Die Theorie Optimaler Währungsräume und die EMU (25.4.)

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Transkript:

Die Theorie Optimaler Währungsräume und die EMU (25.4.) Text: Tavlas, G. S. (1993), The New Theory of Optimum Currency Areas, World Economy 16(6), pp. 663-685 Fragen: 1. Was bedeutet für Tavlas monetäre Integration ( monetary integration )? 2. Welche Bedingungen haben die Teilnehmer an einem optimalen Währungsraum gemäß alter Lehre zu erfüllen? Diskutieren Sie die drei Ihrer Meinung nach wichtigsten kurz. 3. Welche Rolle spielt nach Meinung von Tavlas politischer Wille im Zusammenhang mit der Gründung von oder dem Beitritt zu Währungsräumen? 4. Was versteht man unter einem nominellen Anker ( nominal anchor ) und was bedeutet das für Währungsräume? 5. Was versteht man unter Zeitinkonsistenz ( time inconsistency ) und welche Rolle spielt das im Zusammenhang mit Währungsräumen? 6. Kommentieren Sie den letzten Satz aus dem Aufsatz. Stimmen Sie mit Tavlas überein oder nicht und warum?

Die Theorie Optimaler Währungsräume Werdegang der Theorie Monetäre Integration Charakteristika potentieller Mitglieder Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Währung Die neue Theorie optimaler Währungsräume Werdegang der Theorie Die Theorie Optimaler Währungsräume entstand in den 1960er Jahren (auf Basis u.a. der Arbeiten des späteren Nobelpreisträgers Robert Mundell). In den 1970er und vor allem 1980er Jahren erlebte die Theorie nicht zuletzt wegen des Übergangs zu flexiblen Wechselkursen einen Niedergang. Für ihr Wiederaufleben waren verantwortlich: die monetäre Integration in Europa Entwicklungen in der makroökonomischen Theorie (speziell zu Erwartungen und zur Zeitinkonsistenz) Was ist monetäre Integration? Es gibt unterschiedliche Typen von Integration, die u.a. aus dem Trilemma aus fixen Wechselkursen, völliger Kapitalmobilität und autonomer Geldpolitik resultieren. Vier Basistypen von Integration (nach Padoa-Schioppa): Wechselkursunionen: Fixierung der Wechselkurse mit Kapitalverkehrskontrollen Pseudo-Wechselkursunionen: Fixierung der Wechselkurse mit Politikkoordination, daher instabil monetäre Integration: Fixierung der Wechselkurse ohne Kontrollen, aber mit gemeinsamer Geldpolitik monetäre Union: Integration plus Einheitswährung und gemeinsamer Zentralbank

Mitgliedereigenschaften nach alter Lehre ähnliche Inflationsraten Faktormobilität ökonomische Offenheit (und Kleinheit) Diversifikation von Produktion und Handel Preis- und Lohnflexibilität ähnliche Produktionsstrukturen (Marktintegration) fiskalische Integration zusammenfassend ergibt das einen geringen Bedarf an Änderungen des realen Wechselkurses aber absolut zentral: politischer Wille zur Integration Vor- und Nachteile nach alter Lehre Vorteile einer gemeinsamen Währung: Eliminierung des Wechselkursrisikos Reduktion der Transaktionskosten (Stärkung der Tauschmittelfunktion des Geldes) Handelsförderung zusätzliche Skaleneffekte Nachteile einer gemeinsamen Währung: Verlust des Wechselkurses als ökonomisches Steuerungsinstrument Verlust der geldpolitischen Unabhängigkeit Neue Lehre Ia: Ineffektivität von Politik und der nominelle Anker Systemtypen von Währungsräumen: Symmetrische Systeme: Kooperation der Länder Asymmetrische Systeme: Leitfunktion eines Landes Phillips-Kurve: Zusammenhang (Trade-off) zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit? fixe Wechselkurse erzwingen identische Zinssätze für eine stabile Lösung ist ein nomineller Anker erforderlich: entweder in Form von politischer Kooperation oder in Form einer Leitfunktion eines Partners im System

