Hochwasserschutz und Donauausbau



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Transkript:

DONAUHOCHWASSER Hochwasserschutz und Donauausbau

Inhalt 1. Veränderung der Hochwassersituation in der Vergangenheit...4 1.1 Wegfall von Retentionsräumen...4 1.2 Wirkung von Stauhaltungen...4 1.3 Weitere Ursachen für die Zunahme von Hochwasserschäden...5 2. Hochwasser August 2002...6 2.1 Wasserstände und Abflüsse...6 2.2 Laufzeit der Hochwasserwelle...6 2.3 Überlagerung der Hochwasserwellen von Inn und Donau in Passau...6 3. Hochwasserschutzkonzept für die Strecke Straubing Vilshofen im Rahmen der Ausbaupläne...7 3.1 Sicherheit der bestehenden Hochwasserschutzdeiche...7 3.2 Hochwasserschutzkonzept für die Strecke Straubing-Vilshofen...7 4. Veränderungen der Hochwassersituation durch den geplanten Ausbau...9 4.1 Wegfall von Retentionsvolumen durch die Erhöhung der Deiche...9 4.2 Wirkung von Deichrückverlegungen...9 4.3 Spezifische Auswirkungen der geplanten Staustufen...9 5. Forderungen...10 Literatur...11

Zusammenfassung Die Anlieger der Donau zwischen Straubing und Vilshofen müssen besser vor Hochwasser geschützt werden. Nur die Städte Straubing, Bogen und Deggendorf sowie einige kleinere Orte sind auf ein 100-jährliches Hochwasser vorbereitet. Die meisten Deiche können das Hinterland Wiesen, Felder, Siedlungen nur gegen ein 20- bis 30-jährliches Hochwasser schützen. Im Hinblick auf die angestrebte Staustufenkanalisierung der Donau wurden Maßnahmen für einen besseren Schutz der Bürger jahrzehntelang nicht in Angriff genommen. Im Rahmen der vertieften Untersuchungen von 5 Ausbauvarianten zur Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen wurde auch das Hochwasserproblem betrachtet. Dazu wurde erst ein Konzept entworfen, nach dem das Umland der frei fließenden Donau zwischen Straubing und Vilshofen ausreichend vor Hochwasser geschützt werden könnte. Anschließend wurde geprüft, wie sich die Veränderung des Flusses in den verschiedenen Ausbauvarianten auf die Hochwassersituation im entworfenen Konzept auswirken würde. Das Hochwasserschutz-Konzept sieht neben höheren Deichen auch zusätzliche Überflutungsflächen vor. Würde heute die Donau zwischen Straubing und Vilshofen hundertjähriges Hochwasser führen, würde ein Großteil der bestehenden Deiche überspült, das Land würde großflächig überflutet. Würde das entworfene Hochwasserschutzkonzept realisiert, würden nur die vorgesehenen Flächen überflutet, das meiste Wasser würde innerhalb der höheren Deiche rasch weitergeleitet. Passau müsste sich auf noch höhere Hochwasserwellen einrichten. Die Variante A (Ausbau ohne Staustufen, nur mit Buhnen und Leitwerken) würde das Wasser langsamer ablaufen lassen, die Deiche müssten deshalb etwa 15 cm höher sein. Die Variante C (Ausbau mit einer Staustufe und weiteren Buhnen und Leitwerken), würde das Wasser ebenfalls langsamer ablaufen lassen, etwa 17 cm höhere Deiche wären erforderlich. Was passiert, wenn die bei Hochwasser für jedes Stauwehr vorgesehene Zwangsöffnung in der Staustufe der Variante C aktiviert wird, geht aus den Untersuchungsberichten nicht hervor. Die Varianten D1 (zwei Staustufen und Seitenkanal) und D2 (drei Staustufen) würden den Abfluss bei Hochwasser beschleunigen, umso schneller und höher wäre die Hochwasserwelle in Passau. Die bei Hochwasser für jedes Stauwehr vorgesehene Zwangsöffnung der zwei bzw. drei Staustufen würde das Problem extrem verschärfen. Aus den Daten der vorliegenden Untersuchungen muss geschlossen werden: Das in der Untersuchung diskutierte Hochwasserschutzkonzept ist nicht ausreichend. Schon bei der Realisierung dieses Konzepts ohne weiteren Donauausbau sowie beim Ausbau nach Variante A würde der bessere Schutz für die Anrainer hier zu Lasten der Menschen stromabwärts gehen. Jede Staustufen-Variante würde das Problem verschärfen; je mehr Staustufen, um so stärker. Zum Schutz der Donauregion zwischen Straubing und Vilshofen und zum Schutz der stromab liegenden Städte, ganz zuerst Passaus, sind zusätzliche Vorkehrungen erforderlich, die über die im Hochwasserschutz-Konzept der Vertieften Untersuchungen betrachteten Maßnahmen hinaus gehen. Sie müssen das beschleunigte Durchleiten der Hochwasserwelle verhindern und dem Wasser mehr Raum verschaffen. Wirklich wirksamer, umfassender und für alle am Fluss lebenden Menschen gleich geltender Hochwasserschutz kann mit Staustufen nicht realisiert werden. Prof. Dr. Hubert Weiger Dieter Scherf 1. Vorsitzender des 1. Vorsitzender der Bundes Naturschutz in Bayern e.v. BN Kreisgruppe Deggendorf

