Allgemeine Hamburger Arbeitgebervereinigung e.v. An alle Mitgliedsfirmen der Allgemeinen Hamburger Arbeitgebervereinigung e. V. Kapstadtring 10, 22297 Hamburg Telefon: 040 639 1883-520 Telefax: 040 639 1883-550 Hamburger Volksbank eg Konto-Nr. 23 78 809 (BLZ 201 900 03) Durchwahl: 040 639 1883-522 e-mail:schwenke@chemienord.de 13. Juli 2010 Unser Zeichen: AHA Sch/ha Rechtsprechung Nr. 13 1. Kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Verhinderung betriebsverfassungswidrig durchgeführter personeller Einzelmaßnahmen 2. Vorzeitige Beendigung und Übertragung von Elternzeit 3. Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften in der betrieblichen Altersversorgung Sehr geehrte Damen und Herren, 1. Kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Verhinderung betriebsverfassungswidrig durchgeführter personeller Einzelmaßnahmen BAG Beschluss vom 23. Juni 2009 1 ABR 23/08 I. Sachverhalt Der Arbeitgeber, ein Luftfahrtunternehmen, beschäftigt im Landbetrieb eines Flughafens als Beschäftigungsgruppen neben so genannten Allrounders auch so genannte Professionals, die im Bedarfsfall zur Vertretung von Allrounders herangezogen werden. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat nach 99, 100 BetrVG beteiligt, wenn die Vertretung eines Allrounders durch einen Professional voraussichtlich länger als einen Monat andauern, dagegen nicht, wenn die Vertretungszeit kürzer bemessen sein sollte. Der Betriebsrat wollte erreichen, dem Arbeitgeber unter Androhung eines Ordnungsgeldes solche kurzfristigen Versetzungen ohne seine vorherige erteilte oder gerichtlich ersetzte Zustimmung zu untersagen. II. Entscheidungsgründe Das BAG hat festgestellt, dass ein solcher allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Verhinderung einer ohne seine Zustimmung beabsichtigten Versetzung selbst dann nicht besteht, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitgeber das Ver- 1/5
fahren nach 99 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 2 BetrVG vor der tatsächlichen Durchführung der Maßnahme nicht einhält. Anders als bei drohenden Verstößen des Arbeitgebers gegen Mitbestimmungsrechte aus 87 Abs. 1 BetrVG, in denen das BAG einen allgemeinen Unterlassungsanspruch anerkannt hatte, geht das Gericht im Bereich der personellen Einzelmaßnahmen von einer abschließenden gesetzgeberischen Konzeption aus, die für einen darüber hinausgehenden allgemeinen Unterlassungsanspruch keinen Raum lässt. Dies ergibt sich für das Gericht aus der dem Arbeitgeber in 100 BetrVG eingeräumten Möglichkeit, die personelle Einzelmaßnahme vorläufig auch ohne Zustimmung des Betriebsrats betriebsverfassungskonform durchzuführen, ferner aus der in 101 BetrVG für den Betriebsrat vorgesehenen Möglichkeit, die Aufhebung einer betriebsverfassungswidrigen personellen Einzelmaßnahme zu verlangen und gerichtlich durchzusetzen. Das BAG lehnt es ab, diese gesetzliche Grundentscheidung und Beschränkung deshalb zu korrigieren, weil bei kurzzeitigen Maßnahmen der gesetzliche Aufhebungsanspruch vielfach ins Leere geht. Auch bei einer unter Missachtung der Bestimmungen erfolgten personellen Einzelmaßnahme habe der Betriebsrat einen rechtswidrigen Zustand so lange hinzunehmen, bis sein Aufhebungsanspruch rechtskräftig tituliert wurde. Dies könne erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Jedoch habe der Gesetzgeber diese Möglichkeit bewusst in Kauf genommen, wie aus 101 BetrVG abzulesen sei. Das BAG verweist den Betriebsrat darauf, dass gleichwohl ein effektiver Schutz seiner Mitbestimmungsrechte auf andere Weise zu erreichen sei. So könne der Betriebsrat das Bestehen seines Mitbestimmungsrechts gerichtlich feststellen lassen. Gegen anschließende weitere Verstöße könne er gegebenenfalls per einstweiliger Verfügung nach 23 Abs. 3 BetrVG vorgehen, da in der Missachtung eines gerichtlich festgestellten Rechts regelmäßig eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers liege. Bedenklich ist allerdings der Hinweis des Gerichts, auch eine einstweilige (Leistungs- )Verfügung zur Sicherung des gesetzlichen Aufhebungsanspruchs aus 101 Satz 1 BetrVG sei nicht ausgeschlossen. Nachdem das BAG mit der Entscheidung eine Streitfrage geklärt hat, ist zu befürchten, dass diese kryptische Äußerung zu neuem Streit führen und Betriebsräte zu einstweiligen Rechtschutzmaßnahmen ermuntern wird. Unerfreulich ist die Äußerung des BAG insbesondere deshalb, als für das einstweilige Verfügungsverfahren keine