Technische Universität Braunschweig Institut für Sozialwissenschaften



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Transkript:

Technische Universität Braunschweig Institut für Sozialwissenschaften Proseminar Wissensmanagement in der Unternehmenspraxis Dozentin: Dipl.-Päd. Anne Müller-Löfke SS 2005 Verfasser: Patrick Kolzuniak Hausarbeit: Wissensmanagement in KMU Abgegeben zum 30.09.2005

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...S.3 2. Begriffliche Klärung... S.4 2.1. Die deutsche Volkswirtschaft auf dem Weg in die Wissensgesellschaft. S.4 2.2. Wissensmanagement Ziele und Strukturen...S.5 2.3. KMU als Innovationsträger?...S.7 3. Die Möglichkeiten von Wissensmanagement in KMU anhand zweier Beispiele...S.8 3.1. Internalisiertes Wissen nutzen...s.8 3.2. Den Qualitätswettbewerb bestehen... S.9 4. KMU-interne Kritik an Wissensmanagement und ihre konstruktive Bearbeitung...S.11 4.1. Die Infrastruktur von KMU unter Berücksichtigung der Knappheit von Arbeit und (Eigen-)kapital...S.11 4.2. Interorganisationale Kooperation...S.12 4.3. Misstrauen und Konkurrenz...S.14 4.4 Vertrauensbildende Maßnahmen...S.16 5. Fazit...S.18 2

1. Einleitung Die Herausforderung stetiger Veränderungen von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen scheint in der Öffentlichkeit angesichts intensivster Diskussionen über notwendige Reformen mittlerweile die Qualität von Allgemeinplätzen erlangt zu haben. Phänomene wie Globalisierung, Technisierung und Tertiäsierung sind mittlerweile nicht nur auf der Makroebene relevant, sondern wirken sich auch zunehmend auf die Entscheidungen von privaten Haushalten und Unternehmen aus. Bereits in den 1970er Jahren wurde soziologisch die zunehmende Bedeutung der zu bewirtschaftenden Ressource "Wissen" erörtert (vgl. z.b. Bell 1975) - in den vergangenen Jahren wurden Begriffe wie "Wissensgesellschaft", "Wissensmanagement" oder "intelligente Produktion" auch im interdisziplinären und alltäglichen Sprachgebrauch heimisch und deuteten zudem einen Paradigmenwechsel des unternehmerischen Selbstverständnisses an. Dabei ist zu beobachten, das Forschungs- und Beratungsinstitutionen in der Literatur vornehmlich die veränderten Herausforderungen großer, zumeist industrieller, Unternehmen relativ erfolgreich behandeln und auf dieser Ebene den aktuellen Strukturwandel begleiten. Das wissenschaftliche Interesse an der Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in einer Wissensgesellschaft nimmt hingegen nur langsam zu. Dies mag verwundern, da gerade mittlere Unternehmen in der deutschen Volkswirtschaft häufig als Innovationsträger identifiziert werden. Die folgende Hausarbeit widmet sich der Frage ob und wie sich Wissensmanagement sinnvoll in KMU integrieren lässt - oder ob es sich bei Wissensmanagement lediglich um eine Herausforderung der großen Industriebetriebe handelt. Diese Frage soll in drei Schritten beantwortet werden: Kapitel 2 reflektiert die makrosoziologische Entwicklung zur Wissensgesellschaft, die Möglichkeit, die Ressource "Wissen" mit Hilfe von Managementmethoden zu bewirtschaften und schließlich die Bedeutung von KMU innerhalb veränderter Rahmenbedingungen. 3

Kapitel 3 konkretisiert den Nutzen des Wissensmanagements in KMU anhand der Auseinandersetzung mit empirisch nachgewiesenen Herausforderungen wie zunehmendem Qualitätswettbewerb und internalisiertem Wissen. Kapitel 4 befasst sich mit der konstruktiven Bewältigung struktureller Hemmnisse von KMU in der Gestaltung individuellen Wissensmanagements. Ziel ist es, Nutzen und Nachteil des Wissensmanagements in KMU in ein möglichst realistisches Verhältnis zu setzen und damit die gestellte Fragestellung zu beantworten. 2. Begriffliche Klärung 2.1 Die deutsche Volkswirtschaft auf dem Weg in die Wissensgesellschaft 1975 veröffentlichte der us-amerikanische Soziologe Daniel Bell seine Überlegungen zur post-industriellen Gesellschaft (vgl. Giddens 1999, S.576). Bell machte den Trend zu einem tiefgreifenden ökonomischen Wandel u.a. an den rückläufigen Beschäftigungszahlen innerhalb der Industrie (sekundärer Sektor) und der zunehmenden Bedeutung von Wissen und Informationen anstatt von Rohstoffen im Produktionsprozess deutlich (vgl. Giddens 1999, S.576f.) und verschaffte dadurch dem Begriff der "Wissensgesellschaft" besondere Bedeutung. Bell s Einschätzung deckt sich mit dem Zyklenmodell von Kondratieff, welches für alle 30-50 Jahre technologische Basis-Innovationen und damit wirtschaftliche Umbrüche prognostiziert (vgl. Götz/Schmid 2004, S.38): So geht man davon aus, das seit Ende der 1980er Jahre die zentrale Bedeutung elektronischer Produkte langsam durch wissensintensive Forschung, Entwicklung und Dienstleistung innerhalb unterschiedlichster Anwendungsgebiete (von Informatik bis Lebenswissenschaften ) abgelöst wird. Mittlerweile ist diese Prognose der Wissensgesellschaft zum viel rezipierten Gegenstand für Politik und Ökonomie geworden, was sich an verschiedenen Indikatoren aus der betriebswirtschaftlichen Literatur nachweisen lässt: 4

