Niedriger Leitzins: Eine Chance in der Euro-Schuldenkrise



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Transkript:

NIEDRIGZINSPOLITIK Niedriger Leitzins: Eine Chance in der Euro-Schuldenkrise Von Marius Kokert, Dorothea Schäfer und Andreas Stephan Seit vier Jahren kämpfen die Staaten des Euroraums gegen die Hinterlassenschaften der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise an. Aber noch immer steigen die Schuldenquoten. Für die Krisen staaten des Euroraums wurde zwar mit Rettungspaketen und Niedrigzinsen Zeit erkauft. Aber solange sich die anderen Einfluss größen nicht positiver entwickeln, bleibt es ungewiss, ob die momentane Beruhigung der Euro-Verschuldungskrise nachhaltig ist. Zweifelsfrei stellt in dieser Situation die Niedrigzinspolitik der EZB eine Erleichterung dar. Zum einen ist die Zinslast für die meisten Eurostaaten in den letzten Jahren zurückgegangen. Dieser Effekt dämpft tendenziell das Wachstum der Schulden quote. Zum anderen stärken die niedrigen Zinsen die Wirtschaft. Dies wiederum erhöht die Steuereinnahmen des Staates und verbessert den Primärsaldo. Niedrigzinsen haben auch bei der Rückführung der Schuldenquote in den USA eine große Rolle gespielt. Zwischen 1946 und 1953 konnten die USA ihren Schuldenstand ohne Schuldenschnitt fast halbieren. Negative Primärsalden, niedrige Wachstumsraten und die niedrige Inflationsrate lassen dies in der Euro-Schuldenkrise jedoch nicht zu. Deshalb scheinen Niedrigzinsen im Moment der einzige Hebel zu sein, mit dem die Schulden tragfähiger gemacht werden können. Nun kommt es darauf an, dass die Eurostaaten die Chance auch ergreifen. USA 1953: Lasten des Krieges in sieben Jahren gemeistert Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bekamen die USA mit Harry S. Truman einen neuen Präsidenten. Das Land war gezeichnet von einer schwere Verschuldungskrise und einer ausgeprägten Rezession. Während die Schuldenquote die Bruttoschuldensumme geteilt durch das Bruttoinlandsprodukt in den Vorkriegs jahren noch bei etwa 4 Prozent gelegen hatte, stieg sie von 116 Prozent im Jahr 1945 schließlich auf mehr als 121 Prozent im Jahr 1946. Die Wirtschaft schrumpfte in den Nachkriegsjahren 1945, 1946 und 1947 real im Durchschnitt um 4,3 Prozent. Im Januar 1953 verließ Truman das Weiße Haus wieder. Die Quote aus Schulden und Wirtschaftskraft lag am Jahresende 1953 nur noch bei 7 Prozent. Innerhalb von acht Jahren hatte sich die Verschuldungsquote fast halbiert (Tabelle 1 und Abbildung 1), ohne dass ein Schuldenschnitt stattgefunden hätte und obwohl das durchschnittliche reale Wirtschaftswachstum zwischen 1945 und 1953 mit etwas über 1,7 Prozent nicht besonders hoch ausgefallen war. Die USA verließen demnach die Schuldenfalle in relativ kurzer Zeit. Mehrere Faktoren waren für das rasche Abschmelzen der Schuldenquote verantwortlich ( Kasten). Zum einen waren die Zinsen in diesem Zeitraum sehr niedrig. Beispielsweise lag in den Jahren 1945 bis 1947 die Nominalverzinsung von Dreimonatsanleihen des Staates aufs Jahr hochgerechnet bei,6 Prozent und darunter. Der durchschnittliche jährliche Nominalzins dieser Anlage lag in dem gesamten Zeitraum von acht Jahren bei 1,1 Prozent, und die Inflationsrate belief sich im Durchschnitt auf fast fünf Prozent. Dementsprechend niedrig war der reale Durchschnittszins in dieser Periode. Auf Jahresbasis lag die durchschnittliche Realverzinsung der Dreimonatsläufer zwischen 1945 und 1953 bei minus 3,7 Pro- DIW Wochenbericht Nr. 7.214 115

Tabelle 1 Verschuldung, Inflation, Zinsen und Wirtschaftswachstum in den USA Inflations rate 1 Nominalverzinsung pro Jahr (Three Month Treasury Bills) Real verzinsung Nominales Bruttoinlands produkt in Milliarden US-Dollar Schuldenquote = Schulden/Bruttoinlandsprodukt Nominalwachstum Reales Bruttoinlandsprodukt in Milliarden US-Dollar des Jahres 1996 Real wachstum In Prozent In Prozent In Prozent 1945 2,3,4 1,9 116,6 223, 1,5 1 693 1,2 1946 8,3,4 8, 121,9 222,3,3 1 56 11,1 1947 14,4,6 13,7 15,2 244,4 9,9 1 495,7 1948 8,1 1,1 7, 93,5 269,6 1,3 1 56 4,3 1949 1,2 1,1 2,4 94,4 267,7,7 1 551,6 195 1,3 1,2,1 87,3 294,3 9,9 1 687 8,7 1951 7,9 1,5 6,4 75,2 339,5 15,4 1 815 7,6 1952 1,9 1,7,2 72,3 358,6 5,6 1 887 4, 1953,8 1,9 1,1 7, 379,9 5,9 1 974 4,6 Durchschnitt 4,8 1,1 3,7 6,4 1,7 1 Basierend auf dem Consumer Price Index. Quellen: Historical Statistics of the United States, Earliest Times to the Present: Millennial Edition Online, hsus.cambridge.org; Berechnungen des DIW Berlin. DIW Berlin 214 Trotz moderater Wachstumszahlen... Abbildung 1 Schuldenquote der USA und Jahreszins auf der Basis der Three-Month Treasury Bills In Prozent zent. 1 Ähnlich wie heute entwickelten sich die Börsen in dieser Zeit der niedrigen Zinsen gut. Zum Beispiel stieg der Standard & Poor s 5 (S & P 5), der die 5 größten börsennotierten Unternehmen der USA umfasst, zwischen Anfang 1945 und Ende 1953 um 84 Prozent (Abbildung 2). 14 12 1 8 6 4 2 3-Month Treasury Bill Rate 2 : Auction Average (rechte Skala) Schuldenquote 19 1914 1928 1942 1956 197 1984 1998 212 3-Month Treasury Bill 1 : Secondary Market Rate (rechte Skala) 1 TB3MS, Monthly, Not Seasonally Adjusted. 2 Discontinued Series, TB3MA, Monthly, Not Seasonally Adjusted. Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis, Federal Reserve Economic Data (FRED); IMF Historical Public Debt Database. 