dritte Instanz mit der Möglichkeit einer höchstrichterlichen Klärung vorgesehen ist und daher unterschiedliche Aussagen der einzelnen Landesarbeitsgerichte zu befürchten sind. 2. Vorzeitige Beendigung und Übertragung von Elternzeit BAG-Urteil vom 21. April 2009 9 AZR 391/08 I. Sachverhalt Eine Arbeitnehmerin nahm vom 03.09.2004 bis 03.07.2007 Elternzeit für ihre am 04.07.2004 geborene Tochter in Anspruch. Nachdem am 23.07.2006 ein Sohn zur Welt kam, nahm sie für dieses Kind Elternzeit vom 19.09.2006 bis 22.07.2009 in Anspruch. Weiterhin beantragte sie schriftlich, sie wolle die verbleibende Elternzeit für ihre Tochter K an diese für ihren Sohn beantragte Elternzeit dranhängen. Dies lehn- 2/5
te der Arbeitgeber ab. Der Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Übertragung hielt er entgegen, die Elternzeit habe nur mit seiner Zustimmung vorzeitig beendet werden können. Diese habe er nicht erteilt und die Arbeitnehmerin auch nicht auf Ersetzung der Zustimmung geklagt. Weiterhin könne die im Falle einer vorzeitigen Beendigung tatsächlich nicht genutzte Elternzeit nicht als Restelternzeit für eine Übertragung zur Verfügung stehen. Dieser Argumentation folgte das BAG nicht. II. Entscheidungsgründe Zunächst legte das Gericht das Schreiben der Arbeitnehmerin mit dem Wunsch, die Restelternzeit für ihre Tochter an die für ihren Sohn beantragte Elternzeit dranzuhängen als auf vorzeitige Beendigung der ersten Elternzeit gerichtete Willenserklärung aus. Das beabsichtigte Dranhängen der nicht genutzten Elternzeit für die Tochter an die für den Sohn beantragte Elternzeit setze hinreichend deutlich eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit für die Tochter mit Beginn der gleichzeitig in Anspruch genommenen Elternzeit für den Sohn voraus. Anschließend begründet das BAG aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte, dass der Arbeitnehmer nach 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG bei der Geburt eines weiteren Kindes das Recht hat, durch einseitige Erklärung die Elternzeit vorzeitig zu beenden, wenn der Arbeitgeber dies nicht schriftlich innerhalb von vier Wochen wegen berechtigter dringender betrieblicher Gründe ablehnt. Die Verkürzung der Elternzeit bedürfe in diesen besonderen Fällen keiner Zustimmung des Arbeitgebers. Auch müsse der Arbeitnehmer das Einverständnis des Arbeitgebers nicht einklagen. Die Ablehnung muss schriftlich innerhalb von vier Wochen auf den entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers erfolgen und auf dringende betriebliche Gründe gestützt werden. Eine Ablehnung, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, entfaltet nach der Entscheidung des BAG keine Rechtsfolgen und hat als unbeachtlich zu gelten. Allerdings muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung der Elternzeit ebenfalls vier Wochen vor dem beabsichtigten Beendigungstermin ankündigen. Versäumt der Arbeitgeber die ihm eingeräumte Vierwochenfrist, kann die vorzeitige Beendigung der Elternzeit nicht mehr wirksam abgelehnt werden. Das BAG sieht diese Frist als eine Ausschlussfrist an, die der Rechtssicherheit dient. Da diese Frist im zu entscheidenden Fall nicht eingehalten war, scheiterte die Ablehnung des Arbeitgebers bereits an der Fristvorschrift. Darüber hinaus enthielt das Ablehnungsschreiben keinerlei dringende betriebliche Gründe. Aufgrund der wirksamen vorzeitigen Beendigung der Elternzeit für die Tochter war die erneut verfügbare Restelternzeit für einen Anteil von bis zu 12 Monaten nach Maßgabe des 15 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 BEEG mit Zustimmung des Arbeitgebers für die Zeit nach Vollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des (ersten) Kindes übertragbar. Das BAG bejaht die Möglichkeit, bis zu 12 Monaten der ersten Elternzeit an die zweite (weitere) Elternzeit dranzuhängen, um die Belastung, die mit der höheren Kinderzahl wächst, abzumildern. Aus der Gesetzesbegründung leitet das BAG dann weiter ab, der Gesetzgeber habe durch das Zustimmungserfordernis sicherstellen wollen, dass die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Dies schließe ein ungebundenes, freies Ermessen des Arbeitgebers für seine Entscheidung aus. Er habe vielmehr auch das 3/5
