Rindergrippe welches Konzept für Ihren Betrieb?

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Transkript:

Rindergrippe welches Konzept für Ihren Betrieb? Atemwegserkrankungen können vor allem in Mastbetrieben große Löcher reißen. Profis reagieren lange bevor die Erreger zuschlagen können. Zwei Tierärzte verraten ihre Konzepte. So schnell kann man gar nicht schauen, wie Grippeerreger im Bestand die Runde machen. Vor allem in großen Kälbermast- und Fresseraufzucht-Betrieben, die regelmäßig große Partien aus etlichen Herkunftsbetrieben zukaufen, schlagen Viren und Bakterien oft mit voller Wucht zu. Oft wird die Lunge der Tiere dauerhaft geschädigt und die Zunahmen bleiben bis zur Schlachtung unterdurchschnittlich. Wer tatenlos bleibt, fährt ein hohes Risiko. Deshalb geht in großen Zukaufsbetrieben ohne ein gutes Vorbeugeprogramm schon seit Jahren nichts mehr. Wie sehen solche Programme konkret in der Praxis aus? Welche Arzneimittel versprechen Erfolg? Und welche Fehler werden häufig noch gemacht? Diese Fragen stellten wir zwei Tierärzten, die mit ihren Betrieben erfolgreiche Vorbeugekonzepte entwickelt haben. Außerdem haben wir eine Auswahl verfügbarer Grippe-Impfstoffe und Medikamente zusammengestellt. Dr. Reinhold Reiter, Tierarzt aus St. Veit im Mühlkreis, Österreich Wer nicht mitzieht, bleibt auf der Strecke Atemwegserkrankungen sind in Mastbetrieben bei ständigem Tierzukauf Begleiter, die nur durch konsequentes Gesundheitsmanagement in den Griff zu bekommen sind. Sie sind längst kein saisonales Problem mehr! Deshalb läuft ohne ein konsequentes Prophylaxe-Programm, das ganzjährig durchgeführt wird, gar nichts. Ein solches Programm habe ich vor etwa zehn Jahren entwickelt und in meinen Betrieben, die zwischen 60 und 200 Masttiere halten, eingeführt. Natürlich müssen die Betriebsleiter mitziehen. Aber das tun sie auch, weil sie die Erfolge sehen. Das Programm sieht folgendermaßen aus: Nachdem sich die zugekauften Tiere etwa 12 bis 24 Stunden an den neuen Stall akklimatisiert haben, erfolgt eine Einstalluntersuchung nach einer Checkliste. Dabei untersuche ich das Tier ganz genau und beurteile neben seinem Verhalten das Fell, Augen, Nase, Maul und die Atemgeräusche, sowie Magen- und Darmtätigkeit. Anhand der Untersuchungsergebnisse kann man gut erkennen, ob das Tier gute Ergebnisse in der Mast verspricht oder bereits an Vorerkrankungen an der Lunge, am Nabel oder an den Gliedmaßen etc. leidet. Im Leserservice Rind finden Sie die Checkliste, nach der Dr. Reiter die Einstalluntersuchung in seinen Betrieben durchführt. www.topagrar.com In den Betrieben, die Dr. Reiter betreut, werden neu zugekaufte Tiere bis zur 2. Grippeimpfung in Quarantäne gehalten. Fotos: Reiter, Jakob R 26 top agrar 10/2011

Reiters Konzept 12 bis 24 Stunden nach der Einstallung: Systematische Untersuchung aller Tiere; Bei erfolgreicher Einstalluntersuchung: Metaphylaktische Gabe eines Langzeit-Antibiotikums; Intramuskuläre Impfung mit Lebendimpfstoff gegen BRSV und PI3; Vier Wochen später Wiederholungs-Impfung mit demselben Impfstoff. Alle zugekauften Tiere werden von Dr. Reinhold Reiter (links) kurz nach der Ankunft gemeinsam mit dem Betriebsleiter untersucht. Dementsprechend gebe ich dem Mäster eine Empfehlung ab. Denn bei intolerablen Mängeln geht das Tier zurück zum Verkäufer. War die Einstalluntersuchung