Aufklärung über Verhütungsmittel



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Aufklärung über Verhütungsmittel Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner LL.M. Universität Wien - Juridicum

Themen Aufklärungspflicht Behandlungsfehler Mögliche Schäden: Unterhaltskosten bei Geburt eines Kindes Nebenwirkungen

Problem Erklärung der EMA über Kontrazeptiva neuer Generation: «Geringfügig erhöhtes Thromboserisiko bei einigen Risikogruppen» im Vergleich zu den «alten» Verhütungsmitteln. Fragen Dürfen Verhütungsmittel der neuen Generation verschrieben werden? Worüber ist die Patientin aufzuklären? Zugelassene Arzneimittel Unterschiedliche Vor- und Nachteile: Nebenwirkungen, Compliance der Patientin,

BGH Aufklärungspflicht über Nebenwirkungen von Medikamenten BGH 2005 Patientin (30 J), Raucherin, Menstruationsbeschwerden, Dysmenorrhoe, Eisenmangelanämie Nov 94: Verschreibung von Cyclosa - Pille und Rauchen verträgt sich nicht Feb 95: Hirninfarkt

BGH Aufklärungspflicht über Nebenwirkungen von Medikamenten Urteil: Verschreibung agressiver bzw nicht ungefährlicher Medikamente = Eingriff Aufklärungspflicht über typische Risken (Gefäßverengung Infarkt) Warnung in Packungsbeilage reicht nicht aus Aussage: Pille und Rauchen verträgt sich nicht ist nicht ausreichend Unkenntnis der schwerwiegenden negativen Folgen.

OGH Aufklärungspflicht über Nebenwirkungen von Kontrazeptiva OGH Nov 2014 2007: Verschreibung einer Antibabypille bei 15-jährigen Patientin 2009: Becken-Beinvenenthrombose. Ursache: ein nicht bekanntes Faktor-V-Leiden Erhöhung des Thromboserisikos in Kombination mit der Pilleneinnahme Aufklärung und Anamnese Aufklärung über allgemeines Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille Befragung über Familienanamnese: ( ob ihr in der Familie bis zur Großmutter Erkrankungen und eine Thrombose bekannt seien ). Untersuchung auf Krampfadern und Blutdruckkontrolle (niedrig) war. Dokumentation: Patientin jung, sportlich, schlank, Nichtraucherin mit niedrigem Blutdruck und ohne bekanntes Thromboserisiko in der Familie = Ausschluss der fünf Hauptfaktoren für ein erhöhtes Thromboserisiko

OGH Nov 2014 Aufklärungspflicht über Nebenwirkungen von Kontrazeptiva Urteil: Keine Verpflichtung zur Durchführung eines APC-Tests Keine Verpflichtung zur Information der Patientin, dass es einen solchen Test gibt, wenn im konkreten Fall kein erhöhtes Thromboserisiko besteht. Dass Antibabypillen der neuen Generation Substanzen enthalten, die allenfalls ein leicht erhöhtes Thromboserisiko haben können, war 2007/08 noch nicht bekannt.

Aufklärung über alternative Medikation Behandlungsalternativen: Aufklärung über alternative Behandlungsmöglichkeiten ist erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.

Behandlungs- und Diagnosefehler

Diagnosefehler Pessar OLG Hamm Sachverhalt Einsetzen eines intruterinen Pessars: Vornahme aller Untersuchungen, die im Zusammenhang mit der Einlage eines Intrauterinpessars geboten waren. Spiegelung und Sondierung sonographische Kontrolle. Vagina duplex und Uterus duplex Geburt eines gesunden Kindes

Diagnosefehler Pessar OLG Hamm Urteil Zu weitergehenden Untersuchungen ist der Gynäkologe nach dem medizinischen Standard im Zusammenhang mit einer Spiraleneinlage nicht verpflichtet Keine Verpflichtung nach einer intrauterinen Fehlbildung zu suchen. Kein Diagnosefehler: das Ziehen des falschen Schlusses aus den vollständig erhobenen Befunden stellt für sich allein nur einen nicht haftungsbegründenden Diagnoseirrtum dar. Ein haftungsbegründender Diagnosefehler liegt stattdessen erst vor, wenn die Diagnose für einen gewissenhaften Arzt bei ex- ante-sicht medizinisch nicht vertretbar ist.

Implanon Wrongful conception OLG Karslruhe Implantation Schwangerschaft der Patientin (21 Jahre, nicht verheiratet, vor Antritt einer neuen Stelle) Geburt eines gesunden Kindes Klage auf den Kindesunterhalt beider Eltern (ca 200.000) Urteil: Implantat konnte nicht gefunden werden, Wirkstoff konnte im Blut nicht nachgewiesen werden Gutachten: Ungewollter Verlust des Röhrchens ist nicht möglich Versagerrate: 0% Vermutung der fehlerhaften Implantation Praktisches Training laut Herstellerangaben notwendig Familienplanung ist auch dann schützenswert, wenn die Patientin noch kein Kind geboren hat Auch der Unterhalt des Vaters ist zu ersetzen, da er durch den Behandlungsvertrag der Kindesmutter mitgeschützt wird Vertrag mit Schutzwirkung Dritter

Wrongful birth Wrongful conception

OLG Oldenburg Sachverhalt 41 Jahre Patientin ersucht um Abklärung ob eine Schwangerschaft vorliegt. Familienplanung bereits abgeschlossen Weitere Gründe gegen eine Mutterschaft (u. a. psychische Probleme und finanzielle Schwierigkeiten) Ultraschalluntersuchung: Gynäkologe verneint Schwangerschaft Kind befand sich in der sechsten Woche. Kenntnis von der Schwangerschaft in der 15. Woche Geburt eines gesunden Kindes Patientin begehrt den Kindesunterhalt Behauptung: Sie hätte sich zum Abbruch entschieden Diagnoseversäumnis: Keine Urin- und Blutuntersuchung Die Beklagte habe ihr die Möglichkeit einer legalen Abtreibung nach 218a Abs. 1 StGB genommen. Schmerzengeld 25.000,- + Kindesunterhalt

Urteil und Begründung Die auf einem ärztlichen Fehler beruhende Vereitelung eines Schwangerschaftsabbruchs kann nur dann Grundlage eines Anspruchs auf Ersatz des Unterhaltsschadens für ein ungewolltes Kind sein, wenn der Abbruch rechtmäßig gewesen wäre,... 218a StGB lässt einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich nur bei Vorliegen einer medizinischen oder kriminologischen Indikation ( 218a Abs. 2 und 3 StGB) zu. Ein allein auf der Beratungslösung ( 218a Abs. 1 StGB) beruhender Schwangerschaftsabbruch ist straffreit aber nicht rechtmäßig. Kein Schadenersatz