Deutschland hat Zukunft: Drittpersonaleinsatz Werkvertrag und Zeitarbeit Montag, 09.03.2015 um 15:00 Uhr PresseClub Nürnberg e.v., Marmorsaal Gewerbemuseumsplatz 2, 90403 Nürnberg Die künftige Rolle von Werkverträgen und Zeitarbeit in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft Dr. Frank Rahmstorf Geschäftsführer, Leiter Grundsatzabteilung Recht i.v. Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Es gilt das gesprochene Wort.
1 Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zu unserem Kongress zum Thema Drittpersonaleinsatz. Bedeutung von Werkverträgen und Zeitarbeit für Unternehmen wie Beschäftigte Werk- und Dienstverträge sind wie auch die Zeitarbeit unverzichtbare Elemente unseres Wirtschaftslebens. Beide Instrumente haben einen großen Anteil an unserem wirtschaftlichen Erfolg made in Germany: Machen Werk- und Dienstverträge die Spezialisierung in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft überhaupt erst möglich, so bietet die Zeitarbeit einerseits Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und unseren Unternehmen andererseits die notwendige Luft zum Atmen in Zeiten volatiler Auslastung. Die Zeitarbeit wirkt also auch als Beschäftigungsbrücke:
2 Seit 2003 hat sich die Zahl der Personen, die vor Zeitarbeit noch nie beschäftigt waren oder über die Zeitarbeit ins Erwerbsleben eingestiegen sind, um 150 Prozent erhöht. Auch wenn in ganz Deutschland nur rund 2,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Zeitarbeit tätig sind ihre Bedeutung für den Arbeitsmarkt liegt auf der Hand: Rund zwei Drittel der Zeitarbeitskräfte kommen aus der Arbeitslosigkeit in vollwertige Arbeitsverhältnisse. Zeitarbeit qualifiziert. Mehr, als es Arbeitslosigkeit tut. Und Werk- und Dienstverträge sind aus unserem Wirtschaftsleben schlicht nicht wegzudenken. Jeder von uns nutzt sie: Als Privatperson bei der Autoreparatur in einer Werkstatt oder durch die Inanspruchnahme von Hausmeister-dienstleistungen genauso wie Unternehmen in ihren arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten. Dass sich die Digitalisierung der Wirtschaft und die hybride Wertschöpfung noch steigernd auf die
3 Verbreitung von Werk- und Dienstverträgen auswirken werden, kann man heute nur vermuten. Ein Zurückdrängen der Werk- bzw, Dienstverträge würde den Unternehmen die Möglichkeit rauben, diesen Strukturwandel mitzugehen. Der Grundsatz make or buy ist Wesenskern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Und Fakt ist auch: Ein Großteil der industriellen Wertschöpfung wird nach wie vor durch das Stammpersonal erbracht in der Fertigung liegt die Eigenleistungsquote bei über 60 Prozent, wie eine Studie der Uni Augsburg zeigt. Berichte über vermeintliche oder tatsächliche Missbräuche dürfen mit Pauschalvorwürfen sinnvolles und erlaubtes unternehmerisches Handeln nicht verhindern oder diskreditieren. Durch die vorhandenen Bestimmungen im Zivilrecht, im Arbeits- und Arbeitsschutzrecht und im Sozialversicherungsrecht sowie durch eine differenzierte Rechtsprechung existiert bereits ein
4 klarer und verlässlicher Rechtsrahmen er muss nur konsequent durchgesetzt werden. Scheinwerk- und -dienstverträge sind schon jetzt nach geltendem Recht verboten. Wir, die vbw, wenden uns gegen jeden Missbrauch. Vorhaben der Bundesregierung und Position der vbw Trotz aller bestehenden Regelungen und Sanktionsmöglichkeiten sieht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD weitere Einschränkungen vor. Zu den Werk- und Dienstverträgen hat auch der Bundesrat über die Länder Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bereits im Herbst 2013 eine Gesetzesinitiative gestartet. Wesentliche Punkte: Mitbestimmung des Betriebsrats beim Drittpersonaleinsatz, keine Schutzwirkung der Überlassungserlaubnis für Gestaltungen, die nicht im Vornhinein als Überlassung gekennzeichnet sind.