Neue Lehre Ia: Ineffektivität von Politik und der nominelle Anker Formal: P L A A( A, A) = A BLB ( YB, ib ) = M B Geldnachfrage in Land A Geldnachfrage in Land B ia = ib + e Offene Zinsparität (flexible WK) ia = ib Offene Zinsparität (fixe WK) P Y i M Dieses Gleichungssystem ist ungenügend determiniert: es gibt eine Unbekannte zuviel, daher muss zumindest eines der beiden Länder seine Geldpolitik aufgeben. Neue Lehre Ib: Geld ist nicht neutral und Erwartungen sind wichtig Neutralität des Geldes: Theorie: Änderungen nomineller Variable beeinflussen (langfristig) reale Variable nicht Aber: hohe Konfliktanfälligkeit von symmetrischen Systemen, Folge sind reale Turbulenzen Aber: kontraproduktive Politik in asymmetrischen Systemen führt ebenfalls zu realen Problemen weitere beeinträchtigende Einflüsse: Spezifika, Agglomerationseffekte, verschiedene Kosten Erwartungen: Die Glaubwürdigkeit von politischen Verpflichtungen ist zentral: Beispiel Phillips-Kurve Neue Lehre IIa: Zeitinkonsistenz Inflation und zeitkonsistente Politik: Wichtig ist es also, Zeitinkonsistenz von politischen Regeln zu vermeiden, d.h., langfristig berechenbar und glaubwürdig zu agieren, und nicht aufgrund von Schocks seine Politik zu ändern Damit soll das Vertrauen der Akteure auf den Währungsmärkten gestärkt und Stabilität gewonnen werden Dazu dient etwa die Selbstbeschränkung durch Hochinflationsländer, die insbesondere dann sinnvoll ist, wenn es keinen Phillipskurven-Tradeoff gibt Inflationskonvergenz erscheint so als Ergebnis einer Währungsunion (nicht als Vorbedingung)

Neue Lehre IIb: Zeitinkonsistenz Wo liegen mögliche Probleme dabei? Kurzfristig fallen Anpassungskosten an (durch Arbeitslosigkeit wie durch Inflationsdruck) Niedriginflationsländer können mit der Leitfunktion zwar ihren Einfluss stärken, möglicherweise aber auch an Reputation (und Glaubwürdigkeit) verlieren Fiskalpolitische Disziplin ist wichtig, ansonsten können undisziplinierte Länder auf ein Bail-out vertrauen, bis die Währungsunion kollabiert Die Vorreiter neigen zu relativ höherer Inflation, weil sie einen Teil der Last abwälzen können Fixe Wechselkurse und eine gemeinsame Währung sind nicht dasselbe, erstere sind nie unveränderlich Neue Lehre IIIa: Mobilität unter Unsicherheit Mobilität der Arbeitskräfte unter Unsicherheit: Je unsicherer das ökonomische Umfeld, desto geringer die Bereitschaft zur Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen In der Regel erwartet ein/e Arbeitsmigrant/in nach der Übersiedlung nicht einfach höhere Löhne, sondern solche, die auch die Umzugskosten und die Kosten einer möglichen Rückwanderung decken, die abhängig vom Risiko sind (Hysterese) In fixen Wechselkurssystemen kann überdies die Geldpolitik das Einkommen nicht mehr stabilisieren; Folge ist größere Unsicherheit und damit geringere Mobilität Neue Lehre IIIb: Externe Anpassung Wie wird der Wechselkurs bestimmt? Flow Model (Wechselkurse helfen, die Leistungsbilanz auszugleichen, Warenhandel dominiert also) versus Asset Model (Investitionen, Anlagen- und Devisenhandel, der Kapitalgüterhandel dominiert) Neuere Erkenntnisse zeigen aber, dass der Ausgleich externer Ungleichgewichte durch den Wechselkurs nicht so schnell erfolgt, wie früher erwartet (die Lags sind länger), dass er aber langfristig passiert; Volatilität der Wechselkurse (zumindest exante) keine eindeutigen Effekte auf Handel hat; im Falle perfekter Vorausschau Erwartungen zu neuen Anpassungspfaden führen.

Resümee 1. Einige früheren Vorzüge eigener Währungen können theoretisch nicht mehr aufrecht erhalten werden. 2. Das Leihen politischer Glaubwürdigkeit durch eine Währungsunion ist für Hochinflationsländern jedenfalls weiterhin möglich. 3. Flexible Wechselkurse sind jedoch zwischen Ländern mit häufigen asymmetrischen Schocks wünschenswert. 4. Die Wirkung von Wechselkursschwankungen auf den Handel und die Dauer der Anpassungsprozesse ist ambivalent und zeitlich unklar. Insgesamt sieht die neue Theorie weniger Nachteile und mehr Vorteile einer Währungsunion als die alte.