IV. Übertragung und Vererbung kaufmännischer Unternehmen. 1. Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäftes für Altschulden

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Transkript:

IV. Übertragung und Vererbung kaufmännischer Unternehmen 1. Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäftes für Altschulden Nach 25 Abs.1 HGB haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die in dem Geschäft begründeten Verbindlichkeiten, wenn er das Geschäft und die Firma fortführt. Nach der neueren Rechtsprechung trägt diese Norm der Kontinuität des Unternehmens Rechnung. Sie kommt allerdings nur zum Tragen, wenn die Firma fortgeführt wird.

Voraussetzungen der Haftung: Handelsgeschäft Erwerb Fortführung des Unternehmens Firmenfortführung Rechtsfolge: unbeschränkte persönliche Haftung des Erwerbers. Er wird Gesamtschuldner mit dem Veräußerer. Es handelt sich um einen gesetzlichen Schuldbeitritt.

OLG Hamm ZIP 1998, 2092 X kauft die Franz K Maschinenfabrik, die landwirtschaftliche Maschinen herstellt. Er führt den Betrieb fort, nennt ihn aber Franz K Agrartechnik. Franz K agiert weiter unter seiner Firma. A, ein Altgläubiger des Franz K, verlangt von X Zahlung des Kaufpreises aus einem Kaufvertrag mit Franz K.

Anspruch des A gegen X aus 433 Abs.2 BGB, 25 Abs.1 S.1 HGB Voraussetzung dieser Haftung ist, dass ein Handelsgeschäft fortgeführt wird. Des Weiteren müsste dieses Handelsgeschäft von X erworben worden sein. Dies ist der Fall, der Erwerb erfasst alle Fälle, in denen es unter Lebenden zu einem auf Dauer angelegten Wechsel des Unternehmensträgers kommt.

Des Weiteren müsste X das Geschäft des K jedenfalls im Kern fortgeführt haben. Außerdem verlangt 25 Abs.1 HGB, dass die Firma fortgeführt wird. Eine buchstabengetreue Übereinstimmung mit der alten Firma ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass die prägenden Bestandteile der Firma fortgeführt werden.

Der Erwerber des Handelsgeschäfts hat die Möglichkeit, im Innenverhältnis mit dem Veräußerer die Haftung auszuschließen. Gegenüber Dritten ist eine solche Vereinbarung aber nur wirksam, wenn sie gemäß 25 Abs.2 HGB publik gemacht worden ist. Im Übrigen ist die Nachhaftung des Veräußerers durch 26 HGB beschränkt.

2. Schutz der Schuldner des Veräußerers Werden die Forderungen vom Veräußerer an den Erwerber abgetreten, so ist dieser Gläubiger aller alten Forderungen des Veräußerers geworden. Der Schuldner weißt allerdings eventuell nicht, dass er nunmehr einen neuen Gläubiger hat. Demgemäß ist er schutzwürdig. Dieser Schuldnerschutz wird üblicherweise gemäß 404 ff. BGB gewährleistet.

V überträgt sein Handelsgeschäft an K mit allen Forderungen. K führt mit Zustimmung des V die Firma fort. Dies wird alles richtig ins Handelsregister eingetragen. X, ein Darlehensschuldner des V, weiß davon nichts. Er zahlt daher an V. K verlangt Bezahlung.

Anspruch des K gegen X aus 488, 398 BGB Ursprünglich war V Gläubiger, nunmehr ist der Anspruch aber an K abgetreten. Allerdings könnte es sein, dass die Forderung durch Erfüllung erloschen ist. X hat jedoch an eine Person gezahlt, die nicht Gläubiger ist. Allerdings könnte 407 Abs.1 BGB dazu führen, dass die Leistung an eine andere Person als den Gläubiger gleichwohl gegenüber dem Gläubiger befreiende Wirkung hat.

Allerdings muss sich X gemäß 15 Abs.2 S.1 HGB entgegenhalten lassen, dass K als neuer Inhaber des Handelsgeschäfts eingetragen ist. 25 Abs.1 S.2 HGB greift nicht zu Gunsten des X ein. Diese Norm hilft nur, wenn an den Erwerber gezahlt wird.

Der Schuldnerschutz nach 25 Abs.1 S.2 HGB greift also dann, wenn eine Abtretung der Forderung an den Erwerber fehlt. Voraussetzung dafür ist allerdings die Einwilligung des bisherigen Inhabers. Der Schuldner muss nicht gutgläubig sein.

3. Haftung beim Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns 28 HGB erfasst den Fall, dass jemand sich mit einem Einzelkaufmann zur Gründung einer Personenhandelsgesellschaft zusammenschließt. Die so gegründete Gesellschaft haftet dann für die Schulden des Einzelkaufmanns.

Unklar ist, warum 28 HGB diese Haftung anordnet. Zum Teil wird eine Parallele zu 130 HGB gesehen. Zum Teil wird darauf hingewiesen, dass es bei 28 Abs.1 S.1 HGB genauso wie bei 25 Abs.1 S.1 HGB um eine Auswechselung des Unternehmensträgers geht.

Voraussetzungen der Haftung: Einbringung des Handelsgeschäfts Beteiligung des bisherigen Einzelkaufmanns als Gesellschafter Fortführung des Handelsgeschäfts durch die Gesellschaft Rechtsfolge: Haftung der Personengesellschaft

BGH BB 2004, 794 S, ein Rechtsanwalt, schuldet dem Kläger 750.000,- Euro. Nach Begründung dieser Schuld tritt der Beklagte in die Kanzlei des S ein. Der Kläger verlangt Bezahlung von dem Beklagten.

Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus 611, 280 Abs.1 BGB Dann müsste der Beklagte Vertragspartner geworden sein. Dies ist nicht der Fall. Selbst wenn 28 Abs.1 HGB zur Anwendung kommt, wird nur die Gesellschaft, und nicht der Gesellschafter Vertragspartner. Auch könnte es sein, dass 28 Abs.1 HGB lediglich eine Mithaft der Gesellschaft vorschreibt.

Anspruch nach 611, 280 Abs.1, 705 BGB, 128 HGB analog Voraussetzung dafür wäre, dass die Sozietät gemäß 28 Abs.1 HGB für die Schuld des S mithaftet. Gemäß 28 Abs.1 S.1 HGB gilt die Norm nur, wenn jemand in das Geschäft eines Kaufmanns eintritt. Ein Rechtsanwalt ist kein Kaufmann, da er einen freien Beruf ausübt und demgemäß kein Gewerbe im Sinne von 1 Abs.2 HGB betreibt. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten.

4. Haftung des Erben nach 27 HGB Gemäß 1922, 1967 BGB haftet der Erbe für die Schulden des Erblassers. Allerdings kann er diese Haftung beschränken: 1975, 1990 BGB. Dies gilt nicht, wenn 27 HGB eingreift. Dies gilt dann nicht, wenn die Voraussetzungen von 27 Abs.2 HGB herbeigeführt worden sind.

Unklar ist, ob 27 Abs.1 HGB auch als Verweis auf 25 Abs.2 HGB gelesen werden kann. Man könnte sagen, es fehle an einer Vereinbarung zwischen Erbe und Erblasser. Auch liefe 27 HGB wohl leer, wenn jeder Erbe die Möglichkeit hätte, durch einen Eintrag beim Handelsregister seine Haftung zu beschränken.