1. Veränderung der Hochwassersituation in der Vergangenheit 1.1 Wegfall von Retentionsräumen Neben vielen weiteren Ursachen hat vor allem der Wegfall von Retentionsräumen (= Rückhalteräumen) zu einer Beschleunigung, Erhöhung und Aufsteilung der Hochwasserwellen geführt: Die Pegelstände steigen schneller an, Hochwasserwellen fließen schneller ab und bei gleichen Regenspenden erreichen die Flüsse in der Regel höhere Spitzenabflüsse und Wasserstände als früher. Insbesondere bei der Errichtung von Staustufen mit einer Anhebung des Wasserspiegels über das Gelände wurden in der Vergangenheit meist große Teile des bisher vorhandenen Überschwemmungsraumes abgeschnitten 1. Um große "Wasserwüsten" zu vermeiden und Land für andere Zwecke (Landwirtschaft, Bebauung) freizumachen, wurden in der Regel die neuen, höheren Dämme möglichst nahe an den Fluss herangerückt. Folge ist der Wegfall von Raum, in dem sich ein Hochwasser bisher ohne Schaden ausbreiten konnte. Aber auch eine bloße Erhöhung vorhandener Deiche (ohne Stau-Maßnahmen und ohne ein Heranrücken an den Fluss), z.b. bei einer Anpassung der Deiche vom 30-jährlichen an das 100- jährliche Hochwasser bedeutet de facto einen Wegfall bisher bestehender Überflutungsräume (s. Abb. 1). Die erhöhten Deiche bzw. die neu errichteten Dämme an Staustufen gewähren den Anliegern einen verbesserten Schutz vor Überflutungen. Durch den verbesserten Schutz an dieser Stelle verschärft sich jedoch die Situation für die Unterlieger. Die Veränderung der Abflussverhältnisse lassen sich durch vorhandene Daten und Auswertungen belegen: Die Abb. 2 zeigt die Aufsteilung der Hochwasserwelle am Rheinpegel Maxau durch die Errichtung von Staustufen zwischen 1955 und 1977. Der Spitzenabfluß wird höher, die Abflüsse steigen schneller an, die Dauer der Welle nimmt insgesamt ab. Eine Zunahme des Abflusses um 1000 m³/s benötigt nach 1977 nur noch 14 h statt bisher 22 h (BERNHART 1995). Dies bedeutet, dass die Vorwarnund Reaktionszeiten kürzer werden. Soweit keine sonstigen baulichen Veränderungen vorgenommen Geländehöhe [m ü. NN] 312 310 308 306 304 302 300 Durch Deicherhöhungen verlorengehendes Retentionsvolumen Profil Do-km 2273,9 (Gundelau bei Niederalteich) Durch Deicherhöhungen verlorengehendes Retentionsvolumen 100-jährliches Hochwasser (HW 100 ) Mittelwasser (MW) Niedrigwasser (RNW) Ursprungsprofil: Vertiefte Untersuchungen, RMD 2000. Georg Kestel, plan.werk landschaft Deggendorf 2002 200 150 100 50 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Entfernung [m] Abbildung 1: Durch Deicherhöhung verloren gehendes Retentionsvolumen 1 Bei einem Wasserspiegel über dem Gelände werden die Dämme im Normalfall sogar gespundet. Dies bewirkt nicht nur eine Trennung von Fluss und Aue mit weitreichenden ökologischen Folgen, sondern auch, dass die Retention von Wasser im Grundwasserkörper entfällt. werden, bedeutet eine Zunahme der Abflüsse in der Regel eine Erhöhung der Wasserstände. Eine Publikation des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft von 1989 (DEISENHOFER UND SCHILLER 1989, s. Abb. 3) zeigt die Beschleunigung von Hochwasserwellen durch einen Vergleich der Laufzeiten aus den Jahren 1845-1945 und 1945-1970 für die Strecke Regensburg-Schwabelweis bis Passau- Achleiten. Die Geschwindigkeiten, mit denen sich Hochwasserwellen fortbewegen, haben sich hierbei fast verdoppelt: Im Intervall von 1845 bis 1945 benötigte eine Hochwasserwelle mit einem maximalen Abfluss von 3.500 m³/s etwa 54,2 h für eine Fließstrecke von gut 150 km. Im Intervall von 1945 bis 1970 betrug die Laufzeit dagegen nur noch 34,2 h. Das Hochwasser von 1988 (quadratische Markierung) benötigte dagegen nur noch eine Fließzeit von etwa 15 h! SCHWARZL (1992, s. Abb. 4) zeigt am Beispiel Passaus, dass diese Beschleunigung dazu führen kann, dass sich die Hochwasserwellen von Haupt- und Seitengewässern, die bisher nacheinander abgelaufen sind, überlagern. Hierdurch entstehen Abflüsse (und in der Folge Wasserstände), die vorher nicht aufgetreten sind. Ähnliche Beobachtungen lassen sich für den Rhein zeigen (ENGEL 1997) 1.2 Wirkung von Stauhaltungen Die Errichtung von Staustufen bedeutet meist nicht nur einen Wegfall von Retentionsräumen. Stauhaltungen können insbesondere dann zu einer unkalkulierbaren Gefahr werden, wenn die plötzliche Entlastung der Stauräume zu unvorhergesehenen und schnell ansteigenden Flutwellen führt. Für einige Flüsse in Österreich (Kamp, Enns) wird untersucht, ob das Verhalten der Kraftwerksbetreiber zu einer Verschärfung der Hochwasserwellen von August 2002 geführt hat. Offensichtlich sollten zunächst die Regenwassermengen in den Stauräumen "gehortet" werden, um so Reserven für die Energieerzeugung in der trockeneren Herbstzeit anzulegen. Wegen der weiter