Die Rechte der Frau in der Türkei



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Transkript:

Die Rechte der Frau in der Türkei Darstellung der gesetzlichen Verankerung und Durchsetzung von Frauenrechten in der Türkei unter Beachtung des Einflusses der türkischen Familie und der islamischen Religion DIPLOMARBEIT zur Erlangung des Magistergrades an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg Fachbereich für Geschichts- und Politikwissenschaft Gutachter: o. Univ.-Prof. Dr. Klaus Faupel Eingereicht von BIRGIT FALTER Matrikelnummer: 0020485 Salzburg, im April 2006 0

Vorwort Die vorliegende Diplomarbeit ist als Auftragsarbeit für die Menschenrechtsorganisation Human Rights International (HRI) in Bozen entstanden. Ich möchte Herrn Adolf Pfitscher von HRI für die Unterstützung und die Möglichkeit der Veröffentlichung der Arbeit sehr herzlich danken. Dabei möchte ich auch die Wissenschaftsagentur der Universität Salzburg erwähnen, die die Vermittlung zwischen Herrn Pfitscher und mir übernahm. Weiters möchte ich mich bei Univ.-Prof. Dr. Klaus Faupel für die Übernahme der Betreuung bedanken. 1

Inhaltsverzeichnis Vorwort 1 1. EINLEITUNG 4 1.1. ZUM THEMA 4 1.2. FRAGESTELLUNG 4 1.3. AUFBAU DER ARBEIT 6 2. EINTEILUNG DER MENSCHENRECHTE 8 2.1. POLITISCHE UND BÜRGERLICHE MENSCHENRECHTE 8 2.2. WIRTSCHAFTLICHE, SOZIALE UND KULTURELLE MENSCHENRECHTE UND GESELLSCHAFTLICHE RECHTE 12 2.2.1. FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE 15 2.2.2. SOZIOLOGIE DER FAMILIE 21 2.2.2.1. Familienformen 21 2.2.2.2. Wandel der Familie 24 3. FRAUENRECHTE IN DER TÜRKEI 25 3.1. NATIONALE GESETZGEBUNG 25 3.2. UMSETZUNG INTERNATIONALER ABKOMMEN 31 3.3. PROBLEMBEREICHE IN DER DURCHSETZUNG 35 3.3.1. BILDUNG 36 3.3.2. ARBEITSMÖGLICHKEITEN UND BERUFSTÄTIGKEITEN 39 3.3.3. POLITISCHE BETEILIGUNG 42 3.3.4. GEWALT 45 3.4. ZUSAMMENFASSUNG 48 4. TÜRKISCHE KULTUR UND GESELLSCHAFT 50 4.1. DIE TÜRKISCHE FAMILIE 50 4.1.1. DIE FAMILIE IN DER TÜRKEI UND IHRE ROLLE IN DER GESELLSCHAFT 50 4.1.2. WANDEL DER TÜRKISCHEN FAMILIE AUFGRUND WESTLICHEN EINFLUSSES 54 4.1.3. DIE STELLUNG DER FRAU IN DER TÜRKISCHEN FAMILIE 56 4.1.3.1. Die Stellung der Frau in der türkischen ländlichen Familie 57 4.1.3.2. Die Stellung der Frau in der türkischen städtischen Familie 59 4.1.4. ZUSAMMENFASSUNG 63 4.2. DIE TÜRKEI UND DIE RELIGION 65 4.2.1. DIE SÄKULARE TÜRKEI 65 4.2.1.1. Laizismus und Säkularisierung 65 4.2.1.2. Die Anfänge der türkischen Säkularisierung 67 4.2.1.3. Der türkische Kemalismus 69 4.2.1.4. Zusammenfassung 73 4.2.2. RE-ISLAMISIERUNG UND POLITISCHER ISLAMISMUS 73 4.2.2.1. Re-Islamisierung der Türkei 73 2

4.2.2.1.1. Politische Entwicklung 74 4.2.2.1.2. Auswirkungen der Politik auf die säkulare Türkei 78 4.2.2.2. Islamischer Fundamentalismus und politischer Islamismus 82 4.2.2.2.1. Entstehung und Einfluss des politischen Islamismus 83 4.2.2.3. Zusammenfassung 88 4.2.3. AUSWIRKUNGEN DES FUNDAMENTALISMUS AUF DIE TÜRKISCHE FRAU 89 4.2.3.1. Exkurs: Die Stellung der Frau im Islam 89 4.2.3.2. Auswirkungen des Fundamentalismus auf die türkische Frau und die neue muslimische Frau 90 4.2.3.2.1. Die Kopftuchstudentinnen 96 4.2.3.3. Zusammenfassung 98 5. RESÜMEE 99 6. LITERATURVERZEICHNIS 102 3

1. Einleitung 0.0. Zum Thema Die mögliche Erweiterung der Europäischen Union brachte und bringt vermehrt Diskussionen über die Türkei mit sich. Im Vordergrund stehen dabei die wirtschaftlichen Folgen, die mit einem türkischen Beitritt einhergehen. Ein weiterer aktueller Diskussionspunkt ist die mangelhafte Einhaltung von Menschenrechtsnormen. Diverse Menschenrechtsverletzungen werden von NGOs immer wieder aus der Türkei gemeldet. Menschenrechte sind allgemein gültige Regelungen, die Männer wie Frauen gleichermaßen schützen sollten. Leider kommt es jedoch immer wieder vor, dass, wo immer internationale Menschenrechtsnormen in nationales Recht transformiert werden, Frauen nicht die gleichen Rechte zugesprochen werden wie Männern. Deshalb ist es notwendig die explizite Statuierung und Beachtung der Rechte der Frauen einzufordern. Frauenrechte sind jene spezifischen Rechte, die Frauen haben, damit es zu einer gleichberechtigten Behandlung und Stellung der Geschlechter in der gesamten Gesellschaft kommt. Gleichberechtigung hat nicht unbedingt zur Folge, dass Frauen gleich stark am gesellschaftlichen Leben teilhaben und in der Gesellschaft vertreten sind. Eine ungleiche Geschlechtsaufteilung macht es notwendig über die nur regulative Politik hinauszugehen. Durch direkte und indirekte Maßnahmen kann eine Gesellschaft geschaffen werden, in denen eine wahre Gleichstellung der Geschlechter herrscht. Alles das hängt von den gesellschaftlichen Strukturen ab. Die türkische Gesellschaft ist geprägt von Traditionen und patriarchalisch-dominiertem Denken. Die Familie und die islamische Religion haben einen hohen Stellenwert im Leben der Türkinnen und Türken. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Gleichstellung von Frauen in der Türkei. 0.0. Fragestellung Menschenrechte gelten für alle Männer und Frauen. Von nationalen und internationalen Organisationen werden laufend Menschenrechtsverletzungen in der Türkei aufgezeigt. Viele davon betreffen Frauen. Sie werden nicht nur in den Rechten, die ihnen als Menschen zustehen, beschnitten, sondern es werden auch ihre spezifischen Rechte als Frauen verletzt. Die Mitgliedschaft zum Europarat sowie der mögliche Beitritt zur Europäischen Union 4