effiziente und qualitativ hochwertige Produktionstechniken basieren auf einem beträchtlichen Wissens-Input in Forschung, Entwicklung und Betreibung (vgl. North 2002, S.14 ff.) Beispiel: Soft- und Hardware, Handys, medizinische Technologie (vgl. Willke 2001, S.2) die Nachfrage nach kundenspezifischen und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen nimmt zu (vgl. North 2002, S.26) Beispiel: ärztliche, juristische und technische Beratungen (vgl. Willke 2001, S.2) die kostengünstige Produktion internationaler Konzerne in Entwicklungs- und Schwellenländern wäre ohne modernste Informations- und Kommunikationstechnologien, Verkehrstechnologie, Datenaustausch über globale Entwicklung von Preisen und Produkten etc. nicht möglich (vgl. North 2002, S.15) Beispiele: Internet, internationales Handelsrecht (vgl. Willke 2001, S.302) Aus Perspektive ökonomischer Mikro- und Makroperspektive ist Partizipation an den Innovationen der Wissensgesellschaft für nachhaltiges Wachstum oftmals unumgänglich (vgl. Mankiw 2003, S.252). Auch im öffentlichen Diskurs gilt die Förderung des Produktionsfaktors Wissen in Aus- und Weiterbildung mittlerweile als wesentlicher Bestandteil der Standort- und Infrastrukturpolitik (vgl. Götz/Schmid 2004, S.44 f.). Allerdings bleibt umstritten, inwiefern der strukturelle Wandel zur Wissensgesellschaft sich positiv auf nationale Arbeitsmärkte auswirken kann. Unumstritten gilt hingegen, das wissensbasierte Kompetenz für den Einzelnen im Bereich höherer und mittlerer Aufgabenprofile die persönliche Unabkömmlichkeit und dadurch auch die Rationalisierungsresistenz erhöht (vgl. Willke 2001, S.302). 2.2. Wissensmanagement Ziele und Strukturen Wissen lässt sich definieren als die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Personen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfaßt sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. (North 5

1998, S.39). Für Unternehmen ist Wissen besonders dann relevant, wenn es sich auf die eigenen Kernkompetenzen bezieht (im folgenden vgl. North 1998, S.40): Kernkompetenzen zeichnen sich dadurch aus, das sie für das gesamte Unternehmen von Interesse sind, zur Hervorhebung gegenüber anderen Anbietern führen, nicht leicht imitierbar bzw. transferierbar sind und gegenüber weiteren Unternehmenskompetenzen synergetisch wirken. Auch wenn umstritten bleibt, ob Wissen ein knappes Gut darstellt, so steht zumindest in der Literatur fest, das es sich um ein kostbares Gut handelt. Wissensmanagement verfolgt die Strategie, Ziele zu entwickeln, Informationen und Fähigkeiten in Wissen und Handlungen umzusetzen und Informationen sowie Daten systematisch zu bewirtschaften (vgl. North 1998, S.41 f.). Diese Zielsetzung findet ihre Anwendung in diversen Formen von Bildung, Beratung und Kooperation (vgl. North 1998, S.233). Problematisch ist allerdings, das Wissen sich mit herkömmlichen betriebswirtschaftlichen Verfahren deutlich schwieriger als Arbeit oder Kapital messen und bewerten lässt (vgl. North 1998, S.220 f.). So machten Kaplan und Norton darauf aufmerksam, das es hierbei oftmals unternehmensspezifischer Indikatoren und Methoden bedarf (vgl. North 1998, S.233 f.). Trotz der Perspektive einer Wissensgesellschaft ist es erstaunlich, das Wissensmanagement lange Zeit eher als Modeerscheinung denn als Baustein nachhaltiger Unternehmensführung verstanden wurde. Daher stellt sich die Frage, warum Wissensmanagement mittlerweile (von der Großindustrie ausgehend) an zunehmender Attraktivität gewonnen hat. Die Entscheidung, Wissensmanagement zu implementieren, erwächst aus der Einsicht, das die komplexen Probleme einer Wissensgesellschaft nur mit wissensintensiven Lösungsstrategien bewältigt werden können (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.226 f.). Was zunächst als Krise für die Zukunftsfähigkeit von Betreiben erscheint, entpuppt sich bei genauerer Überprüfung auch als Chance, verborgene Potenziale aufzudecken und nutzbar zu machen (vgl. Pawlowsky et.al 1998, S.232). So gelang es z.b. dem Großbetrieb Dow Chemical durch Systematisierung seiner Patente 40 Mio. Dollar zusätzliches Kapital zu erzielen (vgl. North 1998, S.44). 6