anhaltenden Regenfälle mussten dann jedoch die Stauwehre entlastet werden. Dies führte offensichtlich zu so schnell ansteigenden Pegeln, dass für die Unterlieger keine angemessene Reaktion mehr möglich war (FRANK 2002). Auch für Passau liegen für das Hochwasser 2002 ähnliche Beobachtungen vor (H. STEININGER, mdl. Mitteilung 2002). Danach hat die plötzliche Entlastung von Stauwehren an Inn und Donau zu einem enorm schnellen und nicht vorausgesagten Ansteigen der Wasserstände geführt. Durch die zusätzlichen Abflüsse aus den Stauseen haben sich vermutlich die Spitzenabflüsse weiter erhöht. In der Summe war damit auch den ansonsten hochwassergewohnten Anliegern am unteren Inn keine rechtzeitige Reaktion mehr möglich. Entgegen der landläufigen Meinung können aufgrund der langen Reaktionszeiten und der Unvorhersehbarkeit von Wetterereignissen Stauhal- 4 Hochwasserschutz und Donauausbau

Abfluss [m³/s] 4000 3000 2000 1000 Hochwasserwellen des Rheins im April 1983 berechnet für Abflusszustände von 1955 und nach Ausbau des Oberrheins mit Staustufen (1977) Zustand 1955 Zustand 1977 Pegel Maxau 6.4 8.4 10.4 12.4 14.4.1983 tungen nur sehr eingeschränkt und bei gezielt ausgerichteten Betriebsplänen dazu genutzt werden, Flutwellen zu puffern und abzuflachen (vgl. z.b. LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER 2000, S. 6). Meist hat vielmehr die Verkürzung und Glättung des Flusslaufes sowie der Dauerstau in der wehrgeregelten Flußstrecke eine zusätzliche Beschleunigung der Hochwasserwellen zur Folge. Durch ungünstige Überlagerungen der beschleunigten Welle mit Wellen der Nebenflüsse können sich erhebliche Hochwasserverschärfungen einstellen (vgl. ENGEL 1997, S. 22). Laufzeit [Tage] Laufzeit [Tage] Abbildung 3: Laufzeiten von Hochwasserwellen für verschiedene Untersuchungszeiträume in Abhängigkeit vom Abfluss (DEISENHOFER UND SCHILLER 1989) Abfluss [m³/s] 11.000 10.000 Quelle: Engel 1997 Abbildung 2: Veränderung der Hochwasserwellen durch den Ausbau des Oberrheins (Quelle:ENGEL 1997). 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 Hochwasserabfluss [m³/s] 80 Schwabelweis - Achleiten (1945/1970) 70 60 50 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 36 Stunden Niederschlag Schwabelweis - Achleiten (1845/1945) 40 30 20 10 0 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 Hochwasserabfluss [m³/s] Der Hochwasserablauf einst und jetzt Einfluß der künstlichen Eingriffe in die Abflussverhältnisse) Donau unterhalb Passau heute Donau unterhalb Passau früher Inn heute Inn früher Donau heute Donau früher 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Tage nach Beginn des Niederschlages Abbildung 4: Veränderung der Hochwasserabflüsse in Passau (SCHWARZL 1992) 1.3 Weitere Ursachen für die Zunahme von Hochwasserschäden Weitere Ursachen für die zunehmenden Hochwasserschäden in der jüngsten Vergangenheit sind u.a. ù die Bebauung von Flächen im Überschwemmungsraum von Gewässern; ù die Beschleunigung des Abflusses selbst bei kleinen Bächen und Gräben durch die systematische "Austreibung des Wassers aus der Landschaft" durch Begradigungen, intensive Räumung von Gewässern, Trockenlegung von Feuchtflächen u.ä.; ù die Beschleunigung des Abflusses durch die Beseitigung von Auwäldern entlang der Flüsse und Bäche. Hierdurch entfällt die Verringerung der Fließgeschwindigkeit und der verlangsamte Abfluss der Hochwasserwelle, verursacht durch die hohe hydrologische Rauigkeit des Auwaldbewuchses; ù die zunehmende Versiegelung der Landschaft durch Bebauung und Verkehrsflächen, so dass immer mehr Regenwasser nicht mehr versickert, sondern schnell auf der Oberfläche abfließt; ù die zunehmende Verdichtung landwirtschaftlicher Böden durch den Einsatz immer schwererer Maschinen und/oder die Verringerung des Porenvolumes durch ungeeignete Kulturfolgen oder Bewirtschaftungsweisen. Hierdurch versickert ein steigender Anteil des Regenwassers nicht mehr. Dieser Anteil strömt nicht mehr langsam über den Grundwasserkörper den Gewässern zu, sondern fließt schnell auf der Oberfläche ab; ù die Erhöhung und Beschleunigung der Abflüsse insbesondere in Bergregionen durch das Waldsterben. Die Verringerung der Baumdichte, der Ausfall alter Bäume und die geringere Vitalität der Bäume, verbunden mit einer reduzierten Belaubung führen zu einem geringeren Rückhalt in der Baumschicht, zu einer verringerten Infiltration in den Boden sowie zu einer geringeren Wasserverdunstung und damit vor allem in steilen Lagen zu einem beschleunigten und erhöhten Abfluss. ù der globale Klimawandel; die erhöhten Temperaturen in den Weltmeeren und in der Atmosphäre führen offensichtlich zu einer Zunahme der Verdunstung und der Niederschlagsmengen sowie zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse. Hochwasserschutz und Donauausbau 5

