Mobilität im Kindesalter Maria Limbourg, Universität Duisburg-Essen

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Transkript:

Mobilität im Kindesalter Maria Limbourg, Universität Duisburg-Essen Kinder unterwegs im Verkehr Gefahren auf Kinderwegen

Kinder unterwegs im Verkehr zu Fuß mit dem Fahrrad im Auto im ÖPNV mit Inline-Skates mit Skateboards mit Spielfahrzeugen

Verkehrsbeteiligung von Kindern als Fußgänger (Funk/Fassmann 2002) Alter 6- und 7-Jährige 8- und 9-Jährige km pro Tag 1,17 1,56 10- und 11-ährige 1,16

Verkehrsbeteiligung von Kindern als Radfahrer (Funk/Fassmann 2002) Alter 10- und 11-Jährige 12- und 13-Jährige km pro Tag 0,91 1,75 14- und 15-Jährige 1,93

Kinderunfallzahlen 1970 2001 Verunglückte Jahr 1970 72.500 2001 42.805 Getötete 2.167 231 Schwerverletzte 26.435 8.144 Bevölkerung unter 15 Jahren 14,1 Mio. 12,7 Mio.

Unfallzahlen je 100.000 Kinder unter 15 Jahren 1970 2001 Verunglückte Jahr 1970 514 2001 335 Getötete 15,3 1,8 Schwerverletzte 187 64

Getötete Kinder pro 100.000 Einwohner unter 15 Jahren 1970 und 2000 Land Italien Großbritannien Schweden Frankreich Schweiz Niederlande Österreich Deutschland 1970 6,4 6,8 7,7 10,6 12,6 12,9 13,4 15,3 2000 1,5 1,5 1,2 3,2 2,2 1,9 2,0 1,9

Kinderunfälle im Straßenverkehr 2001 Verkehrsart Pkw mot. Zweirad Fahrrad zu Fuß Bus Sonstige gesamt Verunglückte 15.185 676 13.878 11.638 922 506 42.805 Getötete 93 6 53 72-7 231

Unfallauslösende kindliche plötzliches Überqueren der Fahrbahn ohne auf den Verkehr zu achten Verhaltensweisen Kinder als Fußgänger plötzliches Hervortreten hinter Sichthindernissen

Unfallauslösende kindliche Fehler beim Abbiegen, Wenden, Ein- und Anfahren Verhaltensweisen Kinder als Radfahrer falsche Straßenbenutzung Vorfahrtsfehler

Ursachen von Kinderunfällen im Straßenverkehr Was können Kinder als Verkehrsteilnehmer leisten? Sind Kinder im Straßenverkehr überfordert?

Gefahrenwahrnehmung Kinder entwickeln Erst mit ca. 8 bis 10 Jahren ein realistisches Bewusstsein für Gefahren

Aufmerksamkeit und Konzentration Kinder lassen sich leicht durch Reize aus der Umwelt ablenken

Aufmerksamkeit und Konzentration Kinder können sich nicht auf zwei Sachen zugleich konzentrieren

Einfühlungsvermögen, Perspektivenwechsel Bis zum Alter von ca. 7 Jahren können sich Kinder nicht in andere Personen hineinversetzen. Sie schließen von sich auf andere.

Egozentrische Denkweisen im Kindesalter Autos haben Augen und können sehen Ich sehe das Auto und das Auto sieht mich Autos können so schnell wie ich anhalten

Psychomotorische Fähigkeiten Erst ab ca. 8 Jahren haben Kinder die für das Radfahren erforderlichen psychomotorischen Fähigkeiten

Unfallverursachende Kraftfahrer-Verhaltensweisen Missachtung von Lichtsignalanlagen riskantes Abbiegen Missachtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen

Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht (3. bis 10. Klasse) 41%-70% von 2.547 Kindern aus acht deutschen Städten (Hamburg, Essen, Bottrop, Oberhausen, Heidelberg, Darmstadt, Bielefeld, Münster) konnten Gefahren auf ihren Schulwegen beschreiben (Limbourg u. a. 1997, Flade/Limbourg 1997)

Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht: Autofahrer-Verhalten zu schnell fahrende Autos unvorsichtig abbiegende Fahrzeuge Rot-Fahrer an Ampeln Nicht-Anhalter an Zebrastreifen parkende Autos auf Geh- und Radwegen Sichthindernisse im Bereich von Überwegen

Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht: Verkehrsraumgestaltung Fehlende/zu schmale Gehwege ungünstige Ampelschaltungen fehlende Überquerungshilfen fehlende Radwege gefährliche Wege zu Bushaltestellen mangelhafte Ausstattung von Haltestellen überfüllte Schulbusse

Verkehrsunfälle 26% der befragten Kinder hatten mindestens einen Verkehrsunfall erlebt (Limbourg u. a. 1997, Flade/Limbourg 1997)