Die Konsequenz erfolgreichen Wissensmanagements liegt allerdings auch darin, das es einen Wandel der Unternehmenskultur erfordert, um mit Vertrauensbildung und intensivierter Kommunikation den Austausch von Wissen zu ermöglichen (vgl. Götz/Schmid 2004, S.56). Dies bedeutet, das Wissensmanagement nicht nur auf technische und betriebswirtschaftliche Themen bezogen sein darf, sondern auch die Soft Skills (z.b. Entscheidungs- und Sozialkompetenz) integrieren sollte (vgl. Götz/Schmid 2004, S.59). Obwohl die Bereitschaft zu diesem kulturellen Wandel momentan unter Führungskräften wenig ausgeprägt erscheint (vgl. Götz/Schmid 2004, S.52 f.) gibt es hoffnungsvolle Tendenzen: So berichten z.b. die Fallstudien von North et al. in KMU der IHK Lahnkreis- Dillenburg (vgl. IHK Lahn-Dill 2005), das Projektteams und Geschäftsführer durchaus reges Interesse an Veränderungen ihrer Unternehmenskultur sowie der Ausschöpfung bislang unentdeckter Potenziale zeigen. 2.3. KMU als Innovationsträger? Der Begriff der KMU lässt sich verschieden definieren. Die EU (vgl. BDI 2005) geht in ihren Förderprogrammen davon aus, das es sich hierbei um die kleinen unter den mittleren Unternehmen handelt (so wird z.b. eine Höchstgrenze von 250 Beschäftigten festgelegt). Diese Hausarbeit bezieht sich zwar überwiegend auf diese Größenordnung, fasst den Begriff der KMU allerdings weiter im Sinne kleiner und mittlerer Unternehmen, d.h. sich bezieht den im politischen Diskurs besonders relevanten Mittelstand mit Betrieben der Größenordnung von über 2000 Mitarbeitern in Anlehnung an Pawlowsky et al. (1998) mit ein. In den vergangenen Legislaturperioden haben sowohl Regierung als auch Opposition ein reges Interesse an der Förderung von KMU gezeigt (vgl. Schröder 2003, Merkel 2005). Dieses Interesse hat verschiedene Ursachen: Vielfach werden KMU als Träger von Beschäftigung und Innovation und damit als Stütze der technologischen und sozialen Zukunft der BRD identifiziert (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.226). Dies ist u.a. darin begründet, das 3,3 Millionen kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland ca. 20 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen und insgesamt empirisch 7

über mehr Patente verfügen bzw. mehr Innovationen entwickeln als die gesamte Großindustrie (vgl. Brost 2004). Daher lässt sich mit einiger Berechtigung davon ausgehen, das KMU in Deutschland tatsächlich als Innovationsträger fungieren. Dieser Erfolg ist vielfach durch positive strukturelle Merkmale wie eine hohe Flexibilität (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.229, zur Problematik des Flexiblitätsbegriffs vgl. Sennett 1998), Identifikation und Motivation der Mitarbeiter (vgl. Daheim/Schönbauer 1993, S.26) begründet. Von externer Seite (Staat, Gewerkschaften) lässt sich bei KMU zudem eine höhere Kooperationsbereitschaft feststellen (vgl. Daheim/Schönbauer 1993, S.260). Daher lässt sich organisationssoziologisch die optimale Betriebsgröße durchaus innerhalb der KMU identifizieren (vgl. Daheim/Schönbauer 1993, S.60). 3. Die Möglichkeiten von Wissensmanagement in KMU anhand von zwei Praxisbeispielen 3.1. Internalisiertes Wissen nutzen Sogenanntes Humankapital steht für KMU oftmals den entscheidenden Produktionsfaktor dar (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.227): Dies gilt insbesondere für die Qualifikationen von Führungskräften, die über Fachwissen, Methodenkenntnis und persönliche Erfahrungen bis zu Soft Skills reichen (vgl. North 1998, S.153). Eine Vernachlässigung dieses Humankapitals kann spätestens mit dem Eintreten struktureller oder konjunktureller Probleme die Stabilität des Betriebes gefährden (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.227). Allerdings beschränkt sich das relevante Wissen der Organisation nicht nur auf die Führungskräfte: Man sollte vielmehr davon ausgehen, das jeder Mitarbeiter ein Wissensträger ist und durch seine (oftmals verborgenen) Fähigkeiten zum Erfolg des Betriebes beiträgt (vgl. Probst et al. 2003, S.67). Dieses Wissen kann durch verschiedene systematische Instrumente wie Gelbe Seiten oder Wissenslandkarten identifizierbar gemacht werden (vgl. Probst et al. 2003, S.67) und dadurch die rasche Kontaktierung von Wissensträgern ermöglichen (zahlreiche Praxisbeispiele finden sich auf wirtschaft- 8