2. Hochwasser August 2002 2.1 Wasserstände und Abflüsse DieAbb.5gibtdieAbflüsse der Donau an den Pegeln Pfelling und Hofkirchen und des Inns am Pegel Mühldorf wider. Ein Vergleich mit Hochwasserereignissen in der Vergangenheit (s. Tabellen unten) zeigt, dass frühere Spitzen an der Donau heuer nicht erreicht wurden. Die Abflusswerte von 1999 und 1954 wurden z.b. um 6 % (Donau, Pegel Hofkirchen) bzw. fast 25 % (Inn, Pegel Mühldorf) unterschritten. Lediglich der Regen wies Abflusswerte auf, die über dem Abfluss des 100-jährlichen Hochwassers lagen (BAY. LANDESAMT FÜR WASSERWIRT- SCHAFT 2002). Pfelling Datum Abfluss 15.08.2002 ca. 2930 m³/s Vergleichswerte: 31.03.1945 3950 m³/s 03.02.1862 3410 m³/s 05.02.1850 3200 m³/s 28.03.1988 2670 m³/s 23.03.1940 2400 m³/s Hofkirchen Datum Abfluss 15.08.2002 ca. 3100 m³/s Vergleichswerte: 31.03.1845 4470 m³/s 03.02.1862 4110 m³/s 31.12.1882 3800 m³/s 13.07.1954 3320 m³/s 26.05.1999 3300 m³/s Mühldorf am Inn Datum Abfluss 15.08.2002 ca. 1460 m³/s Vergleichswerte: 20.07.1981 2480 m³/s 07.08.1985 2380 m³/s 22.05.1999 1930 m³/s 09.07.1954 1760 m³/s 11.08.1970 1610 m³/s D o nau / Pfelling Abfluss [m³/s] 3200 2800 2400 2000 1600 1200 800 400 10.08.2002 11.08.2002 12.08.2002 13.08.2002 14.08.2002 15.08.2002 16.08.2002 Donau / Hofkirchen Abfluss [m³/s] 3600 3200 2800 2400 2000 1600 1200 800 400 10.08.2002 11.08.2002 12.08.2002 13.08.2002 14.08.2002 15.08.2002 16.08.2002 Inn / Mühldorf Abfluss [m³/s] 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 10.08.2002 11.08.2002 12.08.2002 13.08.2002 14.08.2002 15.08.2002 16.08.2002 Abbildung 5: Pegelgänge der Abflüsse für Pfelling, Hofkirchen und Mühldorf W asserstand [cm] Donau / Passau 1200 2.2 Laufzeit der Hochwasserwelle Die Spitze der Hochwasserwelle passierte den Pegel Regensburg-Schwabelweis (Do-km 2376,50) am 14.08.2002 etwa um 14.00 Uhr und den Pegel Passau / Donau (Do-km 2226,70) am 15.08.2002 etwa um 14.00 Uhr. Hieraus läßt sich eine Laufzeit von etwa 24 h und eine durchschnittliche Geschwindigkeit von etwa 5,2 km/h ableiten. 1000 800 600 400 200 Pegelgang Inn (Mühldorf) Pegelgang Donau (Hofkirchen 2.3 Überlagerung der Hochwasserwellen von Inn und Donau in Passau Am 14/15. August 2002 erreichten weder Donau noch Inn einen "Jahrhundert-Abfluss". Die grafische Überlagerung der Kurven (s. Abb. 6) legt jedoch den Schluss nahe, dass tatsächlich eine Aufaddierung 10.08.2002 11.08.2002 12.08.2002 13.08.2002 14.08.2002 15.08.2002 16.08.2002 Abbildung 6: Grafische Überlagerung der Pegelgänge von Mühldorf und Hofkirchen und des Wasserstandes in Passau (Pegel Passau / Donau) (Quelle Pegelkurven: HOCHWASSERNACHRICHTENDIENST BAY. LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT) 6 Hochwasserschutz und Donauausbau

der Einzelabflüsse zu dem ungewöhnlichen Wasserstand in Passau und unterhalb geführt hat. Zu erkennen sind die aufeinander folgenden Gipfel der Hochwasserwellen des Inns (13.08.2002, ca. 14.00 Uhr) und der Donau (15.08.2002, ca. 14.00 Uhr). Weiter zu erkennen ist das zeitliche Zusammentreffen des Inn-Maximums mit dem Anstieg des Donau- Abflusses. Offensichtlich hat diese teilweise Überlagerung, zusammen mit einer möglichen Verschärfung durch die plötzlichen Schleusenöffnungen, zu Wasserständen geführt, die selbst für Passau ungewöhnlich hoch waren. Eine ähnliche Situation ergab sich in Regensburg am Zusammenfluss von Regen und Donau (BAY. LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT, 2002). 3. Hochwasserschutzkonzept für die Strecke Straubing Vilshofen im Rahmen der Ausbaupläne 3.1 Sicherheit der bestehenden Hochwasserschutzdeiche Die heute vorhandenen Hochwasserschutzeinrichtungen zwischen Straubing und Vilshofen gehen auf Planungen aus dem Jahr 1926 zurück. Dem damals erstellten Bauprogramm lag zur Bemessung das Hochwasser von 1882/1883 mit einem maximalen Abfluß von 3110 m³/s (Pegel Pfelling) zugrunde. Bei diesem Abfluß sollte noch ein Freibord von 0,8 m vorhanden sein. Die Deichkronen dieser Deiche liegen heute in Höhe des 100-jährlichen Hochwassers (ohne Freibord), teilweise jedoch auch bis zu 30 cm darunter. Nach heutigem Stand der Technik gewähren die Deiche daher einen Schutz gegen Hochwasserereignisse, die statistisch etwa alle 20-30 Jahre auftreten, bei höheren Abflüssen und Wasserständen werden die Deiche überströmt und das Deichhinterland überflutet. Ursache hierfür ist zum Teil die oben beschriebene Erhöhung der Hochwasserwellen durch den Wegfall von Retentionsraum an den zahlreichen Staustufen oberhalb von Straubing. In den letzten Jahren wurden die Deiche zum größten Teil entsprechend der heutigen Regeln der Technik verstärkt, aber nicht erhöht. Lediglich für die Städte Straubing, Bogen, Deggendorf und die Ortschaft Irlbach wurde ein weitgehend vollständiger Schutz gegen ein 100-jährliches Hochwasser errichtet (RMD 2000a). 