erfordern eine Anpassung der türkischen Gesetze im Bereich der Menschen- und Frauenrechte. Die erste zu beantwortende Frage lautet somit: - Welchen Schutz der Frauenrechte bieten die türkischen nationalen Gesetze? Die gesetzliche Verankerung alleine garantiert jedoch keine Einhaltung der Menschenrechtsnormen. Weitere Fragestellungen lauten daher: - Wie erfolgt die Umsetzung der Frauenrechte in der Türkei aus? - Wie stellt sich die reale Situation der türkischen Frauen dar? Auf der Grundlage dieser Fragen wird folgende Hypothese erstellt: Die reale Frauenrechtssituation in der Türkei entspricht nicht der formalen Lage. Der gesetzliche Rahmen alleine kann eine gleichberechtigte Stellung von Frauen und Männern nicht garantieren. Für die Durchsetzung von Frauenrechten ist auch eine Gesellschaft notwendig, die diese gleichberechtigte Stellung der Geschlechter akzeptiert und bereit ist diese zu fördern. Die größte und bedeutendste gesellschaftliche Institution ist die Familie. Sie stellt zwar nicht den gesamtgesellschaftlichen Bereich dar, wird aber dennoch für diese Arbeit als Grundlage zur Untersuchung der türkischen Gesellschaft herangezogen. Folgende Fragen werden dabei beantwortet: - Wie ist die türkische Familie charakterisiert? - Welche Stellung kommt der Frau innerhalb der türkischen Familie zu? Die Hypothese zur Rolle der Familie bei der Umsetzung von Frauenrechten lautet: Die Struktur der türkischen Familie lässt eine gleichberechtigte Stellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft nicht zu. Ein zweiter wichtiger Faktor, der die türkische Gesellschaft prägt, ist die Religion. Fast ausnahmslos gehört die türkische Bevölkerung dem Islam an. Die Religion hat für Türkinnen und Türken eine sehr große Bedeutung. Im Kapitel Die Türkei und die Religion wird auf folgende Fragen eingegangen: - Welche Entwicklung nahm die Religion in der Türkei und welchen Einfluss hatte bzw. hat sie auf die türkische Politik? Darauf aufbauend ergibt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Stellung der türkischen Frauen: 5

- Welchen Einfluss hat die Religion auf die Position der Frau in der Gesellschaft und die Umsetzung von Frauenrechten? Zum Thema Islam und seine Auswirkungen auf die türkischen Frauen wird folgende Hypothese gestellt: Der Einfluss der Religion auf die türkische Gesellschaft behindert die Umsetzung von Frauenrechten in der Türkei. 0.0. Aufbau der Arbeit Die theoretische Grundlage dieser Arbeit bietet Kapitel 2. Eingangs wird darin auf die allgemeine Einteilung der Menschenrechte und den internationalen Menschenrechtsschutz eingegangen. Dabei wird zwischen den politischen und bürgerlichen und den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechten unterschieden. In diesem Kapitel werden die spezifischen Rechte der Frau erwähnt. Außerdem wird die Soziologie der Familie angesprochen, auf die sich die Darstellung der Charakteristika der türkischen Familie stützt. Um den Einfluss der türkischen Kultur auf die Umsetzung der Frauenrechte zu untersuchen, ist vorab eine Darstellung der frauenrechtlichen Situation in der Türkei notwendig. Ausgehend von der nationalen Gesetzgebung der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit sowie der internationalen Menschenrechtsabkommen, die der türkische Staat ratifiziert hat, wird in Kapitel 3 auf Bereiche eingegangen, in denen die Umsetzung der Frauenrechte noch nicht vollständig durchgeführt wurde. Die Informationen über diese Auswahl an Problembereichen wurden großteils den Analysen nationaler und internationaler NGOs und Berichten der Europäischen Union über die Frauenrechtssituation in der Türkei entnommen. Auf die türkische Familie, die gängigen Familienformen und den Wandel, den die wohl wichtigste Institution der türkischen Gesellschaft vollzog, wird in Kapitel 4.1 eingegangen. Zudem werden die unterschiedlichen Rollen der Frau innerhalb der ländlichen und städtischen Familie herausgearbeitet werden. Als zweiter kultureller Faktor, der die Umsetzung von Frauenrechten in der Türkei beeinflusst, wurde die Religion herangezogen. Dafür werden in Kapitel 4.2 zuerst die Rolle des Islams und der Wandel in der Bedeutung der Religion dargestellt. Aufbauend darauf wird die veränderte Stellung der Frau erörtert. Grundlage der Darstellung der türkischen Familie und der Religion in der Türkei (Kapitel 4) bildet 6

familiensoziologische bzw. islamwissenschaftliche und sich auf die Entwicklung der Türkei beziehende Fachliteratur. 7