14 12 1 8 6 4 2 DIW Berlin 214... konnten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb eines knappen Jahrzehnts ihre Schuldenquote fast halbieren. US-Sparer in festverzinsliche Anlagen im Allgemeinen und Käufer von US-Staatsanleihen im Besonderen sahen sich über mehrere Jahre mit einem realen Schwund ihres Rückzahlungsbetrages konfrontiert. Im Gegenzug verringerte sich jedoch auch Jahr für Jahr das Insolvenzrisiko des Staates. Eine Kombination von Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung und Verzinsung des Anlage betrages bestimmt den Wert von Staatsanleihen in Anlage portfolios. Der Wertverminderung durch negative Realzinsen steht daher auch ein Wertzuwachs durch die erhöhte Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung gegenüber. Auch die übrigen Sparer dürften von der Reduzierung der Schuldenquote profitiert haben. In der Regel geht eine niedrigere Schuldenquote mit einer höheren Solvenz des Staates und mit mehr Stabilität im Finanzsystem einher. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit für eine gelungene Reduzierung der Schuldenquote ist Schweden. Das Land konnte seine Schuldenquote innerhalb von wenigen 1 Als Nominalverzinsung wurde die aufs Jahr hochgerechnete Verzinsung der Three Month Treasury Bills herangezogen. 116 DIW Wochenbericht Nr. 7.214

Kasten Wachstum der Schuldenquote Der Anstieg der Schuldenquote von einem Jahr zum anderen lässt sich mit d als Wachstumsrate der Bruttoschuld des Staates und r als die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen (nominales Bruttoinlandsprodukt) durch folgende Gleichung ausdrücken: Schuldenstand im laufenden Jahr Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen im laufenden Jahr (1+d) Schuldenstand im Vorjahr = (1+r) Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen im Vorjahr Für die Wachstumsrate der Bruttoschuld gilt Primärsaldo im laufenden Jahr + Zinszahlungen im laufenden Jahr d = Schuldenstand im Vorjahr Der Primärsaldo ergibt sich aus den Einnahmen des Staates abzüglich jener Ausgaben, die keine Zinszahlungen an die Halter der Staatsschuldtitel sind. Er ist null, wenn die Ausgaben vor Zinszahlungen genau den Einnahmen entsprechen. Bei einem Primärsaldo von null entspricht die Wachstumsrate der Bruttoschuld d der Durchschnittsverzinsung der Bruttoschuld. Der Primärsaldo steigt, wenn bei gegebenen Einnahmen die Ausgaben sinken, oder wenn bei gegebenen Ausgaben die Einnahmen steigen. Die Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts r ist eine Funktion der realen Wachstumsrate r real und der Inflationsrate IF, r = f (r real, IF). Steigen Inflationsrate und/oder die reale Wachstumsrate, wird die nominale Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts größer. Das Wachstum der Schuldenquote hängt folglich vom Primärsaldo, der Durchschnittsverzinsung der Staatsschuld, der realen Wachstumsrate und der Inflationsrate im laufenden Jahr ab. Die Schuldenquote steigt (fällt) im Zeitverlauf, wenn die Wachstumsrate des Schuldenstandes größer (kleiner) ist als die Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts. Ist bei einem Primärsaldo von null die Durchschnittsverzinsung der Bruttoschuld d genauso hoch wie die nominale Wachstumsrate r des Bruttoinlandsprodukts, dann stagniert die Schuldenquote über die Zeit. Bei gegebenen Werten der jeweils anderen Komponenten nimmt das Wachstum der Staatsschuldenquote ab, wenn der Primärsaldo zunimmt, die Durchschnittsverzinsung abnimmt, die reale Wachstumsrate größer wird, die Inflationsrate steigt. Abbildung 2 Wertentwicklung des S&P5 7 6 5 4 3 2 1 3.1.1939 7.1.1941 12.1.1943 19.1.1945 8.3.1947 26.4.1949 19.6.1951 3.9.1953 29.2.1956 25.7.1958 2.12.196 Quelle: Historical data: S&P 5 U.S. In der Niedrigzinsphase entwickelte sich die Börse gut. DIW Berlin 214 Jahren halbieren. Nachdem die skandinavische Finanzkrise überstanden war, konnte Schweden im Laufe der 9er Jahre die Schuldenquote von etwa 8 auf rund 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückführen. Die Regierung erreichte dies durch ein starkes Kürzen der öffentlichen Ausgaben in einer Periode mit starkem Wirtschaftswachstum und stark steigenden Steuereinnahmen. 2 Europa nach 27: Finanzkrise führt in die Schuldenkrise Dem gegenwärtigen Verschuldungsproblem in der Eurozone ging kein Krieg, dafür aber die schwerste Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg voraus. Vor gut vier Jahren hat Griechenland sein A-Rating verloren. Die Hellenen waren seinerzeit die ersten, die aus dem 2 OECD Economic Surveys 27: Sweden, chap. 1, 39. DIW Wochenbericht Nr. 7.214 117

Tabelle 2 Die Bewertung der Euro-Staaten S & P Moody s Fitch Deutschland AAA Aaa AAA Finnland AAA Aaa AAA Luxemburg AAA Aaa AAA Niederlande AA+ Aaa AAA Österreich AA+ Aaa AAA Belgien AA Aa3 AA Frankreich AA Aa1 AA+ Estland AA- A1 A+ Slowakei A A2 A+ Slowenien A- Ba1 BBB+ Irland BBB+ Ba1 BBB+ Malta BBB+ A3 A Italien BBB Baa2 BBB+ Spanien BBB- Baa3 BBB Portugal BB Ba3 BB+ Griechenland B- Caa3 B- Zypern B- Caa3 B- Quelle: Rating-Agenturen, 29. November 213. Absolute Top-Bonität ist im Euroland selten geworden. Abbildung 3 Schuldenquoten ausgewählter Euroländer In Prozent 175 15 125 1 75 5 25 175 15 125 1 Deutschland Eurozone Irland Italien Spanien Griechenland Portugal DIW Berlin 214 Olymp der Top-Bonität fielen. Zwischen 29 und 212 hat dieses Schicksal jedoch viele Eurostaaten ereilt (Tabelle 2). Griechenland, Irland und Portugal verloren im Verlauf der Verschuldungskrise gar den Zugang zum Kapital markt. Eine hohe Verschuldung von Staaten wird oft der Vorstellung zugeschrieben, dass diese über ihre Verhältnisse gelebt hätten der Schuldenberg also kontinuierlich angewachsen sei, weil die Politik dazu neige, allerlei Wohltaten auf Pump zu finanzieren. Ein Blick auf die Entwicklung der Schuldenquote der