Borreliose wann abklären, wann therapieren?

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Transkript:

wann abklären, wann therapieren? 22. Grazer Fortbildungstage Graz, 7. Oktober 2011 C. Doberauer Klinik für Innere Medizin

Epidemiologie Häufigste durch Zecken als Vektor übertragene Infektionskrankheit in der nördlichen Hemisphäre: Zunahme der Neuerkrankungen bis 2006 (37/100.000 Einwohner/Jahr in Ostdeutschland) Borrelia burgdorferi sensu lato Komplex: bisher 18 verschiedene Genospezies, drei relevante humanpathogene Spezies B. burgdorferi sensu strictu, B. afzelii und B. garinii, drei weitere Spezies wahrscheinlich humanpathogen B. spielmanii, B. bissettii und B. valaisiana Erreger-Wirtsbindung: B. afzelii mit Nagetieren, B. garinii mit Vögeln, B. burgdorferi s. s. mit Nagetieren und Vögeln

Epidemiologie Durchseuchung von Zecken mit gram-negativen spiralförmigen Borrelien: 5 35 % Serokonversion nach Zeckenstich: 3-6 % Manifeste Erkrankung: 0,3-1,4 % Seroprävalenz in Deutschland: 5 %, bei exponierten Personen: 30 % Keine Immunität Immun-Escape-Strategien: intrazelluläre Lage, Zystenformen in bradytrophen Geweben, Komplementresistenz durch Abbindung von Regulatorproteinen

Klinik Stadium I: Erythema migrans, Borrelienlymphozytom Stadium II: Neuroborreliose mit Meningoradikulitis mit Schmerzen, Parästhesien und/oder Nervenlähmungen, Meningitis, Neuritis, Enzephalitis, Myelitis, zerebrale Vaskulitis; Lyme-Karditis mit Herzrhythmusstörungen, Endomyokarditis, Perikarditis; Ophthalmoborreliose mit Konjunktivitis, Uveitis, Keratitis, Episkleritis Stadium III: Lyme-Arthritis mono- oder oligoartikulär; Acrodermatitis atrophicans; chronische Kardiomyopathie; chronisch-progrediente Enzephalomyelitis

Klinische Falldefinitionen Bezeichnung Klinische Falldefinition Essentielle Unterstützende Laborbefunde Hinweise Erythema migrans Sich ausdehnende rote oder Keine Positive PCR oder bläulich-rote Läsion (> 5 cm) Kultur aus mit oder ohne zentrale Hautbiopsie Aufhellung. Äußerer Rand typischer Weise scharf begrenzt mit intensiver Verfärbung, nicht deutlich erhaben Lyme-Neuroborreliose Bei Erwachsenen meist Liquor-Pleozytose, Positive PCR oder Meningoradikulitis, Meningitis; intrathekale spezifische Kultur aus Liquor. selten Enzephalitis, Myelitis; Antikörper Intrathekale IgM- und/ sehr selten zerebrale Vaskulitis. IgG- und/oder IgA- Bei Kindern meist Meningitis und Fazialisparese Synthese. Antikörper im Serum. Kürzliches Erythema migrans European Union Concerted Action on Lyme Borreliosis (EUCALB) Stanek et al, Clin Microbiol Infect 2011

Klinische Falldefinitionen Bezeichnung Klinische Falldefinition Essentielle Unterstützende Laborbefunde Hinweise Lyme-Arthritis Wiederkehrende Attacken oder Hohe IgG-Antikörper Analyse Gelenkpersistierende Schwellung im Serum punktat. Positive PCR eines oder weniger großer oder Kultur aus Gelenke. Ausschluss anderer Synovialflüssigkeit Ursachen oder Synoviagewebe European Union Concerted Action on Lyme Borreliosis (EUCALB) Stanek et al, Clin Microbiol Infect 2011

Befunde bei Lyme-Borreliose aus Lyme Borreliose, Krause, A. und G. Burmester, Thieme 1999