2. Einteilung der Menschenrechte 0.0. Politische und bürgerliche Menschenrechte Mit der französischen sowie der amerikanischen Bürger- und Menschenrechtserklärung des späten 18. Jahrhunderts wurden die Grundlagen für unsere heutigen politischen und bürgerlichen Menschenrechten gelegt. Sie werden als die Menschenrechte der ersten Generation bezeichnet. Entsprechend ihrer Entstehungszeit beinhalten diese Rechte die Ideen der Aufklärung und des Liberalismus und setzen sich aus demokratischen Mitwirkungsrechten und liberalen Abwehrrechten gegenüber dem Staat zusammen. Diese vertikale Geltung der Menschenrechte zwischen Staat und Individuum, die vom Staat hinsichtlich politischer Rechte lediglich ein Gewähren und hinsichtlich bürgerlicher Rechte ein Unterlassen von Eingriffen erwartet, entspricht jedoch nicht mehr dem heutigen Verständnis von Menschenrechten. Vielmehr werden in unserer Zeit neben der Achtung von politischen und bürgerlichen Menschenrechten auch ihre Gewährleistung und die Ermöglichung ihrer Durchsetzung vom Staat verlangt. Zudem verpflichten Menschenrechte den Staat auch zum Schutz vor Rechtsverletzungen durch Private. 1 Kennzeichen einer demokratischen Staatsorganisation ist die Durchsetzung von Menschenrechten. Ein hoher Menschenrechtsstatus bedeutet allerdings nicht zugleich das Vorhandensein eines demokratischen Systems. 2 Für das Funktionieren einer Demokratie sind vor allem die politischen Rechte von Bedeutung. Das gleiche Recht auf Teilnahme an der staatlichen Willensbildung, das Recht auf Mitgestaltung öffentlicher Angelegenheiten oder das gleiche Recht auf freien Zugang zu Ämtern sind hierbei zu nennen. Eine demokratische Staatsordnung erfordert aber auch politische Freiheitsrechte, wie die Meinungs-, und Informationsfreiheit, die Vereins- und Vereinigungsfreiheit und im weiteren Sinne auch die Religions-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. 3 Neben den politischen Rechten sind auch die bürgerlichen Menschenrechte von großer Bedeutung für einen demokratischen Staat. Auch diese Rechte basieren auf Gleichheit und beinhalten die klassischen Individualrechte und Grundfreiheiten. Dazu zählen unter anderem das Recht auf Leben, das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf persönliche Freiheit oder das Recht auf Privatleben. 4 1 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 36. 2 Thomas Schaber (1996): Internationale Verrechtlichung der Menschenenrechte. Eine reflexive institutionentheoretische Analyse des Menschenrechtsregimes der Vereinten Nationen. Baden-Baden, 71. 3 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 58-59. 4 Waldemar Hummer (2004): Der internationale Menschenrechtsschutz: Entwicklung und Grundlagen. In: Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (Hg.): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 1: Textteil. Wien, 258-264, 260. 8

Politische und bürgerliche Rechte werden in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen sowohl auf plurilateraler, zumeist regionaler Ebene als auch multilateral bis systemweit geregelt. Der erste große Schritt in Richtung universellen Menschenrechtsschutz wurde mit der Schaffung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) getan. Sie beinhaltet nicht nur politische und bürgerliche Rechte, sondern geht auch auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte ein. Wenn ihr Text auch keine Verbindlichkeit für die Unterzeichnerstaaten beinhaltet, so stellt sie dennoch aufgrund ihrer inhaltlichen Breite das grundlegendste internationale Menschenrechtsdokument dar. Eine völkerrechtlich verbindliche Menschenrechtskonvention hinsichtlich der bürgerlichen und politischen Rechte wurde erst mit dem Internationalen Pakt über politische und bürgerliche Rechte (Zivilpakt, Pakt II) geschaffen. Aufgrund der 35 notwendigen Ratifikationen, die der Pakt benötigte, um in Kraft treten zu können, wurde die Konvention allerdings erst 1976 verbindlich. Mittlerweile haben 155 Staaten den Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert. 5 Inhaltlich gleicht er den in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte enthaltenen bürgerlichen und politischen Rechte. Die Formulierungen der Rechte im Pakt II sind jedoch ausführlicher und präziser gestaltet. Eine inhaltliche Erweiterung stellt das zweite Fakultativprotokoll zum Pakt dar. Darin werden die Ratifizierungsstaaten verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe zu ergreifen. Um die im Zivilpakt enthaltenen Rechte für die Vertragsstaaten auch verbindlich zu machen, enthält der Pakt über bürgerliche und politische Rechte ein Rechtsschutzsystem aus drei Verfahrensarten. Das wichtigste Kontrollverfahren ist das Berichtsprüfungsverfahren, da es für alle Vertragsstaaten obligatorisch ist. Es besteht für die Staaten die Verpflichtung Berichte vorzulegen, in denen neben dem rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen bürgerliche und politische Rechte gewährt werden, auch auf die Umsetzung und Verwirklichung der Rechte und die Schwierigkeiten dabei eingegangen wird. Vorgelegt werden diese Berichte dem Menschenrechtsausschuss, einem Organ, das aus 18 ExpertInnen aus unterschiedlichsten Ländern zusammengesetzt ist und als Konventionsorgan vom Sekretariat der UNO unterstützt wird. Dieser Ausschuss hat die Prüfung der Berichte zur Aufgabe und kann allgemeine Bemerkungen über die Menschenrechtssituationen in den Staaten machen. Zusätzlich kann der Menschenrechtsausschuss die Vertragsstaaten auffordern spezielle Berichte zu einem Menschenrechtsthema zu verfassen. Eine rechtliche Verbindung besteht für die Staaten jedoch nicht. Diesem Ausschuss obliegt nicht nur die Kontrolle über das Staatenberichtsverfahren, 5 Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (2006): International Covenant on Civil and Political Rights New York. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.ohchr.org/english/countries/ratification/4.htm. 9