lahndill.de/wissen/iframe/f_unternehmen.html). Der Vorteil dieser Techniken liegt darin, das zu relativ geringen Kosten (und oftmals EDV-gestützt) ein guter Überblick über das intellektuelle Potential des Unternehmens geliefert wird (vgl. Probst et al. 2003, S.67). Eine empirisch häufig auftretende Minderung unternehmerischen Wissens wird im Ausscheiden von Wissensträgern erkannt. Spezifisches Wissen liegt oftmals ausschließlich personengebunden und internalisiert vor zum Beispiel in Form von subjektiven Einsichten, Intuition und Praxiserfahrung (vgl. North 1998, S.48). Dieses Wissen lässt sich für das Unternehmen nur in Verbindung mit seinem individuellen Träger nutzbar machen scheidet dieser aus dem Betrieb aus oder entzieht sich sein Wissen befristet dem Zugriff (z.b. durch Krankheit oder Urlaub), so verliert der Betrieb einen bedeutsamen Wettbewerbsvorteil (vgl. North 1998, S.244). Eine Möglichkeit, diesem Risiko mithilfe von Wissensmanagement zu entgegnen, besteht darin, Wissen zu explizieren, d.h. es methodisch zu dokumentieren und dadurch außerhalb des Individuums zu speichern und weiter zu entwickeln (vgl. North 1998, S.49). Dieser Prozess kann sich durch Gespräche, kollektives Nachdenken und die Bewusstwerdung und Dokumentation intuitiven Handelns vollziehen (vgl. North 1998, S.51). In der unternehmerischen Praxis bestehen zahlreiche Beispiele für den Anspruch mithilfe von Wissensmanagement internalisiertes Wissen systematisch zu sichern (vgl. IHK Lahn-Dill 2005). Der Explikation verwandt ist die Sozialisation, die ebenfalls individuelles Wissen weitergibt, allerdings auf eine schriftliche oder digitale Fixierung sowie die Möglichkeit kollektiven Zugriffs verzichtet und statt dessen im Lehrlings-Meister-Verhältnis Wissen im Lernprozess vermittelt (vgl. North 1998, S.50). Der Nachteil dieser Beschränkung auf Sozialisation liegt darin, das das Wissen nicht der gesamten Organisation zur Verfügung steht (vgl. Willke 2001, S.14). Andererseits ist aber auch Explikation nicht unumstritten: So können technische oder soziale Defizite (von Problemen der Kodifizierung am PC bis zur bewussten Sabotage) den Wert expliziten Wissens mindern (vgl. North 1998, S.244). Daher ist zu hinterfragen, ob die erwartbaren Kosten der Explikation gegenüber dem Nutzen gerechtfertigt erscheinen oder ob es sinnvoller ist, sich auf 9

die kostengünstige Identifikation der Experten zu beschränken (vgl. Probst et al. 2003, S.71). 3.2 Den Qualitätswettbewerb bestehen Die Globalisierung der Märkte verändert die Anforderungen an KMU und ihre Geschäftsführung tiefgreifend (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.228): Qualitätsmängel können für den Betrieb eklatante Wettbewerbsdefizite verursachen (vgl. Probst 2003, S.144). Um Produktspezifität und marktfähige Herstellungskosten gewährleisten zu können ist daher ein hohes Maß an verfügbarem Wissen unerlässlich (vgl. North 1998, S.14 ff.), welches sich in gut ausgebildeten Mitarbeitern ebenso wie in intelligenten Produktionstechniken ausdrückt. Dabei können sich z.b. deutsche KMU auf die Unterstützung einer gut ausgebauten Infrastruktur von Bildung, Forschung und Entwicklung verlassen, die besser als ihr Ruf ist (vgl. Fischermann/Lamparter 2005 sowie North 1998, S.23 und Götz/Schmid 2004, S.43 f.). Es gibt zahlreiche Anwendungen für Effizienz- und Qualitätssteigerungen durch Wissenseinsatz: Mithilfe von CAD (computer-aideddesign) lassen sich z.b. maßgeschneiderte Produkte maschinell zu gleichen Kosten wie standardisierte Massenprodukte herstellen (vgl. Giddens 1999, S.340). Die Erfahrungen japanischer Unternehmen mit flexibler Fertigung haben gezeigt, das technische Optimierungen auch Investitionen in das Personal nach sich ziehen sollten: So wurden Mitarbeiter fortwährend qualifiziert bzw. die Effizienz in der Bewältigung technischer Probleme durch die Bildung interdisziplinärer und dadurch besonders kombinationsfähiger Arbeitsteams verstärkt (vgl. Giddens 1999, S.341). Arbeitskosten lasse sich auch durch eine aufrichtige Fehlerkultur, die aufgrund von lessons learned und offener Kommunikation neue Organisationsprinzipien entwickelt, senken (vgl. Probst 2003, S.144). Diese Form der humanen Rationalisierung durch das Ausschöpfen vorhandenen Wissenspotentials zeichnet sich als Synthese aus Mitarbeiterfreundlichkeit und Effizienz besonders aus. So haben Manager z.b. die Erfahrung gemacht, das Qualifizierungsmaßnahmen und Umschulungen für das Unternehmen günstiger sind als eine radikale hire-and-fire - Politik (vgl. Giddens 1999, S.360 f.) 10

