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Transkript:

Programm Christian Nimtz www.nimtz.net // lehre@nimtz.net Klassische Fragen der Sprachphilosophie Kapitel 8: Davidson I: Bedeutung und Wahrheitsbedingungen 1 Die Grundidee der wahrheitskonditionalen Semantik 5 Davidsons Projekt ein erstes Fazit 1 Die Grundidee der wahrheitskonditionalen Semantik Jeder solche [Aussagesatz] drückt einen Sinn, einen Gedanken aus. Durch unsere Festsetzungen ist nämlich bestimmt, unter welchen Bedingungen er das Wahre bedeute. Der Sinn dieses Namens, der Gedanke, ist der, dass diese Bedingungen erfüllt sind (Frege, Grundgesetze der Arithmetik Bd. 1, 32) Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.) (Wittgenstein, Tractatus logico philosophicus, Satz 4.024) [T]o give truth conditions is a way of giving the meaning of a sentence. (Davidson, Truth and Meaning, S.24) 1 Die Grundidee der wahrheitskonditionalen Semantik Die wahrheitskonditionale Semantik Die Bedeutung eines Satzes besteht (im Kern) in seinen Wahrheitsbedingungen. z.b. Was bedeutet der Finnische Satz Marsissa on vettä? Der Satz ist genau dann wahr, wenn es Wasser auf dem Mars gibt. Zwei Versionen der wahrheitskonditionalen Semantik Die Davidson Semantik (extensional ). Die Mögliche Welten Semantik (intensional ). -1- -2- -3- -4-1

1 Was hat Bedeutung mit Wahrheitsbedingungen zu tun? Erstens: Es ist klar, dass die Bedeutung eines Satzes seine Wahrheitsbedingungen einschließt. Wer z.b. den finnischen Satz Tupakointi tappaa versteht, muss wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist. Denn wer nicht weiß, was der Fall ist, wenn der Satz wahr ist, der versteht ihn nicht. Zweitens: Ganz in Quines Sinne würden wir in der Semantik gern auskommen, ohne Begriffe wie Freges Sinn oder Gedanke oder Ausdrücke wie Synonymie oder Analytizität bereits schon investieren zu müssen. Wenn wir auskommen könnten, indem wir lediglich den Begriff der Wahrheit (und andere Begriffe derselben Art) investieren, dann wäre das doch eine großartige Sache! Donald Davidson (1917 2003) hat sich besonders mit Arbeiten zur Handlungstheorie und zur Sprachphilosophie hervorgetan. Als Schüler Quines hat er dessen sprachtheoretische Ideen aufgenommen und transformiert. Ganz wie Quine ist auch Davidson der Ansicht, dass wir in der Semantik einen radikalen Neuanfang benötigen. Davidson hat zumeist kurze und sehr schwierige Aufsätze geschrieben. Die wichtigsten sind gesammelt in seinen Essays on Actions and Events (1980, Handlungstheorie), Inquiries into Truth and Interpretation (1984, Sprachphilosophie). Später hinzugekommen: Subjective, Intersubjective, Objective (2003), Problems of Rationality (2004), Truth, Language, and History (2005). Was sind Wahrheitsbedingungen? (W) s ist wahr in L gdw p Davidson: Das ist die falsche Frage. Wir sollten besser fragen, wie man die Wahrheitsbedingungen eines Satzes in einer Sprache angibt. Gut. Wie gibt man die Wahrheitsbedingungen eines Satzes in einer Sprache an? Mit einem W Satz. Ein W Satz (im Englischen: T sentence) ist ein Satz der folgenden Form: (W) s ist wahr in L gdw p Beispiele für W Sätze: Es regnet ist wahr im Deutschen gdw es regnet It is raining ist wahr im Englischen gdw es regnet Tupakointi tappaa ist wahr im Finnischen gdw Rauchen tötet. Ein W Satz kombiniert einen angeführten Satz s für den Wahrheitsbedingungen angegeben werden und einen verwendeten Satz p mit dem Wahrheitsbedingungen angegeben werden. -5- -6- -7- -8-2

