Berufliche Bildung in Europa - Perspektiven für die junge Generation

Ähnliche Dokumente
Unterabteilungsleiterin im Bundesministerin für Bildung und Forschung, Susanne Burger, anlässlich der Internationalen Fachtagung:

Förderung der Integration von Geflüchteten in die duale Ausbildung Transferpotenziale aus dem Modellversuchsförderschwerpunkt

aus Anlass der Auftaktveranstaltung

Rede von Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Indust und Handelskammertages, anlässlich der VetNet-Ergebniskonferenz am 9. Juni 2015 in Berlin

Fachkräftesicherung in Mitteldeutschland Handlungsansätze für die

Es gilt das gesprochene Wort

Ggf. Titel Ihres Vortrages

Lernort überbetriebliche Bildungsstätten Rolle und Potenziale

Für eine gemeinsame Vision der Berufsausbildung

Neue Wege in die duale Ausbildung Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung

JOBSTARTER - ein lernendes Programm

Ausbildungspartnerschaften und Verbünde im Lande Bremen - Eine Bilanz -

Niedersächsischer Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs. Modellprojekte betriebliche Ausbildung

Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung

Zur Bedeutung der dualen Berufsausbildung

Geflüchtete im Unternehmenskontext

Berliner AusbildungsQualität in der Verbundausbildung (BAQ) Qualitätsbaustein: Integration und Bindung

Duale Ausbildung in Deutschland. Gertrud Rantzen Deutsch-Slowenische Industrie-und Handelskammer

Unterschiede nutzen, gemeinsames Lernen stärken

Das Projekt Unions4VET Gute Berufsausbildung in Europa. Berlin, 16./

MobiPro-EU. DGB Tag der Berufsausbildung. Attraktivität beruflicher Bildung Perspektiven für die Fachkräfte von morgen. Berlin,

Erfolgreiche Bildungssysteme im Vergleich

Task Force für Arbeit Region Düsseldorf Bergisch Land Seite 2

Aus dem Mismatch ein Match machen! Chancen und Grenzen des Ausbildungsmarkts

Ovaler Tisch für Ausbildung und Fachkräftesicherung

Fit für die Zukunft durch gute betriebliche Qualifikationen. Einladung zum Kongress 15. April 2013, Uhr, Berlin

Mit Aus- und Weiterbildung gegen den Fachkräftemangel

Qualität in der Ausbildung am Bsp. praxisbewährter Instrumente

JOBSTARTER CONNECT. MinDirig Thomas SondermannBMBF Grußwort

Berufsorientierung für Flüchtlinge. Praxisnah in eine Ausbildung im Handwerk

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB, anlässlich der Debatte zum Berufsbildungsbericht 2012

Initiativen und Programme zur Arbeitsmarktintegration

Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern. Regionaldirektion. Brandenburgischer Ausbildungskonsens. (Fortschreibung )

Fachkräfte sichern. Welche Möglichkeiten haben Unternehmen in ländlichen Regionen? Sibylle Adenauer

Rede. Hubert Schöffmann Bildungskoordinator des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages. anlässlich

Dr. Regina Görner Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

Handlungsfelder im Bereich Berufliche Bildung und Arbeitsmarkt Beispiele aus der Praxis der GIZ

INTEGRATION VON GEFLÜCHTETEN IN AUSBILDUNG UND BESCHÄFTIGUNG: Hürden abbauen, Perspektiven gestalten

Prof. Dr. Ludger Wößmann ifo Zentrum für Bildungsökonomik Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen

Das Problem 'Jugendarbeitslosigkeit' in Deutschland.Was hat der Staat diesem Phänomen entgegenzusetzen?

Jugendarbeitslosigkeit in Europa Handlungsbedarfe für die deutsche Kinderund Jugendhilfe

Aktuelle Fragestellungen der Berufsbildungsforschung

I. Fit für die Zukunft Begrüßung. Begrüßung

Zum gegenwärtigen Zustand der Ausbildungssysteme

Nr. 142 Informationen für Lehrerinnen und Lehrer

Warum sollte sich ein kleines oder mittleres Unternehmen in der Ausbildung engagieren?