Erste Schritte zu einer stärkeren Bewusstwerdung der Herausforderung höherer Produktionsanforderungen stellen in deutschen KMU bereits die oftmals erfolgreiche Einrichtung von Qualitätsmanagement und die Formulierung von Unternehmenszielen dar (vgl. Pawlowsky et al. 1998,S.228 ff.) 4. KMU-interne Kritik an Wissensmanagement und ihre konstruktive Bearbeitung 4.1. Die Infrastruktur von KMU unter Berücksichtigung der Knappheit von Arbeit und (Eigen-)kapital In gewisser Hinsicht ist die Infrastruktur von KMU der Implementierung von Wissensmanagement wenig förderlich: So besitzen gerade kleinere Betriebe weder hauptberufliches Weiterbildungspersonal noch betreiben sie systematisch und langfristig Weiterbildung (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.229). Insgesamt ist die Personalpolitik von KMU aufgrund der personellen und finanziellen Ressourcen von kurz- bis mittelfristigen Überlegungen geprägt (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.229). Diese Situation erschwert Wissensmanagement, da sowohl die erwartbaren Kosten als auch die Freistellung von im Produktionsprozess involvierten Mitarbeitern auf Führungskräfte abschreckend wirken können. Dazu erscheinen die Aufwendungen für Wissensmanagement oftmals höher als der erwartbare Nutzen. Daher neigen viele KMU entweder dazu, sich gegenüber Wissensmanagement generell zu verweigern oder lediglich singuläre bzw. standardisierte Interventionen zuzulassen (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.238), was allerdings eine fortlaufende Modifikation der Unternehmenskultur und damit den Erfolg des gesamten Wissensmanagements im Betrieb erschwert. Angesichts konjunktureller Probleme ist es durchaus verständlich, das KMU Sparmaßnahmen planen und umsetzen müssen Budgetkürzungen bei Weiterbildung und Personalentwicklung können allerdings mittelfristig die Zukunftsfähigkeit des gesamten Unternehmens gefährden (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.230 f.): So bleibt z.b. ohne fundiertes Wissen über das eigene 11

Unternehmen unklar, wo behebbare Kompetenzdefizite vorliegen oder vorhandene Potentiale verkümmern. Bei der Entscheidung für intensiviertes Wissensmanagement ist allerdings problematisch, das sich der Erfolg im Gegensatz zu den Kosten nicht sofort einstellt und insofern ein Risiko in sich birgt, welches sich unter Umständen zum tiefgreifenden Hemmnis für qualitativ hochwertiges Wissensmanagement entwickelt (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.238). 4.2 Interorganisationale Kooperation Die Größe eines KMU macht es ratsam, bei der Implementierung von Wissensmanagement externe Beratung zu engagieren (vgl. Hartlieb et al. 2003, S.219). Eine adäquate Reaktion auf Engpässe bei Personal und Kapital in Fragen der Weiterbildung und Qualitätsentwicklung stellen diverse Formen der interorganisationalen Kooperationen wie z.b. Verbände oder Netzwerke dar (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.233 ff.): Hierbei wird einerseits durch angewandtes Wissensmanagement die Qualität der Unternehmensprodukte erhöht gleichzeitig sind die Kosten aber geringer als beim Einsatz von singulären externen Interventionen. Diese Form der Kooperation wird in der Unternehmenspraxis keineswegs allein aufgrund von Engpässen gewählt selbst erfolgreiche Großunternehmen kooperieren z.b. in Forschung und Entwicklung, um positive Synergieeffekte zu erzielen (vgl. Willke 2001, S.284). Generell haben alle Formen von Netzwerken die Gemeinsamkeit, das sich unterschiedliche Partner zusammenschließen, wobei jeder Teilnehmer mit jedem anderen Teilnehmer interagiert (vgl. Hartlieb et al. 2003, S.210). Die Bedingungen eines erfolgreichen und langfristig aktiven Netzwerkes sind zusammengefasst in gemeinsamen Zielvorstellungen, umfassenden Kenntnissen über die Kooperationsziele aller Mitwirkenden sowie dem Bestreben nach einer tragfähigen Partnerschaft bis hin zur Entwicklung einer gemeinsamen Netzwerk-Identität zu sehen (vgl. Hartlieb et al. 2003, S.210). Generell kann man Netzwerke bzw. Verbundsysteme in drei verschiedene Ausprägungen (vertikal, horizontal, gemischt) 12

unterscheiden, die sich in ihrem Verhältnis von Nachfrager (KMU) und Anbieter von einander absetzen: Der vertikale Verbund besteht aus ein oder mehreren KMU, die mit ein oder mehreren Weiterbildungsunternehmen ein Netzwerk bilden (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.235) Der horizontale Verbund besteht aus mehreren KMU, die überwiegend untereinander Wissen austauschen und nur bei Bedarf einen externen Berater hinzuziehen (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.236, vgl. auch Hartlieb et al. 2003, S.211) Die (im folgenden vorausgesetzte) Mischform (in Anlehnung an Hartlieb et al. 2003, S.211 auch als diagonaler Verbund benennbar) besteht aus jeweils mehreren KMU und Weiterbildungsanbietern sowie weiteren Partnern wie Großunternehmen, Kammern, Wirtschaftsförderungseinrichtungen, Interessenverbänden, Arbeitsämtern, Hochschulen etc. (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.237). Die Mischform weist mehrere Vorteile innerhalb der Kooperation auf: Zunächst werden kommerzielle Beratungsangebote für den Einzelnen durch Kostenteilung günstiger und erwirken so ein Entgegenkommen an die problematische Eigenkapitalausstattung zahlreicher KMU (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.234). Dazu kommen qualitative Gewinne: Über die problemspezifische Personal- und Qualitätsentwicklung hinaus ergeben sich positive primäre (z.b. optimierte Produktionsentwicklung) und sekundäre (z.b. neue Markterschließungen) Effekte (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.237). Primäre Effekte entfalten ihre Wirkung besonders gut, wenn die Eigeninitiative der beteiligten Unternehmen während des Prozesses durch Experten unterstützt, aber nicht ersetzt wird (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.246). In diesem Zusammenhang existieren z.b. in der Region Braunschweig positive Erfahrungen (vgl. Ebeling 2005). Der Umstand, das abgesehen von der Wissensentwicklung attraktive Nebenprodukte wie neue Geschäftsbeziehungen, Beiträge zur Strukturpolitik oder auch wissenschaftlich verwertbare Erkenntnisse gewonnen werden, macht das Verbundsystem über die explizite Zielsetzung hinaus besonders interessant (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.237). 13