2 Arten von W Sätzen Snow is white ist wahr im Englischen gdw Graß rot ist ist ein falscher W Satz Snow is white ist wahr im Englischen gdw Graß grün ist ist ein wahrer, aber nicht notwendig wahrer W Satz Davidsons Einsicht: W Sätze geben Wahrheitsbedingungen an. Aber einige W Sätze die bedeutungsenthüllenden tun dies auf eine bestimmte Weise. Nämlich so, dass die Bedeutung (der Fregesche Sinn) des betroffenen Satzes klar gemacht wird. Snow is white ist wahr im Englischen gdw Schnee die Farbe hat, die tatsächlich Madonnenlilien haben ist ein notwendig wahrer W Satz Wenn wir die Rede von ist wahr als verstanden voraussetzen dürfen, dann können wir den Begriff der Bedeutung erhellen: Snow is white ist wahr im Englischen gdw Schnee weiß ist ist ein notwendig wahrer W Satz bei dem der verwendete Satz (rechts) die Bedeutung des angeführten Satzes (links) angibt. Dieser W Satz ist bedeutungsenthüllend. I considered truth to be the central primitive [!] concept, and hoped, by detailing truth's structure, to get at meaning. (Davidson, Inquiries into Truth and Interpretation, xiv) Wie lernen wir etwas über Bedeutung im Allgemeinen? Erste Option: Wir analysieren den Begriff der Bedeutung und zeigen seine Beziehungen zu Begriffen wie Verstehen, Wahrheit, Grund etc. auf. Davidsons erste Grundidee: Wir sollten nicht fragen, was Bedeutung im Allgemeinen ist. Wir sollten fragen, wie man (im Prinzip) eine Theorie der Bedeutung für eine bestimmte natürliche Sprache wie z.b. das Englische konstruieren könnte. Zweite Option: Wir suchen eine Einsetzung, die das folgende Schema (notwendig) wahr macht: z.b.: Ein Satz s bedeutet, dass p gdw Ein Satz s bedeutet, dass p gdw gilt: wenn wir feststellen, dass p der Fall ist, dann ist s verifiziert. Davidson hat etwas ganz anderes im Sinn. Wenn wir wissen, wie sich (im Prinzip) eine Theorie der Bedeutung für eine bestimmte natürliche Sprache konstruieren lässt, haben wir Aufschluss darüber gewonnen, was Bedeutung eigentlich ist. In Davidsons Projekt wird aus der Frage Was ist Bedeutung? die Frage Wie lässt sich (im Prinzip) eine Theorie der Bedeutung für eine bestimmte natürliche Sprache konstruieren? -9- -10- -11- -12-3

Davidsons zweite Grundidee: Nach der Form einer Theorie der Bedeutung für eine natürliche Sprache zu fragen, ist besonders erhellend, wenn wir in unsere Theorie der Bedeutung keinen einzigen der Begriffe aus der Familie des Sinns (Bedeutung, Synonymie, etc.) investieren müssen, sondern mit dem Begriff der Wahrheit auskommen. Projekt: Wir wollen wissen, wie sich (im Prinzip) eine Theorie der Bedeutung für eine bestimmte natürliche Sprache konstruieren lässt. Frage: Was muss eine Theorie der Bedeutung für eine bestimmte natürliche Sprache überhaupt leisten? Der Begriff der Bedeutung ist zu schwierig und unklar, um ihn direkt zu analysieren. Also sollten wir ihn indirekt klären, indem wir Form und Eigenschaften einer Theorie der Bedeutung klären. Generelle Thesen über Bedeutung wie z.b. Bedeutung besteht in Wahrheitsbedingungen können nur dann richtig sein, wenn man im Einklang mit ihnen tatsächlich Theorien der Bedeutung für einzelne Sprachen formulieren kann. What is it for words to mean what they do? (...) I explored the idea that we would have an answer to this question if we knew how to construct a theory satisfying two demands: it would provide an interpretation of all utterances, actual and potential, of a speaker or group of speakers; and it would be verifiable without knowledge of the detailed propositional attitudes of the speaker. (...) (Davidson, Essays on Truth and Interpretation, xiii) Anf1 Eine Theorie der Bedeutung muss interpretativ sein. it would provide an interpretation of all utterances, actual and potential, of a speaker or group of speakers Eine Theorie der Bedeutung spezifiziert Wissen, das für Verstehen hinreichend ist. Laut Davidson ist die Kenntnis einer solchen Theorie nicht notwendig, um L zu verstehen. Die Theorie muss die Bedeutungen aller Sätze von L angeben. Und zwar muss sie dies so tun, dass man mit ihrer Hilfe alle Äußerungen von L verstehen kann. Aber wann gilt von einer Theorie T für eine Sprache L, dass sie das Verstehen aller Äußerungen der Sprecher von L ermöglicht? Konsequenzen für die Theorie: (A) T darf nur aus endlich vielen Sätzen bestehen (finit formulierbar sein) und muss kompositional strukturiert sein sonst kann sie ein Denker nicht erfassen. Davidsons Idee: Dies gilt in jedem Fall dann, wenn die folgende Bedingung erfüllt ist: (B) T muss für jeden Satz von L angeben, was dieser bedeutet sonst erlaubt sie nicht, alle Äußerungen von Sprecher zu verstehen. Wenn jemand T kennen würde, dann verstünde er alle Äußerungen der Sprecher von L. (C) Tmuss eine Theorie für eine natürliche Sprache L sein. -13- -14- -15- -16-4