5 Insbesondere die Frage, welche Leistung im Unternehmen erbracht wird und welche Leistung zugekauft wird, darf in keiner Weise der Mitbestimmung unterworfen werden. Denn es ist der Unternehmer, der für diese Entscheidung haftet und nicht der Betriebsrat. Entscheidungsmacht und Haftung dürfen nicht auseinanderfallen. Die Entscheidung des make or buy ist Kern unternehmerischen Handelns. Was muss aus Sicht der Bayerischen Wirtschaft in der aktuellen Debatte berücksichtigt werden? Zunächst zu den Werk- und Dienstverträgen. Erstens. Eine gesetzliche Festschreibung von in der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien für Werk- und Dienstverträge lehnen wir ab, weil sie keinen Mehrwert bringt. Eine Vermutungsregelung zu schaffen in der Art und Weise, wie es sie schon einmal bei der Scheinselbständigkeit im Sozialversicherungsrecht gegeben hat hieße,
6 einen der größten rechtlichen Flops zu wiederholen. Eine damit verbundene Beweislastumkehr zu Lasten der Unternehmen wäre zudem rechtspolitisch falsch: Sie würde das seit jeher anerkannte System der Arbeitsteilung über Werkund Dienstverträge unter den Generalverdacht der Rechtswidrigkeit stellen. Zweitens. Eine Ausweitung der Informationsrechte des Betriebsrates lehnen wir ebenfalls ab. Die bestehenden Rechte sind ausreichend. Der Betriebsrat hat bereits heute einen Auskunftsanspruch zu Werk- und Dienstverträgen, die im Betrieb umgesetzt werden, und er kann sich auch einen Überblick über die Einsatzzeiten der Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten verschaffen. Drittens. Thema Sanktionen. Ob eine Reserve-Überlassungserlaubnis auch misslungene Werk- oder Dienstvertragsgestaltungen absichern darf,
7 darüber kann man sicherlich streiten. Fakt ist aber: Wenn sich eine Gestaltung tatsächlich als Zeitarbeit erweist und das Unternehmen hat dafür eine Überlassungserlaubnis, dann wird es als vollwertiger Arbeitgeber tätig und es gibt keinen Grund, ein Arbeitsverhältnis im Einsatzbetrieb zu begründen. In weiterer Hinsicht sehen wir keinen Nachbesserungsbedarf weder was die Sanktionen, noch was die arbeitsschutzrechtlichen Bedingungen angeht. Ich wiederhole mich: Regulierungen haben wir schon genug sie müssen nur konsequent angewendet werden! Und mit Blick auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zur Zeitarbeit sind für uns vier Punkte besonders wichtig: Erstens. Höchstüberlassungsdauer Lange Überlassungszeiten gibt es besonders im qualifizierten und hochqualifizierten Bereich, wo die Mitarbeiter weit übertariflich bezahlt werden
8 nicht selten sogar besser als die Stammbelegschaft. Es macht schlicht keinen Sinn, wenn diese Zeitarbeitseinsätze durch eine festgelegte Höchstüberlassungsdauer beendet werden müssten. Hinzu kommt: Die Grenze von 18 Monaten ist willkürlich gewählt sie ignoriert die betriebliche Situation. Hierfür ein Beispiel: Nach dem Pflegezeitgesetz ist eine Pflegezeit von 24 Monaten, nach dem Elternzeitgesetz eine Elternzeit sogar für 36 Monate möglich. Dies sind klassische Einsatzfelder der Zeitarbeit, die mit einer geplanten Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten unmöglich gemacht würden. Setzt man schon eine Grenze fest, dann sollte diese sich wenigstens an den bestehenden tariflichen Fristen orientieren. Eine Höchstüberlassungsdauer darf sich zudem nur auf den Einsatz der jeweiligen Zeitarbeitskraft
9 beziehen. Der Arbeitsplatz ist kein geeigneter Maßstab. In einem sich stetig verändernden wirtschaftlichen Umfeld ist es unmöglich, einen Arbeitsplatz über Jahre hinweg statisch festzulegen. Das ist praxisfern, lässt den wirtschaftlichen Wandel völlig außer Acht und bedeutet zudem einen immensen bürokratischen Mehraufwand, der sich kaum umsetzen lässt. So müsste genau Buch darüber geführt werden, welcher Arbeitnehmer von wann bis wann auf welchem Arbeitsplatz tätig war. Abweichungsmöglichkeiten muss es auch geben für tariffreie Einsatzbetriebe, für Betriebsvereinbarungen auf tarifvertraglicher Basis sowie für die Tarifparteien der Zeitarbeit. Zweitens. Equal Pay Wir haben immer wieder gesagt: Wenn Zeitarbeit zu teuer ist, dann wird das nicht zu einer höheren Stammbelegschaft führen,