Andererseits ist das Verbundsystem in der Mischform kein Lösungsansatz, der sich schablonenhaft in die Realität umsetzen lässt. Vielmehr ist ein hohes Maß an Koordination und methodisch-didaktischer Vor- und Nachbereitung aufgrund der Komplexität des Verbunds unabdingbar (vgl. Pawlowsky et a. 1998, S.238 ff., vgl. auch Hartlieb et al. 2003, S.213). So ist es bei dem Kooperationsbedürfnis mehrer unterschiedlicher Unternehmen z.b. sehr wichtig aus unterschiedlichen Voraussetzungen ein gemeinsames Leitbild zu entwickeln und die Umsetzung des selben zu ermöglichen (vgl. North 1998, S.114). Dazu bedarf es oftmals formaler Absprachen über Rechte und Pflichten der teilnehmenden Partner, die gewünschte Größenordnung des Verbunds oder die Zugänglichkeit für weitere Teilnehmer, welche durch einen unabhängigen Koordinator sehr gut begleitet werden können (vgl. Hartlieb et al. 2003, S.212 ff.) 4.3 Misstrauen und Konkurrenz Die generelle Verweigerung von Kooperation macht produktives Wissensmanagement unmöglich, da Informationen in diesem Falle entweder zögerlich, selektiv und/oder gar nicht weitergegeben werden (vgl. North 1998, S.30). Wissensunternehmen versuchen daher, eine Wissensdiffusion zwischen Mitarbeitern und Abteilungen zu initiieren und die Tendenz zur gegenseitigen Abschottung ( not-invented-here-prinzip ) zu unterbinden (vgl. North 1998, S.30). Doch auch auf interorganisationaler Ebene sind sich Unternehmen dem Vorteil der Kooperation mittlerweile bewusst. Ein besonders einprägsames Beispiel dafür bildet die Zusammenarbeit konkurrierender Großunternehmen wie Siemens und Motorola in der Entwicklung von gemeinsamen Komponenten und Modulen, die sich erst wieder in differenzierten Endprodukten zugunsten der Konkurrenz auflöst (vgl. North 1998, S.77). Kooperation ist auf sämtlichen Ebenen sowohl innerhalb der Abteilungen unterschiedlich großer Unternehmen als auch zwischen Unternehmen oder gar innerhalb internationaler politischer Beziehungen möglich aber gleichzeitig mit Risiken verbunden: Kooperation bedarf des gegenseitigen Vertrauens, wobei Vertrauen eine riskante Vorleistung (Luhmann, zitiert nach Pawlowsky et al. 1998, 14

S.239) darstellt, da immer die Möglichkeit des Vertrauensmissbrauchs besteht (vgl. Willke 2001, S.277, vgl. auch Nieder 1997, S.25). Eine kompakte Definition von Vertrauen lautet: Ein Individuum (A) vertraut einem anderen Individuum (B) immer dann, wenn A davon ausgeht, daß B das tun wird, was er A versprochen hat zu tun (Nieder 1997, S.27). Das besondere Risiko besteht also darin, das hierbei im Gegensatz zum unmittelbaren Tausch eine Gegenleistung erst zu späterem Zeitpunkt erbracht wird (vgl. Nieder 1997, S.27). Andererseits ist Vertrauen in sozialen Beziehungen nicht nur riskant, sondern auch absolut notwendig, da es verlässliche Informationen durch Erwartungen ersetzt und dadurch (nach Luhmann) eine nicht allein durch Wissen zu bewältigende Komplexität reduziert (vgl. Willke 2001, S.277 f.). Daher lässt sich Vertrauen auch zum maßgeblichen Indikator gelungener Kooperation erheben (vgl. Hartlieb et al. 2003, S.226). So gesehen ermöglicht erst die Erwartungssicherheit des Vertrauens variierendes und flexibles Handeln (vgl. Nieder 1997, S.25) und stellt sich dabei gleichermaßen absolut gesetztem Formalismus als auch totaler Unberechenbarkeit entgegen (vgl. Nieder 1997, S.63). Die Gefahr von Vertrauensmissbrauch besteht hingegen, wenn einzelne Teilnehmer egoistische Nutzenmaximierung (Pawlowsky et al. 1998, S.239) zulasten anderer Teilnehmer betreiben, indem sie eigenes Wissen vorenthalten ( free-rider- Verhalten, vgl. Willke 2003, S.130) oder aber mit dem Vertrauen des Partners unverantwortlich umgehen (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.240). Dabei ist Vertrauensbruch auf nahezu allen intra- und interorganisationalen Ebenen möglich sogar im Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter (vgl. Götz/Schmid 2004, S.53), indem z.b. eine Kultur der Angst eher zum Verbergen als Bearbeiten vorhandener Defizite führt (vgl. Probst et al. 2003, S.94). Der Reiz, Kooperation zu missbrauchen, kann dann auftreten, wenn sich Partner innerhalb einer sozialen Beziehung im Interessenkonflikt zwischen kooperativem Handeln zum kollektiven Nutzen und egoistischem Handeln zum ausschließlich individuellen Nutzen befinden (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.239). Diese Haltung drückt sich sogar innerhalb großer Unternehmen aus, wenn der Erfolg der Abteilung höher als der Unternehmenserfolg bewertet wird (vgl. North 1998, S.79). 15