3.2 Hochwasserschutzkonzept für die Strecke Straubing-Vilshofen Im Rahmen der Ausbauplanungen hat die Rhein- Main-Donau GmbH (RMD) ein Hochwasserschutzkonzept vorgelegt. Erstellt wurde das Konzept zunächst für den derzeitigen Zustand der Donau (sog. Ist-Zustand 2000 ). Untersucht wurden die Auswirkungen der einzelnen Ausbauvarianten auf dieses Konzept 2. 2 In der Variante A sind zur Stützung der Wasserstände bei Niedrigwasser Flussbauwerke wie Buhnen und Parallelleitwerke vorgesehen. In der Variante C würde mit einer Staustufe bei Aicha das Isarmündungsgebiet überstaut und die Mühlhamer Schleife mit einem Durchstichskanal umgangen. Bei Niedrigwasser würde die Stauwirkung der Staustufe Aicha über 15 km über die Isarmündung hinaus Obwohl zunehmend Überlagerungen der Wellen von Haupt- und Nebengewässern festzustellen sind (s. Kap. 1.1), sind in dem Hochwasserschutzkonzept die Eigen-Hochwässer der Zuflüsse bisher nicht berücksichtigt (RMD 2000a, S. 14). Unverständlich ist auch die nicht näher begründete Ausklammerung des Isarmündungsgebietes aus dem Konzept. Im Hochwasserschutzkonzept der RMD (s. Planausschnitt, Abb. 7) wurde die Rückverlegung von Deichen und die Schaffung von Flutpoldern 3 untersucht. Das Hochwasserschutzkonzept der RMD für den Ist-Zustand beinhaltet die Errichtung von Flutpoldern mit einem Volumen von 81 Mio m³ (bezogen auf das hundertjährliche Hochwasser) und Deichrückverlegungen auf einer Fläche von insgesamt 725 ha (RMD 2000a). Die Größen der Polder und der Deichrückverlegungen werden in dem Gutachten mit unterschiedlichen Einheiten angegeben, eine Gesamtbilanz von erhaltenem, verlorenem und hinzugewonnenem Retentionsvolumen fehlt. Nach den Untersuchungen der RMD können sich im Zuge des Donauausbaues für die Schifffahrt in der Variante A örtlich Anhebungen der Hochwasserstände von bis zu 15 cm ergeben. Auch in der Variante C werden nach den Gutachten die Hochwasserstände um bis zu 17 cm angehoben, für die Mehrstufenvarianten D1 und D2 werden weitgehend unveränderte Hochwasserstände angegeben. Die Gutachten stellen weiter fest, dass die örtlichen Anwirken. Die Varianten D1 und D2 sehen die maximale Verbauung der Donau mit Staustufen vor. In der Variante D1 ist die Errichtung von 2 Staustufen (Osterhofen und Waltendorf) und eines Seitenkanales von Osterhofen bis Pleinting vorgesehen. Die Variante D2 sieht drei Staustufen bei Pleinting, Aicha (mit Durchstich der Mülhamer Schleife) und Waltendorf vor. 3 Flutpolder sind Flächen außerhalb der Deiche, die bei einem bestimmten Wasserstand (z.b. HW 30) geflutet werden. Da ein großer Teil der Deiche zur Zeit nur einen Schutz gegen 20-30-jährliche Hochwässer bietet, ergibt sich für diese Flächen keine Verschlechterung gegenüber dem Ist-Zustand (vgl. RMD 2000a, S. 18). Die Einrichtung (bzw. die Beibehaltung) der Flutpolder löst damit voraussichtlich keine Entschädigungsforderungen aus. Mit Flutpoldern kann eine Hochwasserrückhaltung und damit eine zeitweise Abfluss- und Wasserstandsreduzierung auf der stromabwärts folgenden Donaustrecke erreicht werden. Hochwasserschutz und Donauausbau 7

Retentionsfläche bestehend bei HW 100 Retentionsfläche künftig bei HW 100 Abbildung 7: Hochwasserschutzkonzept für den Ist-Zustand. Alle Flächen, die einfach schräg schraffiert sind, entfallen künftig als Retentionsraum, lediglich die zweifach schräg schraffierte Flächen werden als Flutpolder oder durch Deichrückverlegung beibehalten. Für das Stadtgebiet Deggendorf und das Isarmündungsgebiet erfolgen keine detaillierten Angaben. (Flächenabgrenzung entsprechend RMD 2000b) hebungen der Hochwasserlagen durch die Rückverlegung von Deichen kompensiert werden können. Nicht näher untersucht wurde in den Entwürfen die Möglichkeit, durch verstärkte Baggerungen die Hochwasserstände abzusenken (vgl. hierzu z.b. BAW 2000, S. 38). Wegen der derzeit ungenügenden Höhe der Deiche (s. Kap. 3.1) sind in jedem Fall und unabhängig von einem Ausbau der Donau auf einem großen Teil der Strecke Maßnahmen zur Sicherung von geschlossenen Siedlungen und von bedeutsamen Verkehrswegen erforderlich. Der Hochwasserschutz ist Sache des Landes Bayern. Ein entsprechendes Ziel formuliert z.b. das Landesentwicklungsprogramm in Punkt B XII, 4.1: "Der Überschwemmung von Talräumen soll im Bereich von Siedlungen entgegengewirkt werden. 