sondern auch über das Staatenbeschwerde- und das Individualbeschwerdeverfahren. Während das Staatenbeschwerdeverfahren, das innerhalb des Paktes geregelt ist und nur dann zum Einsatz kommt, wenn sowohl vom Staat, der die Beschwerde einbringt, als auch vom Staat, an den diese Beschwerde gerichtet ist, eine Einverständniserklärung über die zulässige Anwendung dieses Verfahrens unterzeichnet wurde, als Kontrollverfahren bis jetzt noch nie zum Einsatz kam, stellt das Individualbeschwerdeverfahren eine durchaus effektive Möglichkeit zur Kontrolle dar. Für die Anwendung dieser Verfahrensart ist jedoch die Ratifizierung des Ersten Fakultativprotokolls zum Pakt II notwendig. 6 105 Staaten unterzeichneten bis jetzt dieses Protokoll. 7 Nur Angehörige dieser Staaten können nach Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges eine Einzelfallprüfung vor dem Menschenrechtsausschuss beantragen. Nach Untersuchung des Falles werden Auffassungen formuliert, die die rechtliche Situation im speziellen Anliegen bewerten und Empfehlungen zur Sicherstellung der im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte verankerten Rechte an den Staat beinhalten. Diese Auffassungen des Menschenrechtsausschusses sind jedoch keine bindenden Urteile. Folglich kann auch die Umsetzung nicht mehr kontrolliert werden. 8 Dennoch wird dem Individualbeschwerdeverfahren im Zuge des Zivilpaktes aufgrund der hohen Zahl an behandelten Fällen eine hohe Bedeutung zugemessen. Neben dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte kam es auf internationaler Ebene des Menschenrechtsschutzes auch zu einer Reihe von UN-Konventionen, die die Gewährung spezieller bürgerlicher und politischer Rechte sicherstellen sollen. Die wichtigsten Konventionen wurden zur Beseitigung von Rassendiskriminierung (1965), zur Beseitigung von Diskriminierung der Frau (1979), zur Beseitigung von Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen oder Behandlungen (1984) und über die Rechte des Kindes (1990) ausgehandelt. Sie alle verfügen ähnlich wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte über einen unabhängigen Überwachungsmechanismus mit einem Expertenausschuss als Kontrollorgan, ein obligatorisches Staatenberichtssystem und, 6 Thomas Schaber (1996): Internationale Verrechtlichung der Menschenenrechte. Eine reflexive institutionentheoretische Analyse des Menschenrechtsregimes der Vereinten Nationen. Baden-Baden, 157-161, 178-182; Waldemar Hummer (2004): Der universelle Menschenrechtsschutz im Rahmen der Vereinten Nationen. In: Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (Hg.): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 1: Textteil. Wien, 264-274, 266-267. 7 Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (2006): Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights New York. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.ohchr.org/english/countries/ratification/5.htm. 8 Thomas Schaber (1996): Internationale Verrechtlichung der Menschenenrechte. Eine reflexive institutionentheoretische Analyse des Menschenrechtsregimes der Vereinten Nationen. Baden-Baden, 204-205. 10

mit Ausnahme der Konvention über die Rechte des Kindes, die Möglichkeit des Individualbeschwerdeverfahrens. 9 Auf europäischer Ebene spielt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) des Europarates die zentrale Rolle. Die Einhaltung der Menschenrechte bildet beim Europarat eine Grundlage für die Mitgliedschaft, zu der sich mittlerweile 46 europäische Staaten bekannt haben. In der EMRK werden hauptsächlich bürgerliche und politische Rechte geregelt, wie Rechte der körperlichen Integrität, Rechte der persönlichen, geistigen und privaten Freiheit, verfahrensrechtliche Garantien, politische Rechte und das Recht auf Gleichheit. Zusätzlich zu den in der Konvention erwähnten Rechten können die durch Zusatzprotokolle ausgehandelten Regelungen vor Gericht gebracht werden. Diese Zusatzprotokolle müssen jedoch von den einzelnen Mitgliedsstaaten eigens ratifiziert werden, um auch einklagbar zu sein. Durch diese besonderen Regelungen ist es unter anderem zur Abschaffung der Todesstrafe in Friedens- wie in Kriegszeiten in den Vertragsstaaten gekommen. Der Europarat richtete als einzige Organisation bereits 1959 einen eigenen Gerichtshof ein, bei dem entweder durch Individual- oder durch Staatenbeschwerdeverfahren die in der EMRK enthaltenen Rechte eingeklagt werden können. Während der Staatenbeschwerde nur eine untergeordnete Rolle zukommt, wird die Individualbeschwerde sehr häufig eingebracht. Der Grund dafür ist die verbindliche Rechtssprechung des mittlerweile unabhängigen Menschenrechtsgerichtshofes, der Mindeststandards im Bereich der bürgerlichen und politischen Rechte gemäß der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle einfordern kann. 10 Innerhalb des Europarates besteht zur Verhütung von Folter eine eigene, erwähnenswerte Form der Kontrolle. Im Rahmen des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ist ein Besuchssystem eingeführt worden. Die Konvention, die von 42 Staaten unterzeichnet wurde, gibt einem eigenen Komitee die Möglichkeit, jederzeit und ohne vorherige Ankündigung alle Orte, an denen Personen durch Behörden ihre Freiheit entzogen wird 11 zu besuchen. Diesem Besuch folgt ein Bericht mit Empfehlungen zu Verbesserungen im Bereich des Schutzes von Inhaftierten. 12 9 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 98-108. 10 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 174-189. 11 Wolfram Karl (2004): Der Europäische Menschenrechtsschutz. In: Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (Hg.): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 1: Textteil. Wien, 274-312, 303. 12 Wolfram Karl (2004): Der Europäische Menschenrechtsschutz. In: Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (Hg.): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 1: Textteil. Wien, 274-312, 303. 11

Nicht nur staatliche Organisationen haben dazu beigetragen, Menschenrechtsstandards zu entwerfen und diese auch durchzusetzen, sondern auch nicht-staatliche Organisationen. NGOs tragen oft zur erfolgreichen Arbeit von IGOs bei. Sowohl in Organen der Vereinten Nationen als auch im Europarat kommt ihnen ein beratender Status zu. Zur Durchsetzung vo n UN- Konventionen und der Europäischen Folterkonvention werden NGOs ebenfalls herangezogen. Wenn ihnen auch keine Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung zukommen, so muss ihr Gewicht, das sie als unabhängige Organisationen in der Gesellschaft haben, beachtet werden. Durch die Arbeit mit Menschenrechtsopfern, dem Sammeln von Informationen über Menschenrechtsverletzungen, die Zusammenarbeit mit Regierungen und Medien bei der Gestaltung von neuen Standards und die Bewusstseinsbildung, die sie in der Öffentlichkeit betreiben, sind NGOs zu einem unverzichtbaren Faktor in der Verbesserung der Einhaltung von Menschenrechten geworden. 13 0.0. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte und gesellschaftliche Rechte Während im politischen Westen die Freiheit jedes Menschen im Vordergrund stand, entwickelte sich durch die sozialistischen KritikerInnen ein anderes Menschenrechtskonzept, in dem durch Einheit von Staat und Gesellschaft, Übereinstimmung von Individual- und Kollektivinteressen und die Abschaffung des Privateigentums bürgerliche und politische Rechte nebensächlich wurden. Das Hauptaugenmerk lag auf den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten, die heute die zweite Generation von Menschenrechten darstellen. Sie beinhalten Rechte, wie das Recht auf Arbeit und angemessenen Lebensstandard, das Recht auf ärztliche Versorgung oder das Recht auf Bildung und Teilnahme am kulturellen Leben der Gesellschaft. 14 Neben den Individualrechten existieren auch Kollektivrechte. Sie schützen die Interessen der Gesellschaft und werden zusammengefasst die gesellschaftlichen Rechte oder die Rechte der dritten Generation genannt. Rechte dieser Generation sind beispielsweise das Recht auf 13 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 273-275. 14 Waldemar Hummer (2004): Der internationale Menschenrechtsschutz: Entwicklung und Grundlagen. In: Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (Hg.): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 1: Textteil. Wien, 258-264, 260. 12