Eurostaaten bestätigt diese Vorstellung allerdings nicht. Zu Beginn der Währungsunion im Jahre 1999 3 lagen die meisten der betrachteten Euroländer nahe bei oder unter der auch nach den Maastricht-Kriterien noch akzeptablen Schuldengrenze von 6 Prozent des Brutto inlandsprodukts (Abbildung 3). Ausnahmen bildeten lediglich Griechenland und Italien mit einer Schuldenquote von jeweils über 1 Prozent. In den nächsten acht Jahren bis 27 blieb die Schuldenquote für Griechenland und Italien relativ konstant. In Deutschland und Frankreich stieg sie moderat, in Portugal allerdings merklich (17 Prozentpunkte) an. Für die späteren Sorgenkinder Spanien und Irland sind in dieser ersten Phase der Währungsunion sogar sinkende Quoten zu beobachten beide Länder steuerten auf eine Halbierung ihrer Schuldenquoten zu. Der Beginn der Finanzkrise im Jahr 27/28 markierte einen entscheidenden Bruch. Die Schulden quoten von Deutschland, Frankreich und auch Italien nahmen merklich zu. Deutschland, dessen Schuldtitel bei Investoren als sicherer Hafen gelten, entwickelte sich in den letzten drei Jahren stabil. Extrem starke Anstiege verzeichneten dagegen die Krisenländer Griechenland, Portugal, Irland und Spanien. Den stärksten relativen Anstieg gab es bei der irischen Schuldenquote. Diese verfünffachte sich zwischen 27 und 212 beinahe. 4 Die Gründe für den Anstieg der Schuldenquoten in der Krise sind vielfältig. Da es sich beim Schuldenstand um eine Bruttogröße handelt, ist manche Belastung aus der Eurokrise zumindest in Teilen temporär. Als Beispiel seien die eingerichteten staatlichen Bad Banks 75 5 25 Frankreich Zypern 1998 2 22 24 26 28 21 212 Quellen: Eurostat; Berechnungen des DIW Berlin. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise stiegen die Staatsschulden sprunghaft. DIW Berlin 214 3 Der ursprünglich mit elf Staaten eingerichteten Währungsunion trat Griechenland 21 und Zypern im Jahr 28 bei. 4 Mit der Einführung des neuen Berechnungsstandards ESA 21 im September 214 wird es zu geringfügigen Niveauänderungen im Bruttoinlandsprodukt der EU-Länder kommen. So erwartet Eurostat einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in der EU von 2,4 Prozent, in den Krisenländern jedoch nur ein bis zwei Prozent. Infolgedessen fallen auch die Schuldenquoten in ähnlichem Umfang. Der wichtigste Grund hierfür ist die Anrechnung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben als Investitionen und damit Kapitalbildung. Vgl. Eurostat, Technical Press Briefing, 16. Januar 214, epp. eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/esa_21/documents/technical_ press_briefing_esa_21.pdf. 118 DIW Wochenbericht Nr. 7.214

Abbildung 4 Zusammensetzung der Schuldenquote in ausgewählten Ländern In Milliarden Euro 2 Irland Irland 2 Griechenland Griechenland 4 4 15 15 3 3 1 1 2 2 5 5 1 1 1998 2 1998 22 2 24 22 26 24 28 26 21 28 212 21 212 1998 2 1998 22 2 24 22 26 24 28 26 21 28 212 21 212 Spanien Spanien Portugal Portugal 1 2 1 2 24 24 9 9 18 18 6 6 12 12 3 3 6 6 1998 2 1998 22 2 24 22 26 24 28 26 21 28 212 21 212 1998 2 1998 22 2 24 22 26 24 28 26 21 28 212 21 212 Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen zu Marktpreisen Bruttoschuld Bruttoschuld des Staates des konsolidiert Staates konsolidiert Quelle: Eurostat. DIW Berlin 214 In den Krisenländern ging der Anstieg der Schulden mit sinkenden Wachstumsraten einher. genannt: Die hierbei von staatlicher Seite übernommenen Verbindlichkeiten (Passiva der Bad Banks) sind im Schulden stand berücksichtigt, die Vermögenswerte (Aktiva) allerdings nicht. Wenn in Zukunft die Portfolios der Bad Banks, also die Aktiva, abschmelzen (weil beispielsweise Anleihen regulär auslaufen oder Vermögenswerte verkauft werden), dann fließt der Erlös in die Tilgung der Verbindlichkeiten und trägt dazu bei, dass die Schuldenquote wieder sinken kann. 5 Die Stützung des Finanzsektors trug entscheidend zur Schuldenkrise bei (Tabelle 3). Direkte Hilfen, zum Beispiel durch eine Beteiligung des Staates an einer Bank, fließen in den Schuldenstand ein, während Staatsgarantien für Banken als Eventualverbindlichkeiten vermerkt sind. Diese Garantien stellen ein zusätzliches ernstzunehmendes, aber schwer quantifizierbares Risiko für 5 Der gleiche Effekt stellt sich ein, wenn Kredite aus den Hilfsprogrammen für Staaten zurückgezahlt werden. Tabelle 3 Nettokosten der Stützung des Finanzsektors 28 bis 212 In Prozent des Bruttoinlandsprodukts Schuldenstand Eventualverbindlichkeiten Irland 31,4 69,8 Griechenland 14,5 27,9 Portugal 1,6 1 Zypern 1 5,6 Deutschland 11,6 2,2 Spanien 5,1 6,5 Italien,2 5,5 Frankreich,2 2,5 Eurozone 5,7 5,7 Quelle: ECB Monthly Bulletin June 213, 86. DIW Berlin 214 Die Stützung des Finanzsektors trug wesentlich zur Verschuldung bei. DIW Wochenbericht Nr. 7.214 119