8 Hochwasserschutz und Donauausbau Landwirtschaftliche Nutzflächen sollen in der Regel nicht hochwasserfrei gelegt werden". Die Begründung präzisiert den Ausbaugrad; erreicht werden soll ein Schutz gegen ein 100-jährliches Hochwasser. Soweit ausbaubedingt Anpassungen des Hochwasserschutzes erforderlich werden, muss der Bund anteilig Kosten übernehmen. Für das Hochwasserschutzkonzept wurden für den Ist-Zustand Baukosten von 266,72 Mio Euro (incl. Planungskosten und Kosten für ökologischen Ausgleich) und Grunderwerbskosten von 74,48 Mio Euro geschätzt. Dies ergibt einen Gesamtbetrag von 341,20 Mio Euro für den Hochwasserschutz (alle Beträge ohne Mehrwertsteuer). Die niedriger geschätzten Kosten für den Hochwasserschutz bei der Variante A (255,29 Mio Euro) und bei den Staustufenvarianten (C: 248,69 Mio Euro;

D2: 231,16 Mio Euro) resultieren aus den Kosteneinsparungen durch die Wiederverwendung von Aushubmaterial für den Deichbau (z.b. aus Baggerungen, aus der Errichtung des Seitenkanals, aus dem Durchstich der Mühlhamer Schleife). 4. Veränderungen der Hochwassersituation durch den geplanten Ausbau 4.1 Wegfall von Retentionsvolumen durch die Erhöhung der Deiche Durch die geplante Erhöhung der Deiche im Hochwasserschutzkonzept der RMD gehen auf einer großen Strecke bisher vorhandene Rückhaltevolumen verloren (vgl. Abb. 7). Eine Gesamtbilanz wurde bisher nicht ermittelt bzw. veröffentlicht, eine Prognose der Auswirkungen auf die Unterlieger (insbesondere die Stadt Passau) fehlt. Durch den Wegfall von Retentionsvolumen wird sich insbesondere für Hochwasserereignisse mit einem Abfluss über dem 20- bis 30-jährlichen Hochwasser eine massive Verschlechterung für die Unterlieger ergeben. Insbesondere wird sich eine Erhöhung der Abflüsse und Wasserstände und eine weitere Beschleunigung der Hochwasserwelle einstellen. Diese Verschlechterung addiert sich zu den bereits eingetretenen Verschärfungen. 4.2 Wirkung von Deichrückverlegungen Teilweise ist die Rückverlegung von Deichen geplant. Neben der auch ökologisch vorteilhaften Neugewinnung von Aue-Lebensräumen, die der vollen Dynamik der Wasserstandsschwankungen des Flusses ausgesetzt sind, bieten Rückverlegungen auch eine Erhöhung der Sicherheit: weil für den Abfluss der durchströmte Querschnitt maßgeblich ist, werden die Wasserstandshöhen bei einer Deichrückverlegung reduziert, so dass die Deiche niedriger ausgeführt werden können. Hierdurch nimmt die mechanische Belastung durch den Wasserdruck stark ab. Betrachtet man z.b. den Querschnitt in Abb. 8, so kann mit einer Rückverlegung der Deiche von 60 m links und 150 m rechts eine Wasserspiegelabsenkung in der Größenordnung von etwa 1 m erreicht werden 4. 4.3 Spezifische Auswirkungen der geplanten Staustufen Die von der Bayerischen Staatsregierung befürwortete Errichtung von Staustufen an der Strecke zwischen Straubing und Vilshofen würde eine weitere, zusätzliche Veränderung der Hochwassersituation für die Unterlieger bedeuten. Zwar weisen die Staustufenbefürworter gerne darauf hin, dass die geplante Stauhöhe es erlauben würde, 4 Die Wasserspiegelabsenkung wird allerdings teilweise durch einen ungünstigeren hydraulischen Radius und durch die meist höhere Rauigkeit im Deichvorland kompensiert. den aufgehöhten Wasserspiegel im bisherigen Mittelwasserbett zu halten. Damit könnte - anders als z.b. in der bestehenden Stauhaltung Geisling - die Wirkung der Deichvorländer für die Hochwasserableitung und -retention erhalten werden. Erkauft wird dies allerdings dadurch, dass entweder massive Wasserspiegelabsenkungen oberhalb und unterhalb der Staustrecke vorgenommen (Var. C) oder die gesamte Flußstrecke zwischen Straubing und Vilshofen in Stauhaltungen umgewandelt werden muss (Var. D2). Beides würde intensive, nicht ausgleichbare Veränderungen der ökologischen Qualitäten nach sich ziehen. In den Staustufenvarianten würde der Seitenkanal bzw. der Durchstich der Mühlhamer Schleife die Größe der Flutpolder und der Deichrückverlegungen beschneiden. Insbesondere in der Variante D1 stünden so nur 79 Mio m³ in Flutpoldern und lediglich eine Fläche von 510 ha für Deichrückverlegungen zu Verfügung. In den Varianten C und D2 reduziert sich das Flutpoldervolumen auf 80 Mio m³, die Fläche für Deichrückverlegungen wird gegenüber dem Ist-Zustand unverändert mit 725 ha angegeben. Für die staugeregelten Strecken sehen die Planungen vor, einen erheblichen Teil der bestehenden Regulierungsbauwerke (Buhnen, Parallelleitwerke) zu entfernen; hierdurch wird der Flußschlauch insgesamt glatter, so dass sich höhere Fließgeschwindigkeiten und damit eine Beschleunigung der Hochwasserwelle ergeben würden. Geländehöhe [m ü. NN] 312 310 