Entwicklung, das Recht auf Verfügung über die eigenen natürlichen Ressourcen, das Recht auf eine saubere Umwelt oder das Recht auf Frieden und Solidarität. 15 Neben dem Zivilpakt der Vereinten Nationen besteht auch ein Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt, Pakt I) aus dem Jahr 1966, der ebenso erst 1976 in Kraft getreten ist. Mittlerweile zählt auch dieser Pakt 152 Vertragsstaaten. 16 Die festgelegten Rechte betreffen die meisten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Im Gegensatz zu den im Pakt II verankerten Pflichten, verpflichtet sich ein Vertragsstaat des Sozialpaktes in Art. 2 lediglich einzeln und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. 17 Diese Formulierung der staatlichen Umsetzungsverpflichtung macht ein direktes Durchsetzungsverfahren nicht möglich. Während im Zivilpakt zusätzlich zum Berichtssystem Staaten- und Individualbeschwerden möglich sind, enthält der Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte lediglich eine Verpflichtung zur Übermittlung von Staatenberichten an den dafür geschaffenen Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. 18 unabhängige ExpertInnen prüfen dort die Berichte und geben Empfehlungen an den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen ab. Dieser wiederum verfasst periodische Berichte, in denen allgemeine Empfehlungen zum Schutz der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte enthalten sein können. 18 Mit diesem Berichtssystem alleine kann eine Einhaltung der Pflichten von Seiten der Vertragsstaaten nicht gewährleistet werden. Während auf internationaler Ebene der Gegenpol zum Zivilpakt der Sozialpakt ist, stellt auf europäischer Ebene die Europäische Sozialcharta das Gegenstück zur EMRK dar. Auch sie wurde im Rahmen des Europarates geschaffen. Anders jedoch als die EMRK, deren Ratifizierung Grundlage für einen Beitritt zum Europarat darstellt, ist die Annahme der Europäischen Sozialcharta nicht verpflichtend. Den Vertragsstaaten ist es außerdem freigestellt, ob sie die gesamte Charta unterzeichnen oder ob sie lediglich einzelne Rechte aus 15 Waldemar Hummer (2004): Der internationale Menschenrechtsschutz: Entwicklung und Grundlagen. In: Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (Hg.): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 1: Textteil. Wien, 258-264, 260. 16 Office of the United Nations High Co mmissioner for Human Rights (2006): Committee on Economic, Social and Cultural Rights. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.ohchr.org/english/bodies/cescr/. 17 Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (1997): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 2: Materialienteil. Wien, 248. 18 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 96-97. 13

dem Dokument annehmen. Inhaltlich bezieht sich die Sozialcharta unter anderem auf das Recht auf Arbeit, Fürsorge, Bildung und soziale Sicherheit, auf den Schutz von Familien und Kindern und auf das Recht auf Vereinigungsfreiheit. Durch ein Zusatzprotokoll und eine Revision der Charta wurde der Inhalt den wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeiten der heutigen Zeit angepasst. So wurden beispielsweise das Recht auf Schutz von Älteren oder das Recht auf Schutz vor Armut und Unterstützung bei Arbeitsverlust zusätzlich aufgenommen. Die revidierte Europäische Sozialcharta von 1996 wurde mittlerweile von 37 der 46 Mitgliedsstaaten des Europarates unterzeichnet. 19 davon ratifizierten die erneuerte Charta bereits. 19 Mit ihrer Ratifikation verpflichten sie sich Berichte an den unabhängigen Europäischen Ausschuss für Soziale Rechte abzuliefern. Neun ExpertInnen geben nach der Prüfung dieser Berichte Empfehlungen ab, die vom Ministerkomitee verabschiedet werden. Neben dem Berichtssystem existiert für die Europäische Sozialcharta auch ein Kollektivbeschwerdesystem zur Überwachung der Rechtsumsetzungen. Eingesetzt wurde diese Kontrollmöglichkeit durch ein Zusatzprotokoll, das wieder von jedem Staat einzeln ratifiziert werden muss, um Anwendung zu finden. Dieses Beschwerdesystem ist nur für bestimmte NGOs und Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerorganisationen vorgesehen. Entschieden wird nicht wie bei der EMRK von einem Gericht, sondern vom Ministerkomitee. 20 Insgesamt gesehen ist daher die Durchsetzung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten in Europa stark von der Einsatzbereitschaft der einzelnen Staaten für diese Rechte abhängig. Menschenrechte basieren auf zwei grundlegenden Werten: der Gleichheit und der Menschenwürde. Die Rechte eines jeden/r Einzelnen können nur so weit durchgesetzt werden, soweit sie nicht die Rechte eines anderen Menschen beschneiden und es nicht zu einer Besserstellung bzw. Unterordnung einer Person kommt. Innerhalb der Gesellschaft werden Menschen fast immer über das Geschlecht definiert. Die Kategorie Geschlecht übernimmt die Funktion der Positionierung von Männern und Frauen im sozialen Raum; sie hat den Status eines sozialen Platzanweisers. 21 19 Europarat (2006): Sozialcharta. Die Mitgliedsstaaten des Europarats und die Europäische Sozialcharta. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.coe.int/t/d/menschenrechte/sozialcharta/cse_tablsimplifie_ger.asp#topofpage. 20 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 189-192. 21 Hannelore Bublitz (2002): Geschlecht. In: Hermann Korte; Bernhard Schäfers (Hg.): Einführung in die Hauptbegriffe der Soziologie. Opladen, 85-104, 90. 14