Berufsbildungsausschuss Amtsperiode

Forschungsabteilung BEST

Unternehmensbefragung Duale Berufsausbildung im Landkreis Northeim

Jugendarbeitslosigkeit

Kompetenzorientierte Berufsbildung

Lehrstellenmarkt in Deutschland mit Licht und Schatten

Der Ausbildungsreport der DGB-Jugend Bayern 2013 Ergebnisse und Forderungen

Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Betriebliche Konzepte für eine erfolgreiche Ausbildung Geflüchteter

Auf dem Weg zu einem Referenzmodell? Thomas Mayr

GRUSSWORT DER EUROPÄ ISCHEN KOMMISSION

Die Bedeutung der Qualitätsentwicklung in der praktischen Ausbildung für die Fachkräftesicherung

Fachkräfte von morgen - Berufliche Bildung

Zertifizierte/r Ausbildungsexperte/in (IHK)

Jörg Thomä Göttingen, 24. April Duale Ausbildung: Kosten, Nutzen, Strategien - einführender Kurzvortrag -

Online Nachwuchs finden was tun Betriebe?

Forum I. Übergangsgestaltung als Querschnittsaufgabe aller beteiligten Fachkräfte

Neueste jugendpolitische Entwicklungen in EUropa. Fachforum Europa 26./27. Februar 2013 Bonn

JOBSTARTER ein lernendes Programm

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek MdB. anlässlich des BIBB-Kongresses. am Donnerstag, 7. Juni 2018 in Berlin

Die Bedeutung der Qualitätsentwicklung in der praktischen Ausbildung für die Fachkräftesicherung

Kurzinformation zur Strategie des Europäischen Sozialfond im Land Bremen

ZAV Zentrale Auslands- und

Der FachkrÄftemangel als Chance får r benachteiligte Jugendliche RealitÄt t oder Phantom?

Heike Solga Demografie, technologischer Wandel und Berufszersplitterung eine Herausforderung an die berufliche Bildung

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Statement der Abteilungsleiterin Berufliche Bildung; Lebenslanges Lernen im Bundesministerium für Bildung und Forschung Kornelia Haugg anlässlich der

Bessere Daten bessere (Bildungs-)Politik?

KAUSA Servicestelle Mecklenburg-Vorpommern

Das Handwerk als Integrationsexperte

Fachkräftesituation und Fachkräfteentwicklung

Leerstelle (K)eine Chance auf Ausbildung in Schleswig-Holstein?

Ausbildungsqualität und Nutzen für die Unternehmen

Informationen zur Neuordnung aus berufsbildungspolitischer Sicht

Der demographische Wandel und seine Auswirkungen für die Unternehmen im Bezirk der IHK Rhein-Neckar

Allianz für Aus- und Weiterbildung

Lernraum Berufsschule - Flexible Raumkonzepte auf dem Vormarsch

Zugänge zu beruflicher Ausbildung erleichtern

AUSBILDUNG GESTALTEN. Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft

Bundesministerium für Bildung und Forschung

Informationen für Lehrkräfte

Der Fachkräftemangel als Chance für r benachteiligte Jugendliche Realität t oder Phantom?