Anf2 Eine Theorie der Bedeutung muss (zumindest im Prinzip) zirkelfrei d.h. ohne Annahmen über Bedeutung etc. empirisch überprüfbar sein. it would be verifiable without knowledge of the detailed propositional attitudes of the speaker. Wann ist eine Theorie der Bedeutung T für L zirkelfrei empirisch überprüfbar? Wenn wir (zumindest im Prinzip) empirisch testen könnten, ob T eine korrekte Theorie der Bedeutung für L ist, ohne uns auf Wissen darüber zu verlassen, was die Sätze von L bedeuten. Bei der Bewertung von Semantiken verlassen wir uns üblicherweise gerade auf unser semantisches Wissen. Also wozu die Forderung? If an acceptable theory could be supported by such evidence, that would constitute conceptual progress, for the theory would be specifically semantic in nature, while the evidence would be described in non semantical terms. (Davidson, Belief and the Basis of Meaning, S.142) Hier wird klar: Davidson verfolgt nicht einfach das Projekt einer semantischen Analyse. Sein Projekt zielt vielmehr auf eine meta semantische Erklärung. Davidsons dritte Grundidee: Eine Theorie der Bedeutung für eine Sprache L ist nichts anderes als eine Tarski Theorie für L, die ausschließlich bedeutungsenthüllende W Sätze zur Folge hat. Alfred Tarski (1902 1983) war ein einflussreicher Logiker. In seinem Aufsatz Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen (1935) entwickelte Tarski ein völlig neues Verständnis davon, wie eine Definition des Ausdrucks ist wahr auszusehen hat: Eine solche Definition muss eine Wahrheitstheorie ( Tarski Theorie ) sein. Als Wahrheitsdefinition hat sich Tarskis Ansatz nicht durchgesetzt. Aber als eine Bedeutungstheorie im Sinne Davidsons kommt eine Tarski Theorie sehr wohl in Frage. Warum? Eine Tarski Theorie für eine Sprache L ist eine Theorie, für die in jedem Fall gilt: Aus der Theorie folgt für jeden Satz s der Sprache L ein W Satz also ein Satz der Fom s ist wahr in L gdw p. Davidsons Idee: W Sätze können wahr, notwendig wahr und bedeutungsenthüllend sein. Wenn wir eine Tarski Theorie für eine Sprache haben, die ausschließlich bedeutungsenthüllende W Sätze zur Folge hat, dann haben wir genau das, was wir suchen. Denn wenn die aus ihr folgenden W Sätze wirklich bedeutungsenthüllend sind, dann gibt die Tarski Theorie für jeden Satz der Sprache an, was dieser bedeutet. -17- -18- -19- -20-5