Schulwegunfälle im Kindesalter Fahrradunfälle sind die häufigste Unfallart Die 10 bis 14-Jährigen sind davon am stärksten betroffen

Schulwegunfälle 1982-2000 Jahr 1980 2000 Schulwegunfälle je 100.000 Versicherte 383 362 Tödliche Schulwegunfälle je 100.000 Versicherte 1,20 0,36

Gründe für die Reduktion der Kinderunfallzahlen bessere Rettungssysteme bessere Intensivmedizin verringerte Fahrgeschwindigkeiten Verkehrs-/Mobilitätserziehung Aufklärung durch die Medien Verkehrsgesetzgebung Verkehrskontrolle und -überwachung Veränderte Verkehrsbeteiligung von Kindern

Pkw-Schulwege von 5- bis 12jährigen Kindern (Schulte 1978, Wittenberg u. a. 1987, Funk/Fassmann 2002) 12 10 8 6 Prozent 4 2 0 1976 1986 2000

Schulwege ohne Begleitung Erwachsener 1976-2000 (Schulte 1978, Wittenberg u. a. 1987, Funk/Fassmann 2002) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1976 1986 2000 Prozent

Schulweg ohne Betreuung in Schweden (unterschiedliche Verkehrsumfelder, Björklid 1997) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 kinderfreundlich nicht kinderfreundlich Prozent

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Schulwege ohne erwachsene Begleitpersonen im Jahr 2000 (Funk/Fassmann 2002) 6-7 Jahre 8-9 Jahre 10-11 Jahre 12-13 Jahre Prozent

Schulweg ohne erwachsene Betreuungspersonen 2000 In verkehrsarmen Gebieten gehen 89% der Kinder ohne Betreuer zur Schule In verkehrsreichen Gebieten legen nur 65% der Kinder den Schulweg ohne Betreuer zurück (Funk/Fassmann 2002)

Kinderspiel im Straßenraum im Jahr 2000 nach Alter (Funk/Fassmann 2002) 60 50 40 30 Prozent 20 10 0 3-5 J. 6-7 J. 8-9 J. 10-11 J. 12-15 J.

Spiel im Straßenraum (unterschiedliches Wohnumfeld, Blinkert 1993, 1998) kinderfreundliches kinderfeindliches Wohnumfeld Wohnumfeld 90 Minuten 30 Minuten Spiel ohne Aufsicht außerhalb der Wohnung

Verkehrsgefahren aus Elternsicht Bei ihrer Gefahren-Einschätzung orientieren sich Eltern am Verkehrsaufkommen im Wohnumfeld Wohnumfelder mit geringem Verkehrsaufkommen werden als weniger gefährlich eingestuft als Wohngebiete mit hohem Verkehrsaufkommen (Gärling/Gärling 1984-1990, Sigl/Weber 2002)

Kinderwege im Verkehrsraum Kinderwege sind mehr als das Zurücklegen von Strecken im Raum Sie sind Erlebnis-, Erfahrungs-, Lern- und Sozialisationswege (Zinnecker, 1997)

Der Verkehrsraum ist für Kinder Spielraum Sportplatz Kommunikationsraum Treffpunkt für Gruppenaktivitäten

Kinderwege sind Lernwege räumliches Vorstellungsvermögen Orientierungsfähigkeit Wahrnehmung von Größe, Entfernung, Zeit und Geschwindigkeit Gefahrenwahrnehmung Bewegungsfähigkeit Soziale Verhaltensweisen Selbstständigkeit

Psychomotorische Leistungsfähigkeit im Kindesalter Die psychomotorische Leistungsfähigkeit von Kindern hat sich in den letzten 20 Jahren verschlechtert (Zimmer 1996) (Brandt u. a. 1997)

Motorik-Test (KTK) im Ruhrgebiet 1999 (950 Erstklässler) 60 50 40 30 20 Jungen Mädchen 10 0 unauffällig auffällig

Ergebnisse des KTK in Schwelm und Hattingen 2002 (208 Erstklässler) 48 % der Kinder Zeigten keine Altersgemäßen Psychomotorischen Leistungen

Die Abnahme der psychomotorischen Leistungsfähigkeit vergrößert das Unfallrisiko (Kunz 1993)

Wenn ich Verkehrsminister wäre C & A und der Verein Hilfe für das verkehrsgeschädigte Kind (Limbourg/Reiter 1998)

Mehr Querungshilfen für Fußgänger

Weniger Autoverkehr

Sichere Spielmöglichkeiten im Straßenraum

Tempo 30

Mehr Verkehrsüberwachung

Mehr Sicherheit für Radfahrer und Inline-Skater

Mehr Sicherheit und Komfort im öffentlichen Verkehr