Berufliche Bildung im europäischen Vergleich

Informationsveranstaltung der LAG der Freien Wohlfahrt zur EU-Förderung. am in Hannover

Work-based Learning - Renewing Traditions

Transkript:

(Es gilt das gesprochene Wort Sperrfrist: Redebeginn) Rede von Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) anlässlich der Ministerkonferenz zur Berufsbildung Berufliche Bildung in Europa - Perspektiven für die junge Generation 10. Dezember 2012 Berlin Bundesinstitut für Berufsbildung Robert-Schuman-Platz 3 53175 Bonn Fon: 0228 / 107 2831 Fax: 0228 / 107 2982 pr@bibb.de www.bibb.de

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Schütte, sehr geehrter Herr Prats Monné, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr verehrte Expertinnen und Experten, die heutige Ministerkonferenz zur Berufsbildung hier in Berlin ist ein klares Zeichen des Interesses, aber auch Ausdruck der Hoffnung, dass wirtschaftsnahe beziehungsweise betriebsintegrierte Ausbildungsinitiativen einen Beitrag zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses in Europa leisten können. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam dafür einstehen, jungen Menschen eine Ausbildungsperspektive zu geben. Von daher freue ich mich sehr, dass wir heute und morgen Gelegenheit haben, eine Berufsbildungsinitiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa vorzubereiten. In unseren Vorgesprächen zu dieser Konferenz waren wir uns einig, dass unsere Initiative vor allem praxis- und damit betriebsnah sein muss. Praxis- beziehungsweise betriebsnahe Berufsbildung bringen zwei wichtige Effekte mit sich: zum einen findet Qualifizierung für die jungen Menschen im realen Leben statt. Das ist etwas anderes, als in der Schule zu sein und deshalb für junge Leute sehr motivierend. Zum anderen haben die Betriebe eine wunderbare Gelegenheit, sich potenzielle Fachkräfte direkt sozusagen vor Ort anzuschauen. Das erleichtert die Fachkräftesicherung ungemein und ist preiswerter, als fremde Fachkräfte vom Arbeitsmarkt zu akquirieren. Die Praxisorientierung der Berufsausbildung ist deshalb auch das zentrale Thema unterschiedlicher Kooperationsinitiativen und Pilotprojekte in jüngster Zeit geworden, beispielsweise mit Spanien, Portugal, Griechenland und Italien. Ziel der engeren Zusammenarbeit ist es, die berufliche Handlungsfähigkeit zu stärken und die Übergänge junger Menschen in die Arbeitswelt zu verbessern. 2

Das Bundesinstitut für Berufsbildung unterstützt als Kompetenzzentrum für die Berufsbildung in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) den Prozess des gemeinsamen Lernens über die Berufsbildung in Europa. Das Interesse an betriebsnaher Ausbildung zeigt sich aber auch weltweit. Im Bundesinstitut für Berufsbildung nehmen die Anfragen aus der ganzen Welt nach Beratungsleistungen zur praxisorientierten Berufsausbildung stetig zu. Derzeit pflegt das BIBB rund 30 Kooperationsvereinbarungen mit Institutionen und Einrichtungen insbesondere aus Asien, Lateinamerika sowie aus Südafrika. Auch in den USA besteht ein großes Interesse an dieser Ausrichtung der Berufsausbildung. So war ich im Mai dieses Jahres zu einem Expertengespräch in das renommierte Aspen-Institute nach Washington eingeladen. Hintergrund war die Kritik der OECD an der mangelnden Qualität der beruflichen Ausbildung in den Vereinigten Staaten. Die OECD empfahl einen Blick auf duale Ausbildungssysteme, wie beispielsweise in Deutschland. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die wachsende Attraktivität der dualen Ausbildung für das Ausland soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das deutsche Berufsbildungssystem in den vergangenen Jahren immer wieder vor großen Herausforderungen gestanden hat. Denn wirtschaftsnahe Ausbildungskonzepte, wie die duale Ausbildung, sind von der wirtschaftlichen Konjunktur abhängig. Das haben wir in Deutschland in den 90er- Jahren besonders deutlich gespürt - wir spüren es auch heute. Denn entscheidend für Quantität und natürlich auch für Qualität von wirtschaftsnaher Berufsausbildung ist eine angemessene Beteiligung der Betriebe an der Berufsausbildung. Lassen Sie mich dazu einen Blick zurück werfen: In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende erlebte Deutschland vor allem konjunkturbedingt eine starke Krise auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Es waren deshalb große gemeinsame Kraftanstrengungen von Politik, Wirtschaft und auch 3