Abbildung 5 Inflationsraten 1 in der Eurozone In Prozent 5 4 3 2 1-1 -2 Eurozone Spanien Griechenland Irland 25 26 27 28 29 21 211 212 1 Harmonisierter Verbraucherpreisindex. Quelle: Eurostat. Portugal DIW Berlin 214 Auch während der Krise blieb die Inflationsrate in Griechenland im positiven Bereich. die öffentlichen Finanzen dar. Der Nettoeffekt der Stützungsmaßnahmen ergibt sich aus der Differenz zwischen den Hilfen und den damit realisierten Gewinnen (zum Beispiel Zinseinnahmen aus Hilfskrediten für Finanzinstitutionen, Dividenden und Gebühren für Garantien). 6 In Summe erhöhten die Stützungsmaßnahmen den Schuldenstand besonders stark in Irland und Griechenland. Irland ist insbesondere die enorme Größe seines Finanzsektors zum Verhängnis geworden. Aber auch für Deutschland ist der Beitrag zur Schulden quote nicht zu vernachlässigen. Die für 212 registrierte Schuldenquote von 81 Prozent läge ohne die Hilfen für den Finanzsektor nur bei etwa 7 Prozent. Sehr unterschiedlich ist dabei die zeitliche Abfolge: In Irland fielen schon 21 die höchsten Kosten für die Hilfsmaßnahmen an, während man für 212 erstmals geringe Einnahmen (zum Beispiel aus Zinserträgen) verzeichnen konnte. In Griechenland und Spanien waren die entsprechenden Kosten im Jahr 212 besonders hoch insbesondere wegen der Ausgaben für die Banken-Rekapitalisierung. 7 Abgesehen von den Ausgaben für die Stabilisierung des Finanzsystems erhöht sich der absolute Schulden- stand in Krisenzeiten auch durch eine Kombination geringer Steuereinnahmen und hoher Ausgaben für soziale Sicherung und Konjunkturpakete. Gleichzeitig wächst in der Regel die nominale Wirtschaftsleistung in der Krise weniger stark als der Schuldenstand, oder sie sinkt sogar. Beides lässt die Schuldenquote in die Höhe schießen (Kasten). Für alle in Bedrängnis geratenen Staaten gilt, dass sich in den Krisenjahren beide Komponenten der Schuldenquote, der Schuldenstand und das nominale Wirtschaftswachstum, zum Nachteil entwickelt haben (Abbildung 4). Der Schuldenstand stieg deutlich an, während gleichzeitig das nominale Bruttoinlandsprodukt zurückging beziehungsweise stagnierte. Mit Blick auf das Wachstum ist Irland den anderen Krisenstaaten voraus: Dort steigt das Bruttoinlandsprodukt wieder. In Griechenland nimmt die nominale Wirtschaftsleistung zu Marktpreisen jedoch weiter ab. Nominal lag das griechische Bruttoinlandsprodukt 212 um etwa 17 Prozent unter dem Wert von 28. Der reale Rückgang ist noch größer, da Griechenland auch während der Krise positive Inflationsraten aufwies (Abbildung 5). Kauf von Zeit, die Erste: Rettungspakete Nachdem Griechenland, Irland und Portugal den Kapitalmarktzugang zu tragbaren Zinsen verloren hatten, stellten IWF und andere EU- beziehungsweise Eurostaaten Refinanzierung und Neukredite bereit. 8 Im Gegenzug unterwarfen sich die Programmländer den Auflagen der Geldgeber. 9 Zwei Hilfsprogramme und ein Schuldenschnitt für Griechenland Das erste Programm für Griechenland startete im April 21. Es umfasste bilaterale Kredite zwischen Griechenland und den Mitgliedern der Eurozone von 8 und Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 3 Milliarden Euro. Von der Gesamtsumme wurden 34,4 Milliarden ins zweite Programm transferiert, das im März 212 begann. Das zweite Programm beläuft sich auf 164,5 Milliarden Euro und endet im Dezember 214. Auf die European Financial Stability Facility (EFSF) entfallen 144,7 Milliarden. Der Rest kommt vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Bis zum Dezember 213 sind in beiden Programmen insgesamt 214 Milliarden Euro ausgezahlt worden. 6 Vgl. ECB Monthly Bulletin June 213, 86. 7 Vgl. ECB Monthly Bulletin June 213, 86 und Eurostat Statistics in Focus 1/213, epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ity_offpub/ks-sf-13-1/en/ KS-SF-13-1-EN.PDF. Vgl. auch Eurostat, Supplementary tables for the financial crisis, epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/government_finance_ statistics/excessive_deficit/supplementary_tables_financial_turmoil. 8 Ausnahme sind kurzfristige Kassenkredite, die sich auch Griechenland von Zeit zu Zeit über den Kapitalmarkt besorgen kann, siehe zum Beispiel Athen leiht sich erneut kurzfristig Geld, Handelsblatt vom 17. September 213, www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/anleihen/griechenlandathen-leiht-sich-erneut-kurzfristig-geld/88452.html. 9 European Commission, Financial assistance to Greece, ec.europa.eu/ economy_finance/assistance_eu_ms/greek_loan_facility/index_en.htm. 12 DIW Wochenbericht Nr. 7.214

Ein wichtiger Bestandteil des zweiten Programms war der im November 211 beschlossene und im März 212 vollzogene Schuldenschnitt. 1 Der Schnitt reduzierte die griechische Schuld zunächst um etwa 17 Milliarden Euro. 11 Ein im Dezember 212 beschlossener Anleiherückkauf brachte eine weitere Reduktion der in den Händen privater Investoren liegenden griechischen Staatschuld um knappe 22 Milliarden Euro. Der Rückkauf wurde durch gut elf Milliarden Euro aus dem zweiten Programm finanziert (Tabelle 4). 12 Ebenfalls im Dezember 212 senkten die Gläubigerstaaten des ersten Programms die Verzinsung der bilateralen Kredite. Außerdem verlängerten sie die Laufzeiten. Die große Mehrzahl der ausgezahlten Tranchen läuft nun zwischen 24 und 248 aus. Die gewichtete durchschnittliche Fälligkeit liegt bei gut 3 Jahren. Durch Schuldenschnitt und Schuldenrückkauf konnte Griechenland seine öffentliche Schuld in privaten Händen um insgesamt rund 118 Milliarden Euro reduzieren. In den offiziellen Zahlen von Eurostat zum jährlichen Schuldenstand Griechenlands sucht man diese Reduzierung jedoch vergebens. Die Schulden nahmen von Dezember 211 (355 Milliarden Euro) auf Dezember 212 (34 Milliarden Euro) nur um rund 5 Milliarden Euro ab. Ein erheblicher Teil der Entlastung durch den Schuldenschnitt ist wegen kompensierender Maßnahmen des griechischen Staates nicht wirksam geworden. Zum Beispiel füllte die griechische Regierung das Kapital, das einheimische Banken durch den Schuldenschnitt einbüßten, zumindest teilweise wieder auf. Etwa einen Monat nach dem Schuldenschnitt, im April 212, zahlten die Geldgeber eine Tranche von knapp 7 Milliarden für die Rekapitalisierung der Banken aus. Die kompensierenden Maßnahmen bewirkten, dass mittels Schuldenschnitt lediglich öffentliche Schuld in privaten Händen in eine staatliche Schuld