Frauen in der KJH normal!

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Transkript:

Cross Work: Frauen in der Arbeit mit Jungen Workshop auf der Tagung Jungs, wohin? am 3.7.2010 in der Ev. Akademie Bad Boll Dr. Claudia Wallner Wenn Frauen mit Jungen arbeiten: Ist doch normal, oder? Frauen und Jungen im Kontakt: In der Kinder- und Jugendhilfe ein alltägliches Phänomen, denn: die Fachkräfte sind mehrheitlich weiblich, die Klientel männlich. Dies ist ein Geschlechterverhältnis mit Tradition. Die Soziale Arbeit wurde immer schon in der Praxis mehrheitlich von Frauen durchgeführt, während den Männern auch vor 100 Jahren schon die Administration gehörte. Auch Jungen als Klientel sind mit ihren extrovertierten Bewältigungsstrategien bereits seit langem im Fokus von Jugendhilfemaßnahmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen mit Jungen arbeiten, liegt also statistisch hoch. Frauen in der KJH normal! 90 86,5 80 70 60 50 40 30 20 67,6 57,2 61,2 70,4 KJH insgesamt KJH ohne Kitas Jugendarbeit Jugendsozialarbeit HzE 10 0 Frauenanteil Nimmt man die Kitas einmal aus der statistischen Übersicht heraus, da hier der Frauenanteil bei weit über 90% liegt, sind es in der Summe aller anderen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe fast 70% Frauen 1. 1 Alle Daten aus: KOMDAT Jugendhilfe Heft 2/2006 1

Männeranteil am höchsten in: 60 50 40 55 52 49 49 46 46 46 42 Leitung ohne Kitas JH-Planung Ju-verbandsarbeit 30 20 10 Supervision Referent Ju-sozialarbeit Ju-bildungsarbeit Jugendarbeit 0 Männeranteil in % Der Männeranteil ist am Höchsten auf der Leitungs- und Qualitätsentwicklungsebene und in der Jugend- und Jugendsozialarbeit, wobei auch in diesen Feldern der Männeranteil lediglich zwischen ca. 40 und 55 % variiert. Auf der Seite der Klientel befinden sich Jungen in der Mehrzahl in den Leistungsbereichen justiznahe Hilfen (76%) ambulante Hilfen (70%) Beratung (56%) Fremdunterbringung (53%) Auch in der Jugend- und Jugendsozialarbeit sind die Jungen in der Mehrheit, wobei es für diese Bereiche wegen der Offenheit des Zugangs keine statistischen Zahlen gibt. Grundsätzlich gilt also im Durchschnitt: Frauen sind auf der Fachkräfteseite in der Mehrheit, Jungen auf der Klientelseite. Dass Frauen mit Jungen arbeiten, passiert also rein statistisch relativ häufig. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie dies im Bewusstsein ihrer sozialen Geschlechtlichkeit machen. Frauen arbeiten mit Jungen zufällig oder zwangsläufig: im Ein-zu-eins-Kontakt, in geschlechtsgemischen Gruppen oder mit Jungengruppen, zumeist aber nicht geschlechtsbewusst, sondern zufällig aus Notwendigkeit weil mehr Frauen in der Einrichtung beschäftigt sind weil mehr Jungen zu den BesucherInnen zählen weil Jungen die Aufmerksamkeit eher einfordern weil Frauen sich verpflichtet fühlen, klassische Frauenthemen auch Jungen anzubieten. 2

