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Transkript:

Es gilt das gesprochene Wort Patentierungsfeier für Notare Ansprache RR Neuhaus (Schriftsprache) 20. Oktober 2010, 17 Uhr Restaurant Zunft zu Webern (Zunftsaal, 1. Stock), Bern Liebe Jungnotarinnen und Jungnotare Sehr verehrte Damen und Herren Es freut mich, dass ich an diesem für Sie wichtigen Tag mit Ihnen feiern und einige Worte an Sie richten darf. Das bestandene Staatsexamen bedeutet für Sie Abschluss und Beginn zugleich: Es steht als Abschluss einer langen und intensiven Ausbildung, während der Sie sich das Rüstzeug zur Berufsausübung angeeignet haben. Es steht aber auch für den Beginn Ihrer beruflichen Karriere. Bei der Vorbereitung auf Ihr Examen haben Sie sich ein immenses Wissen angeeignet. Es ist gut möglich, dass Sie nie mehr soviel wissen werden wie jetzt nach dem Staatsexamen. Zu bedenken ist aber, dass Sie vieles vergessen werden und auch dürfen, weil Sie es nicht mehr brauchen. Dagegen werden viel Neues und vor allem die unerlässliche Erfahrung dazu kommen. Will die Notarin oder der Notar im Berufsleben bestehen, ist eine seriöse und stete Weiterbildung unabdingbar. Denken Sie nur an die häufigen Gesetzesrevisionen, die heute so zahlreich sind. So wird das Notariatsgesetz aus dem Jahr 2005 im Moment schon der zweiten Revision unterzogen. Auch die Notariatsverordnung soll noch in

diesem Jahr revidiert werden. Aber auch so fundamentale Gesetze wie das Zivilgesetzbuch, das Obligationenrecht oder das Strafgesetzbuch bleiben nicht verschont; sie werden in immer kürzerer Folge und zum Teil grundlegend geändert. Neue Gesetze wie die eidgenössische Zivil- und Strafprozessordnung kommen hinzu. Die einzige Konstante auf diesem Gebiet ist, dass die Materie stets komplexer wird. Für den permanenten Weiterbildungsbedarf ist also gesorgt. Allein, ein noch so grosses Wissen wird nicht genügen. Eben so wichtig ist die praktische Erfahrung, ohne die es nicht geht. Obschon Sie alle ein längeres Praktikum absolviert haben und dort schon Erfahrungen sammeln konnten, stehen Sie heute diesbezüglich noch am Anfang. Scheuen Sie sich deshalb nicht, Kolleginnen und Kollegen zu konsultieren, den Grundbuchverwalter oder Handelsregisterführer zu fragen oder sich bei der Verwaltung zu erkundigen. Die werden Ihnen gerne helfen. Suchen Sie auch regelmässig den Meinungsaustausch mit Leuten Ihres Fachs und lassen Sie die Anderen auch von Ihren eigenen Erfahrungen profitieren. So wird Ihre praktische Erfahrung allmählich das theoretische Wissen ergänzen und Ihr notarielles Können ausmachen. Beides zusammen, Wissen und Erfahrung, machen Sie zu derjenigen Fachfrau oder zu demjenigen Fachmann, der vom Bürger gebraucht und gesucht wird. Die Zeiten haben sich geändert. Frühere Respektspersonen, werden heute weit weniger geachtet. So ergeht es auch der Notarin und dem Notar. Die Gesellschaft hat sich gewandelt. Heute wird vieles in Frage gestellt oder zumindest hinterfragt. Das ist durchaus legitim und ist Ausdruck einer freiheitlichen und interessierten Gesellschaft. Auch das System des freiberuflichen Notariats und die Notariatstarife werden 2

immer wieder in Frage gestellt, und zwar sowohl in der Presse als auch auf politischer Ebene. Bei jeder Revision des Notariatsgesetzes wird die Forderung nach dem Amtsnotariat laut, so letztmals in der grossrätlichen Beratung über das neue Notariatsgesetz im Jahre 2005. Die Forderung nach dem Amtsnotariat ist im Übrigen nicht neu. Bereits im Jahre 1772 wurde im Kanton Bern mit Ausnahme der Stadt Bern und der Landschaft Saanen der Übergang vom freien Notariat zum Beamtentum vollzogen, indem die öffentliche Beurkundung an die Landund Amtsschreibereien übertragen wurde. Es sieht aber danach aus, als habe sich das Amtsnotariat nicht bewährt; denn bereits sechzig Jahre später, 1832, kehrte man zum freien Notariat zurück. Der Auffassung des damaligen Liberalismus entsprach es, dass die öffentliche Beurkundung jedem gestattet wurde, der sich über die nötigen Berufskenntnisse ausweisen konnte. Das so genannte freie Berufsnotariat war zu jener Zeit im wahrsten Sinn des Wortes frei: Ein Gesetz, welches das Beurkundungsverfahren und die Voraussetzungen zur Berufsausübung regelte, scheint damals nicht von vordringlicher Bedeutung gewesen zu sein. Erst die Staatsverfassung von 1846 sah den Erlass solcher Vorschriften überhaupt vor und noch viel später, im Jahre 1909, konnte dann ein entsprechendes Notariatsgesetz in Kraft gesetzt werden. Das Vertrauen in die Notare scheint damals beinahe grenzenlos gewesen zu sein, indem man sie ohne umfassende gesetzliche Vorschriften über Jahrzehnte hin frei gewähren liess. Eine wichtige Funktion in dieser "gesetzeslosen Zeit" übernahm der damalige Berufsverband, dessen Präsident im Jahresbericht von 1863 festhielt: "Scheuen wir uns nicht dazu beizutragen, dem Notariatsstand das Ansehen, das ihm gebührt, zu gewinnen und zu erhalten, Übelstände offen zu rügen, für die Ehre des ganzen Standes in die Schranken zu treten und dahin zu wirken, dass 3