überführt wurde. Das eigentliche Ziel, die nachhaltige Reduktion der Schuldenquote, wurde zumindest zum großen Teil verfehlt. Mit einem kleineren Schuldenschnitt ohne kompensatorische Maßnahmen wäre womöglich das gleiche Ergebnis zu erzielen gewesen, bei geringerem Reputationsschaden für Griechenland als Schuldner. Tabelle 4 Hilfskredite für Griechenland 1 In Milliarden Euro Erstes Hilfsprogramm für Griechenland Auszahlungen Eurozone IWF Insgesamt Mai 21 14,5 5,5 2 Sep. 21 6,5 2,6 9,1 Dez. 21 Jan. 211 6,5 2,5 9 März 211 1,9 4,1 15 Juli 211 8,7 3,2 11,9 Dez. 211 5,8 2,2 8 Summe 52,9 2,1 73 Zweites Hilfsprogramm für Griechenland Auszahlungszeitpunkt des EFSF/ESM Kumulierte Auszahlung Fälligkeit IWF (kumulierte Auszahlung) 9.3.212 34,6 242 19.3.212 4,5 247 1.4.212 43,8 241 19.4.212 68,8 246 2 1.5.212 73, 242 28.6.212 74, 24 1,6 17.12.212 81, 246 3 17.12.212 92,3 242 4 19.12.212 18,3 223, 224, 225 5 31.1.213 11,3 243 4,8 28.2.213 111,7 243 28.2.213 113,1 244 29.4.213 115,9 232 17.5.213 12,1 243 3.5.213 127,3 224, 225 6 6,6 25.6.213 13,6 245 31.7.213 133,1 248 8,4 18.12.213 133,6 25 Insgesamt (EFSF/ESM und IWF) 142 1 Geplantes Programmende: 31. Dezember 214. 2 Kredit zur Bankenrekapitalisierung. Tilgung zwischen 234-239 und 243-246. 3 Gleichmäßige Tilgung von 244-246. 4 Gleichmäßige Tilgung von 223-242. 5 Kredit zur Bankenrekapitalisierung. Die angestrebte gewichtete Durchschnittslaufzeit beträgt 38,6 Jahre (vor Umschuldung: 11,6 Jahre). 6 Kredit zur Bankenrekapitalisierung. Die angestrebte gewichtete Durchschnittslaufzeit beträgt 39,5 Jahre (vor Umschuldung: 11,5 Jahre). Quellen: www.efsf.europa.eu/about/operations/index.htm; ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/greek_loan_facility/index_en.htm. DIW Berlin 214 1 Rund 3 Milliarden Euro aus dem zweiten Programm gingen als Top-Anleihen des ESFS direkt an jene Investoren, die sich an dem Schuldenschnitt beteiligt hatten. Diese Anleihen liefen nach dem vollzogenen Umtausch aus. 11 www.efsf.europa.eu/attachments/efsf%2faq%2213-12-9.pdf, 17, vgl. auch Fichtner, F., Junker, S., Schäfer, D. (211): EU-Gipfelbeschlüsse: erste wichtige Schritte, aber keineswegs eine endgültige Lösung, DIW Wochenbericht Nr. 44/211. 12 www.efsf.europa.eu/attachments/efsf%2faq%2213-12-9.pdf, 2/21. Insgesamt hat das Land bisher 215 Milliarden Euro an Hilfsgeldern erhalten. Legt man die gemeldete Bruttoschuld des griechischen Staates von 321 Milliarden Euro in der Mitte des Jahres 213 zugrunde, ist der griechische Schuldenstand in der ersten Jahreshälfte wieder um knappe 6 Prozent gewachsen. Die Differenz zwischen dieser Summe und den ausgezahlten Hilfskrediten liegt bei etwa 17 Mil- DIW Wochenbericht Nr. 7.214 121

Tabelle 5 Tabelle 6 Hilfskredite für Irland 1 In Milliarden Euro Hilfen über die EFSF Kumulierte Ursprüngliche Auszahlung Fälligkeit Revidierte Fälligkeit 1.2.211 1,9 216 232 1.2.211 3,6 216 233 1.11.211 4,5 222 23 1.11.211 6,6 222 231 15.12.211 7,6 219 23 12.1.212 8,8 215 229 19.1.212 9,3 241 234 3.4.212 12, 237 231 2.5.213 12,8 229 229 18.6.213 14,4 242 27.9.213 15,4 234 4.12.213 17,7 233 Zusätzlich gewährte Hilfen außerhalb der EFSF Europäische Kommission (EFSM) Bilaterale Kredite 2 Gesamthilfe 22,5 4,8 67,5 1 Das Programm endete am 8. Dezember 213. 2 Großbritannien, Schweden, Dänemark. Quelle: www.efsf.europa.eu/about/operations/index.htm. Die Kredite laufen im Durchschnitt nun etwa 2 Jahre. DIW Berlin 214 liarden Euro. Das ist der Teil der Gesamtschuld, der sich gegenwärtig noch in den Händen von anderen (privaten) Gläubigern und nicht bei den Eurostaaten und dem IWF befindet. Hilfsprogramme für Irland, Portugal, Spanien und Zypern Irland war das zweite Land, das Hilfen beantragte, und das erste, das aus dem Programm ausschied. Im Dezember 213 haben die Geldgeber EFSF und IWF die letzte Tranche der zugesagten 67,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Mit der zwischenzeitlich ebenfalls wie im Falle von Griechenland revidierten Fälligkeit laufen die irischen Kredite im Durchschnitt etwa 2 Jahre ( Tabelle 5). Irland will sich ab 214 wieder eigenständig am Kapitalmarkt finanzieren. Im Januar wurde bereits eine Anleihe von mehr als dreieinhalb Milliarden Euro zum Zinssatz von gut dreieinhalb Prozent emittiert. Dieser Kapitalmarktzinssatz für Fünfjahresanleihen liegt über der durchschnittlichen Verzinsung der ausstehenden irischen Schuld. Das portugiesische Hilfspaket wurde im April 211 beantragt. Sein Umfang ist auf 78 Milliarden Euro festge- Hilfskredite für Portugal 1 In Milliarden Euro Kumulierte Auszahlung Ursprüngliche Fälligkeit Revidierte Fälligkeit 22.6.211 3,7 221 236 29.6.211 5,9 216 225 2.12.211 6,9 225 225 12.1.212 8,6 215 235 19.1.212 9,6 226 227 3.5.212 13,1 232 232 3.5.212 14,8 232 235 17.7.212 16,3 238 238 17.7.212 17,4 238 24 3.12.212 18,2 228 228 7.2.213 19, 222 226 26.6.213 2,1 233 26.6.213 21,1 234 22.11.213 24,8 233 1 Hilfen über die EFSF, geplantes Programmende: 18. Mai 214. Quelle: www.efsf.europa.eu/about/operations/index.htm.. DIW Berlin 214 Auch für die portugiesischen Hilfskredite wurde die Fälligkeit revidiert. setzt. EFSF, ESM und IWF tragen jeweils 26 Milliarden Euro. Bis Ende 213 waren 72 Milliarden Euro und damit 9 Prozent ausgezahlt. Im Mai 214 soll das Programm auslaufen. Auch Portugal hat bereits eine Restrukturierung der ursprünglich festgelegten Laufzeiten erfahren. Die Fälligkeit der einzelnen Tranchen wurde 213 zwischen einem und 2 Jahre in die Zukunft verschoben (Tabelle 6). Im Durchschnitt laufen die Kredite in gut 2 Jahren aus. Das Land beabsichtigt, baldmöglichst an den Kapitalmarkt zurückzukehren. Versuchsweise hat es im Januar 214 erstmals wieder eine größere Fünfjahresanleihe begeben. Der Zinssatz betrug knapp 4,6 Prozent und lag damit erheblich über der Durchschnittsverzinsung der ausstehenden portugiesischen Staatsschuld. Spanien erhielt 212 eine Hilfszusage des EFSF/ESM von maximal 1 Milliarden Euro zur Stabilisierung seines Bankensektors. Im Gegenzug verpflichtete sich das Land, seinen Bankensektor über Kapitalbeteiligungen und die Gründung einer Bad Bank zu restrukturieren. Auch die Abwicklung von Banken unter Beteiligung des Privaten Sektors war vorgesehen. 