308 306 304 302 300 Geländehöhe [m ü. NN] 312 310 308 306 304 302 300 100-jährliches Hochwasser (HW 100 ) derzeit Mittelwasser (MW) Niedrigwasser (RNW) 200 150 100 50 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Entfernung [m] 100-jährliches Hochwasser (HW 100 ) vorher Hochwasserhöhen vor und nach Deichrückverlegung Profil Do-km 2273,9 (Gundelau bei Niederalteich) Deichrückverlegung um 60 m (links) und 150 m (rechts), gleicher Abflussquerschnitt Mittelwasser (MW) Niedrigwasser (RNW) 100-jährliches Hochwasser (HW 100 ) nach Deichrückverlegung 200 150 100 50 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Entfernung [m] Abbildung 8: Reduzierung der Hochwasserhöhen durch Deichrückverlegung Hochwasserschutz und Donauausbau 9

Die Analyse der Hochwasserverhältnisse insbesondere in Passau zeigt jedoch, dass bereits eine Beschleunigung um wenige Stunden und eine weitere, nur geringe Anhebung und Aufsteilung der Hochwasserwellen zu verheerenderen Wasserständen im Unterlauf der Donau führen kann. 5. Forderungen Hinsichtlich des Hochwasserschutzes ergeben sich aus den bisherigen Ausführungen folgende Forderungen: 1. Für die Donau-Anlieger zwischen Straubing und Vilshofen muss unabhängig vom Ausbau der Donau ein ausreichender Hochwasserschutz hergestellt und dauerhaft gesichert werden. Dies muss möglichst schnell geschehen. Soweit der Hochwasserschutz vom Ausbau der Donau abhängig ist, ist eine schnelle Planung, Genehmigung und Realisierung nur zusammen mit der flussregulierenden Variante A des Donauausbaues möglich. Die Forderung, Staustufenvarianten in ein Raumordnungsverfahren mit einzubeziehen, hat nicht nur ökonomische und ökologische Argumente gegen sich, sondern verzögert einen wirksamen Hochwasserschutz um Jahre oder Jahrzehnte. Bei einem Verzicht auf Staustufen und Seitenkanäle können die hierfür bereits erworbenen Flächen gezielt für den Hochwasserschutz eingesetzt und so Belastungen für die Grundeigentümer vermieden werden. 2. Durch die Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Strecke zwischen Straubing und Vilshofen darf sich die Situation für die Unterlieger nicht verschlechtern. Dies bedeutet, dass die derzeit gegebenen Retentionsvolumen auch für Hochwasserabflüsse mit mehr als 20-30-jährlicher Wiederkehr weitgehend erhalten oder neue Rückhalteräume geschaffen werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche hinter den heutigen Deichen und außerhalb geschlossener Siedlungen, die derzeit bei einem 20- bis 30- jährlichen Hochwasser überflutet werden. Das Hochwasserschutzkonzept muss für alle Hochwasserabflüsse bis hin zum 100-jährlichen Hochwasser in einer Gesamtbilanz nachweisen, dass sich keine Verschlechterungen für die Anlieger und die Unterlieger ergeben. In die Gesamtbilanz müssen auch die zufließenden Seitengewässer einbezogen werden, da die Beschleunigung der Hochwasserwellen zunehmend zu gefährlichen Überlagerungen führt. 3. Unabhängig vom Verlust von Retentionsvolumen durch die Anpassung der Deiche verschärfen Staustufen durch den Dauereinstau von Retentionsraum, durch die Glättung und Abkürzung des Flusslaufes und durch die mögliche, plötzliche Öffnung der Schleusen bei Überlastungen die Hochwassergefahr für Unterlieger. Schon geringfügige Beschleunigungen der Hochwasserwellen der Donau können in Passau und im weiteren Unterlauf zu bisher nicht gekannten Wasserständen führen. Staustufen sind daher mit einem verantwortlichen Hochwasserschutz nicht vereinbar. 4. Die bisher erfolgte Errichtung von Staustufen oberhalb von Straubing hat in der Vergangenheit zu einer Beschleunigung und Erhöhung der Hochwasserwellen geführt. Deshalb dürfen nicht nur keine weiteren Staustufen an der Donau gebaut werden, die bereits eingetretenen Effekte müssen durch Korrekturen in den bestehenden Stauhaltungen rückgängig gemacht werden. Im Bereich der bestehenden Stauhaltungen müssen verloren gegangene Retentionsflächen (z.b. an der Öberauer Schleife) zurück gewonnen und zu möglichst naturnahen Aue-Lebensräumen mit regelmäßigen Überschwemmungen entwickelt werden. Über die Strecke zwischen Straubing und Vilshofen hinaus setzt sich der Bund Naturschutz im gesamten Einzugsbereich der Donau und ihrer Zuflüsse daher für ein umfassendes Hochwasserschutzkonzept ein. Das bedeutet u.a. ù die Nutzung der Auen zwischen Ingostadt und Neuburg an der Donau als natürliche Überschwemmungsflächen, ù das Rückgängigmachen des Abschneidens der begleitenden Auwälder an der Isar vom Fluss, ù die Bewirtschaftung der Staustufen an Donau, Inn und Isar nach den Bedürfnissen des Hochwasserschutzes und der Schifffahrt statt nach den Maßgaben einer möglichst profitablen Stromerzeugung. 