 hat die Verbreitung besonders in den letzten 3 Jahren weltweit erheblich zugenommen. Anzahl Betriebe 1.200 1.000 800 600 400 200 0 Abb. 1: 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Weltweite Zahl von Betrieben mit Automatischen Melksystemen (de KONING et. al., 2002) Allerdings befinden sich über 90 % der mehr als 1.100 Betriebe mit AMS in Mittel- und Nordwesteuropa, insbesondere in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark. Welche Dynamik die Einführung dieser neuen Techniken in einzelnen Regionen besitzen kann, zeigt das Beispiel Schweden. Hier wurde im Jahre 2001 bereits jeder zweite Kuhstallneubau mit Melkrobotern ausgerüstet. Dagegen ist die Verbreitung in Nordamerika mit 35 Betrieben in Kanada und 6 in den Vereinigten Staaten vergleichsweise gering. Im Land Brandenburg gibt es gegenwärtig 7 Betriebe, die AMS nutzen. Vor allem in den größeren Betrieben Ostdeutschlands stagniert das anfänglich beachtliche Interesse an Automatischer Melktechnik. Die Gründe dafür dürften in erster Linie in der bislang noch ungenügenden Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu konventionellen Melkständen gesehen werden. So geben BOLL (2000) und STOCKINGER (1998) Mehrkosten von 2 bis 3 Cent je kg Milch für deutsche Produktionsverhältnisse an. Auswertungen bei italienischen Milcherzeugern (SAN- GIORGI, 2002) ergeben ebenfalls Mehraufwendungen von bis zu 5 Cent je kg Milch und für die Erzeugung in den USA macht REINEMANN (2002) Angaben von 350 Dollar Zusatzkosten je Kuh und Jahr bei Milchgewinnung über AMS. Die Wirtschaftlichkeit wird dabei maßgeblich von der Einsparung an Arbeitszeit beeinflusst. Eigene Analysen (TRILK und ZUBE, 2002) ergeben mögliche Reduzierungen von 35 bis 56 % des Zeitaufwandes für das Melken, was einer jährlichen Arbeitszeiteinsparung je Kuh zwischen 4,4 und 10,7 Stunden entspricht.

15 Dabei ist zweifellos eine erhebliche Variation in Abhängigkeit vom betrieblichen Management festzustellen. In Praxisbeobachtungen wurde z.t. auch ein erhöhter Arbeitsaufwand gegenüber konventioneller Melktechnik festgestellt. Neben möglichen wirtschaftlichen Nachteilen sind Fragen der Funktionalität und technischen Sicherheit ein wichtiger Aspekt für die Entscheidung, Automatische Milchgewinnungssysteme im Praxisbetrieb zu nutzen. Da bereits alle international relevanten Melktechnikhersteller AMS anbieten, sind erhebliche Unterschiede in der Anwendersicherheit und Anwendungsqualität festzustellen. Die Anbieterfirmen besitzen sehr differenzierte Erfahrungen in der Anwendung dieser Technik. Aus den diskutierten Sachverhalten lassen sich für den aktuellen Einsatz von Melkrobotern geeignete Rahmenbedingungen ableiten: - hohe Arbeitskosten, - begrenzte Arbeitskapazitäten, - höhere soziale Ansprüche an Arbeits- und Lebensverhältnisse, - stabile Erzeugerpreise für Milch, - moderate Strukturveränderungen der Betriebe, - steuerliche Vorteile von Investitionen. Damit bestehen vor allem für Familienbetriebe in Mitteleuropa Voraussetzungen, die den Einsatz von AMS fördern. Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass bei steigenden Arbeitskosten in Nordamerika (REINEMANN, 2002) und zunehmendem Mangel an qualifizierten und motivierten Arbeitskräften in großen Beständen Ostdeutschlands eine Nachfrageerhöhung auch in diesen Regionen zu erwarten ist. Darüber hinaus werden die mit der Einführung von AMS entwickelten speziellen technischen Verfahren im Melkprozess (z.b. das automatische Ansetzen des Melkzeuges, die technische Feststellung von Rohmilchveränderungen oder Eutererkrankungen etc.) ebenso in konventionellen Melkständen eingesetzt werden (de KONING et. al., 2002, van t LAND, 2002). Im Vergleich zum technischen Stand Automatischer Melksysteme ist die Klärung tangierender fachlicher Fragen bislang unbefriedigend gelöst. So sind mit der Einführung von Melkrobotern erhebliche Veränderungen des Herdenmanagements in der Milchviehhaltung verbunden. Das betrifft die Art und Organisation der Arbeit, die Zwischenmelkzeiten der Kühe, die Reinigungsverfahren und Hygienebewertung sowie viele andere Dinge (MEIJERING, et.al., 2002). Zur Schaffung des notwendigen wissenschaftlichen Vorlaufes für eine praktisch verbreitete Anwendung von AMS wurde seitens der Europäischen Union ein integriertes Forschungsprojekt unter dem Titel Auswertungen der Anwendung von Automatischen Melksystemen in Milchviehbetrieben initiiert. An diesem Projekt sind 7 Forschungseinrichtungen aus 6 europäischen Ländern und 6 Herstellerfirmen von Melkrobotern beteiligt. Die Untersuchungsschwerpunkte des komplexen Projektes sind: - Sozio-ökonomische Aspekte, - Öffentliche Akzeptanz, - Definition und Feststellung akzeptabler Milchqualität, - Milchqualität, - Vermeidung antibiotischer Rückstände, - Wirkung automatischer Euterreinigung und des Hygienemanagements, - Optimale Reinigung der Ausrüstung, - Gesundheit der Milchkühe,

16 - Bewertung des Wohlbefindens der Kuh, - Weidehaltung, - Anforderungen und Möglichkeiten zur Unterstützung des Herdenmanagements. Die abschließenden Ergebnisse zu diesen Untersuchungsthemen sollen Ende 2003 vorgelegt werden. Im nachfolgenden werden einige ausgewählte Schwerpunkte bei der Anwendung von Automatischen Melksystemen speziell diskutiert. Milchqualität und Eutergesundheit Die Einhaltung von Milchqualitätsparametern entsprechend der Milchgüteverordnung sowie die Aufrechterhaltung einer hohen Eutergesundheit sind unabweisbare Voraussetzungen für die praktische Verwendung von Melkrobotern. Zur Veränderung entsprechender Merkmale sowie zum Vergleich der Entwicklung von Qualitätsparametern der Rohmilch, die mittels AMS gewonnen wurde im Vergleich zur konventionellen Melktechnik, führten van der VORST and de KONING (2002) Erhebungen in 394 Betrieben aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden durch. Die Ergebnisse in allen drei Ländern waren vergleichbar. Beispielhaft sind die ermittelten Daten aus den Niederlanden in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Einfluss des Melkverfahrens auf Parameter der Milchqualität in den Niederlanden (van der VORST and