Nanotechnologien bei Lebensmitteln

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Transkript:

Nanotechnologien bei Lebensmitteln

2 NANOTECHNOLOGIEN: DIE WELT DER KLEINEN DINGE Nano das Wort ist seit einiger Zeit in aller Munde. Doch was genau steckt dahinter, wenn von Nano-Lebensmitteln die Rede ist? Und was kann der Verbraucher von ihnen erwarten? Die Vorsilbe Nano (griechisch: Zwerg) bedeutet zunächst nur, dass winzigste Stoffteilchen und Materialstrukturen die Eigenschaften eines Produkts bestimmen: Von Nanotechnologien wird immer dann gesprochen, wenn Partikel in der Größenordnung von einem bis hundert Nanometer (Milliardstel Meter) im Spiel sind. Zum Vergleich: Die Dicke eines menschlichen Haars beträgt rund 70.000 Nanometer, selbst ein rotes Blutkörperchen hat noch einen Durchmesser von über 7.000 Nanometer. Der besondere Clou an der Nano-Welt ist, dass viele nanodimensionierte in der Fachsprache spricht man von nanoskalig Stoffe andere Eigenschaften besitzen als dasselbe Material in gröberer Form. Neben der Farbe verändern sich häufig die Löslichkeit und chemische Reaktionsfreudigkeit der Substanzen. Zudem könnten beispielsweise Lebensmittelzusätze im Nanoformat biologische Barrieren und Zellwände leichter durchdringen. Welcher konkrete Nutzen geht mit Nano- Produkten einher und wie sieht es mit den Risiken aus? Hier erfahren Sie, was Tatsache ist und was Fik- tion und: was man alles noch nicht weiß.

NANO-LEBENSMITTEL - EIN UNSCHAFER BEGRIFF 3 Deshalb ist es sehr schwierig zu definieren, unter welchen Umständen eine Zutat im rechtlichen Sinne als nano gilt und wann nicht. In der öffentlichen Diskussion fällt immer wieder der Begriff Nano-Lebensmittel. Gemeint sind damit Lebensmittel, die Zutaten enthalten, deren Partikelgröße im Nanometerbereich liegt. Allerdings: Nano-Partikel sind nicht nur ein Produkt moderner Technologien, sondern entstehen schon seit jeher etwa beim Mahlen von Kaffee oder Getreide. Auch die Fettkügelchen homogenisierter Milch sind ungefähr 100 Nanometer groß. Die neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung führt den Begriff technisch hergestelltes Nano-Material ein. Vereinfacht ausgedrückt gelten danach Zutaten als nano, die ungebunden vorliegende Partikeln enthalten, die absichtlich erzeugt wurden und deren Ausmaß weniger als 100 Nano- meter beträgt. Da die Definition jedoch nicht alle Fälle möglicher Nano-Anwendungen angemessen reglementiert, wird auf EU- Ebene über eine Aktualisierung beraten.

4 NANO INSIDE : WO NANO SCHON DRIN IST Die Frage, ob bereits Nano-Lebensmittel auf dem Markt sind, lässt sich gegenwärtig kaum beantworten. Denn die Produkte sind nicht nur begrifflich schwer zu fassen. Auch verwischen manchmal Werbung und Wirklichkeit: Dass nämlich etwa Vitamine in Nano- größe, leichter vom Körper aufgenommen werden sollen, hat schon Hersteller dazu verleitet, ihre Produkte mit der trendigen Vorsilbe nano zu bewerben ohne allerdings beweisen zu können, dass die Stoffe tatsächlich nano sind. Ein klarer Fall von Verbrauchertäuschung. Als Grenzfall gilt Siliziumdioxid (E 551): Der als Rieselhilfe seit langem zugelassene Zusatzstoff ist eine Mischung aus mikro- und vermutlich nanoskaligen Partikeln, doch ist diese Größenverteilung laut Herstellerangaben seit Jahrzehnten unverändert. Im Bericht der Nano- Kommission heißt es, bei den Produkten handle es sich zwar um nanostrukturierte Materialien, jedoch nicht um freie Nano-Partikel. Beim Deutschen Patentund Markenamt sind derzeit knapp 20 Erfindungen gemeldet, die Nano-Materialien in Lebensmitteln betreffen, darunter das oft zitierte Beispiel eines Schokoladenüberzugs aus nano- Titandioxid zur Verbesserung der Haltbarkeit. Nur: Längst nicht jedes angemeldete Patent wird in der Praxis auch genutzt. Auch ist nicht jede patentierte Anwendung gesetzlich erlaubt.

