14 ATELIER-PORTRÄT jüngere Projekte Poetische Sachlichkeit Die hier vorgestellten Bauten und Projekte von Steinmann & Schmid sind exemplarisch für ihren Umgang mit Architektur. Eine von pragmatischer Selbstverständlichkeit geprägte Reduktion der Form und das Schaffen von spannungsvollen Räumen charakterisiert ihn. Text: Jutta Glanzmann, Fotos: Ruedi Walti S-Bahn-Haltestelle Dreispitz Das Dreispitzareal in Basel birgt ein grosses städtebauliches Potenzial. 2002 entwickelten Herzog & de Meuron eine Vision für die Entwicklung des bis anhin vorwiegend von Industrie und Gewerbe genutzten Areals in einen städtischen Ort zum Wohnen und Arbeiten. 2006 wurde ein entsprechender Richtplan von den zuständigen Behörden der Stadt Basel und der Gemeinde Münchenstein/BL genehmigt. Die Zustimmung des Kanton Basel- Landschaft ist noch ausstehend, er stellt die Ziele des Richtplans jedoch nicht in Frage. Die 2005 von Steinmann & Schmid erstellte S-Bahn-Station Dreispitz nimmt eine Schlüsselfunktion für die Erschliessung des neuen Stadtteils ein, der südöstlich des Basler Bahnhofs liegt und die Stadt mit der angrenzenden Agglomeration verbindet. Neben einer gut funktionierenden Infrastruktur für die Reisenden war für Steinmann & Schmid an dieser Stelle deshalb eine kräftige architektonische Form ein Muss. Die Haltestelle befindet sich auf zwei Ebenen: Eine Brücke überspannt die Bahnlinie, die hier in einem Einschnitt liegt. Die Zugangsbauten verbinden die städtische Strassenebene und die tieferliegende Bahnebene geschickt. Ihre markante Form macht die S-Bahn-Station weit herum sichtbar. Die massiv ausgebildeten Dächer aus vorgefertigten Betonelementen, die den Velounterstand, die vier Treppenabgänge und die Perrons schützen, bilden eine durchgehende Form, welche Brücke und Haltestelle zu einer Einheit werden lässt. Die grüngelb gestrichenen Wände im Bereich der Treppen und Lifte setzen
15 Markante Dachelemente mit integrierten Lichtbändern und ein kräftiges Gelb-Grün begleiten die Reisenden auf ihrem Weg zum Zug. W a l k e w e g D u g g i n g e r h o f Akzente und weisen gleichzeitig den Weg, ebenso wie die in die Decken eingelassenen Lichtbänder, welche die farbigen Flächen nachts hell erleuchten und damit ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Haltestelle Dreispitz ist in Form und Material kraftvoll und reduziert zugleich und überzeugt durch die punktuelle Farbgebung und die sorgfältige Gestaltung im Detail. Das in Arbeitsgemeinschaft mit WGG Schnetzer Puskas Ingenieure Basel erstellte Objekt wurde 2008 mit dem Brunel Award und dem Basler Heimatschutz-Preis ausgezeichnet. Situation und Grundriss W a l k e w e g Brüg
16 Mehrfamilienhaus in Binningen In Binningen/BL haben Steinmann & Schmid ihr jüngstes Wohnbauprojekt realisiert. Das Haus in der Agglomerationsgemeinde ist das Resultat eines gewonnenen Studienauftrags. Der langgezogene, viergeschossige Baukörper an der Bottmingerstrasse liegt leicht erhöht hinter einer imposanten Pappelreihe. Gegen aussen erscheint das Mehrfamilienhaus, das sich von den benachbarten Bauten in Grösse und Ausrichtung klar unterscheidet, äusserst kompakt. Der sandfarbene Putz, der durch die Beigabe von Glimmerpartikeln je nach Lichteinfall zu schimmern beginnt, die mit dunklen Leibungen eingefassten Fenster und die transparenten, hellgrünen Brüstungselement prägen das Bild der Aussenhülle. Die für Ein- und Zweipersonenhaushalte ausgelegten Wohnungen verfügen über Wohnflächen von 80 bis 120 Quadratmetern und überraschen durch ihre variantenreichen Grundrisse: Keine der auf einem Geschoss liegenden Wohnungen ist gleich wie die andere. Diese gruppieren sich jeweils um die zwei in der Mitte gelegenen Erschliessungskerne mit Lift und Treppe. Durch die geschickte Platzierung der freigestellten Einbauten innerhalb der Wohnungen entstehen fliessende Raumgefüge, die sich durch Schiebetüren individuell unterteilen lassen ein Raumprinzip, das ganz unterschiedliche Grundrisslösungen möglich macht und ungewohnt weite Sichtbezüge entlang der frei gespielten Aussenwände entstehen lässt. Verstärkt wird das variantenreiche Spiel von Durch- und Ausblicken innerhalb einer Wohneinheit durch die in das Volumen eingeschnittenen Loggien, die im obersten Geschoss zu zenithal belichteten Höfen werden. Die Küchen sind offen gestaltet und Teil des mäandrierenden Raumkontinuums, welches durch den durchgehend verlegten, dunklen Eichenparkettboden unterstrichen wird.