Direkter Erregernachweis Kulturverfahren: schwierig, langwierig (Generationszeit 12-24 h), aber beweisend für aktive Infektion - Hautstanze ++ - Liquor + - Gelenkpunktat (+) Polymerasekettenreaktion: schneller, aber von Erregerdichte je nach Stadium abhängig und ohne Bezug zur Vitalität der Erreger - Haut-(Synovia)-Biopsie +++ (Sensitivität 50-85 %) - Gelenkpunktat ++ (Sensitivität 50-70 %) - Liquor + (Sensitivität 10-30 %)

Indirekter Infektionsnachweis Antikörperbestimmung (ELISA): Suchtest - borrelienspezifische IgM-Ak erst 2-4 Wo und IgG-Ak in der Regel erst 4-8 Wo nach Infektion (IgM-Ak positiv < 50 % Patienten mit Erythema migrans) - Kreuzreaktion mit anderen Bakterien möglich (z. B. Treponema pallidum) - Ausbleiben einer IgM- und insbesondere IgG-Antwort bei früher Antibiose (bei bestimmten HLA-DR-Subtypen?) - falsch positive IgM-Befunde in bis zu 15 % (z. B. bei Immunstimulation im Rahmen einer EBV-Infektion) - falsch negative IgM-Befunde in bis zu 10 % (z. B. bei Vorliegen anderer, nicht getesteter Antigene) - bei Neuroborreliose mit autochtoner intrathekaler Antikörperbildung Berechnung des Liquor-Serum-Antikörper-Index notwendig (positiv 2, bei kurzer Krankheitsdauer intrathekale Immunantwort vor Serum- Immunantwort, Liquorpleozytose als Kriterium für die Entzündungsaktivität)

Enzym-Immuno-Assay

Indirekter Infektionsnachweis Erweiterte Antikörperbestimmung (Immunoblot bzw. Line-Assay): Bestätigungstest - Notwendigkeit der Bestätigung eines positiven Befundes durch Immnunoblot oder Line-Assay (ggf. auch bei negativem Befund und fortbestehendem klinischem Verdacht auf eine Infektion) - IgM- und IgG-Ak gegen spezifische Borrelien-Proteinantigene (hohe Spezifitiät) - bei frischer Infektion häufig positive IgM-Ak-Banden OspC (spezifisch) und p41(bedingt spezifisch), Minimum 1 positive spezifische IgM-Ak-Bande - bei stattgehabter oder (selten) chronischer Infektion zumindest 2 positive spezifische IgG-Ak-Banden - Antikörpernachweis ohne Bezug zu Krankheitsaktivität oder Therapieerfolg

Hoch spezifische Borrelienantigene VlsE (Variable major protein like sequence Expressed) p 83/100 p 58 p 39 (Borrelia membrane protein A) p 34 (Outer surface protein B) p 31 (Outer surface protein A) p 29 (Outer surface protein D) p 25-22 (Outer surface protein C) p 21 (Decorin binding protein A) p 18/14 wird erst im Wirt exprimiert im späteren Infektionsstadium im frühen Infektionsstadium im späteren Infektionsstadium 7 verschiedene OspA-Typen im frühen Infektionsstadium, 13 verschiedene OspC-Typen Bindung an Decorin der Wirtszelle

Immunoblot bei Lyme-Borreliose

Weitere Labordiagnostik Lymphozytentransformationstest (LTT; Nukleinsäuresynthese während der letzten 12 Stunden nach fünftägiger antigenspezifischer Lymphozytenkultur): Hinweis auf stattgehabte Infektion, als Aktivitätsmarker zu unspezifisch T-Cell-Spot (Induktion der Zytokinsynthese in T-Helfer-Zellen binnen zweitägiger Antigenstimulation): noch nicht validiert, kein Aktivitätsmarker CD 57-Lymphozyten-Subpopulation (Verminderung dieser Subpopulation der natürlichen Killerzellen bei chronischer Neuroborreliose): nicht validiert, eher unspezifisch

Differentialdiagnosen Hautmanifestationen: akut lokale Reaktion auf Zeckenstich, Kontaktekzem, Erysipel, zirkumskripte Sklerodermie, maligne Infiltrate der Haut; chronisch Durchblutungsstörungen Augenmanifestationen: Augenbeteiligung bei anderen bakteriellen oder viralen Erkrankungen, Sarkoidose Herzmanifestationen: Herzmuskelentzündungen durch andere Infektionserreger (z. B. Chlamydien, Corynebacterium diphtheriae, Rickettsien)

