Künstlerische Therapien bei Depression im Alter Augsburg 7.2.2014 Dr. Tomas Müller-Thomsen 1
Depression ist mehr als ein Gefühl Kognition = Denken Konzentrationsstörung, Gedächtnisstörung, depressive Denkinhalte (Selbstzweifel, Perspektiv losigkeit) Affekt = Gefühle Gedrückte Stimmung, Anhedonie (Freudlosigkeit) Interessenverlust Verhalten Antriebslosigkeit, psychomotorische Hemmung Agitiertheit Soma Schlafstörungen, gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, Appetitänderung, Gewichtsänderung
Diagnostische Kriterien Depression (ICD-10) A alle Kriterien müssen erfüllt sein Episode > 2 Wochen Keine manischen oder hypomanischen Phasen in der Anamnese Nicht auf psychotrope Substanzen (F1) oder organische Störungen (F0) zurückzuführen
Diagnostische Kriterien Depression (ICD-10) B mindestens 2 Kriterien erfüllt Depressive Stimmung für den Betroffenen in ungewöhnlichem Ausmaß, fast jeden Tag, unbeeinflussbar Verlust von Interesse und Freude von sonst angenehmem Antrieb vermindert, Müdigkeit gesteigert
Diagnostische Kriterien Depression (ICD-10) C 1-2 leicht, 3-4 mittelgradige, schwer 5+ und alle 3 B-Kriterien Verlust von Selbstvertrauen/Selbstwertgefühls Unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle Wiederkehrende Gedanken an den Tod oder an Suizid, suizidales Verhalten Klagen über, oder Nachweis eines verminderten Denk- oder Konzentrationsvermögens, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit Psychomotorisch gehemmt oder agitiert Schlafstörungen (jeder Art) Appetit- und entsprechender Gewichtsänderung
Weitere Depressionsdiagnosen nach ICD-10 Organisch affektive Störung (F06.3) Rezidivierende depressive Störung (F33) Depressive Episode i.r.e. bipolaren Störung (F31) Dysthymia (F34.1) Depressive Reaktion (F43.2)
Andere Depressionsbezeichnungen Reaktive Depression Endogene Depression Neurotische Depression Organische Depression Winterdepression (sensional abhängige Depression) Pharmakogene Depression Lavierte Depression Somatisierte Depression Altersdepression überholt!
" Veranlagung " frühkindliche Entwicklung " Persönlichkeit " Biographisch zurückliegende Belastung " chronische Überlastung " Körperliche Erkrankungen " Verlustereignisse " Bewegungsmangel " Lichtmangel " Soziale Kränkung (Armut, Abstieg) " Aktuelle belastende Lebensereignisse
Welche Rolle spielt das Alter? Das Alter selbst ist kein Risikofaktor für eine Depression! Aber: Faktoren, die mit den Alter korreliert sind, erhöhen das Depressionsrisiko Weibliches Geschlecht (M:F ca. 0,3:0,7) Körperliche Erkrankungen Verwitwung und Scheidung Soziale Isolierung Nach Niklewski & Baldwin 2003
Depression im Alter Schwere Depressionen seltener als in jüngeren Jahren Leichte und mittelschwere Depressionen häufiger Körpernahe Symptome häufiger Schlaflosigkeit Missempfindungen, Schmerzen
Vorkommen von Depressionen bei älteren Menschen 14 % nach Tod des Partners 15 % bei schweren somatischen Erkrankungen 20-30 % in Pflegeeinrichtungen 50 % bei stationär geriatrischen Patienten Häufig traumatisierung in der Vorgeschichte Häufig andere Erkrankungen (u.a. Demenz)
Differentielle Psychotraumatologie (nach Heuft, Kruse, Radebold 2000)
Behandlung der Depression Ausschluss körperlicher Erkrankung, ggf. deren Behandlung Psychotherapie Medikamente körpernahe Verfahren 16
Psychotherapie Schwerpunkt je nach Ursache Verhaltenstherapie (kognitive) Entspannungsverfahren Tiefenpsychologisch fundierte Verfahren künstlerische Therapien 17
Was löst ein depressiv Erkrankter in seinem Umfeld aus Mitleid? Hilflosigkeit? Interesselosigkeit? Ärger? Wut? 18
Medikamente Wenn Medikamente, dann Antidepressiva Antidepressiva machen nicht abhängig uu aber Absetztphänomene bei abruptem Absetzten bei schweren Depressionen ggf. zusätzliche Substanzen Hoher Placebo und Noceboeffekt 19
ältere Antidepressiva (AD) sog. Trizyklische AD (Doxepin, Amitriptylin) anticholinergen NW Monaminoxidasehemmer Moclobemid (z.b. Aurorix ) Tranylcypromin (Jatrosom ) Trazodon (Thombran ) Keine anticholinergen NW 20
neuere Antidepressiva: SSRI = Serotoninwiederaufnahme-Hemmer Citalopram (z.b.cipralmil ) Escitalopram (Cipralex ) Fluoxetin (z.b. Fluctin ) Fluvoxamin (z.b. Fevarin ) Paroxetin (z.b. Seroxat, Tagonis ) Sertralin (Zoloft, Gladem )
Antidepressiva: neuere, andere Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Reboxitin (Solvex, Edronax ) Serotonin-Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin (Trevilor ), Duloxetin (Cymbalta ) Andere Mirtazapin (Remergil ) Agomelantin (Valdoxan ) Bupropion (Elontril )
Körpernahe Verfahren Bewegung Lichttherapie Genusstraining Magnetstimulation Elektrokrampftherapie tiefe Hirnstimulation
Vorbeugen Kennen- und akzeptieren lernen der eigenen Grenzen Gefühle zulassen Erreichbare Ziele haben Körperliche Gesundheit (Herz-Kreislauf, Zuckerstoffwechsel) Anregung (geistige Aktivität) nicht immer möglich!
Kunst und Psychiatrie Lange Tradition des Sammelns (Prinzhorn) Betonung der Symbolik (Jung, Jacobi) Kunstprojekte in Kliniken im Zusammenhang mit der Psychiatriereform
Kunst und Bewusstsein Kunst als Tun Kunst als Symbolisierung Kunst als Versuch der vorbewußten Annäherung Kunst als Übergangsobjekt (Kraft)
Kunst in Gruppen Jeder malt/zeichnet/plastiziert für sich (offenes Atelier, Kunst heilt) Jeder malt/zeichnet/plastiziert für sich, Austausch über das Gestaltete in der Gruppe gemeinsam etwas gestalten (Grenzen Annähern) Dritte Ebene Rolle des Therapeuten / der Gruppe: Interaktionelle GT: beschreiben, Fragen nach Bedeutung Analytisch orientierte GT: assoziieren, eigene Einfälle
Grenzen / Probleme Angst vor Regresssion Regressionsfördernd Abwehr - überrennen
Vielen Dank! 29