Über Hartmann von Aues: "Iwein"

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Transkript:

Germanistik Jasmin Path Über Hartmann von Aues: "Iwein" Die Bedeutung des Löwen und die Auswirkung seines Einflusses auf Iwein Studienarbeit

Inhalt 1. Einleitung S. 2 2. Der Löwe 2.1. Verständnis des Löwen im Mittelalter 2.2. Symbolik des Löwen im Iwein S. 2 S. 3 S. 5 3. Fazit S. 9 Literaturverzeichnis S. 10

Einleitung Stark, eigenwillig, frei, gnädig, klug, mutig, wild, zugleich ruhig, tugendhaft, ehrenvoll, streng, großherzig, demütig. Eigenschaften, die dem Löwen zukommen, und seit frühesten Zeiten, lange noch vor der Blütezeit des Löwenvergleichs im Mittelalter oder gar Anspielungen und Verbildlichungen in biblischen Erzählungen, bestanden und bis heute ihre Bedeutung nicht verloren haben. Der König der Tiere 1 war, ist und bleibt Symbol (überwiegend) guter Merkmale, wonach der Mensch streben sollte. Nicht sonderlich verwunderlich scheint es somit, dass die Metapher des Löwen weit verbreitet war heute ebenfalls noch ist, wenn auch in geringerem Ausmaß und deren Anwendung auf eine Person, vorwiegend Herrscher, Ritter und Helden, jene mit Ruhm und Ehre schmückte. Auf eine nicht zu zählende Masse an Werken vom Löwen zum Löwenvergleich bis hin zur Verwandlung eines Menschen in einen Löwen und umgekehrt, lässt sich in unserer heutigen Zeit zurückblicken. Ein epochenübergreifendes Thema, das im Mittealter, speziell im Frühmittelalter, seinen Höhepunkt und seine größte Entfaltung 2 erfuhr, was an dem darauf folgenden Wandel von Naturdeutung zur objektiven Naturkunde zu belegen sein mag 3. Zu den bedeutendsten und somit auch entscheidenden Werke[n] 4 dieser von Löwen behafteten Zeit gehört Chrétiens de Troyes Yvain ou le chevalier au Lion oder aber, um welche Erzählung es sich hier handeln wird, die Übersetzung Hartmanns von Aue Iwein. Jener Löwe, der lediglich im Titel des französischen Originals erwähnt wird, im mittelhochdeutschen Iwein dennoch keineswegs in Vergessenheit gerät, im Gegenteil sogar mehr Menschlichkeit und Symbolik erfährt als bei Chrétien, derselbe, der den gesamten zweiten Handlungsstrang des Werks bestimmt wird im Licht einiger Interpretationstheorien wie z.b. der von Milnes, Harris, Cramer betrachtet und darf als zentrales Thema dieser Ausarbeitung gesehen werden. 2. Der Löwe Die äußeren Merkmale des in Nordafrika, Mittelost und Indien beheimateten Tiers 5, wie die charakteristische Mähne des Männchens, der lange, mit einem Fellbüschel endende Schwanz 1 George, Wilma; Yapp, Brunsdon. "III. Mammals 1. Wild Mammals (i) Beasts with Claws Leo." The Naming of the Beasts Natural History in the Medieval Beastiary. George, Wilma; Yapp, Brunsdon (Hgg.). Erstauflg. London: Duckworth, 1991. S. 46-49. Hier: S.46. 2 vgl. Brodeur, Arthur G.. "The Grateful Lion." PMLA 39.3, 1924. S. 485-524. Hier S.485. <http://links.jstor.org/sici?sici=0030 8129%28192409%2939%3A3%3C485%3ATGL%3E2.0.CO%3B2 1>. 3 vgl. Weddige, Hilkert. Einführung in Die Germanistische Mediävistik. Hilkert Weddige (Hgg.). München: Beck, 1987. Hier S. 77. 4 Jäckel, Dirk. Der Herrscher Als Löwe. Neuhaus, H. (Hgg.). Köln: Böhlau & Cie, 2006. Hier S.214. 5 vgl. George, Wilma; Yapp, Brunsdon. Naming. S.46/47. 2

und natürlich der grazil anmutende Körper, sind weitest gehend bekannt. Dies gilt für unsere Zeit, wie jedoch auch für die bereits vor Jahrhunderten, bzw. Jahrtausenden zuvor lebenden Menschen und ihre Kultur. Die Erklärung hierfür, dass der Löwe dennoch in aller Munde war und von allen gekannt wurde, trotz der für damalige Verhältnisse viel zu großen Distanzen zu solchen Orte, an denen ihnen Löwen begegnen konnten, nennt Brodeur teils im Folgenden: Ancient Rome knew the lion as he appeared in the arena, brave and terrible; [...] Europe, partly from the exaggerated tales of travelers, partly from the Physiologus, partly from Scriptural texts, knew the lion as a noble, knightly beast, which might serve as the symbol of Christ. 6 2.1 Verständnis des Löwen im Mittelalter Brodeur erwähnt u.a. den Physiologus, wie auch die biblischen Erzählungen, womit er bereits die beiden einflussreichsten Medien des Mittelalters einbringt. Diese beiden nahverwandten da der Physiologus kaum als Eigenständiges, von der Bibel Unabhängiges, da auch als christliche Bearbeitung von Tierberichten 7 bekannt, gesehen werden kann Schriften galten etwa um 1000 n.chr. als literarischer Erfahrungs- und Erwartungshorizont 8, was dazu führte, dass die eigentliche Naturkunde, das Widerspiegeln der Wirklichkeit, lediglich eine Naturdeutung war. Dies ermöglichte, dass der brüllende, wilde Löwe zu einem Sinnbild Christi, somit der König der wilden Tiere gleichbedeutend für den König der Könige 9 wurde. Der Physiologus verstand es, jegliche Allegorien zwischen Gottessohn und Löwen aufzustellen, sodass der in den Bergen umherstreifende und seine Fährte vor Jägern verwischende Löwe als der Erlöser der christlichen Kirche gesehen wurde, der ebenfalls aus den Höhen kam und seine Spur der Gottheit, da im Körper einer Jungfrau geboren und als Mensch unter Menschen lebend und sterbend, verstecken vermochte. 10 Für den Leser heute mögen die Vergleiche teils bizarr und wie an den Haaren herbeigezogen wirken oder aber man mag nun der Versuchung erliegen, in jedem Löwenbild des Mittelalters den Gottessohn zu erkennen, doch gilt es bereits damals mit voreiligen Christusinterpretationen in Löwen sorgfältig umzugehen, denn nicht immer bezeichnet ein Berg den Herrn, nicht immer bezeichnet ein Stein den Herrn, nicht immer bezeichnet ein 6 vgl. Brodeur, Arthur G.. Grateful. S.492/493. 7 Weddige, Hilkert. Mediävistik. S.71. 8 ebd., S.74. 9 Jäckel, Dirk. Herrscher. S.145. 10 vgl. Seel, Otto. "I. Vom Löwen." Der Physiologus Tiere Und Ihre Symbolik. Otto Seel (Hgg.). Neuauflg. Düsseldorf; Zürich: Artemis & Winkler, 2000. S. 5-7. Hier S.5. 3