Differentialdiagnosen Manifestationen am Bewegungsapparat: andere infektassoziierte Arthritiden nach oder während einer primär extraartikulären Infektion (z. B. Streptokokken, Yersinien, Salmonellen, Chlamydien, Campylobacter, Hepatitis-Viren, Röteln- und Parvo-B-19-Viren); septische Arthritiden; seronegative Spondarthritiden (Morbus Bechterew, Psoriasis- Arthritis, intestinale Arthropathien bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, Morbus Whipple, pseudomembranöse Kolitis); chronische Polyarthritis; aktivierte Arthrosen; Kristallarthropathien (z. B. Gichtarthritis)

Differentialdiagnosen Neurologische Manifestationen: andere erregerbedingte Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose, Lupus erythematodes), toxische Nervenschädigungen

339 Patienten mit Verdacht auf Lyme-Borreliose Geschlecht 210 Frauen, 129 Männer Alter Median 46 J (14 79 J) Kein Anhalt für Borrelieninfektion 107 (32 %) Zustand nach Borrelieninfektion 97 (29 %) Lyme-Borreliose Stadium I 5 (1 %) Lyme-Borreliose Stadium II 52 (15 %) Lyme-Borreliose Stadium II-III 4 (1 %) Lyme-Borreliose Stadium III 74 (22 %)

107 Patienten ohne Anhalt für eine Lyme-Borreliose Bereits mit Antibiotika vorbehandelt 56 Pat., Antibiotika-assoziierte Komplikationen 3 Pat. Häufigste Differentialdiagnosen: Andere Infekte mit oder ohne infektassoziierte Arthritiden Schlafbezogene Atmungsstörungen Aktivierte Athrosen Depressive/somatoforme Störungen Autoimmunerkrankungen Chronic multisystem illness Primär neurologische Erkrankungen Maligne Tumorerkrankungen

97 Patienten mit Zustand nach Lyme-Borreliose Bereits mit Antibiotika vorbehandelt 72 Pat., Antibiotika-assoziierte Komplikationen 4 Pat. Häufigste Differentialdiagnosen: Autoimmunerkrankungen Andere Infekte mit oder ohne infektassoziierte Arthritiden Aktivierte Arthrosen Schlafbezogene Atmungsstörungen Primär neurologische Erkrankungen Depressive/somatoforme Störungen Chronic multisystem illness Maligne Tumorerkrankungen

135 Patienten mit Lyme-Borreliose Erythema migrans erinnerlich bei 76 Pat., Zustand nach peripherer Facialisparese bei 7 Pat. Häufige zusätzliche Diagnosen (Mischbilder): Schlafbezogene Atmungsstörungen Andere infektassoziierte Arthritiden Wiederholt pathologische Belastungs-EKG-Untersuchungen mit Normalisierung nach antibiotischer Therapie (Vaskulitis?)

Verlauf 55 Patienten mit unbehandeltem Erythema migrans: - nach 8 Wochen 18 % Arthralgien - innerhalb von 2 Jahren 51 % limitierte Arthritis und 11 % chronische Synovitis Steere et al, Ann Intern Med 1987

Therapie Stadium 1 (Lokalinfektion): Doxicyclin 2-3 x 100 mg po über 2 Wochen, Amoxicillin 3 x 750-1000 mg po über 2 Wochen, Cefuroxim 2 x 500 mg po über 2 Wochen Stadium 2 (Generalisationsphase): wie bei Stadium I über 2 Wochen oral oder Ceftriaxon 1 x 2 g iv über 2 Wochen, Cefotaxim 2 x 3 g iv über 2 Wochen, Penicillin G 4 x 5 Millionen U iv über 2 Wochen Stadium 3 (Spätmanifestationen): wie bei Stadium I/II, nur über 3 Wochen oral oder wie bei Stadium II, nur über 3 Wochen intravenös