Interesse der Eltern an der Betreuung ihrer Kleinkinder zu berücksichtigen. Hierfür gelte ein objektiver Maßstab. Der Arbeitgeber habe alle Umstände zu berücksichtigen, die zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Soweit seine Entscheidung ermessensfehlerhaft sei, trete entsprechend 315 Abs. 3 Satz 2 BGB an ihre Stelle das Urteil des Gerichts. Im konkreten Fall sah das BAG den Vortrag des Arbeitgebers als nicht ausreichend an. Er habe seine Ablehnung lediglich auf die abstrakte Erwägung gestützt, mit zunehmender Dauer der Elternzeit würden die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Mitarbeiters proportional zur Dauer der Elternzeit abnehmen. Mit dieser Begründung wende sich der Arbeitgeber im Ergebnis gegen die gesetzliche Regelung, wonach der Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres besteht. Welche konkreten negativen betrieblichen Auswirkungen die Übertragung der Elternzeit voraussichtlich haben wird, habe der Arbeitgeber vorliegend nicht vorzutragen vermocht. III. Bewertung Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitnehmer eine Elternzeit aus Anlass der Geburt eines weiteren Kindes vorzeitig beenden können, ohne dass dem der Arbeitgeber zustimmen muss. Will der Arbeitgeber diese Rechtsfolge vermeiden, muss er innerhalb von vier Wochen dringende betriebliche Gründe schriftlich einwenden. Der infolge der Verkürzung tatsächlich nicht genutzte Teil der Elternzeit kann bis zu einem Anteil von 12 Monaten auf einen späteren Zeitpunkt übertragen werden. Dies bedarf zwar der Zustimmung des Arbeitgebers. Bei seiner Entscheidung hat der Arbeitgeber allerdings eine Interessenabwägung vorzunehmen. Für eine eventuelle Ablehnung bedarf es sachlicher Gründe, insbesondere konkreter negativer betrieblicher Auswirkungen einer Übertragung von Restelternzeit. 3. Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften in der betrieblichen Altersversorgung BAG-Urteile vom 15. September 2009 3 AZR 294/09 und 3 AZR 797/08 Im ersten Verfahren begehrt der ausgeschiedene Arbeitnehmer, der nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründete, Feststellung, dass seinem Lebenspartner eine Hinterbliebenenversorgung nach denselben Grundsätzen zusteht, wie sie in der Versorgungszusage für Ehepartner vorgesehen ist. Im zweiten Verfahren klagte ein hinterbliebener Lebenspartner auf Leistungen aus der Hinterbliebenenversorgung. Diese ist für Eheleute vorgesehen, jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach Eintritt in den Ruhestand geschlossen wurde. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 1. April 2008 entschieden hatte, dass Ehegatten und überlebende Lebenspartner eines Arbeitnehmers gleich zu behandeln sind, wenn sie sich in einer vergleichbaren Situation im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung befinden, hat das BAG nunmehr entschieden, dass eine solche Vergleichbarkeit seit dem 1. Januar 2005 (Datum der Aufnahme des Versorgungsausgleichs in das Lebenspartnerschaftsgesetz) anzunehmen ist. Seitdem enthalte das Gesetz Regelungen zum Versorgungsausgleich, die denen von Ehepartnern ent- 4/5
sprechen. Gleichzeitig sei die eingetragene Lebenspartnerschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehe gleichgestellt worden. Vor diesem Hintergrund sah das BAG im ersten Verfahren den Antrag als begründet an. Der eingetragene Lebenspartner habe bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes des (ehemaligen) Arbeitnehmers in gleichem Umfang Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wie ein Ehepartner. Dies ergebe sich aus 2 Abs. 1 Nr. 2 und 8 Abs. 2 AGG. Dagegen hat das BAG im zweiten Fall den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung verneint, da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Pensionsrichtlinien nicht erfüllt waren. Diese schließen einen Anspruch aus, wenn der Mitarbeiter erst nach seiner Pensionierung geheiratet hat. Entsprechend vermöge auch eine erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingetragene Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenversorgung nicht zu begründen. Die Entscheidung des BAG hat Bedeutung für alle Versorgungswerke, die Eheleute und eingetragene Lebenspartner in ihren Versorgungsordnungen unterschiedlich behandeln. Wie Eheleute haben auch hinterbliebene Lebenspartner allerdings nur dann einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Versorgungszusage erfüllt sind und zwischen dem verstorbenen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber noch ein Arbeitsverhältnis oder versorgungsrechtliches Schuldverhältnis bestand. Mit freundlichen Grüßen ALLGEMEINE HAMBURGER ARBEITGEBERVEREINIGUNG E. V. Schwenke 5/5