de KONING, 2002) Melkverfahren Betriebe n Keimzahl (K/ml) szz (Z/ml) Gefrierpunkt ( C) FFA (mmol je 100 g Fett) konventionell (2 x täglich) 295 7.000 176.000-0,521 0,44 konventionell (3 x täglich) 40 8.000 184.000-0,522 0,56 AMS vorher 262 7.000 170.000-0,522 a - 0,39 a AMS nachher 262 13.000 204.000-0,517 b - 0,57 b Es wird ersichtlich, dass es nach Einführung von Automatischen Melksystemen im Vergleich zum vorherigen Zustand in den Betrieben und zu anderen konventionell melkenden Herden zu einer leichten Verschlechterung in den Parametern Keimzahl, somatische Zellzahl und Gefrierpunkt kommt. Eine Erfassung der flüchtigen Fettsäuren, die gegenwärtig kein nachweispflichtiges Gütemerkmal darstellen, zeigte eine statistisch feststellbare Erhöhung und damit eine ungünstige Tendenz. Die entscheidenden Kriterien der Keim- und Zellzahl blieben im Durchschnitt der ausgewerteten Betriebe trotz des leichten Anstieges wesentlich unter den gültigen Obergrenzen von 100.000 Keimen/ml bzw. 400.000 Zellen/ml. Die Untersuchungsansteller ermittelten, dass in der Regel eine Angleichung der Rohmilchqualität in den Betrieben etwa 12 Monate nach Einführung von AMS an das Ausgangsniveau erfolgt. Die überragende Bedeutung des einzelbetrieblichen Managements wird durch die Tatsache bestätigt, dass 56 % der auftretenden Variation der Zellzahl auf die Unterschiede zwischen den Betrieben zurückzuführen ist. Die in der internationalen Analyse ermittelten Sachverhalte bestätigen sich auch anhand der Ergebnisse im Versuchsgut Groß Kreutz (Abb. 2). Beim Übergang zum ausschließlichen Melken mittels AMS ab Oktober 1999 zeigte sich eine deutlich steigende Tendenz im Gehalt an somatischen Zellen über einen Zeitraum von über 9 Monaten. Das absolute Niveau der Zellzahl war allerdings aufgrund sehr günstiger hygienischer Stallverhältnisse durch einen Kuhstallneubau sowie einer selektiven Vorauswahl der genutzten Tiere sehr gering und deutlich niedriger als im davor liegenden Zeitraum.

17 Die langfristige Tendenz im Versuchsbestand geht aus Abb. 3 hervor. Die dargestellten Variationsgrenzen geben die monatlichen Schwankungen im jeweiligen Jahr wieder. szz (1000/ml) 360 320 280 240 200 160 120 80 Dez 98 Jan 99 Feb 99 Mrz 99 Apr 99 Mai 99 Jun 99 Jul 99 Aug 99 Sep 99 Okt 99 Nov 99 Dez 99 Jan 00 Feb 00 Mrz 00 Apr 00 Mai 00 Jun 00 Abbildung 2.: Entwicklung des Tankmilchzellgehaltes der Herde Groß Kreutz beim Übergang zum Robotermelken szz (1000/ml) 500 450 400 350 300 250 281 200 150 100 193 213 179 188 124 50 1997 1998 1999 2000 2001 2002 Abbildung 3.: Entwicklung des Tankmilchzellgehaltes der Herde Groß Kreutz Bereits im ersten Jahr nach vollständigem Übergang zur alleinigen Milchgewinnung mittels Automatischem Melksystem wurden gegenüber den Vorjahren geringere Zellzahlwerte in der Rohmilch erreicht. Diese Tendenz setzte sich bis in das Jahr 2002 fort. Natürlich sind für die Qualitätsparameter neben der Melktechnik weitere Faktoren wie Herdenmanagement, Stallhygiene, Selektion und Reproduktion des Bestandes von erheblicher Bedeutung.

