1 5 PROPORTIONEN Der Mensch hat die Fähigkeit, optische Informationen aufzunehmen. Das Sehen beeinflusst und regelt bisweilen unser Empfinden. Der wichtigste Teil beim Gestalten ist das Bestimmen von Proportionen. Diese sind nicht nur auf Grössen und Formen beschränkt, sondern bestimmen auch Helligkeit, Farben und die Stellenwerte der einzelnen Elemente des Formates. Das Entscheidende ist, die richtigen Verhältnisse aller Elemente zu finden, eine interessante Beziehung zwischen ihnen zu schaffen, denn unsere optische Wahrnehmung nimmt den Gesamteindruck auf und nicht eine Einzelheit. Das Bestimmen der Proportionen ist der erste Schritt bei der Gestaltung. Dabei kommt es darauf an, ästhetische und funktionale Überlegungen in Einklang zu bringen. Viele ausgewogene Proportionen finden sich in der Natur ideal vorgegeben (auch der menschliche Körper entspricht dem goldenen Schnitt). Die Reihe der Goldenen-Schnitt-Masse ist wie folgt definiert: 3 : 5 : 8 : 13 :21 : 34 usw. Als Grundlage des Goldenen Schnittes hat sich Le Corbusier einen sechs Fuss hohen Menschen genommen und daraus ein Proportionierungs-System entwickelt (6 x 30,84 cm = 182,88 cm = 183 cm). Geometrisches, Optisches und Organisches Geometrie alleine genügt nicht für eine gute Form. Das optische und ästhetische Empfinden ist der Geometrie übergeordnet. Auch das raffinierteste System von Verhältniszahlen kann dem Gestalter die Entscheidung darüber nicht abnehmen, wie ein Wert zu einem andern gestellt werden soll. Das Proportionsgefühl muss unentwegt geschult werden. Ein erfahrener Gestalter weiss, wenn das Spannungsverhältnis zwischen mehreren Elementen zu stark wird und der Zusammenklang gefährdet wird. Anhand eines Quadrates kann das Gefühl und Auge für Proportionen ausgebildet werden.
2 5 Hier einige Beispiele, wie wir geometrische Formen empfinden: Das geometrische Quadrat ist für das Auge niedriger als breit. Das optische Quadrat muss daher leicht überhöht sein. Bei einer geometrischen Querteilung wirkt die untere Hälfte kleiner. Der fette Querbalken wirkt fetter als der geometrisch gleich fette Balken hochgestellt. Das schwarze Quadrat wirkt optisch in der Verkleinerung als abgerundeter Punkt. Zwei konstruierte Halbkreise, zur S-Form zusammengefügt, können sich nicht organisch verbinden. Beide Bewegungen werden an der Nahtstelle gestoppt und es entsteht ein Knick. Weisses und schwarzes Quadrat in gleicher Grösse. Das weisse Quadrat auf Schwarz überstrahlt seine Grenzen und wirkt dadurch grösser, als das schwarze Quadrat auf weissem Grund. Neben Gestaltungsmitteln, wie Schrift, Linie, Schmuck und Falz ist die Flächeneinteilung, das Verhältnis von bedruckten zu Flächen und zur Gesamtfläche (Format), ein entscheidender Faktor. Schon ein einzelner Buchstabe oder ein Wort, in eine Fläche gesetzt, stellt Beziehungen zu seiner Umgebung her, teilt die Gesamtfläche auf. Selbst die Buchstabenform beeinflusst unterschiedlich. Es entstehen imaginäre Bezugslinien.