Therapie der Lyme-Borreliose Stadium I/II 180 Patienten mit Erythema migrans ohne/mit Hinweisen auf eine Dissemination: - Gruppe 1: 1 x 2 g Ceftriaxon iv und 2 x 100 mg Doxicyclin oral 10 d - Gruppe 2: 2 x 100 mg Doxicyclin oral 10 d - Gruppe 3: 2 x 100 mg Doxicyclin oral 20 d Ergebnisse: - nach 20 d: Symptomfreiheit 64-71 % - nach 30 Monaten: Symptomfreiheit 84-90 % - kein Unterschied zwischen den Gruppen Wormser et al, Ann Intern Med 2003

Therapie der Lyme-Neuroborreliose Klinische Manifestation Therapie Dauer Frühe Neuroborreliose (Symptome < 6 Mo) Peripheres Nervensystem (Hirnnerven, Nervenwurzeln, periphere Nerven oder Meningitis) Doxicyclin 200 mg/d po Ceftriaxon 2 g/d iv Penicillin 20 Mio E/d iv Cefotaxim 3 x 2 g/d iv Zentrales Nervensystem (Myelitis, Enzepalitis, zerebrale Vaskulitis) Ceftriaxon 2 g/d iv 14 d 14 d European Federation of Neurological Societies Mygland et al, Eur J Neurol 2010

Therapie der Lyme-Neuroborreliose Klinische Manifestation Therapie Dauer Späte Neuroborreliose (Symptome 6 Mo) Peripheres Nervensystem (Polyneuropathie mit Acrodermatitis atrophicans) Doxicyclin 200 mg/d po Ceftriaxon 2 g/d iv Zentrales Nervensystem (Myelitis, Enzephalitis, zerebrale Vaskulitis) Ceftriaxon 2 g/d iv 21 d 21 d European Federation of Neurological Societies Mygland et al, Eur J Neurol 2010

Therapeutische Sonderfälle Therapierefraktäre Fälle: Gepulste Therapie nicht gesichert Persistierende Beschwerden über > 6 Monate nach adäquater antibiotischer Therapie einer Lyme-Borreliose ( Post-Borreliose-Syndrom ): Wert einer antibiotischen Therapie nicht gesichert; symptomatische Therapie Klempner et al, N Engl J Med 2001 Seltzer et al, JAMA 2000 Defektheilungen: Symptomatische Therapie

Vorgehensweisen Frischer Zeckenstich ohne Erythem oder Fieber: Beobachtung über 6 Wochen: Serologie nur bei beruflicher Exposition oder bereits früherer Borrelieninfektion (Ausgangsstatus) Symptome und/oder Befunde einer frühen Borrelieninfektion mit oder ohne erinnerlichen Zeckenstich: Serologie und ggf. Liquordiagnostik; antibiotische Therapie Symptome und/oder Befunde einer späten Borrelieninfektion mit oder ohne erinnerlichen Zeckenstich: Serologie und ggf. Liquordiagnostik; antibiotische Therapie erst nach Differentialdiagnostik (Ausschluss anderer Erkrankungen) und nicht bei therapierefraktären Fällen oder Post-Borreliose-Syndrom

Schlussfolgerungen Borrelienserologie bei frühen klinischen Manifestationen häufig noch negativ Positive Borrelienserologie bei klinisch unspezifischem Krankheitsbild noch kein Beweis für eine aktive und damit behandlungsbedürftige Infektion Stufendiagnostik mit zunächst Antikörpersuchtest (ELISA) und bei positivem oder grenzwertigem Befund sowie klinisch dringendem Verdacht Durchführung eines Bestätigungstestes (Immunoblot oder Line-Assay)

Schlussfolgerungen Persistenz von Antikörpern kein Beweis für noch vorhandene Krankheitsaktivität (z. B. chronische Infektion) oder Erfolg bzw. Misserfolg einer antibiotischen Therapie Beachtung der klinischen Falldefinitionen mit ggf. differentialdiagnostischen Untersuchungen Bei eindeutiger oder wahrscheinlicher Diagnose einer Lyme-Borreliose konsequente antibiotische Therapie über 2 bzw. 3 Wochen