erfolgreich, bekommen die Tiere eine Metaphylaxe mit einem Langzeit-Antibiotikum, (z. B.: Draxxin, Zactran, Zuprevo). Die Injektion erfolgt einmalig unter die Haut des Tieres. Damit halten wir die bei uns verbreiteten Bakterien wie Pasteurellen, Umweltstreptokokken oder Mykoplasmen in Schach. Meiner Erfahrung nach lässt sich mit dieser metaphylaktischen Antibiotika- Behandlung die Erkrankungsrate in einem Bestand mindestens auf ein Drittel der Tiere senken. Verzichtet man darauf, erkranken in den ersten vier bis sechs Wochen nahezu alle Tiere eines Bestandes! Diesen Unterschied konnte ich einmal sogar bis zur Schlachtabrechnung nachverfolgen! Überhaupt sollten sich die Rindermastbetriebe ihre Schlachtabrechnungen genauer ansehen. Man sollte sich auf wenige Erreger konzentrieren und die konsequent verfolgen. Gleichzeitig mit der metaphylaktischen Antibiotika-Gabe erfolgt die Impfung mit einem Lebendimpfstoff gegen die Erreger BRSV und PI3. Diese Impfung erfolgt intramuskulär zweimal im Abstand von vier Wochen. Sie sollte möglichst früh erfolgen, damit sich zügig eine Immunität aufbaut. Wir setzen einen Lebendimpfstoff ein, weil man damit über längere Zeit einen hohen Wirkspiegel aufrecht erhält. Wenn dennoch Tiere erkranken, setze ich ein längerwirkendes Antibiotikum (Makrolide, zum Beispiel Florfenicol) zusammen mit einem etwas länger wirkenden entzündungshemmenden Präparat (NSAID, z. B. Carprofen, Tolfedine) ein. Diese Behand- top agrar 10/2011 R 27

Übersicht 1: Auswahl verfügbarer Impfstoffe gegen Rindergrippe Name des Produktes Impfstoffart Anwendungsbereich Dosierung/Anwendungsart Hersteller Bovigrip RSP Plus inaktiviert, BRSV, PI3, Mannheimia 2-mal 5 ml s.c. im Abstand von 4 6 Wochen, viral/bakt. haemolytica ab 2. Lebenswoche Pastobov inaktiviert Mannheimia haemolytica 2-mal 2 ml s.c./i.m. im Abstand von 3 4 Wochen; ab 4. Lebenswoche, Wdh. jährlich Merial Rispoval Pasteurella inaktiviert Mannheimia haemolytica 1-mal 2 ml s.c./i.m. ab dem 3. Lebensmonat; Wdh. jährlich Rispoval RS modifizierter 2-mal 2 ml i.m. im Abstand von 3 4 Wochen BRSV Lebend impfstoff ab dem 7. Lebenstag; Wdh. jährlich Rispoval Intranasal modifizierter Lebend impfstoff BRSV, PI3 1-mal 2 ml intranasal ab dem 9. Lebenstag Torvac inaktiviert BRSV s.c. ab 1. Lebenstag; Wdh. nach 3 Wochen; Booster: jährlich Virbac s.c. = subcutan, i.m. = intramuskulär Die meisten Impfstoffe gegen die Rindergrippe können bereits ab dem 7. Lebenstag eingesetzt werden. In der Regel erfolgt jährlich eine Wiederholungsimpfung. top agrar, Stand 9/2011 lung wird nach etwa 48 Stunden wiederholt. Wenn man von kranken Tieren Nasentupfer oder Trachealspülproben nimmt, findet man zumeist viele verschiedene Erreger. Man kann prophylaktisch aber nicht gegen alle vorgehen. Bisher hat mich die Immunantwort bei Kombinationsimpfstoffen, die gleichzeitig gegen Viren und Bakterien vorgehen, nicht überzeugt. Man sollte sich vielmehr auf wenige Erreger konzentrieren und diese konsequent verfolgen. Aus meiner Sicht ist es bei Rindergrippe am wichtigsten, einen BRSV-Einbruch zu verhindern. Denn der bedeutet unter Umständen eine Mortalitätsrate von über 90 %! Dieses Konzept wird in meinen Mastbetrieben konsequent durchgezogen. Es R 28 top agrar 10/2011 sind allenfalls kleine betriebsspezifische Modifikationen oder ein Wechsel auf ein neues Medikament denkbar. Die