18 Die gezeigte Entwicklung unterstreicht aber die Auffassung von van der VORST and de KO- NING (2002), dass auch mit AMS vergleichbare Hygiene- und Qualitätsparameter der Milch wie beim konventionellen Melken erreicht werden können. Den Ursachen von Rohmilchveränderungen und ihre möglichen Zusammenhänge mit einer verschlechterten Eutergesundheit gingen HAMANN und REINECKE (2002) in einer exakten Untersuchung nach. Die Entwicklung detaillierter Parameter der Eutergesundheit von jeweils 40 Kühen bei automatischem bzw. konventionellem Milchentzug wurde über einen Zeitraum von 6 Monaten untersucht. Die Veränderungen der Merkmale gegenüber der Situation vor Einführung von AMS sind in Tabelle 2 dargestellt. Tabelle 2: Trend der Eutergesundheit bei automatisch und konventionell gemolkenen Kuhgruppen (HAMANN und REINECKE, 2002) Periode (Mon.) - 3 bis - 1 0 bis 7 Diagnose Gruppe Anteil Tiere Anteil Tiere (%) (%) normale Sekretion szz < 100 Tsd. BU negativ latente Infektion szz < 100 Tsd. BU positiv unspez. Mastitis szz < 100 Tsd. BU negativ Mastitis szz < 100 Tsd. BU positiv AMS konv. AMS konv. AMS konv. AMS konv. 32,17 39,19 30,87 24,87 18,74 12,81 18,21 23,13 46,85 28,05 14,71 14,37 22,87 28,57 15,57 29,07 Bei den wesentlichen Parametern wie Anteil von Tieren mit normaler Sekretion, latente Infektion und Mastitis tritt eine tendenzielle Verbesserung nach Einführung des AMS-Melkens ein. Ausschließlich beim Anteil von Tieren mit unspezifischer Mastitis ist eine geringfügig ungünstigere Entwicklung zu registrieren. Die Entwicklung der konventionell gemolkenen Gruppe stellt sich insgesamt deutlich ungünstiger dar, sowohl was den Verlauf des Eutergesundheitsgeschehens im Versuch, als auch die Entwicklung zur AMS-Gruppe betrifft. Allerdings sind die dargestellten Differenzen im Versuchsablauf und im Vergleich von AMS und konventioneller Gruppe statistisch nicht nachweisbar und somit als Tendenz zu betrachten. Die Autoren bewerten die Ergebnisse als Beleg, dass Automatische Melkverfahren das Risiko von Eutererkrankungen nicht erhöhen, sondern durchaus zu einer Verbesserung beitragen können. Mögliche Ursachen für Mastitiden werden in den gleichen Faktoren gesehen, wie bei herkömmlichen Melkverfahren. Die auch oben demonstrierte Erhöhung der Zellzahlen (unspezifische Mastitis) wird von den Autoren primär auf physiologische Gründe wie die erhöhte Melkfrequenz und die damit verbundenen verkürzten Zwischenmelkzeiten zurückgeführt. Gestaltung des Kuhverkehrs und Kapazitätsausnutzung Die Gestaltung des Kuhverkehrs (Zugangsmöglichkeiten der Kühe zum Futtertisch ohne Restriktionen oder als geregelter Umtrieb über die Melkeinrichtung) ist für die Bewirtschaftung der Milchkuhherde bei Nutzung von AMS von besonderer Bedeutung.

19 Damit werden Faktoren wie erreichte Melkfrequenz (angestrebt > 2,5), notwendiger Aufwand zum Zutrieb von Kühen zur Melkeinrichtung sowie Häufigkeit der Futteraufnahme der Tiere beeinflusst. Untersuchungen dieser Problematik wurden von HARMS et.al (2002) vorgestellt. Die Ergebnisse sind der Abbildung 4 zu entnehmen. 