Eine Tarski Theorie besteht aus drei Teilen: Der Kerntheorie, in der angegeben wird, wann einfache Sätze wahr sind. (Diese besteht bei komplexeren Sprachen aus einem Bezugsschema, das die Referenz aller Ausdrücke angibt, und einer Basisregel für einfache Sätze.) Den Projektionsregeln, die festschreiben, wann komplexe Sätze in Abhängigkeit der in ihnen vorkommenden Ausdrücke wahr sind. Dendrisch: die Sprache, in der sich die beiden Bäume Oldtree und Veryoldtree (gaaanz langsaaam) unterhalten. Beispiele für Äußerungen in Dendrisch: Sunna, Helia, Niv Helia, Sunna fip niv platta, Sunna nuc niv fluffa nuc platta fip helia Ausdrücke, die auch allein verwendet werden: sunna, fluffa, platta, helia Ausdrücke, die nur zusammen mit anderen Ausdrücken verwendet werden: niv, nuc, fip Den W Sätzen, die aus der Theorie folgen. Die Kerntheorie: W Sätze für einfache Sätze L1 Sunna ist wahr in D gdw die Sonne scheint L2 Fluffa ist wahr in D gdw es schneit L3 Platta ist wahr in D gdw es regnet L4 Helia ist wahr in D gdw es einen Regenbogen gibt. Projektionsegeln für komplexe Sätze R1 Ein Satz der Form niv p ist wahr in D gdw p falsch ist R2 Ein Satz der Form p nuc q ist wahr in D gdw p wahr ist und q wahr ist R3 Ein Satz der Form pfipq ist wahr in D gdw p falsch oder q wahr ist (anders ausgedrückt: wenn p, dann q) Erfüllt unsere Theorie überhaupt Davidsons Bedingungen? D.h. gilt: (A) Sie besteht nur aus endlich vielen Sätzen (ist finit formulierbar) und ist kompositional strukturiert. (B) Sie gibt für jeden Satz des Dendrischen an, was dieser bedeutet. Die Bedingung (A) ist bereits durch die Form unserer Theorie erfüllt. Unsere Theorie ist klar finit formulierbar. Dazu ist sie kompositional: Die Projektionsregeln sind ja gerade dazu da, zu erklären, wie sich semantischen Eigenschaften komplexer Sätze aus denen einfacher Ausdrücke ergeben. Auch (B) ist erfüllt. Aus unserer Theorie folgt für jeden Satz des Dendrischen ein W Satz. Diese W Sätze sind dazu bedeutungsenthüllend. -21- -22- -23- -24-6

Niv Helia ist wahr in D gdw... Sunna fip niv platta ist wahr in D gdw... L4 Helia ist wahr in D gdw es einen Regenbogen gibt R1 Ein Satz der Form niv p ist wahr in D gdw p falsch ist Niv Helia ist wahr in D gdw es keinen Regenbogen gibt L1 L3 R1 R3 Sunna ist wahr in D gdw die Sonne scheint Platta ist wahr in D gdw es regnet Ein Satz der Form niv p ist wahr in D gdw p falsch ist Ein Satz der Form p fip q ist wahr in D gdw p falsch oder q wahr ist (anders ausgedrückt: wenn p, dann q) Sunna fip niv platta ist wahr in D gdw gilt: wenn die Sonne scheint, dann regnet es nicht. Eine Theorie der Bedeutung für das Deutsche funktioniert im Prinzip genauso wie unsere Beispieltheorie für Dendrisch. Die entsprechende Tarski Theorie ist nur komplizierter: In der Kerntheorie der Tarski Theorie fürs Deutsche stehen in der Hauptsache Wörter, und nicht schon Sätze. Die Theorie enthält wesentlich mehr Projektionsregeln. Die Theorie enthält Projektionsregeln anderer Art für Sätze wie Alle Hasen mümmeln. 5 Davidsons Projekt ein erstes Fazit Davidsons dritte Grundidee: Eine Theorie der Bedeutung für eine Sprache L ist nichts anderes als eine Tarski Theorie für L, die ausschließlich bedeutungsenthüllende W Sätze zur Folge hat. Warum das in Davidsons Sinne eine gute Idee ist: Eine Tarski Theorie für eine Sprache L ist eine Theorie, die in jedem Fall finit formulierbar und kompositional strukturiert ist. Dazu impliziert eine solche Theorie für jeden Satz der betreffenden Sprache einen W Satz. Nehmen wir an, die W Sätze einer Theorie für die Sprache L seien bedeutungsenthüllend. Dann gilt: Wer die Theorie kennt, kann aller Äußerungen der Sprecher verstehen. Denn er kann (im Prinzip!) für jeden geäußerten Satz einen W Satz ableiten, der ihm sagt, was die Äußerung bedeutet. -25- -26- -27- -28-7

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