Frauen und Männern werden innerhalb der Gesellschaft und in sozialen Gruppen, wie der Familie, gewisse Rollen zugesprochen. Diese biologische Ungleichheit bestimmt somit die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche und gesellschaftlichen Funktionen beider Geschlechter. Wird jemand aufgrund seines Geschlechts gegenüber dem anderen Geschlecht benachteiligt, so wird das Prinzip der Gleichberechtigung verletzt. Gleichberechtigte Behandlung von Mann und Frau ist jedoch ein Menschenrecht, das mittlerweile auch Eingang in die internationalen Menschenrechtsverträge gefunden hat. So wie die Gesellschaft von der Ungleichheit der Geschlechter geprägt ist, sind auch die rechtlichen Regelungen von der Vorherrschaft der Männer geformt. Orientierungsmaßstab des Rechts ist die soziale Realität des männlichen Durchschnittsmenschen. 22 Die feministische Rechtskritik von Floßmann sieht das Recht als ein von Männern gestaltetes und sich am Leben der Männer orientierendes Werk. 23, was sich für sie beispielsweise an der Nicht-Einbeziehung der Lebenswirklichkeit der Frauen zeigt. Um die spezifischen menschenrechtlichen Bedürfnisse von Frauen zu decken, war und ist daher eine gesonderte Regelungen der Frauenrechte notwendig. Im Folgenden wird auf diese speziellen völkerrechtlichen Verträge eingegangen. Da die Missachtung von Frauenrechten häufig im privaten Bereich geschieht und hierbei die Familie als die bedeutendste gesellschaftliche Institution zu nennen ist, wird im Anschluss der theoretische Rahmen der Familiensoziologie behandelt. Sowohl die Umsetzung dieser frauenrechtlichen Regelungen in der Türkei als auch die Soziologie der türkischen Familie werden im Verlauf der Arbeit bearbeitet. 0.0.0. Frauenrechte sind Menschenrechte Sowohl die Menschenrechtsbestimmungen der Vereinten Nationen, insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 sowie die Internationalen Pakte über politische und bürgerliche Rechte (Pakt II) und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I) von 1966, als auch die regionalen Menschenrechtsschutzkonventionen, die sich auf Kontinente oder Kulturkreise beziehen, sind natürlich auf Frauen und Männer ohne Unterschied anwendbar. Allerdings sind zum einen nur die bürgerlichen und politischen Rechte auch einklagbar und wird die Gewährleistung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten vom guten Willen der Vertragsstaaten abhängig gemacht. Wie Statistiken 22 Ursula Floßmann (1998): Vom formalen zum feministischen Grundrechtsverständnis. In: Astrid Deixler- Hübner (Hg.): Die rechtliche Stellung der Frau. Wien, 209-232, 212. 23 Ursula Floßmann (1998): Vom formalen zum feministischen Grundrechtsverständnis. In: Astrid Deixler- Hübner (Hg.): Die rechtliche Stellung der Frau. Wien, 209-232, 214. 15

zeigen, sind es vor allem Frauen, die nicht in den Genuss jener Rechte kommen, die im Sozialpakt geregelt sind. Zum anderen haben die üblichen, verbindlichen Menschenrechtsnormen nicht genug Tiefgang, um Traditionen, diskriminierende Praktiken und Institutionen, die von männlichen Lebenswelten geprägt sind, zu erfassen. Bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird mit dem Verbot der Diskriminierung auf die allgemeine Gültigkeit und Anwendbarkeit der Rechte auf alle Menschen eingegangen. Neben dem Diskriminierungsverbot enthält die Erklärung allerdings keine Regelungen, die die gleichberechtigte Behandlung der Geschlechter sichern würde. Mit der Ratifizierung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung der im Pakt festgelegten Rechte sicherzustellen. Im Pakt II wird außerdem auf das Recht auf Gleichheit vor dem Staat eingegangen, das eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und anderer Merkmale nicht zulässt. Ähnliche Ausführungen beinhaltet der Sozialpakt. Auch darin werden das Diskriminierungsverbot und die Gleichberechtigung der Geschlechter in Bezug auf die im Pakt verankerten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte festgemacht. Explizit wird auf die gleichen Arbeitsbedingungen von Männern und Frauen eingegangen, die neben dem Grundsatz gleiches Entgelt für gleiche Arbeit gelten müssen. Aufgrund der Mutterrolle wird Frauen im Pakt I im Zuge des Schutzes der Familie während der Zeit der Geburt besonderer Schutz gewährt. Zudem werden die sozialen Rechte berufstätiger Mütter angesprochen. Konkrete Regelungen beinhalten diese jedoch nicht. 24 Die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den UN-Pakten festgeschriebenen Menschenrechte genügten nicht, um zumindest eine rechtliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herzustellen. Deswegen wurden von den Vereinten Nationen völkerrechtliche Verträge ausgehandelt, die den spezifischen Schutz der Frauenrechte beinhalten. Dazu zählen das Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau (1952), das Übereinkommen über die Erklärung des Ehewillens, das Heiratsmindestalter und die Registrierung von Eheschließungen (1962), die Erklärung über die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (1967) und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) (1979). Eines der ersten UN-Übereinkommen überhaupt bezieht sich auf die politischen Rechte der Frau. In nur wenigen Artikeln werden die Rechte, die die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in diesem Bereich garantieren sollen, dargelegt. Konkret geht der Text des 24 Hanspeter Neuhold; Waldemar Hummer; Christoph Schreuer (1997): Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. Band 2: Materialienteil. Wien, 244-258. 16

Übereinkommens auf die Forderung nach einem gleichberechtigten, aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen, sowie auf ein Diskriminierungsverbot bei der Ausübung von öffentlichen Ämtern und Funktionen ein. 25 Das 1962 von der Generalversammlung angenommen Übereinkommen über Ehe und Familie unterstreicht das Recht auf Heirat und Gründung einer Familie. Betont wird dabei die freie Willensentscheidung von Frau und Mann. Um Ehen von Kindern zu vermeiden, wird im Übereinkommen den Vertragsstaaten vorgeschrieben, ein Mindestheiratsalter festzusetzen. Konkrete Angaben dazu werden allerdings erst in der drei Jahre später angenommenen Empfehlung über die Erklärung des Ehewillens, das Heiratsalter und die Registrierung von Eheschließungen gemacht. Das Mindestalter für eine Eheschließung beträgt dieser Empfehlung nach 15 Jahre. 26 Weder das Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau noch das Übereinkommen über Angelegenheiten der Ehe brachte jedoch ein Regelüberwachungssystem mit sich, das die Umsetzung der Regelungen und die Kontrolle darüber garantierte. Der wohl bedeutendste völkerrechtliche Vertrag, der sich speziell mit Frauenfragen beschäftigt, ist die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau. Mittlerweile wurde dieses Dokument von 180 Staaten unterzeichnet. 27 Dieses Übereinkommen hat das Verbot und die Beseitigung jeglicher mit dem Geschlecht begründeter Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung 28 zum Grundprinzip. Staaten verpflichten sich mit der Unterzeichnung zur Aufnahme des Grundsatzes der Gleichheit in der Staatsverfassung. Explizit erwähnt wird in der Konvention die positive Diskriminierung, die als ein Mittel zur Überwindung gesellschaftlicher Anpassungsschwierigkeiten angesehen wird. Das Übereinkommen beinhaltet nicht nur allgemeine Bestimmungen über politische, soziale und wirtschaftliche Rechte, sondern widmet sich unter anderem konkreten Frauenrechtsfragen, wie der Situation der Frauen im Ehe- und Familienrecht. Zudem wird auf die Themen Frauenhandel und die Stellung der Frauen in ländlichen Regionen gesondert eingegangen. 29 Besonders hervorzuheben ist dabei, 25 Office of the High Commissioner of Human Rights (2006): Convention on the Political Rights of Women. Abgerufen am 8. Jänner 2006 unter http://www.unhchr.ch/html/menu3/b/22.htm. 26 Thomas Schaber (1996): Internationale Verrechtlichung der Menschenenrechte. Eine reflexive institutionentheoretische Analyse des Menschenrechtsregimes der Vereinten Nationen. Baden-Baden, 150-152. 27 United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women CEDAW (2005): State Parties. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/states.htm. 28 Auswärtiges Amt Deutschland (2006): Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.auswaertigesamt.de/www/de/infoservice/download/pdf/mr/frauen.pdf. 29 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 100-102. 17