Diese geschlechtsunbewusste Arbeit mit Jungen führt allerdings in der Regel dazu, dass Geschlechterstereotypen verstärkt werden - auf beiden Seiten. Frauen gehen in den sozialen Kontakt zu Jungen, sie versorgen sie, hören ihnen zu oder schlichten Streit. Was sie im Kontakt zu Jungen eher nicht anbieten ist Begrenzung, ein klares Nein, das Durchsetzen von Regeln und Verboten und wettstreitorientierte Maßnahmen. Setzen sie allerdings ein Nein, dann kommt es oft früher als bei Mädchen, da Frauen Jungen eher eine aggressive Grundhaltung zuschreiben, die früh reglementiert werden muss. Wenn Frauen geschlechtsunreflektiert mit Jungen arbeiten, können sie in patriarchale Fallen tappen und geschlechterstereotyp agieren: Mutter- und Fürsorgerinnenrolle weibliches Helferinnensyndrom Verantwortungsübernahme von den Kollegen, die sich nicht ausreichend um Jungen kümmern eigene Aufwertung durch die Arbeit mit Jungen (weil schwieriger) mehr Spaß weil mehr Action. Wenn beide Geschlechter im Kontakt ihre Geschlechtszugehörigkeit nicht reflektieren reproduzieren sich wildwüchsig die Geschlechterbilder, die die Beteiligten in sich tragen: - Frauen bieten eher Sozialverhalten an - Jungen inszenieren sich als Kerle Frauen in der Arbeit mit Jungen - ein lange unbeachtetes Thema Geschlechtsbewusste Pädagogik war in Deutschland historisch geschlechtshomogene Pädagogik: Mädchenarbeit als erster Ansatz wurde bewusst als rein weiblicher Kontext entwickelt, Jungenarbeit folgte einige Jahre später mit dem gleichen Prinzip. Es wurde davon ausgegangen, dass es ein erwachsenes Gegenüber des gleichen Geschlechts braucht, um Mädchen und Jungen in der Entwicklung und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht zu begleiten und zu unterstützen. Das jeweils andere Geschlecht wurde nicht unter Aspekten der Geschlechterpädagogik oder Geschlechtergerechtigkeit betrachtet, ebenso wenig wie koedukative Settings. 3

Geschlechtsbewusste Pädagogik fand lange Zeit nur in getrennten Settings statt: geschlechtergerechte Pädagogik Mädchenarbeit Jungenarbeit Erst durch die sukzessive Auseinandersetzung mit Gender (Mainstreaming) wurde deutlich, dass Mädchen und Jungen auch dann, wenn sie nicht in reinen Mädchenoder Jungengruppen zusammen sind, ein Anrecht auf eine geschlechtsbewusste pädagogische Begleitung und Unterstützung haben. Mit diesen Debatten kam dann auch verstärkt die Frage auf, was Frauen und Männer als pädagogische Fachkräfte eigentlich dem jeweils anderen Geschlecht auf der Klientelseite bieten können und bieten müssen. Nun gilt: Ziel ist: ALLE MitarbeiterInnen in ALLEN Einrichtungen bei ALLEN Trägern müssen geschlechts-, schicht- und ethnienspezifisch handeln können Die spezifischen Problemlagen und Förderziele für Mädchen und Jungen unterschiedlicher Herkunft müssen bei männlichen und weiblichen Fachkräften bekannt sein Kinder und Jugendliche gibt es nicht! 4

Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn alle MitarbeiterInnen in allen Formen von Angeboten geschlechtsbewusst und geschlechtergerecht agieren und das heißt: auch, wenn die Gruppen geschlechtsgemischt sind (geschlechtergerechte Koedukation) oder wenn die Geschlechterverhältnisse sich überkreuzen (Cross Work). Gender in der Kinder- und Jugendhilfe Mädchenarbeit Jungenarbeit geschlechtergerechte Koedukation Cross Work Cross Work: die geschlechtsbewusste Arbeit mit dem anderen Geschlecht Cross Work Männer arbeiten mit Frauen arbeiten mit Jungen Mädchen 5

Frauen arbeiten geschlechtsbewusst mit Jungen, Männer mit Mädchen: nur eine scheinbar gleiche Situation, denn die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse beeinflussen die Arbeit für die Beteiligten unterschiedlich. Doch dazu später mehr. Zunächst ein allgemeiner Blick auf das, was Cross Work ist und will. Die Geschlechtsbewusstheit im Überkreuzkontakt führt dazu, dass auch hier Geschlechtsidentitäten und Geschlechterverhältnisse positiv verändert werden können. Im Cross Work geht es darum, zur Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen beizutragen und sie darin zu unterstützen, sich von engen Zuschreibungen zu befreien und ihr Leben nach Interessen, Begabungen und Vorlieben zu gestalten anstatt entsprechend den üblichen Bildern der Geschlechter. Warum beispielsweise dürfen Jungen nicht traurig sein, sich nicht für soziale Fragen interessieren oder gymnastische Sportarten betreiben, ohne dass sie sich gleichzeitig dafür als Mädchen beschimpfen lassen müssen oder zumindest als untypisch klassifiziert werden von ihrer Umwelt? Was löst es bei Jungen aus, wenn Pädagoginnen ihnen in den immer gleichen weiblichen Rollen begegnen und Pädagogen in den typisch männlichen? Cross Work will wie alle anderen Ansätze geschlechtsbewusster Pädagogik dazu beitragen, dass soziale Zuschreibungen an Geschlecht perspektivisch aufgelöst und damit auch Geschlechterhierarchien abgebaut werden. Ziele von Cross Work tradierte Geschlechterbilder irritieren Geschlechterbilder und Rollenvorstellungen erweitern Kontakt zu Erwachsenen des anderen Geschlechts herstellen Anerkennung durch das erwachsene Gegengeschlecht vermitteln neue Erfahrungen mit real anwesenden Frauen/Männern machen Neben der Arbeit an den Geschlechterverhältnissen ist im Cross Work ein weiteres wichtiges Anliegen, Jungen (respektive Mädchen) Gelegenheit zum Kontakt und zur Auseinandersetzung mit realen Erwachsenen des anderen Geschlechts zu bieten und damit Erfahrungen zu sammeln, wie erwachsene Männer und Frauen leben, denken, handeln Vielfalt innerhalb der Geschlechtergruppen wahrzunehmen und damit Ermutigung zu finden, selbst auch neue Dinge auszuprobieren 6