derselbe seine Befriedigung darin sucht und findet, nach Kräften die allgemeine oder Staatswohlfahrt fördern zu helfen." Ein Satz, der im Interesse aller Notarinnen und Notare wohl unverändert in die heutige Zeit übertragen werden kann. Einer der Gründe für die Diskussion um das Amtsnotariat ist das Spannungsfeld zwischen der Erfüllung einer staatlichen Aufgabe nämlich der öffentlichen Beurkundung und der Organisation des Notariats als privates, gewinnstrebiges Unternehmertum. Der andere Grund liegt bei den Notariatsgebühren. Die Höhe dieser Gebühren ist sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Grossen Rat ein Dauerbrenner. So war es denn auch sie Gebührenfrage, die den Anlass zur letzten Revision der Notariatsgesetzgebung gab. Bei dieser Revision sind die Gebühren aufgrund politischer Vorgaben zum Teil erheblich gesenkt worden. Doch bereits neun Monate nach Inkrafttreten der revidierten Gesetzgebung wurde im Grossen Rat wiederum eine Motion eingereicht, die auf eine weitere Senkung der Notariatsgebühren abzielte. Diese Motion wurde dann aber vom Grossen Rat deutlich abgelehnt. Doch ist heute bereits wieder eine neue Motion hängig, die nicht nur die Gebühren im Visier hat, sondern auch die öffentliche Beurkundung von Inventaren abschaffen möchte. Es ist damit zu rechnen, dass dies nicht der letzte Vorstoss in dieser Richtung gewesen ist. Auch der ehemalige Preisüberwacher war aufgrund einer Studie von 2007 der Meinung, die bernischen Notariatstarife seien im Vergleich zu anderen Kantonen insbesondere zu denjenigen mit dem Amtsnotariat zu hoch. Der heutige Preisüberwacher hat sich in der Presse dahingehend verlauten lassen, dass im Notariat die Tarifierung nach Arbeitsaufwand eine faire Lösung wäre. Sie sehen, meine Damen und 4

Herren, die Diskussion um die Notariatsgebühren findet kein Ende. Sie wird uns mit Sicherheit auch in Zukunft beschäftigen. Die liberale Forderung nach mehr Wettbewerb hat unzweideutig auch das bernische Notariat erfasst. Die Tage, in denen das Berufssiegel quasi Garant für eine gesicherte Existenz war, sind vorbei. Der praktizierende Notar befindet sich heute wie nie zuvor in Konkurrenz mit anderen Anbietern. So bieten Banken und Treuhandgesellschaften umfassende Beratungen an unter anderem in ehe- und erbrechtlichen Angelegenheiten oder in Fragen der Betriebsnachfolge, also in Bereichen, die früher dem Notariat vorbehalten waren. Aber auch unter den Notarinnen und Notaren selbst herrscht Wettbewerb und Konkurrenz. Eines der klaren Ziele der neuen Notariatsgesetzbebung ist die Förderung dieses Wettbewerbs. Nachdem ein erster grosser Schritt in diese Richtung bereits 1998 mit der Aufhebung der Beschränkung von Grundstückgeschäften auf die Notarin oder den Notar des Amtsbezirks gemacht worden war, ist der Wettbewerb durch die letzte Revision durch die flächendeckende Einführung von Rahmentarifen forciert worden. Die Rahmentarife geben der Notarin oder dem Notar einen gewissen Spielraum bei der Tarifgestaltung. In Bezug auf das Honorar für die nebenberufliche Tätigkeit herrscht heute vollständiger Wettbewerb, d.h. die Notarin oder der Notar ist in der Honorargestaltung vollkommen frei und an keine staatliche Regelung gebunden. Meine Damen und Herren Notarinnen und Notare, ich will Ihnen keine Angst machen vor der Zukunft. Sie haben alle eine gute und solide Ausbildung hinter sich und sind damit in der Lage, qualitativ hochwertige Arbeit anbieten zu können. Durch das Sammeln von Erfahrung und die stete Weiterbildung werden Sie die Qualität Ihrer Arbeit zu verbessern, 5

zumindest aber zu erhalten wissen. Sie werden deshalb durchaus in der Lage sein, im Wettbewerb als frei praktizierende Notarinnen und Notare zu bestehen. Tragen Sie Sorge zum Ruf des bernischen Notariats. Noch etwas nebenbei: Es kommt selten vor, dass in einer wissentschaftlichen Zeitschrift ein Beschwerdeentscheid der JGK besprochen wird. Das ist in der Regel den Verwaltungs- und Bundesgerichtsentscheiden vorbehalten. In der neuesten Ausgabe des Jusletter - eine elektronische Fachzeitschrift mit sehr grosser Auflage - haben Roland Pfäffli/Daniela Byland einen Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion in einer Grundbuchsache besprochen. Mir scheint, dass wir nicht schlecht wegkommen, auch wenn das Fazit der Autoren etwas zweideutig daherkommt: Der Entscheid ist zu begrüssen. Er zeigt auf, dass in gewissen Fällen tatsächlich vom klaren Wortlaut einer Bestimmung abgewichen werden darf. Es kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, jeden sich in der Praxis ereignenden Fall zu regeln. Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern hat hier im Rahmen einer flexiblen Sturheit einen rechtlich vertretbaren Entscheid gefällt. Für Ihre künftige Tätigkeit als Notarin oder als Notar wünsche ich Ihnen viel Glück, viel Erfolg und eine gute Portion Gschpüri. Ich hoffe, dass Sie in Ihrem neuen beruflichen Umfeld und Wirken diejenige Befriedigung finden, die Sie suchen. 6