WAS SIND MICELLEN? Micellen sind organische Minikapseln (in Nano-Teilchengröße oder etwas größer), die eine wasserfreundliche Hülle besitzen, in ihrem Innern aber fettlösliche Stoffe aufnehmen können. Daher lassen sich mitmicellen viele wichtige, im wässrigen Milieu des Verdauungstrakts jedoch schwer lösliche Substanzen bis an die Darmwand transportieren! 5 Besonders groß ist das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln, die vorgeblich nanoskalige Mineralstoffe, etwa Kupfer oder Zink, enthalten. Ob die Stoffe wirklich in Nano- Größe vorliegen, ist aber nicht erwiesen. Eine israelische Firma vertreibt außerhalb Europas ein Rapsöl, das eventuell als Nano-Lebensmittel eingestuft werden könnte: Das Öl enthält in winzige Micellen verkapselte Substanzen, die dem Cholesterin ähneln. Diese sollen die Cholesterinaufnahme stören und so den Blutfettspiegel senken. An solchen Verfahren wird auch in Deutschland gearbeitet. Allerdings: Ob diese Technik allerdings wirklich nano ist oder nicht, wird in der Wissenschaft unterschiedlich bewertet.

6 NANO INSIDE FICTION : WO NANO BALD DRIN SEIN KÖNNTE Beispiele einer Nano-Milch, die sich bei Verderb verfärbt oder einer Pizza Multi, die dank Nano-Zusätzen in Abhängigkeit der Temperaturführung wahlweise nach Spinat oder Schinken schmeckt, gehören ins Reich der Fantasie, soviel ist klar. In der Forschung und Entwicklung diskutierte Anwendungen von Nano-Materialien in Lebensmitteln betreffen vor allem die Verbesserung der Produktqualität und Erzeugung eines gesundheitlichen Mehrwerts. MÖGLICHE NANO-LEBENSMITTEL DER ZUKUNFT Ziel der Anwendung Geschmacksoptimierung/ Maskierung von Fehlaromen Textur-/ Konsistenzverbesserung Ernährungsphysiologischer Zusatznutzen Beispiele Ummantelung unangenehm schmeckender Stoffe, z. B. omega-3-fettsäuren in Nano- Kapseln (Micellen) mit einer Phospholipidschicht überzogene Eisenphosphatnanopartikel (Überdeckung des metallischen Geschmacks) gezielter Aufbau von Nano-Strukturen, die ein angenehmeres Mundgefühl fettreduzierter Produkte erzeugen Verkapselung von Biowirkstoffen in Micellen zur besseren Resorption über die Darmwand zum gezielten Transport über das Blut zur Erhöhung ihrer Stabilität in der Lebensmittelmatrix Quelle: Oelhlke, K., Greiner, R., Nanomaterialien in Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen, Ernährung im Fokus, 03-04/2013.

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8 NANO OUTSIDE : WAS MIT NANO EINGEPACKT WIRD Nano-Partikeln wird bereits heute eine große Bedeutung für die Verpackung von Lebensmitteln und auch für Bedarfsgegenstände wie Töpfe oder Besteck, zugeschrieben. Sie können in die Materialien eingebettet sein und so etwa die Gasdurchlässigkeit von Kunststoffflaschen optimieren oder als Beschichtung die Reinigung erleichtern. Doch auch hier gilt: Längst nicht alles, was technisch möglich erscheint, wird praktisch umgesetzt. Viele Anwendungen sind derzeit nicht wirtschaftlich, teils bestehen Sicherheitsbedenken und gesetzliche Grenzen. Eine Zulassung von Nano- Materialien in Kunststoffen gibt es bisher nur für zwei Stoffe: Nanopartikuläres Titannitrid darf zur Herstellung von Getränkeflaschen aus PET verwendet werden. Der Vorteil: Der Kunststoff lässt sich rascher und energieeffizienter erwärmen und somit leichter verarbeiten. Das Produkt ist auf dem Markt, ob es allerdings in Deutschland genutzt wird, ist fraglich. Außerdem darf CarbonBlack in Kunststoffen eingesetzt werden. Das ist eine spezielle Variante von Kohlenstoff, der zum Färben oder als UV-Schutz genutzt wird. Nanopartikuläres Silber hingegen darf nicht für Kunststofffolien verwendet werden. Und auch für andere Anwendungen, etwa einer Oberflächenbeschichtung in Kühlschränken, äußert das Bundesinstitut für Risikobewertung Sicherheitsbeden- ken: Bakterien könnten Resistenzen gegenüber Nano-Silber ausbilden. Entsprechend beworbene Produkte bietet der Markt trotzdem. Ob diese allerdings tatsächlich nano-silber-beschichtet sind, ist unklar.