Ausfallrate ist mit 1 bis 2 % unter dem österreichischen Durchschnitt. Wichtig sind natürlich auch begleitende Maßnahmen vor allem was Fütterung, Hygiene und Stalllüftung angeht. So zum Beispiel die Quarantänehaltung der Neuankömmlinge bis die zweite Impfung erfolgt ist. Dann besteht bereits eine belastbare Immunität. Nicht in jedem Betrieb lässt sich ein konsequentes Rein-Raus-System für einzelne Altersgruppen fahren. Wir versuchen aber, dass bestehende Gruppen immer zusammen bleiben, um Pendelinfektionen zu vermeiden. Wenn in Milchviehbetrieben ständig Tiere zugekauft werden, empfehlen sich ähnliche prophylaktische Maßnahmen. Auch hier ist die Einrichtung einer Quarantäne für einen Zeitraum von drei bis vier Wochen von großer Bedeutung. Noch wichtiger ist aus meiner Sicht aber die Schulung der Tierbesitzer. Sie müssen lernen, ihre Tiere viel besser zu beobachten, um frühzeitig zu erkennen, welches ein Problem hat. Vor allem in der Phase bis 200 kg muss die Betreuung einfach optimal sein. Um die Landwirte dahingehend besser aufzuklären, stehe ich in engem Kontakt zu Mästerorganisationen. In diesen Gesprächsrunden habe ich schon versucht, z. B. die vorbeugende Grippeimpfung und das Enthornen in die Herkunftsbetriebe zu verlagern. Leider konnte ich mich mit diesen Ideen bei den Praktikern noch nicht durchsetzen. -sl-

Ludger Jakob, Tierarzt aus Borken (NRW) Eine Notfall-Therapie ist bei Grippe sinnlos! Für die zweimalige Grippeimpfung in den Muskel nutzt Ludger Jakob eine spezielle Teleskop-Spritze. Damit können in kurzer Zeit viele Tiere geimpft werden. Wir betreuen große Kälbermast- und Fresseraufzucht-Betriebe, die zum Teil Partien mit über 400 Kälbern aus vielen verschiedenen Herkünften neu einstallen. In diesen Größenordnungen geht es nicht ohne eine konsequente Vorbeuge-Impfung gegen Rindergrippe und zwar das ganze Jahr über. Denn mit einer Notfalltherapie komme ich hier nicht weiter. Die Tiere kommen aus zahlreichen Herkünften, sind vom Transport gestresst und müssen sich jetzt mit einem neuen Stallklima auseinandersetzen. Gerade in den ersten Tagen ist die Lunge des Kalbes enorm empfindlich, da durch die hohe Atemfrequenz vorhandene Erreger besonders tief eindringen können. Und ist die Lunge erst einmal betroffen, ist eine 100%ige Regeneration fast nicht mehr möglich. Jakobs Konzept 1. bis 3. Tag nach der Einstallung: Intranasale Impfung mit Lebendimpfstoff gegen BRSV und PI3, gleichzeitig metaphylaktische Gabe eines Langzeit- Antibiotikums; bei Fressern nach 8 bis 9 Wochen: 1. intramuskuläre Impfung mit Lebendimpfstoff gegen BRSV; 3 bis 4 Wochen später 2. intramuskuläre Impfung mit Lebendimpfstoff gegen BRSV. Übersicht 2: Auswahl verfügbarer Entzündungshemmer gegen Rindergrippe Name des Produktes Wirkstoff Dosierung Anwendung Wartezeit Hersteller Dinalgen 150 mg/ml Ketoprofen 1 ml/50 kg KGW i.m. oder i.v. über 1 3 T. Fleisch: 2 Tage Bayer Finadyne RPS 50 mg/ml Flunixin 2,2 mg/50 kg KGW 1-mal tägl. i.v. bis zu 3 T. Fleisch: 10 T.; Milch: 1 Tag Rimadyl Rind Carprofen 1 ml/35 kg KGW 1-mal s.c. oder i.v. Fleisch: 21 Tage Rifen Ketoprofen 3 ml/100 kg KGW 1-mal tägl. i.v. oder i.m. bis zu 3 T. Fleisch: 4 Tage Vetoquinol Romefen Ketoprofen 1 ml/33 kg KGW 1-mal tägl. i.v. oder i.m. Fleisch: i.v. 1 T.; bis zu 3 Tage i.m. 4 Tage Merial Meloxidyl 20 mg/ml Meloxicam 2,5 ml/100 kg KGW 