10 sondern zu Verlagerungen dieser Tätigkeiten ins Ausland und damit zu einem Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland. Nun soll Equal pay nach neun Monaten Tätigkeit greifen. Gleichwohl muss auch hier gelten: Tarifautonomie vor staatlichem Eingriff! Das ist ein eherner Grundsatz deutscher Tarifpolitik und sowohl verfassungsrechtlich garantiert als auch von der Rechtsprechung bestätigt. Deshalb: Wenn schon Equal Pay, dann nur in Branchen, in denen noch keine Tarifverträge bestehen. Daher muss im Gesetz ein entsprechender Passus enthalten sein, dass bei bestehenden Branchenzuschlagstarifverträgen Equal Pay als erreicht gilt. Drittens. Zeitarbeiter als Streikbrecher Die Forderung, den Einsatz von Zeitarbeitern als Streikbrecher zu verbieten, ist schlicht
11 überflüssig. In den Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche ist dieses Verbot schon längst umgesetzt. Naheliegend ist deshalb ein anderes Motiv bei Fürsprechern einer solchen überflüssigen Regulierung: Mit einem generellen Verbot soll die Arbeitskampfposition der Gewerkschaften einseitig aufgewertet werden. Und dagegen setzen wir uns zur Wehr. Zumal ein generelles Verbot ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Einsatz- und des Verleihunternehmens wäre, der einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum Stand halten dürfte. Viertens. Berücksichtigung von Zeitarbeitern bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen fallweise auch bereits jetzt Zeitarbeiter für die Festlegung der Betriebsratsgröße und ähnliches mitgezählt werden.
12 Eine weitergehende Regelung macht angesichts der geplanten Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten schlicht keinen Sinn: Die Zeitarbeiter sind dann ohnehin nur kurze Zeit im Betrieb und verursachen für den Betriebsrat keinen entsprechenden Mehraufwand, der eine Anrechnung bei den Schwellenwerten rechtfertigen würde. In einem möglichen Gesetz muss deshalb explizit ausgeschlossen werden, dass Zeitarbeiter mitgezählt werden dürfen. Schluss Meine Damen und Herren, eines ist klar: die Nutzung von Werk- und Dienstverträgen und der Einsatz von Zeitarbeitern sind keine Instrumente zur Unterbietung arbeitsrechtlicher Standards. Arbeitnehmer im Drittpersonaleinsatz besitzen die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Arbeitnehmer.
13 Es gibt keinen Grund, eine Benachteiligung anzunehmen und die Regulierungsschraube immer fester zu drehen. Würden die Möglichkeiten der Werk- und Dienstverträge oder der Zeitarbeit zurückgedrängt, schadet das der Positionierung unserer Unternehmen im internationalen Wettbewerb und es schadet nicht zuletzt den Arbeitnehmern, besonders Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten. Deshalb fordern wir die Politik eindringlich auf, sich interessengeleiteten Behauptungen entgegenzustellen die allein auf emotionalisierten Einzelbeispiele und subjektiven Wertungen beruhen; die nicht vom Wunsch nach besseren Löhnen, sondern nach mehr Organisationsmacht für die Gewerkschaften motiviert sind und die dadurch die Tarifautonomie noch weiter schwächen.
14 Darum möchten wir heute mit Ihnen über Sinnhaftigkeit und Zweck einer weitergehenden Regulierung von Werkverträgen und Zeitarbeit diskutieren. Als Vortragende und Disputanten auf dem Podium begrüße ich: Prof. Dr. Martin Franzen, Professor für deutsches, europäisches, internationales Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der LMU München; Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer, Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V.; Von Seiten der Gewerkschaften ist bei uns Luise Klemens, ver.di-landesbezirksleiterin Bayern. Ich freue mich, dass Sie sich der Diskussion stellen. Und aus der Politik diskutieren mit uns: Die Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Anette Kramme
15 sowie Bundestagsabgeordneter Tobias Zech (CSU), Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Ich freue mich, dass Sie bei uns sind und wünsche uns jetzt einen ertragreichen und intensiven Nachmittag.