5. Die Donau muss als lebendige Achse einer naturnahen, ökologisch funktionsfähigen Aue erhalten bleiben. Ein Stau würde unumkehrbar Arten und Biotope vernichten. Damit würde unwiederbringlich das Potential fehlen, um selbst bei einem Rückbau von Stauwehren durch spätere Generationen wieder halbwegs intakte Auen zu erhalten. An der Donau kann daher maximal ein Ausbau mit flussregulierenden Mitteln (Variante A) toleriert werden. 6. Vorangig sollen durch die Verbesserung des Hochwasserschutzes möglichst naturnahe, regelmäßig überschwemmte Aueflächen neu geschaffen werden. Im Zuge des Hochwasserschutzes soll ein funktionierender Auen- Biotopverbund entlang der Donau gesichert, ausgeweitet und verbessert werden. Dies bedeutet einen Vorrang von Deichrückverlegungen vor der Schaffung von Flutpoldern. 10 Hochwasserschutz und Donauausbau

7. Soweit lediglich Flutpolder realisiert werden können, muss sichergestellt werden, dass auch kleinere Überflutungen (entsprechend der jeweiligen Donauabflüsse) als lebensnotwendige Voraussetzung für Auenbiotope die Polder durchströmen. Das Überflutungsmanagement ist von vornherein an naturschutzfachlichen Erfordernissen auszurichten. Eine technisch manipulierbare Steuerung der Überflutungsvorgänge sollte vermieden werden. Die ökologische Verträglichkeit der geplanten Deichrückverlegungen und Flutpolder (z.b. Überflutung der letzten nährstoffarmen Gewässer und Feuchtflächen außerhalb der Deiche durch nährstoff- und schwebstoffreiches Donauwasser) muss durch die Bereitstellung ausreichend großer Flächen sichergestellt werden. Literatur BAYERISCHES LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT (LfW) (2002): Hochwasser im August 2002. - München, 27. Aug. 2002 (zugänglich über www.hnd.bayern.de): 5 S., Karten und Abb. als Anlage. BERNHART, H.H. (1995): Donauausbau Straubing- Vilshofen: Beeinflussung des Ablaufes von Hochwasserwellen durch Staustufen. - Gutachten für den Bund Naturschutz in Bayern e.v. - Karlsruhe, 21.06.1995: 2 S., Abbildungen. BERNHART, H.H. (1996): Donauausbau Straubing Vilshofen: Einfluß auf die Hochwasserabflussbedingungen in Passau. - Gutachten für den Bund Naturschutz in Bayern e.v. - Karlsruhe, 24.01.1996: 3 S., Abbildungen. BUNDESANSTALT FÜR WASSERBAU (BAW) (2000): Donauausbau Straubing-Vilshofen - Vertiefte Untersuchungen: Vergleichende 1D-HN-Modelluntersuchungen des IST-Zustandes 2000 und der Variante A. - Karlsruhe, Oktober 2000: 52 S, Anlagen, Anhang. DEISENHOFER, J. UND SCHILLER, H. (1989): Das Märzhochwasser 1988 in Bayern. - München, 1989: Informationsberichte Bay. Landesamt für Wasserwirtschaft, 3/89, 68 S., Anhang. ENGEL, H. (1997): Die Ursachen der Hochwasser am Rhein natürlich oder selbstgemacht? - in: Immendorf, R. (Hrsg.): Hochwasser: Natur im Überfluss? - Heidelberg, 1997: S. 9-30. FRANK, M. (2002): "Klagen folgen dem Hochwasser: Sind Österreichs Wasserkraftwerke mit schuld an Flutschäden?". - Pressebericht in der Süddeutschen Zeitung vom 24./25.08.2002. LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER (LAWA) (2000): Wirksamkeit von Hochwasservorsorge- und Hochwasserschutzmaßnahmen. - LAWA-Arbeitskreis "Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer, Wasserbau" in der LAWA-Arbeitsgruppe "Oberirdische Gewässer und Küstenschutz". - Schwerin, April 2000: 13 S. (zugänglich über www.lawa.de) RMD (2000a): Donauausbau Straubing Vilshofen, Vertiefte Untersuchungen: Hochwasserschutzkonzept Ist-Zustand 2000: Beilage 1.1, Erläuterungsbericht. 31.08.2000, RMD Wasserstraßen GmbH Niederlassung Donau Regensburg. RMD (2000b): Donauausbau Straubing Vilshofen, Vertiefte Untersuchungen: Hochwasserschutzkonzept mit Variante A, weiter optimierter Ist-Zustand Beilage 1.1, Erläuterungsbericht und Karten. 31.08.2000, RMD Wasserstraßen GmbH Niederlassung Donau Regensburg. SCHWARZL, S. (1992): Anthropogene Einflüsse auf das Abflussgeschehen im Extrembereich (Hochwasser). - Intrapraevent 1992, Bern, Tagungspublikation, Band 1, S. 123-135. - zitiert nach BERNHART (1996). Hochwasserschutz und Donauausbau 11

Herausgegeben vom Bund Naturschutz in Bayern e.v. Landesfachgeschäftsstelle Bauernfeindstraße 23 90471 Nürnberg Fon: 0911-81878-0 Fax: 0911 869658 lfg@bund-naturschutz.de www.bund-naturschutz.de Bund Naturschutz in Bayern e.v. Kreisgruppe Deggendorf Maria-Ward-Platz 5 94469 Deggendorf Fon: 0991-32555 Fax: 0991-342214 bund_naturschutz_deg@degnet.de www.degnet.de/vereine/bund_naturschutz_deg Bearbeitung: Georg Kestel Landschaftsarchitekt Schiffmeisterweg 7 94469 Deggendorf Tel: 0991 341354 Fax: 0991 3792857 Mobil: 0175 5068367 G.Kestel @ planwerk-landschaft.de www.planwerk-landschaft.de