1-mal s.c. oder i.v. Fleisch: 15 T.; Milch: 5 Tage Ceva Metacam 20 mg/ml Meloxicam 2,5 ml/100 kg KGW 1-mal s.c. oder i.v. Fleisch: 15 T.; Milch: 5 Tage Schleimlöser Bisolvon Injektion Bomhexinhydrochlorid 17 ml/100 kg KGW s.c. mehrere Tage Fleisch: 3 Tage KGW = Körpergewicht, i.m. = intramuskulär, i.v. = intravenös, s.c. = subcutan, T = Tage Boehringer Ingelheim Boehringer Ingelheim In der Regel werden Entzündungshemmer, so genannte NSAID, in Kombination mit einem Antibiotikum verabreicht. Sie sollen entzündungshemmend wirken, das Fieber senken und den Schmerz lindern. Zur Vorbeugung werden bei uns alle Kälber schon am Tag der Einstallung, spätestens aber am 2. Tag in die Nase geimpft. Zu diesem Zeitpunkt sind die Tiere ca. zwei bis drei Wochen alt. Wir setzen dazu einen Lebendimpfstoff gegen die Grippeviren BRSV und PI3 ein. Damit erreicht man in der Regel relativ schnell eine gute lokale Immunität auf der Nasenschleimhaut. Der Vorteil einer intranasalen Impfung ist zudem, dass hier die maternalen Antikörper des Kalbes nicht so stark mit dem Impfstoff reagieren. Zeitgleich mit der 1. Impfung werden die Tiere metaphylaktisch mit einem Langzeit-Antibiotikum einmalig subkutan (Markolid-Antibiotikum, Produkt: Draxxin, Wirkstoff: Tulathromoycin) behandelt, um mögliche Bakterien wie Pasteurellen oder Mannheimia haemolytica in Schach zu halten. Wichtig ist, dass das Antibiotikum über eine Breitbandwirkung verfügt, um mehrere Serotypen der Bakterien abzudecken. Bei Mastkälbern verabreichen wir nach 10 bis 14 Tagen noch einmal metaphylaktisch ein Langzeit-Antibiotikum. In Fresseraufzucht-Betrieben werden die Tiere dagegen nach acht bis neun Wotop agrar, Stand 9/2011 top agrar 10/2011 R 29

chen ein zweites Mal geimpft. Diesmal erfolgt die Verabreichung des Lebendimpfstoffes gegen BRSV allerdings intramuskulär in den Hals. Diese Impfung wird in der Regel nach drei bis vier Wochen wiederholt, so dass die Immunität etwa zwei bis drei Monate anhält. Totimpfstoffe setzen wir allenfalls bei Absetzern ein, da in diesem Alter keine Reaktion der maternalen Antikörper mit dem Impfstoff zu befürchten ist. Klar ist das ein aufwändiges und mit ca. 25 nur für Medikamente nicht ganz günstiges Konzept. Doch damit sind die Tiere in den wichtigsten sechs bis acht Wochen nach dem Einstallen geschützt. Außerdem verlangen viele Fresserbetriebe beim Kauf eine Bescheinigung über den bestehenden Impfschutz des Tieres. Dieses Vorbeuge-Konzept führen wir seit ein paar Jahren in 80 bis 90 % unserer Betriebe durch. Natürlich erkranken damit immer noch Tiere, das sind etwa 20 % pro Jahr. Aber wir haben die Ausfallquote in den meisten Betrieben mittlerweile auf Ohne vorbeugende Impfungen geht es maximal zwei Durchgänge gut. 2 bis 3 % pro Jahr gesenkt. Diese Erfolgsquote hat unsere Betriebe letztlich davon überzeugt, für gesunde Tiere Geld auszugeben. Das Geld sieht man ja oft in einer besseren Futterverwertung und in höheren Zunahmen wieder! Die Erfahrung zeigt: Wenn wir auf eine vorbeugende Impfung verzichten, geht es ein bis zwei Mastdurchgänge gut. Danach kocht die Problematik aber wieder hoch. Inzwischen haben sich die Erfolge auch bis in die Milchviehbetriebe herumgesprochen. Sie schützen die eigenen Kälber zunehmend mit einer Impfung. Tiere, die trotz der Impfung erkrankt sind, behandeln wir mit einem Antibiotikum plus