13 Das Programm wurde Ende 213 beendet. Insgesamt zahlte der 13 European Commission, Intergovernmental adjustment programme, ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/intergovernmental_ support/index_en.htm und die jeweiligen Links zu den Anpassungsprogrammen für Irland, Portugal, Spanien und Zypern. 122 DIW Wochenbericht Nr. 7.214

Tabelle 7 Tabelle 8 Hilfskredite für Spanien 1 In Milliarden Euro Kumulierte Auszahlung Fälligkeit 11.12.212 39,468 227 2 5.2.213 41,333 225 3 1 Hilfen über den ESM, das Programm endete am 31. Dezember 213. 2 Konstante Bedienung der Schuld zwischen 222 und 227 mit 6,578 Milliarden im Jahr. 3 Konstante Bedienung der Schuld zwischen 224 and 225 mit,933 Milliarden pro Jahr. Quelle: www.esm.europa.eu/assistance/spain/index.htm.. Hilfskredite für Zypern 1 In Milliarden Euro Kumulierte Auszahlung Fälligkeit 13.5.213 2, 227 26.6.213 3, 228 27.9.213 4,5 23 19.12.213 4,6 229 1 Hilfen über den ESM, geplantes Programmende: 31. März 216. Vom Gesamtvolumen des Programms von 1 Milliarden Euro trägt der ESM 9 Milliarden, die übrige 1 Milliarde stellt der IWF. Seitens des IWF erfolgte am 15. Mai 213 die erste Auszahlung von 86 Millionen Euro. Quelle: www.esm.europa.eu/assistance/cyprus/index.htm.. DIW Berlin 214 Die spanischen Hilfskredite dienten der Stabilisierung des Bankensektors. In Zypern wurden erstmals auch die Gläubiger herangezogen. DIW Berlin 214 ESM gut 41 Milliarden Euro an den spanischen Fonds zur Bankenrestrukturierung (FROB) aus (Tabelle 7). 37 Milliarden Euro nutzte der Fonds zur Rekapitalisierung der verstaatlichten Banken in seinem Besitz. Knapp 2,5 Milliarden Euro wurden als Beteiligung in die spanische Bad Bank (Sarep) gesteckt. Weitere knapp 1,9 Milliarden Euro gingen an nicht verstaatlichte kapitalbedürftige Banken. Die Mehrheitsbeteiligung bei Sarep liegt bei den spanischen Banken, so dass die Verbindlichkeiten anders als bei den deutschen Bad Banks nicht als Staatsschuld angerechnet werden. Allerdings existieren umfangreiche staatliche Garantien für anfallende Verluste von Sarep. Spanien konnte jüngst fünf- und fünfzehnjährige Anleihen im Wert von 5,3 Milliarden Euro am Kapitalmarkt absetzen. Der Zins für die Fünfjahres-Anleihen lag bei knapp 2,4 Prozent und damit deutlich unter der Durchschnittsverzinsung der ausstehenden spanischen Schuld von 3,5 Prozent. Zypern ist das jüngste Programmland. Insgesamt wurde Zypern bis 216 die Auszahlung von Krediten in Höhe von zehn Milliarden Euro zugesagt, wobei 9 Prozent vom ESM und der Rest vom IWF kommen. 14 Zypern war das erste Land, in dem die Gläubiger der beiden in Schieflage geratenen Großbanken Cyprus Popular Bank (Laiki Bank) und Bank of Cyprus einen erheblichen Teil der Lasten tragen mussten. Besitzer von Guthaben über 1 Euro und Anleihegläubiger der geschlossenen Laiki Bank erhalten lediglich den Verwertungserlös des abzuwickelnden Anlagevermögens. Guthaben bei der 14 European Commission, Intergovernmental adjustment programme, ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/intergovernmental_ support/index_en.htm und die jeweiligen Links zu den Anpassungsprogrammen für Irland, Portugal, Spanien und Zypern. Laiki-Bank bis 1 Euro übernahm die Bank of Cyprus. Die Anleihe-Gläubiger der Bank of Cyprus und deren unversicherte Guthabenbesitzer mussten ein sogenanntes Bail-in hinnehmen, damit die Mindestkernkapitalquote von neun Prozent erreicht wurde. Mit diesen Maßnahmen und der Verpfändung zukünftiger Zentralbankgewinne kamen zusätzliche knapp neun Milliarden Euro an zypriotischem Eigenbeitrag für die Rettung zusammen. Das Programm läuft bis 216. Knapp 5 Prozent der Gesamtsumme wurden bereits ausgezahlt (Tabelle 8). Kauf von Zeit, die Zweite: Tiefststände beim Leitzins Mit dem Austritt der Länder aus den Programmen verliert die Währungsgemeinschaft auch einen großen Teil ihrer Kontrollmacht, da damit auch die mit den Hilfen kombinierten Sparauflagen auslaufen. Möglicherweise ist die Beendigung der Programme für Irland und Spanien ein Zeichen der Besserung. Sicher ist dies jedoch nicht. Die nachhaltige Besserung der Schulden krise hängt davon ab, ob die Schuldenquoten in naher Zukunft zu sinken beginnen. Wie das Beispiel USA nach dem Krieg zeigt, ist die Verzinsung dafür eine der entscheidenden Größen. Seit Jahren sinkende Zinslast im Euroland Der Blick auf die langfristige Entwicklung der Zinslast seit Einrichtung der Eurozone zeigt ein positives Bild. Die Durchschnittsverzinsung der Bruttoschuld sank für alle betrachteten Länder merklich, im Schnitt wurde zwischen 1998 und 212 eine Halbierung von etwa 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent erreicht (Abbildung 6). DIW Wochenbericht Nr. 7.214 123