2,63 2,29 2,56 frei gelenkt selektiv gelenkt 15,2 0,61 1,44 0,71 3,8 4,3 Melkfrequenz Zusatzpassagen Anzahl Zutriebe pro Tag Abbildung 4: Melkfrequenz, zusätzliche Passagen des AMS und notwendiger Zutrieb von Kühen bei unterschiedlicher Form des Kuhverkehrs (HARMS et al., 2002) Die Daten wurden an einem Fleckviehbestand von 50 Tieren erhoben, die mittels einer Einboxenanlage eines AMS gemolken wurden. Als dritte Variante wurde die Form des selektiv geregelten Umtriebs (geregelter Verkehr mit zusätzlichen Selektionstoren zum Futtertisch) in den Variantenvergleich einbezogen. Es zeigt sich deutlich, dass geregelte und selektiv geregelte Umtriebsformen Vorteile für die Höhe der Melkfrequenzen bedeuten können, sehr deutlich aber auch die Zahl der notwendig manuell zuzutreibenden Kühe reduzieren. Dieser Tatbestand geht ebenso aus den Erhebungen an 2 Varianten des Umtriebes im Versuchsgut Groß Kreutz hervor (Tabelle 3). Hier sind die Kühe ermittelt, die mindestens 12 Stunden die Melkbox nicht freiwillig aufsuchten. Tabelle 3: Notwendiger Zutrieb von Kühen zum AMS im Versuchsgut Groß Kreutz (Juni 2000 bis September 2002) freier Kuhverkehr geregelter Kuhverkehr n Kühe % der gemolkenen n Kühe % der gemolkenen 6 11,2 2 4,0 Die besonderen Vorzüge eines freien Zugangs zum Futtertisch lassen sich aus schwedischen Untersuchungen von THUNE et. al., 2002, an einer Hochleistungsherde ableiten (Tab. 4). Tabelle 4: Einfluss des Kuhverkehrs auf die Melkfrequenz und die Anzahl der Fressperioden (THUNE et. al., 2002) Kuhverkehr Melkfrequenz Fressperioden frei 1,98 12,07 gelenkt 2,56 3,86 selektiv gelenkt 2,39 6,46

20 Tabelle 4 zeigt, dass die Anzahl der Fressperioden und damit die Möglichkeit der Futteraufnahme sich bei gelenkten Umtriebsvarianten gegenüber freiem Zugang zum Futtertisch deutlich reduzieren und auf die Hälfte bis ein Drittel zurückgehen. Damit stellt der freie Umtrieb in dieser Frage die günstigste Variante dar. Welche Auswirkungen die Reduzierung der Anzahl Fressperioden bei geregelten Umtriebsvarianten allerdings tatsächlich auf die Höhe der Futteraufnahme hat, lässt sich abschließend noch nicht feststellen. Neben dem Umtriebsverfahren besitzt auch die Anzahl der gemolkenen Kühe je Melkeinheit für die Melkfrequenz eine erhebliche Bedeutung. Das lässt sich anhand der Entwicklung im Versuchsgut Groß Kreutz illustrieren (Abb. 5). 130 120 Melkfrequenz 110 100 Anzahl Melkende 90 3,10 2,90 2,70 2,50 2,30 2,10 1,90 1,70 1,50 Okt 99 Feb 00 Jun 00 Okt 00 Feb 01 Jun 01 Okt 01 Feb 02 Jun 02 Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Melkfrequenz und der Anzahl melkender Kühe im Versuchsgut Groß Kreutz (2 Einboxenanlagen) Abb. 5 zeigt, dass höhere Melkfrequenzen von 2,7 je Kuh und Tag, die in der Regel für eine Leistungssteigerung erforderlich sind, erst bei weniger als 55 Tieren je Melkeinheit erreicht werden. Damit sind aber die häufig von Herstellern und Beratern genannten 60 Tiere pro Melkbox nur umsetzbar, wenn die Melkfrequenz mit einem Wert von 2 bis 2,5 akzeptiert wird. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden Jahresmilchmengen bei Einboxenanlagen von mindestens 600.000 kg gefordert. Bei 60 melkenden Kühen (ca. 66 Kühe in der Herde) ist dazu ein Melkschnitt von über 27 kg je Tag notwendig. Bei 55 melkenden (ca. 61 Kühe im Bestand) müssen Tagesleistungen von mindestens 30 kg erreicht werden. Diese Zahlen demonstrieren, dass das Milchleistungsniveau der Herde und damit die Nutzung von Leistungsreserven (erhöhte Melkfrequenz) wirtschaftlich eine hohe Relevanz besitzen. Bei der aktuellen Leistungsentwicklung in vielen Herden wird der genannte Melkschnitt bereits erreicht. Die Realisierung der aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendigen Jahreskapazität gestaltet sich allerdings bislang in der Mehrzahl der Bestände mit AMS noch problematisch, da eine Kombination der angestrebten Kuhzahl je Melkbox mit hoher Melkfrequenz und erforderlichem Melkdurchschnitt besondere Anforderungen an die Herdenführung stellt. Fazit Automatische Melksysteme sind heute eine für den Praxiseinsatz taugliche Technik. Zwischen den Herstellerfirmen und Technologiesystemen bestehen noch deutliche Unterschiede in der Funktionalität und Einsatzsicherheit. Für den Übergang zum Massenprodukt sind weitere Entwicklungen bezüglich:

21 - verbesserte Wirtschaftlichkeit, - höhere Einsatzsicherheit, - einheitliche Rechtsnormierung zum Einsatz im Vergleich zu konventioneller Melktechnik, - verlässliche Kontrollmechanismen zur Qualitätsbewertung der Rohmilch, - Erarbeitung von Managementstrategien bei differenzierten Einsatzbedingungen, - Vorbereitung und Qualifikation potentieller Anwender erforderlich. Bei der Anwendung sind sehr unterschiedliche Prioritäten zwischen Familien- und Lohnarbeitsbetrieben feststellbar. Dabei sind unter den Strukturen Brandenburger Milcherzeuger vor allem Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit und Einsatzsicherheit für die weitere Verbreitung von Relevanz. Literatur: Boll, E.: Melkroboter für 70-Kuh-Bestände Ökonomische Bewertung verschiedener Melksysteme; Bauernblatt S-H und Hamburg, H 12 (2000), S. 44-45 Hamann, J. and Reinecke, F.: MACHINE MILKING EFFECTS ON UDDER HEALTH COMPARISON OF A CONVENTIONAL WITH A ROBOTIC MILKING SYSTEM; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. IV- 17 bis IV-27 Harms, J., Wendl, G. and Schön, H.: INFLUENCE OF COW TRAFFIC ON MILKING AND ANIMAL BEHAVIOUR IN A ROBOTIC MILKING SYSTEM; The First North A- merican Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. II-8 bis II-14, de Koning, K., van der Vorst, Y. and Meijering, A.: AUTOMATIC MILKING EXPERI- ENCE AND DEVELOPMENT IN EUROPE; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20-22 S. I-1 bis I-11 van t Land, A.: GLOBAL ACCEPTATION OF ROBOTIC MILKING SYSTEMS; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. I- 12 bis I-14 Meijering, A., van der Vorst, Y. and de Koning, K.: IMPLICATIONS OF THE INTRO- DUCTION OF AUTOMATIC MILKING ON DAIRY FARMS AN EXTENDED INTE- GRATED EU PROJECT; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. I-29 bis I-38 Reinemann, D.J.: EVOLUTION OF AUTOMATED MILKING IN THE USA; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. I-15 bis I-19 Sangiorgi, F.: ROBOTIC MILKING IN ITALY : TECHNICAL AND ECONOMICAL CONSIDERATIONS; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. VI-66 bis VI-69 Stockinger, Ch.: Melkstand oder Roboter?; DLG-Mitteilungen 1/1998, S. 30-34 Thune, R.., Berggren, A.M., Gravas, L. and Wiktorsson, H.: BARN LAYOUT AND COW TRAFFIC TO OPTIMISE THE CAPACITY OF AN AUTOMATIC MILKING SYS- TEM; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. II-45 bis II-50 Trilk, J. and Zube, P.: THE USE OF AUTOMATIC MILKING SYSTEMS (AMS) TO SAVE OPERATING TIME; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. VI-60 bis VI-62 van der Vorst, Y. and de Koning, K.: AUTOMATIC MILKING SYSTEMS AND MILK QUALITY IN THREE EUROPEAN COUNTRIES; The First North American Conference On Robotic Milking, Toronto, 2002, March 20 22, S. V-1 bis V-12