Ohne Vertrauen pervertiert sich Kooperation daher zum Nullsummenspiel oder es entwickelt sich eine Kultur des Misstrauens mit einem kontraproduktiven Anstieg der Transaktionskosten von Wissen, da sich sämtliche teilnehmenden Personen zunehmend gegenseitig kontrollieren müssen (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.239): Die fortwährende Überprüfung des Wahrheitsgehaltes von Aussagen dürfte die Reaktionsgeschwindigkeit innerhalb sozialer Beziehungen radikal verlangsamen und dadurch auch die Qualität von Forschung, Entwicklung oder Produktion gefährden (vgl. Nieder 1997, S.25). Ein weiteres Problem besteht darin, das bereits einmaliger Vertrauensbruch das soziale Klima nachhaltig schädigt und damit den fortwährenden Wissensaustausch langfristig behindert (vgl. Willke 2001, S.278, vgl. auch Nieder 1997, S.32). 4.4 Vertrauensbildende Maßnahmen Vertrauensbildung bedarf Verbindlichkeit schaffender Werte, Normen und Regeln (vgl. Nieder 1997, S.27) vergleichbar der Annahme politischer Theorie, das Freiheit der Begrenzung bedarf um nicht in Unfreiheit auszuarten (vgl. Hereth 1995, S.32 ff.). Daher sind als Bedingungen von Vertrauensbildung z.b. Ehrlichkeit, Offenheit und tolerante Kommunikation zu nennen (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.240). Einen spezifischen Beitrag im Aufbau von Vertrauen zwischen Unternehmen stellt die Parallelität von Branchenheterogenität und Problemhomogenität innerhalb eines Verbundes dar (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.240). Dies bedeutet, das die Unternehmen einerseits in ihrer Struktur so beschaffen sind, das Kooperation für alle Teilnehmer aufgrund gleicher Interessen und Probleme sinnvoll ist andererseits aber die Branchenheterogenität keinerlei Konkurrenz und damit auch nur geringe Anreize zum Vertrauensbruch anbietet. Um Regeln zu internalisieren ist es unerlässlich, das nicht nur die einzelnen Teilnehmer, sondern auch das System selbst vertrauenswürdig sind (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.240). Um eine vertrauensfördernde Struktur des Verbundsystems zu entwickeln mag es hilfreich sein, folgende Indikatoren zu beachten (vgl. dazu im folgenden Pawlowsky et al. 1998, S.241): 16

Die Kommunikationsstrukturen sollten offen sein, d.h. Kooperationsrisiken sollten durchaus im Verbund ebenso wie gemeinsame Erfahrungen und Normen kommuniziert werden. Oftmals ist es hilfreich, wenn dazu auch eine räumliche Nähe der Teilnehmer vorhanden ist Die Teilnehmerzahl sollte überschaubar sein und eine stabile Fluktuationsrate aufweisen, um Stabilität zu erzielen. Veränderungen sollten generell konsensual abgestimmt werden, wobei eine Teilnehmerzahl von 20 Unternehmen als Obergrenze gelten sollte, um ausreichende gegenseitige Bekanntschaften zu ermöglichen (vgl. auch Hartlieb et al. 2003, S.222) Interdependenz beinhaltet z.b. die gegenseitige Abhängigkeit der Teilnehmer in der Entwicklung von Lösungen für ähnlich geartete Probleme bei Branchenheterogenität Multidimensionalität neben dem organisierten Austausch von Wissensinhalten ist oftmals die ergänzende Dimension persönlicher Beziehungen hilfreich (vgl. dazu auch Willke 2001, S.279). Allerdings sollte darauf geachtet werden, das persönliches Vertrauen lediglich komplementär zum Systemvertrauen wirkt, da ansonsten das (z.b. altersbedingte) Ausscheiden personaler Teilnehmer die Stabilität des Verbundes gefährdet (vgl. Willke 2001, S.279). Der Verbundinitiator sollte schließlich über besondere Integrität verfügen Um Vertrauensbildung innerhalb des Verbundes zu erlangen, sollte neben der Beachtung obiger Indikatoren auch auf einen angemessenen Einstieg in das gemeinsame Projekt geachtet werden wie z.b. durch die Fürsprache kompetenter Persönlichkeiten und Institutionen sowie eine gründliche Vorbereitung (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.242 ff.). Dabei sollten ausdrücklich vertrauensbildende Regeln erörtert und gegebenenfalls schriftlich festgehalten werden (vgl. Pawlowsky et al. 1998; zur praktischen Anwendung vgl. Ebeling 2005). Einen möglichen Einstieg in vertrauensvolle Kooperation zeigen Pawlowsky et al. (1998) auf: Zunächst wird in einer Identifikationsphase der am Verbund beteiligten Teilnehmer eine klare, gemeinsame Zielsetzung erörtert, die deutlich macht, das alle involvierten Personen und Organisationen von der Zusammenarbeit profitieren (vgl. Pawlowsky et a. 1998, S.243). In einer anschließenden Kick-Off-Phase stehen 17