Anerkennung auch vom jeweils anderen Geschlecht zu bekommen; Viele Jugendliche erleben ihre Mütter in den ewig gleichen Verhaltensweisen von (Über-)Bemutterung und Kontrolle oder von Desinteresse und Vernachlässigung. Es sind nicht nur die abwesenden Männer, die Jungen (und auch Mädchen) Schwierigkeiten bereiten, es sind auch die einseitigen Erziehungsund Kontaktangebote der Frauen, mit denen sie in ihrem Alltag konfrontiert sind, die ihre Bilder von Weiblichkeit prägen und einschränken. Cross Work als geschlechtsbewusster Ansatz fußt auf einer umfassenden Selbstreflexion der Fachkräfte hat das Geschlechterrollenverhalten und die haltung bei Fachkräften und Jugendlichen im Fokus arbeitet mit und an den sozialen Geschlechterzuschreibungen und strukturellen Geschlechterungleichheiten Drei Ebenen sind es also, die Cross Work bestimmen: Die Fachkräfte müssen sich selbst kontinuierlich überprüfen: Wie verhalte ich mich gegenüber dem anderen Geschlecht (bei den Jugendlichen, aber auch gegenüber den KollegInnen), wie interpretiere ich das Verhalten der/des Gegenübers und welche Rolle spielen dabei meine Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit? Geschlechterverhältnisse sind im Fokus des pädagogischen Handelns: Wo immer Jugendliche abwertend gegenüber dem anderen Geschlecht agieren, wo immer sie einseitige Zuschreibungen proklamieren, wird dies zum Thema, beziehen PädagogInnen Position und gehen mit den Jugendlichen darüber in Kontakt. Geschlechterhierarchien sollen abgebaut werden: Durch gezielte und kontinuierliche Interventionen und Rückmeldungen soll versucht werden, Hierarchievorstellungen bezüglich der Geschlechterverhältnisse von Jugendlichen zu korrigieren und zu einem gleichberechtigten Miteinander zu verändern. Hierarchiedynamiken im Cross Work zwischen Frauen und Jungen Begegnen sich erwachsene PädagogInnen und Jugendliche, dann ergeben sich verschiedene Rangordnungen, die verschiedenen sozialen Faktoren geschuldet sind. 7

Dynamiken im Cross Work verschiedene Rangordnungen zwischen Fachkräften und Klientel: - Alter - Status - Rolle - Schicht - Bildung - Geschlecht Betrachtet man nun das Cross Work-Verhältnis zwischen erwachsenen Frauen und jugendlichen Jungen, dann ergibt sich ein sich überkreuzendes Hierarchiesystem: Rollenhierarchie: - Fachkräfte sind ranghöher Geschlechterhierarchie: - Männlichkeit als Norm erhält mehr Wert und Autorität. Frauen und Jungen: Hierarchie - Verwirrungen Alter Geschlecht Rolle Status Pädagogin Jungen Pädagogin Jungen Grafik: Michael Drogand Strud, HVHS Frille 8