17 Schlicht und zurückhaltend gegen aussen, spannungsvolle Ausund Durchblicke im Innern: das Wohnhaus in Binningen mit 24 ganz unterschiedlichen Wohnungen. Brückenweg und Centerpark Visp Als Folge des Bahnhofneubaus in Visp (vgl. A&T 9-08) wurden zwei grössere Areale in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs frei: das vormalige Gleisfeld der Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) und der ehemalige Postautostandort an der Kantonsstrasse. Für beide Areale führten Steinmann & Schmid Testplanungen durch, die je in ein konkretes Projekt mündeten. Das Areal Brückenweg soll zwischen 2010 und 2012 realisiert werden, die Ausführung des Centerpark ist für 2009/2010 geplant. Beide Projekte sehen eine gemischte Nutzung von Dienstleistungen, Läden und Wohnraum vor. Die städtebauliche Ausgangslage ist für die beiden Projekte sehr unterschiedlich: Während der Centerpark auf dem ehemaligen Postareal das Bauen innerhalb eines bestehenden Gefüges thematisiert, definiert die geplante Bebauung Brückenweg den Situation und Grundriss 5
18 Das neue Bahnhofsquartier in Visp: die Projekte Areal Brückenweg, oben, und Centerpark, links, wie sie geplant sind. (Renderings Architron) westlichen Zugang zum Ort neu. Ein partiell zweigeschossiger Sockel bindet hier die zwei neuen Baukörper in ihre Umgebung ein und begrenzt gleichzeitig den Bahnhofplatz gegen Westen. Anders beim Centerpark: Zwar klärt auch hier ein Sockelgeschoss die bisherige Situation zur Kantonsstrasse und zur direkten Nachbarschaft, die Lage des Baukörpers war aber aufgrund des bestehenden Swisscom-Gebäudes, welches integriert werden musste, mehr oder weniger gegeben. Auch in Bezug auf die geplanten Wohnungen und in der formalen Ausgestaltung unterscheiden sich die Projekte. Auf dem Areal Brü - ckenweg entstehen 80 grosszügige Mietwohnungen, die Spielraum für zeitgemässe Wohnformen lassen. Im Centerpark sind grossflächige Eigentumswohnungen geplant, die sich vor allem an ein einheimisches Publikum richten, das eine zentrumsnahe Wohnlage schätzt. Während hier eine Metallhaut mit Blechen aus einer blattförmigen Stanzung das Volumen zusammenbindet, betont die stark als geschichtet wahrgenommene Fassadenstruktur die Abwicklung der beiden Volumen auf dem Brückenareal. Mit den beiden Arealbebauungen entsteht in Visp ein urbanes Zentrum in Gehdistanz zum neuen Bahnhof, das unweigerlich Auswirkungen auf die übrigen Quartiere und die Kernstadt des Ortes haben wird.