sowohl der Ausbau individueller Motivation als auch das persönliche Kennen lernen der Beteiligten im Mittelpunkt (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.245). Dabei ist es wichtig, das vorhandene Ressentiments offen thematisiert werden (vgl. Pawlowsky et al. 1998, S.245). Ziel sollte sein, durch die Institutionalisierung von Regeln eine solide Ausgangsbasis für Systemvertrauen zu ermöglichen (vgl. Willke 2001, S.281) um daraus (in Anlehnung an die Spieltheorie Axelrods) eine Evolution der Kooperation (vgl. Schörnig 2003, S.83 ff.) zu ermöglichen: Anfänglich geschieht Kooperation häufig nur in der Peripherie des gemeinsam zu bearbeitenden Themenkomplexes, nicht aber innerhalb der Kernkompetenzen der Produktion (vgl. Willke 2001, S.281). Im Verlauf des Kooperationsprozesses vorausgesetzt einer ernsthaften Bemühung um internen kulturellen Wandel zum Wissensunternehmen (vgl. Willke 2001, S.283) ist es denkbar mit zunehmender ethischer Kodifizierung sowohl auch Unternehmens- als auch Verbundebene ein Vordringen in die Kernkompetenzen und zugleich eine Loslösung von expliziten zugunsten internalisierter Regeln zu erzielen (vgl. Hartlieb et al. 2003, S.224; vgl. auch Willke 2001, S.283 f.). Dabei sollte das Potenzial der intraorganisationalen Ebene allerdings nicht unterschätzt werden: Es ist ratsam, das oftmals sehr ausgeprägte, subjektive Interesse der Mitarbeiter (vgl. Baethge 1994, S.246) durch den Abbau von Kooperationsbarrieren in das Gesamtkonzept zu integrieren (vgl. Nieder 1997, S.32): Es ist z.b. möglich, das Qualifikationsangebote, die gleichermaßen den individuellen Ehrgeiz des Mitarbeiters befriedigen wie die Bindung an das Unternehmen verstärken, produktivere Leistungsanreize als Gehaltserhöhungen darstellen (vgl. North 1998, S.144). Auf allen Ebenen der Wissensentwicklung ist es daher ratsam, das einerseits ausufernde Kontrollen zugunsten von mehr individueller Gestaltungsfreiheit vermieden wird, andererseits aber Führungskräfte bzw. Koordinatoren auch selbst eine Kultur des Vertrauens vorleben (vgl. Nieder 1997, S.35). 5. Fazit Die Initiierung von Wissensmanagement in KMU stellt keine simple und einmalige Tätigkeit sondern vielmehr einen langfristig angelegten und hochgradig sinnvollen 18

Prozess dar. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen in einer globalisierten Wirtschaft stellen KMU vor der entscheidenden Herausforderung, ihr geistiges Potenzial stärker als bislang für die Entwicklung von Innovationen zu gebrauchen. Entgegen des Mainstreams innerhalb der Literatur, das Wissensmanagement vorwiegend in der Großindustrie anwendbar sei, besitzen auch kleine und mittlere Unternehmen hohe Erfolgsaussichten, mit ausgewählten Instrumenten effiziente und qualitativ hochwertige Produktion zu betreiben. Aufgrund ihrer begrenzten Größenordnung bzw. Kapitaldecke sind allerdings Formen interorganisationaler Kooperation, z.b. in Lern- und Qualitätszirkeln oder Verbundsystemen, ratsam. Dieser Ansatz mag im Vorfeld der Zusammenarbeit auf Skepsis stoßen, da Unternehmer durch die Weitergabe von Informationen Wettbewerbsnachteile befürchten. Mithilfe vertrauensbildender Maßnahmen, z.b. allgemein verbindlichen Regeln, lassen sich diese Zweifel allerdings meist konstruktiv bearbeiten. Die empirisch nachweisbaren Erfahrungen kooperierender Unternehmen, auch im Bereich der KMU, belegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt, das durch die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen Wissensziele erfolgreich realisiert werden konnten. Dabei bleibt allerdings zu beachten, das eine gründliche methodisch-didaktische Vor- und Nachbereitung sowie flexible Formen der Prozessbegleitung für ein Gelingen des Prozesses zumeist unabdingbar sind. 19

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