Abbildung 6 Durchschnittsverzinsung der Bruttoschuld In Prozent Abbildung 7 Leitzins der EZB In Prozent 7,5 6,5 5,5 4,5 3,5 2,5 9 8 Deutschland Eurozone Griechenland Spanien Italien 5 4 3 2 1 1999 21 23 25 27 29 211 213 7 6 5 Portugal Quelle: www.ecb.europa.eu/stats/monetary/rates/html/index.en.html. DIW Berlin 214 4 3 Frankreich Irland In der Tendenz sank der Leitzins seit Einführung der Währungsunion. 1998 2 22 24 26 28 21 212 Quellen: Eurostat; Berechnungen des DIW Berlin. DIW Berlin 214 Seit Einführung der Währungsunion hat sich in den Eurostaaten der Durchschnittszins auf die Bruttoschuld in etwa halbiert. Kurz vor der Krise, in den Jahren 26 und 27, wurde dieser Trend temporär gebrochen. Vom Umfeld steigender Zinsniveaus der EZB Leitzins stieg von 2,25 Prozent Ende 25 auf vier Prozent in der Jahresmitte 27 blieben die Staatsanleihen nicht unbeeinflusst. In den Folgejahren setzt sich der Trend fallender Zinsen zunächst fort. Parallel sank auch der Leitzins rasant und erreichte innerhalb eines Jahres im Mai 29 seinen bis dahin niedrigsten Wert von einem Prozent (Abbildung 7). Anschließend differenziert sich das Bild. Deutschland und Frankreich erleben wie auch die Eurozone als Ganzes eine Stagnation ihrer Zinslast. Bemerkenswert ist hier, dass Frankreich die geringere durchschnittliche Zinslast tragen muss. Auch die Niederlande, Finnland und Luxemburg sind insgesamt günstiger verschuldet als Deutschland. 15 Mit Blick auf die von der Krise besonders betroffenen Länder war Irland in der zeitlichen Abfolge abermals 15 Vgl. auch Deutsche Bundesbank (213): Die Entwicklung staatlicher Zinsausgaben in Deutschland. Monatsbericht September 213. Vorreiter und verzeichnete nach dem niedrigsten Stand in 28 zunächst einen Anstieg, dann wieder ein Sinken der Zinslast. Spanien und Portugal nahmen, mit zeitlicher Verzögerung, eine ähnliche Entwicklung. Es bleibt aber abzuwarten, ob sie ihre Zinslast ähnlich stark senken können wie Irland. An dieser Aufgabe gescheitert ist bislang Italien, das mit seiner steigenden Zinslast negativ heraussticht. Ebenfalls auffällig ist die Entwicklung in Griechenland, wo der Durchschnittszins nach einem leichten Anstieg in der Krise massiv fiel und ein Niveau noch unter dem Durchschnitt der Eurozone erreichte. Dies ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch zu den dramatisch hohen Renditen, die Investoren für neu emittierte Kurzläufer des griechischen Staates verlangen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass in der betrachteten Durchschnittsgröße auch in Krisenzeiten keine gleichermaßen extremen Sprünge auftreten, wie die Krisenländer sie in ihren Emissionsrenditen erlebt haben. Zum anderen zeigt sich hierin ein Effekt der Rettungsmaßnahmen, die eine Alternative zu den für das Land unbezahlbar hohen Zinsen an den Finanzmärkten bieten. Zwar wurde zum Start der Hilfsprogramme oft betont, dass es die Kredite nicht zum Nulltarif geben könne und die Geberseite durch angemessen hohe Zinsen entlohnt werden sollte. Später setzte sich allerdings die Erkenntnis durch, dass die hohe Zinslast zwischen 29 und 211 die höchste aller betrachteten Länder einer Erholung Griechenlands entgegensteht. Entsprechend hart verhandelte man im Rahmen der Schuldenrestrukturierung im Frühjahr 212 mit den 124 DIW Wochenbericht Nr. 7.214

privaten Gläubigern über die Zinssätze auf die neuen Anleihen. 16 Und noch im selben Jahr erklärte sich die Eurogruppe bereit, den Zinssatz auf die bilateralen Kredite aus dem ersten Hilfsprogramm rückwirkend um einen Prozentpunkt zu senken. Gleichzeitig gewährte man einen zehnjährigen Zinsaufschub für EFSF-Kredite aus dem zweiten Programm. 17 Diese Beschlüsse werden ihre positiven Effekte auf die Zinsbelastung Griechenlands in den kommenden Jahren entfalten. Darüber hinaus schließen die Mitgliedsstaaten weitere Reduktionen der griechischen Zinslast explizit nicht aus. 18 Eine Stagnation der Bruttoschuld ist umso leichter zu erzielen, je geringer deren Verzinsung ausfällt. Daher können bei einer sehr niedrigen Verzinsung der ausstehenden Schuld auch hohe Verschuldungsquoten tragbar sein. Die Zinsleistung belastet in einem solchen Fall den laufenden Haushalt kaum und trägt damit kaum zum weiteren Wachstum der Bruttoschuld bei. Im hypothetischen Grenzfall einer Zinsbelastung von Null verliert die Verschuldungshöhe jeglichen Einfluss auf die Haushaltssituation. 19 In dieser Situation genügt ein positiver Primärsaldo, um die Bruttoschuld zu reduzieren. Für eine weiterhin sinkende Durchschnittsverzinsung ist ein niedriger Leitzins eine entscheidende Voraussetzung. Die Europäische Zentralbank kann folglich mit ihrer Zinspolitik aktiv zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit beitragen. Unbedingte Voraussetzung dafür ist allerdings auch bei sehr niedrigen Zinssätzen ein positiver Primärsaldo. Primärsalden entwickeln sich nicht einheitlich Der Primärsaldo, also die Differenz zwischen den jährlichen Einnahmen und den Ausgaben vor Zinszahlungen, ist die zweite Stellschraube für das Wachstum der Bruttoschuld. In einigen Ländern der Eurozone waren die Primärsalden bis 27 positiv. Dazu gehören Spanien, Irland und Italien. Auch Frankreich schaffte 26 einen positiven Primärsaldo. Portugal näherte sich 27 zumindest einem Plus an (Abbildung 8). Griechenland bewegte sich in den Jahren 25 und 26 ebenfalls in 16 Vgl. Athen in der Falle, Süddeutsche Zeitung vom 24. Januar 212, www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-rettung-athen-in-der-falle- 1.1265357. 