Wissenschaft erforderlich, um die Ausbildungssituation gerade für die jungen Menschen, die die Schulen verließen, zu verbessern. Eine wichtige Antwort auf diese Krise war der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft im Jahre 2004. Dieser Pakt wurde zunächst für drei Jahre geschlossen, um eine Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt zu erreichen. Jedem ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen sollte ein Ausbildungsangebot gemacht werden, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Die letzte Verlängerung des Ausbildungspaktes wurde 2010 beschlossen mit einer Gültigkeit bis 2014. Ein gutes Beispiel für Public-Private-Partnership! Im Rahmen des Ausbildungspaktes wurden dann auch Programme und Projekte, Instrumente und innovative Modelle angestoßen, entwickelt und implementiert, die auf eine Steigerung des betrieblichen Ausbildungsangebotes abzielen. Ich möchte an dieser Stelle zwei Initiativen vorstellen, die als Maßnahmen in den Handlungsfeldern des Memorandums der Minister zur heutigen Konferenz aufgeführt sind. Es handelt sich um das externe Ausbildungsmanagement und die Verbundausbildung. Mit beiden Initiativen waren wir in Zeiten sinkender Ausbildungsbeteiligung in Deutschland erfolgreich. Beispielsweise bei Betrieben mit ausländischen Inhabern, oder aber jungen Startup-Unternehmen beziehungsweise bei Betrieben, die über keine Erfahrungen mit der dualen Ausbildung verfügten. Das Bundesinstitut hat die Umsetzung beider Initiativen im Rahmen von Ausbildungsplatzprogrammen begleitet. Sie waren aber auch Gegenstand von Forschungsprojekten und Modellversuchen des BIBB. Externes Ausbildungsmanagement unterstützt Betriebe, die Praktika oder Ausbildung anbieten wollen, in allen Fragen rund um Qualifizierung. Ziel ist, die Betriebe zu entlasten, ihre Ausbildungsbereitschaft zu erhöhen und so zu einer Erhöhung des Ausbildungsangebotes und der Ausbildungsqualität zu kommen. Das Angebot umfasst dabei unter anderem administrative Aufgaben, Hilfe bei der Auswahl geeigneter Bewerberinnen und Bewerber sowie Mediation beziehungsweise Moderation bei Kon- 4

flikten innerhalb des Betriebes oder zwischen beteiligten Lernorten. Neben den Betrieben können das Berufsschulen und Bildungszentren sein. Verbundausbildungsinitiativen sind vor allem dann angesagt, wenn Betriebe aufgrund zunehmender Spezialisierung nicht alle für einen Ausbildungsberuf erforderlichen Ausbildungsinhalte vermitteln können, wohl aber wichtige Teilbereiche dieser Berufsausbildung. Um dieses Ausbildungspotenzial aktiv zu nutzen, können Ausbildungspartnerschaften gebildet werden, in denen mehrere Betriebe gemeinsam mit anderen das volle Spektrum der Ausbildungsinhalte abdecken können. Der große Vorteil ist hier, dass die Betriebe arbeitsteilig vorgehen können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mit meinen Ausführungen zur Einstimmung unserer Konferenz aufzeigen wollen, dass wir in Deutschland in Krisensituationen mit allen an Ausbildung beteiligten Partnern immer nach Wegen gesucht haben, ausreichend Betriebe für Praktika und Ausbildung gewinnen zu können. Dabei haben wir gerade auch die Betriebe im Auge, die ausbildungsunerfahren sind, um auch ihnen das Thema Berufsausbildung schmackhaft zu machen. Gerne bringen wir heute und morgen diese Erfahrungen in unsere gemeinsame Konferenz mit ein. Ich wünsche uns allen dazu spannende Diskussionen und vor allem viel Erfolg! 5