3 5 Auch die Verhältnisse der Kantenlängen zueinander beeinflussen die Gesamtfläche in ihrer Wirkung. Die Gleichmässigkeit einer quadratischen Fläche wirkt eintönig, neutral, ausgewogen. Es ist trotzdem eine Idealfläche, denn vertikale und horizontale Anordnung sind gleichermassen anwendbar. Im Rechteck, wo Länge und Breite verschieden sind, kann etwas Strebendes, eine Vorzugsrichtung der längeren seite, eine gewisse Spannung zwischen beiden Seiten entstehen. Zwischen den Extremen Quadrat und Streifen gibt es Formate, die als ausgewogen bezeichnet werden können. Sie spielen in der Praxis der Papierherstellung und -verarbeitung eine grosse Rolle, z.b. der Goldene Schnitt mit dem Seitenverhältnis 5 : 8 oder die DIN-Formate mit dem Seitenverhältnis 5 : 7. Die beiden Formate jeweils mit einem Element auf metrischer und optischer Mitte. Bei genauer Betrachtung können immer wieder zwei Prinzipien der Anordnung festgestellt werden: das symmetrische und das Asymmetrische. Symmetrie bedeutet regelmässige Anordnung, Ebenmässigkeit eines Gegenstandes. Links und rechts, oben und unten einer Mittelachse sind die Elemente gleichmässig angeordnet. Dies wirkt statisch, manchmal auch gezwungen, gekünstelt. Asymmetrie verzichtet auf Gleichmässigkeit, die Zuordnung ist unregelmässig. Solche Anordnungen wirken natürlicher, dynamisch, lebendig. Sie lassen für Variationen einen ungleich grösseren Spielraum.
4 5 Geometrische Grundelemente Der Punkt, das Rechteck, das Quadrat, die Fläche und die Linie sind die Ur-Elemente und die Bausteine der grafischen Gestaltung. Die drei Erstgenannten sind statisch, die Linie hat eine Beschleunigende oder stützende Ausdehnung. Die Fläche hat Ausdehnungscharakter, ist im Grunde eher formschwach; sie ist eine Grunderscheinung der formalen Bildmittel. Gestaltung heisst, alle diese optischen Elemente zu einer Gestalt zusammenzufassen. Kontrast Durch Gegensätze entstehen Kontraste (Helligkeit und Dunkelheit, Grösse und Kleinheit, Maximum und Minimum, Waagrechte und Senkrechte etc.). Dadurch verändert oder verstärkt sich die Wirkung. Kontraste sind als Gestaltungsmittel von grosser Bedeutung. Sie können eine Gestaltung laut, harmonisch, bewegt, leise oder eben auch spannungslos oder sogar langweilig machen. Unser Sehen bewertet Kontraste nicht absolut, sondern immer in Beziehung zur Umgebung. Rhytmus
5 5 Rhytmus ist optische Bewegung, eine Wiederkehr von Vorgängen. In der Natur, Kunst und Architektur können viele Abstufungen rhytmischer Vorgänge abgelesen werden. Rhytmus kann aus der mathematischen Folge geboren werden, aber genauso auch aus dem Empfinden. Symmetrie und Asymmetrie Die Symmetrie war und ist seit Jahrhunderten das wichtigste Gestaltungsprinzip der Kunst, Architektur und auch der. Symmetrie war Konvention und Ordnungsprinzip. Symmetrie heisst Regel-, Gleichmässigkeit und Deckungsgleichheit. Heute gibt es keinen Gesin nungsstreit mehr, ob Symmetrie oder Asymmetrie die richtige oder bessere Lösung ist. Beide Arten können zu guten Resultaten führen. Farbe Farbe kann muss aber nicht eine gestalterische Arbeit verstärken. Farbe kann führen, schmücken, signalisieren, gliedern und kann beruhigen oder schreien. Farbe wird am besten sparsam und gezielt eingesetzt, sonst kann die Gefahr bestehen, dass sich die Wirkung aufhebt oder sogar eine billig wirkende Unordnung entsteht. Der Effekt der Farbe ergibt sich nie aus der Farbe an sich, sondern immer durch eine Wechselwirkung mit der Umgebung (Farbkontraste, Farbharmonien, Farbwirkungen). IT-Tools InDesign HTA Luzern 2012. Sabina Oehninger Quelle: Typographie, Emil Ruder, Verlag Niggli AG, ISBN 978-3-7212-0043-0