In der Überkreuz-Situation (Frauen und Jungen) begegnen sich nun Statusungleiche: Geschlechterhierarchie: Frauen wird aufgrund ihres Geschlechts Autorität und Macht abgesprochen, die... Rollenhierarchie:... ihnen aufgrund ihrer pädagogischen Rolle bzw. Funktion zusteht Michael Drogand-Strud Je manifester und eindeutiger die Geschlechterbilder bei den Beteiligten sind, umso stärker tritt der Konflikt hervor: Jungen verweigern Frauen auf Grund ihres höheren Status als Mann den Respekt, den sie ihnen auf Grund des höheren Rollenstatus als Erwachsene erweisen würden. Frauen tragen immer die Frage mit sich, ob die jugendlichen Jungen sie akzeptieren als Pädagogin, wenn sie sie als Frau für statusunterlegen ansehen. Das Thema Autorität wird im Cross Work zwischen Jungen und Frauen immer eine wesentliche Rolle spielen, weil das Geschlechterverhältnis sich bricht mit allen anderen Hierarchien. Frauen sind immer gewahr, dass sie diesen Konflikt mehr oder weniger stark zu bearbeiten haben und damit stärker um Autorität und Anerkennung kämpfen müssen, als Männer in der Arbeit mit Mädchen: denn hier aufaddieren sich die Hierarchien ohne zu brechen. Trotzdem macht es Sinn und ist möglich, dass Frauen geschlechtsbewusst und gleichberechtigungsfördernd mit Jungen arbeiten wenn sie selbstreflexiv ihre Grenzen und Möglichkeiten kennen und sich ihrer Ziele bewusst sind. Wichtig ist die eigene Haltung, Wissen über Geschlechterhierarchien und Geschlechterverhältnisse und ihre Folgen für die Individuen und die Bereitschaft, Geschlechtergrenzen zu erweitern: bei sich selbst und bei den Jungen. Cross Work: Was Frauen für Jungen tun können 1. Frauen können Jungen erlauben, die dem weiblichen Geschlecht zugeordneten Zuschreibungen anzunehmen und für sich zu übernehmen: - Empathie - reproduktive Fähigkeiten - kommunikative Kompetenz - Sozialverhalten 9

- Verbundenheit mit Anderen 2. Frauen können Jungen Einblicke in die Verschiedenheit weiblicher Leben gewähren - authentisch - in den selbst gewählten Grenzen - ohne künstliche Inszenierungen - erlebbar 3. Frauen können Jungen in ihren Weiblichkeitsbildern irritieren - untypische Interessen zeigen - Verantwortungen und Zuständigkeiten zwischen Männern und Frauen gerecht aufteilen - eigene Vielfältigkeit sichtbar werden lassen 4. Frauen können Jungen Grenzen setzen - in der Beziehungsarbeit - wenn eigene Bedürfnisse und Grenzen missachtet werden - wenn die Achtung Anderer nicht gewährleistet ist - Trennung emotionaler und sachlicher Ebene, Klarheit im Handeln 5. Frauen können Jungen schützen, indem sie ihre eigenen Grenzen erkennen und einhalten - keine Omnipotenzansprüche - Delegation von Jungenanliegen an männliche Kollegen - Autoritätskonflikte im Gender Cross ins Team tragen und gemeinsam lösen 6. Frauen können sich mit dem Junge-Sein beschäftigen - männliche Sozialisation - Geschlechterbilder in verschiedenen Populationen - eigene Bilder von Jungen - Abgleich mit den realen Jungen - Interesse an Jungen haben 7. Frauen können sowohl die Täter- als auch die Opferseite von Jungen erkennen und ansprechen - Grenzsetzungen 10

aber auch - Förderung und Akzeptanz - Empathie Was Frauen dafür können müssen sich selbst wertschätzen Fürsorge für sich selbst betreiben fürsorglich mit Jungen umgehen, ohne Übermutter zu sein sich mit Jungen um ihrer Selbst beschäftigen, nicht wegen des höheren Status positive Grundhaltung einnehmen, trotzdem Grenzen setzen Was Frauen dafür können müssen Präsenz zeigen, wo Abwertung geschieht männliche Solidarität und Einklang der Kollegen einfordern klares Auftreten und Eintreten deutliche Meinung vertreten wissen, wann Grenzen erreicht sind wissen, wie Jungen ticken, was ihre Bewältigungsaufgaben und strategien sind Literatur zum Weiterlesen: Annemarie Schweighofer-Brauer: Cross Work - kreuz und quer. Geschlechtersensible/-reflektierende Überkreuzpädagogik in Deutschland und Österreich 11

herunterzuladen unter: http://www.girlsday.info/fileadmin/user_upload/berichtcrosswork.pdf Mein herzlicher Dank geht an Michael Drogand-Strud von der HVHS Frille, dem ich einen großen Teil meines Wissens über Cross Work-Prozesse zu verdanken habe und dessen Wissen sich in all meinen Ausführungen niederschlägt. Kontakt: Dr. Claudia Wallner Scheibenstr.102 48153 Münster 0251-86 33 73 Mail: clwallner@aol.com Home: www.claudia-wallner.de 12