9 Viel versprechend scheinen auch so genannte Nanosensoren zu sein, etwa spezielle Lebensmitteletiketten oder ultradünne Nano-Drähte, die bereits geringste Mengen von bakteriellen Stoffwechselprodukten erkennen. Sie könnten den Frische- bzw. Verderbnisgrad eines Lebensmittels anzeigen. Diese Zukunftstechnik könnte außerdem für die Rückverfolgbarkeit und Überwachung von Lebensmitteln während der Lagerung oder des Transports genutzt werden.

10 KLEINE DINGE... Angesichts der besonderen Eigenschaften von Nanomaterialien drängt sich die Frage auf: Wie verhalten sich Nano- Partikel im Körper? Und: Können sie ihn schädigen? Jeder Typ von Nano-Produkten muss gesondert betrachtet werden. Experten sprechen von einer Fall-zu -Fall - Bewertung. Die verlangt auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Zu unterschiedlich sind die eingesetzten Verfahren und Materialien, um Nano-Lebensmittel per se als risikobehaftet oder als unbedenklich einzustufen. So kann die Tatsache, dass Micellen als Nano-Transporter in einem Lebensmittel enthalten sind, für sich genommen völlig harmlos sein. Chemisch betrachtet sind Micellen einfache organische Molekülballungen, die in vielen herkömmlichen Lebensmitteln, etwa in der Milch, natürlicherweise vorkommen. Auch zeigen Studien, dass diese biologisch abbaubaren Strukturen offenbar ausgeschieden werden. Allerdings müsste bei einem neuartigen Nano-Produkt zudem geprüft werden, welche Substanz eigentlich in der Micelle verkapselt ist und ob sie durch die Nano-Ummantelung unerwartete Wirkungen im Organismus oder auch in der Umwelt entfaltet. Nanopartikel besitzen im Verhältnis zu ihrer winzigen Masse eine enorme Oberfläche, was sie chemisch extrem reaktionsfreudig macht. Fachleute vermuten deshalb, dass bei der Aufnahme von Nanopartikeln im Körper prinzipiell mit anderen, teilweise stärkeren Wirkungen gerechnet werden muss.

...GROSSE RISIKEN? 11 Neben der Expositionsmenge und der Charakteristik des Stoffes hängt die Toxizität von Nano-Partikeln ganz wesentlich vom Aufnahmeweg ab: So bietet gesunde, intakte Haut nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine effektive Barriere gegenüber Nano-Partikeln deshalb ist etwa Nano- Titanoxid in Sonnenschutzmitteln auch erlaubt worden. Unproblematisch scheint ebenso der Verzehr von Nanopartikeln zu sein, denn über den Magen- Darm-Trakt werden die Partikel offenbar kaum aufgenommen. Gesundheitlich bedenklich ist dagegen ihre Aufnahme über die Lunge, wo es zu entzündlichen Reaktionen kommen kann. Bei Tierversuchen mit Ratten zeigte sich, dass Nano-Partikel von der Nase über den Riechnerv zum Gehirn wandern können. Berichtet wird auch, dass sie die Blut- Hirn-Schranke überwinden und bis in das zentrale Nervensystem vordringen könnten. Diese Erkenntnisse sind in jedem Fall relevant für den Arbeitsschutz, können aber auch mögliche Nano-Anwendungen in Lebensmitteln betreffen, etwa bei pulverförmigen Produkten für den privaten Gebrauch oder wenn eine unsachgemäßer Gebrauch der Waren zu erwarten ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die EFSA weisen daher darauf hin, dass die Datenlage und der Wissensstand für eine Bewertung der Anwendung der Nanotechnologie in Lebensmitteln derzeit nicht ausreichen. Unter anderem fehlt es an standardisierten Bedingungen für die Risikobewer- tung. Denn fundierte Rückschlüsse lassen sich besonders gut aus vergleichbar durchgeführten Studien verschiedener Wissenschaftler ziehen.