dass sich die Anweisungen an die Staaten nicht nur auf den staatlichen Bereich konzentrieren, sondern auch auf den privaten, der bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der CEDAW von der Aufsicht über die Menschenrechte durch den Staat ausgeschlossen war. Die privaten Bereiche, die die CEDAW abdeckt, betreffen die Beseitigung der Diskriminierung der Frau in Ehe- und Familienfragen (Art. 16) sowie die Aufhebung aller Gepflogenheiten und Praktiken, die eine Benachteiligung der Frau darstellen (Art. 2(f)). Die CEDAW enthält jedoch keine Regelungen, die Gewalt in der Familie bzw. gegenüber Frauen ausdrücklich verbieten würde. 30 Die Vertragsstaaten müssen alle geeigneten Maßnahmen treffen, um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken 31. Beabsichtigt wird dabei die Beseitigung von traditionellen, sozialen Verhaltensmustern und einstellungen, die die untergeordnete Stellung der Frau zur Folge haben. Wenn die Ziele der CEDAW und die Rechte, die Frauen zustehen sollten, auch klar formuliert werden, so besteht doch keine rechtliche Verbindlichkeit für die Vertragsstaaten. Die Formulierung die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen lässt einen Spielraum für die Unterzeichnerstaaten innerhalb des Kontrollsystems. 32 Während die Vertragsstaaten der oben genannten Übereinkommen bis in die sechziger Jahre mit ihrer Unterzeichnung aufgrund der fehlenden Umsetzungs- und Überwachungsinstrumentarien lediglich ein Bekenntnis zum Versuch der Verbesserung der Frauenrechte ablegten, kann den Mitgliedern der CEDAW durch das Staatenberichtsverfahren zumindest teilweise die erfolgte oder nicht erfolgte Umsetzung der Konvention nachgewiesen werden. Die Staaten haben innerhalb bestimmter Fristen und mindestens alle vier Jahre bzw. nach Aufforderung Berichte über die Stellung der Frau im Land an einen Expertenausschuss abzugeben. Die Berichtsform bzw. die anzuführenden Daten werden dabei vorgegeben. Aufgrund dieses Berichtes gibt der Expertenausschuss anschließend allgemeine Empfehlungen und Vorschläge ab. 33 Im Jahr 2000 kam es zum Einsetzen eines Fakultativprotokolls zur CEDAW. Dieses sieht ein Individualbeschwerdeverfahren vor, dass Frauen und Frauenorganisationen die Möglichkeit gibt, nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges bei Verstößen gegen die 30 Auswärtiges Amt Deutschland (2006): Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.auswaertigesamt.de/www/de/infoservice/download/pdf/mr/frauen.pdf. 31 Auswärtiges Amt Deutschland (2006): Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.auswaertigesamt.de/www/de/infoservice/download/pdf/mr/frauen.pdf. 32 Tanja Keller (1998): Was nutzen die Vereinten Nationen den Frauen? Effektivität der UN-Instrumente für die Menschenrechte von Frauen. In: Birgit Erbe (Hg.): Frauen fordern ihre Rechte. Menschenrechte aus feministischer Sicht. Berlin/Hamburg, 89-107, 98. 33 Thomas Schaber (1996): Internationale Verrechtlichung der Menschenenrechte. Eine reflexive institutionentheoretische Analyse des Menschenrechtsregimes der Vereinten Nationen. Baden-Baden, 165. 18

Bestimmungen der CEDAW sich an den Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu wenden. Anschließend werden dem Vertragsstaat und der Einzelperson die Auffassungen des Ausschusses mitgeteilt, die zwar rechtlich nicht verbindlich sind, aber dennoch eine politische Wirkung haben können. Zudem kann ein Untersuchungsverfahren eingeleitet werden, wenn Grund zur Annahme von schwerwiegenden oder systematischen Menschenrechtsverletzungen der Frau durch einen Vertragsstaat besteht. 34 Bis jetzt wurde dieses Protokoll von 76 Staaten ratifiziert. 35 Da das Fakultativprotokoll zur CEDAW erst seit 2000 in Kraft ist und daher bis jetzt nur wenige Entscheidungen gefällt wurden, ist noch nicht zu beurteilen, ob die Schiedssprüche und das Verhalten des Komitees Verbesserung im Bereich der Frauenrechte bringen. Die Forderung, dieses Fakultativprotokoll zur CEDAW einzusetzen, war 1995 auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking laut geworden. Weltkonferenzen dieser Art haben nicht den Zweck, verbindliche Regelungen zu erstellen, sondern Handlungsaufforderungen an Regierungen und internationale Organisationen zu richten. Die behandelten Thematiken der letzten Weltfrauenkonferenz erstrecken sich über eine Vielzahl von Bereichen, in denen Frauen tätig sind und in denen Verbesserungen zum Schutz der Frauenrechte notwendig sind. 36 Im weiteren Sinne ist für den Schutz der Frauenrechte auch die Konvention über die Rechte des Kindes relevant. Sie ist seit 1990 in Kraft und definiert die Rechte aller Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahre. Zu ihren Grundprinzipien zählen das Recht auf Schutz, das Recht auf Grundversorgung und das Recht auf Beteiligung. Speziell für Mädchen und junge Frauen stellt dieses Abkommen einen rechtlichen Schutz dar, da in einem Fakultativprotokoll Regelungen zu Kinderprostitution und Kinderpornografie enthalten sind. 37 Alle genannten frauenrechtlichen Verträge wurden in einem Organ der Vereinten Nationen ausgearbeitet: der Kommission für die Rechtsstellung der Frau, die seit 1947 eine beratende und empfehlende Institution für den Wirtschaft- und Sozialrat darstellt. Die 45 gewählten Mitgliedsstaaten tagen einmal jährlich, um Empfehlungen und Berichte zur Förderung von Frauenrechten im politischen, sozialen, bürgerlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich 34 Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (2005): Frauen: EU/Internationales. Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen (CEDAW). Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.bmgf.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=ch0282&doc=cms1094455111533. 35 United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women CEDAW (2005): Signatures to and Ratifications of the Optional Protocol. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/protocol/sigop.htm. 36 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 166-167. 37 UNICEF - Austria (2006): Kinderrechte: Die Konvention über die Rechte des Kindes. Abgerufen am 28. Februar 2006 unter http://www.unicef.at/kinderrechte/jahre.asp. 19