Entzündungshemmer (u.a. Baytril, Micotil etc. oder Kombi-Produkt: Resflor; NSAID allein: u.a. Metacam, Rimadyl). Je nach Zustand des Tieres wird zusätzlich eine Infusion gegeben, damit die Flüssigkeitszufuhr sichergestellt ist. Natürlich könnten wir den Krankheitsdruck weiter senken, wenn die Betriebe ihre Ställe konsequent im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaften würden. Aber vielfach ist das bei so großen Partien nicht möglich. Die Ställe werden kontinuierlich belegt, wobei die Einstallgruppen aber zusammen bleiben. Auch einen Quarantäne- Stall können nicht alle anbieten. Viel ist schon gewonnen, wenn eine Überbelegung der Ställe vermieden wird und wenn genug Frischluftzufuhr gewährleistet ist. Und das Wichtigste ist, dass die Betriebsleiter ihre Tiere regelmäßig genau anschauen, um frühzeitig kranke Tiere zu erkennen. Das ist der Schlüsselfaktor für gesunde Tiere überhaupt. -sl- Übersicht 3: Auswahl verfügbarer Antibiotika gegen Rindergrippe Name des Produktes Wirkstoff Dosierung Anwendung Wartezeit Hersteller Baytril 10 % Enrofloxacin 2,5 5 ml/100 kg KGW R 30 top agrar 10/2011 1-mal tägl. über 5 Tage, s.c. oder i.v. Fleisch: s.c. 14 T.; i.v. 7 T.; Milch: s.c. 5 T.; i.v. 3 Tage Bayer Health Care Cevaxel RTU Ceftiofur 1 mg/50 kg KGW 1-mal tägl. über 3 5 Tage, s.c. Fleisch: 8 Tage Ceva Cobactan LA 7,5 % Cefquinom 3 ml/90 kg KGW 2-mal im Abstand von 48 Std., s.c. Fleisch: 13 Tage* Excenel RTU Ceftiofur 1 ml/50 kg KGW 3 5-mal alle 24 Std,. s.c. Fleisch: 8 Tage Florkem 300, 250 2-mal im Abstand Florfenicol 1 ml/15 kg KGW und 100 mg/ml von 48 Std., i.m. Fleisch: 37 Tage* Ceva Nuflor Florfenicol 1 ml/15 kg KGW 2-mal im Abstand von 48 Std. Fleisch: i.m. 30 Tage; oder 2 ml/15 kg KGW s.c.; oder 1-malig i.m. s.c. 44 Tage Readycef 50 mg/ml Ceftiofur 1 ml/50kg KGW/Tag 1-mal tägl. über 3 5 Tage, s.c. Fleisch: 8 Tage Virbac Ursofloxacin 10 % Enrofloxacin 2,5 ml/100kg KGW 1-mal tägl. über 2 Tage Fleisch: i.v. 7 T.; s.c. 14 T.; Serumwerk s.c. oder i.v. Milch: i.v. 3 T.; s.c. 5 Tage Bernburg Veyxyl LA 20 % Amoxicillin 10 mg/kg KGW Antibiotika zur einmaligen Anwendung Advocid 180 mg/ml Danofloxacin 1 ml/30kg KGW 1-mal tägl. über 3 Tage, s.c. 1-malig, evtl. Wdh. nach 48 Std., s.c. oder i.v., Fleisch: 50 Tage; Milch: 3 Tage Milch: 4 Tage; Fleisch: 8 Tage Veyx Pharma Draxxin 100 mg/ml Tulathromycin 1 ml/40kg KGW 1-malig s.c. Fleisch: 49 Tage Marbox Marbofloxacin 2 ml/25 kg KGW 1-malig i.m. Fleisch: i.m. 3 T.; s.c. 6 T.; Milch: i.m. 72 Std., Ceva s.c. 36 Std. Marbocyl S Marbofloxacin 10 mg/125 kg KGW 1-malig i.m. Fleisch: 3 T., Milch: 3 T. Vetoquinol Micotil 300 Tilmicosin 2 ml/60kg KGW 1-malig s.c. Fleisch: 28 Tage* Elanco Zactran Gamithromycin 1 ml/25kg KGW 1-malig s.c. Fleisch: 64 Tage Merial Zuprevo 180 mg/ml Tildipirosin 1 ml/45kg KGW 1-malig s.c. Fleisch: 47 Tage Antibiotikum plus NSAID Resflor Florfenicol + Flunixin 2 ml/15 kg KGW 1-malig s.c. Fleisch: 46 Tage KGW = Körpergewicht, i.m. = intramuskulär, i.v. = intravenös, s.c. = subcutan, T = Tage * ) Kein Einsatz bei Tieren, die Milch für den menschlichen Verzehr produzieren top agrar, Stand 9/2011 Ganz neu auf den Markt kommt jetzt das Antibiotikum Zuprevo mit dem Wirkstoff Tildipirosin von Fa.. Es ist sowohl zur Therapie als auch zur Metaphylaxe bei Rindergrippe zugelassen und wird nur einmalig unter die Haut (s.c.) gespritzt.