17 Die Kosten für die EFSF erhöhen sich dadurch jedoch nicht, da auf die aufgeschobenen Zinszahlungen für Griechenland wiederum Zinsen anfallen. Vgl. EFSF: New disbursement of financial assistance to Greece. www.efsf.europa. eu/attachments/faq_greece_en.pdf. 18 Vgl. Eurogroup statement on Greece, www.consilium.europa.eu/uedocs/ cms_data/docs/pressdata/en/ecofin/133857.pdf. 19 Die Senkung der Verzinsung der Anleihen von Programmländern auf null wird neuerdings auch von einigen Volkswirten gefordert. Abbildung 8 Primärsalden ausgewählter Euroländer In Prozent des Bruttoinlandsprodukts 1-1 -2-3 1-1 -2-3 der Nähe der Nulllinie. Danach kehrte sich der Trend um. Seitdem sind die Primärsalden der ausgewählten Länder mehr oder weniger stark negativ, mit uneinheitlichem Trend. Ausnahmen sind Deutschland und Italien. Spaniens Haushalt befindet sich mit einem negativen Primärsaldo von zuletzt knapp minus acht Prozent des BIP noch immer im Krisenmodus. Die Programmländer Griechenland, Irland und Portugal nähern sich allmählich wieder einem Primärsaldo von null an, wobei 212 allerdings nur Irland den Aufwärtstrend beibehalten konnte. Für die Primärsalden aller Euroländer lässt sich die Entwicklung nach 29 als starke Aufwärtsbewegung nach Durchschreiten eines tiefen Tals beschreiben. Der Rückgang der negativen Werte der Primärsalden wirkt sich in Kombination mit den niedrigen Leitzinsen positiv auf die Fähigkeit der Staaten aus, ihre Schulden zu tragen. Fazit Italien Deutschland Griechenland Portugal Spanien Irland Frankreich 1999 21 23 25 27 29 211 Quellen: Eurostat; Berechnungen des DIW Berlin. DIW Berlin 214 Die meisten Primärsalden entwickelten sich nach der Krise vorteilhaft. Ein gegen null tendierender Leitzinssatz kann für Sparer und andere Neugläubiger ein Ärgernis sein, weil die Entlohnung für den geleisteten Konsumverzicht dann ebenfalls gegen Null tendiert. Ein niedriger Zins kann DIW Wochenbericht Nr. 7.214 125

aber auch vorteilhaft für sie sein, weil er die Wirtschaft stärkt und damit auch Beschäftigung und Einkommen der Arbeitnehmer schützt. Für Schuldner ist ein niedriger Leitzins allerdings meist ein Segen, weil damit die Schuldenlast tragfähiger wird. Staaten wälzen ihre Schulden in der Regel permanent weiter. Die Altgläubiger werden also durch neue ersetzt. Ein niedriger Referenzzinssatz sorgt dann dafür, dass die Schuldenlast mit jeder Refinanzierung der Altschulden leichter zu tragen ist. Im Verein mit den Rettungsprogram- men kann also der niedrige Leitzins der EZB falls er über einen längeren Zeitraum beibehalten wird die hohen Schulden im Euroraum tragbarer machen. Dies geschieht nicht nur auf direktem Wege, sondern auch indirekt. Niedrige Zinsen stärken Wirtschaft und Einnahmen des Staates. Das Beispiel der USA in der Nachkriegszeit zeigt, dass sich bei niedrigen Zinsen und erhöhter Inflationsrate auch eine sehr hohe Verschuldungsquote über einen relativ kurzen Zeitraum zurückbilden kann. Marius Kokert ist studentischer Mitarbeiter am DIW Berlin kokert@diw.de Dorothea Schäfer ist Forschungsdirektorin Finanzmärkte am DIW Berlin dschaefer@diw.de Andreas Stephan ist Forschungsprofessor am DIW Berlin astephan@diw.de LOW BASE INTEREST RATES: AN OPPORTUNITY IN THE EURO DEBT CRISIS Abstract: Member states of the euro area have been struggling with the legacies of the severe financial and economic crisis for four years now. But debt ratios are still rising. Negative primary balances, low growth, and low inflation do not allow for a recovery similar to the one in the US after the Second World War. Between 1946 and 1953, the US was able to almost halve its debt with no haircuts. The crisis countries of the euro area were able to buy time with bailout packages and low interest rates. But as long as the other influencing factors are not developing more positively, it remains uncertain whether the current stabilization of the euro debt crisis is sustainable. The ECB s low interest rate policy undoubtedly offers some relief in this situation. First, the interest burden for most countries in the euro area has declined in recent years. This effect has tended to stifle increases in the debt ratio. Second, low interest rates strengthen the economy. In turn, this increases government tax revenue and improves the primary balance. Low interest rates have also played an important role in driving down the debt ratio in the US. At the moment they appear to be the only lever in the euro area with which to make euro area countries debt more sustainable. What matters now is that they seize this opportunity. JEL: E44, G1, H63, N2 Keywords: sovereign debt, financial crisis, history of national debt, financial markets 126 DIW Wochenbericht Nr. 7.214

IMPRESSUM DIW WOCHENBERICHT NR. 7/214 VOM 12. FEBRUAR 214 DIW Berlin Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. Mohrenstraße 58, 1117 Berlin T + 49 3 897 89 F + 49 3 897 89 2 www.diw.de 81. Jahrgang Herausgeber Prof. Dr. Pio Baake Prof. Dr. Tomaso Duso Dr. Ferdinand Fichtner Prof. Marcel Fratzscher, Ph.D. Prof. Dr. Peter Haan Prof. Dr. Claudia Kemfert Prof. Karsten Neuhoff, Ph.D. Dr. Kati Schindler Prof. Dr. Jürgen Schupp Prof. Dr. C. Katharina Spieß Prof. Dr. Gert G. Wagner Chefredaktion Sabine Fiedler Dr. Kurt Geppert Redaktion Renate Bogdanovic Sebastian Kollmann Dr. Richard Ochmann Dr. Wolf-Peter Schill Lektorat Dr. Malte Rieth Textdokumentation Manfred Schmidt Pressestelle Renate Bogdanovic Tel. +49-3 - 89789-249 presse @ diw.de Vertrieb DIW Berlin Leserservice Postfach 74, 77649 Offenburg leserservice @ diw.de Tel. 186 14 5 25, 2 Cent pro Anruf ISSN 12-134 Gestaltung Edenspiekermann Satz escriptum GmbH & Co KG, Berlin Druck USE ggmbh, Berlin Nachdruck und sonstige Verbreitung auch auszugsweise nur mit Quellenangabe und unter Zusendung eines Belegexemplars an die Service abteilung Kommunikation des DIW Berlin (kundenservice@diw.de) zulässig. Gedruckt auf 1 % Recyclingpapier.