abzugeben. Zur Aufgabe der Kommission gehört unter anderem die Durchführung der Weltfrauenkonferenzen. 38 Die oben erwähnten Menschenrechtsschutzabkommen werden von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Die Grundlage der dafür eingesetzten Organe und Mechanismen bildet die Satzung der UNO. Daneben existieren die UNO- Sonderorganisationen, die rechtlich selbstständige internationale Organisationen mit eigenen Statuten, Organen und Mitgliedsländern darstellen. Auch für sie besteht die Möglichkeit Konventionen zum Schutz der Menschenrechte zu erlassen. Die International Labour Organization (ILO) beispielsweise beinhaltet Gleichberechtigungsfragen, die die Frauenrechte in der Arbeitswelt gesondert schützen. Dazu gehört das Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit aus dem Jahr 1951 sowie die Konvention über Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf aus dem Jahr 1958. Darin wird jede Unterscheidung, Ausschließung oder Besserstellung, die aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der Religion oder des nationalen oder sozialen Ursprungs vorgenommen wird, als Diskriminierung bezeichnet. 39 Im Unterschied zur CEDAW ist zur Kontrolle der Durch- und Umsetzung der Konvention kein Berichtssystem angehängt. Wie in vielen Fällen bestehen auch bei den Übereinkommen der ILO die Probleme der Umsetzung und der Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften. Auf europäischer Ebene ist es bis jetzt zu keinem völkerrechtlichen Vertrag ähnlich der CEDAW gekommen. Die EMRK erwähnt die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nicht explizit. Ebenso wird nicht auf besondere Frauenrechte hingewiesen. In Art. 14 wird lediglich ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts in Bezug auf die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten angeführt. Mit dem 12. Zusatzprotokoll zur EMRK wurde ein allgemeines und unabhängiges Diskriminierungsverbot erlassen, das sich nicht mehr nur auf die Rechte und Freiheiten der Konvention bezieht. Mit diesem Protokoll wurde die Gleichheit vor dem Gesetz geschaffen. In der Europäischen Sozialcharta vor allem in der revidierten Fassung wird stärker auf die Rechte der Frau eingegangen. Zwar werden auch hier, wie im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Schutz der Familie und die Rolle der Frau 38 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 134-135. 39 Istanbul Bilgi University. Human Rights Law Research Center (2006): Treaties/International Labour Organization. Discrimination (Employment and Occupation) Convention. Abgerufen am 8. Jänner 2006 unter http://insanhaklarimerkezi.bilgi.edu.tr/andlasmalar_ilo/c111_eng.asp. 20

als Mutter hochgehalten, doch werden auch explizit die Rechte auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen erwähnt. 40 Ein weiteres Recht, das aus frauenrechtlicher Sicht von großer Bedeutung ist, ist das Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie, da meist aus gesellschaftlichen Gründen die Frau diejenige ist, die die Rolle der Erzieherin übernimmt. Das Überwachungssystem sieht leider keine verpflichtende Durchsetzung dieser Rechte vor. Auf regionaler Ebene ist es auch innerhalb des islamischen Kulturkreises zu Menschenrechtserklärungen gekommen. In Bezug auf die islamische Türkei wird kurz auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1981 eingegangen. Sie beruft sich auf den Koran und nimmt die islamischen Regelungen in die Erklärung auf. Frauenrechte werden dabei maximal in Form von Familienrechten angesprochen. Die Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft wird in der folgenden Passage aus der islamischen Menschenrechtserklärung deutlich: Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott die einen von ihnen (die Männer) vor den anderen bevorzugt hat und wegen der Ausgaben, die so von ihrem Vermögen gemacht haben. 41 Dieser Text widerspricht aus der Sicht des westlichen Verständnisses für Menschen- und Frauenrechte klar dem Diskriminierungsverbot. 0.0.0. Soziologie der Familie 0.0.0.0. Familienformen Um auf die Rolle der türkischen Familie in Bezug auf die Durchsetzung der Frauenrechte eingehen zu können, ist eine theoretische Abhandlung der Familiensoziologie notwendig. Dem Begriff der Familie kommen zahlreiche Definitionsvorschläge zu. Bei Rosemarie Nave- Herz sind Familien erstens durch eine Reproduktions- und Sozialisationsfunktion sowie durch eine kulturell veränderliche gesellschaftliche Funktion gekennzeichnet. Das zweite Merkmal besteht aus der Differenzierung zwischen den Generationen der Kinder, Eltern, Großeltern, usw. Das dritte Kennzeichen von Familien ist ein Verhältnis der Zusammenarbeit, in dem jedes Mitglied eine Rolle spielt. 42 Während Paul B. Hill und Johannes Kopp eine auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau mit gemeinsamer Haushaltsführung und 40 Manfred Nowak (2002): Einführung in das internationale Menschenrechtssystem. Wien/Graz, 191. 41 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam. Abgerufen am 6. Februar 2006 unter http://www.dadalos.org/deutsch/menschenrechte/grundkurs_mr2/materialien/dokument_8.htm. 42 Rosemarie Nave-Herz (2004): Ehe- und Familiensoziologie. Eine Einführung in Geschichte, theoretische Ansätze und empirische Befunde. Weinheim/München, 30. 21