12 NANO JURISTISCH GESEHEN: WELCHE REGELUNGEN GREIFEN? die Technik bisher nicht zur Herstellung von Lebensmitteln genutzt wurde. Novel Food darf nur auf den Markt, wenn seine gesundheitliche Unbedenklichkeit anhand wissenschaftlicher Daten bewiesen ist und die EU-Kommission ihnen eine Zulassung erteilt hat. Für Lebensmittel und andere Produkte gilt: Was nicht sicher ist, darf grundsätzlich nicht auf den Markt. Das Problem: Jede Risikobewertung ist nur so gut wie ihre Wissensbasis. Und die ist bei den Nanotechnologien bislang dünn. Die neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung verpflichtet zwar zu einer Kennzeich- nung technisch hergestelltes Nanomaterial in vorverpackten Lebensmitteln.Da die Definition aber Fragen offen lässt wird sie überarbeitet.auf. Unabhängig da- von gelten Lebensmittel, die unter Anwendung der Nanotechnologien hergestellt wurden als neuartig, also als Novel Food, da Für Zusatzstoffe gelten spezielle Regelungen: Sie müssen generell zugelassen werden unabhängig davon, ob Nanotechnologien im Spiel sind oder nicht. Dabei muss die Partikelgröße Teil der Sicherheitsbewertung sein. Änderungen im Produktionsverfahren zugelassener Stoffe, die etwa die Partikelgrößen- verteilung betreffen, erfordern eine erneute Zulassung. Für Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, wie Schneidebrettchen, muss der Hersteller generell prüfen, ob ein Gesundheits- risiko für den Verbraucher besteht. Nanospezifische Vorschriten, einschließlich einer Zulassungs- pflicht, gibt es derzeit nur für be- stimmte Lebensmittelverpackun- gen, etwa für Kunststoffe.

WAS SOLL DRAUF STEHEN? 13 Ab Dezember 2014 müssen Zusätze technisch hergestellter Nanomaterialien in der Zutatenliste vorverpackter Lebensmittel mit dem Hinweis nano angegeben werden. Da allerdings bis dato kein Nano- Lebensmittel explizit zugelassen wurde, dürften sich zumindest vorerst kaum Kennzeichnungen auf den Etiketten zeigen. Die neue Kennzeichnungspflicht schafft Transparenz. Sie hat aber auch ihre Tücken: So ist die Nano-Analytik, speziell bei Lebensmitteln, noch unausgereift. Fraglich also, ob eine fehlende Nano-Kennzeichnung überhaupt aufgedeckt würde. Diskutiert wird daher auch die Einrichtung eines europäischen Produktregisters für verbrauchernahe Produkte: Hersteller und Verwender von Nano-Materialien müssten dort entsprechende Angaben für Behörden, möglicherweise auch für Verbraucher, hinterlegen. Bereits bestehende Produktregister im Internet, etwa das des Woodrow Wilson Centers, sind dagegen mit gewisser Vorsicht zu genießen. Denn bei den meisten der gelisteten Produkte ist unklar, ob sie tatsächlich nano sind oder nur entsprechend beworben werden.

14 DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN: aid-e-nummern-app Was ist drin in unseren Lebensmitteln? Die E- Nummern in dieser Liste stehen für bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe. Sie sind von der Europäischen Lebensmittelbehörde streng geprüft. Trotzdem sind sie nicht für alle Menschen immer unbedenklich, vor allem empfindliche Personen und kleine Kinder sollten sich möglichst zusatzstoffarm ernähren. Und auch für alle anderen Verbraucher sind viele Zusatzstoffe verzichtbar. Wenn Sie mal nachsehen wollen, was in Ihrer Marmelade oder Ihrem Fertigkuchen so drin ist, ist diese App für Sie nützlich! App ab ios 7, ab Android 2.2 kostenlos Erhältlich im App Store und bei Google play Essen aber sicher! Immer wieder fühlen sich Verbraucher durch Schadstoffe in Lebensmitteln verunsichert oder sogar bedroht. Wir haben die wichtigsten Informationen über schädliche Stoffe in Lebensmitteln für Sie zusammengestellt. Kompaktinfo, DIN lang, 12 Seiten 5. Auflage 2014 Bestell-Nr. 0075 Achten Sie aufs Etikett! Kennzeichnung von Lebensmitteln Lebensmittelkennzeichnung kann durchaus verwirrend sein. Die rechtlichen Vorschriften hingegen sind ziemlich eindeutig. Das Heft erklärt die wichtigsten Regelungen, übersichtlich, anschaulich und verständlich. Heft, DIN A5, 92 Seiten 16. Auflage 2013, 4,00 Bestell-Nr. 1140

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