7. Pantaenius-Immobilientagung am 5. November 2009 in Hamburg»Rauchwarnmelder und ihre Einordnung im Miet-, WEG- und Versicherungsrecht«RA Jan-Hendrik Schmidt, Hamburg S. 1
Leib und Leben: Jährlich in Deutschland 600-700 Brandtote durch Wohnungsbrände. 6.000 schwer, 60.000 leicht verletzte Brandopfer. 75% der Brandopfer fallen nicht den Flammen zum Opfer, sondern sterben an einer Rauchvergiftung. Eigentum: Sachschäden an Gebäude und Einrichtungen gehen in die Milliarden. S. 2
Rechtsgrundlagen I. Vorgaben: Landesbaurecht (Bauordnungen) DIN 14676 DIN EN 14604 (seit 1.8.2008; Gerätenorm) II. Umsetzung gegenüber Eigentümer/Mieter/Nutzer: Wohnungseigentumsgesetz (WEG) Mietrecht ( 535 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) S. 3
Landesbaurecht (Erst) 7 von 16 Bundesländern haben Gesetze zur Ausstattung von Wohnungen mit Rauchwarnmeldern erlassen. Die Gesetzgebungszuständigkeit liegt bei den Ländern. Regelungen finden sich in den Landesbauordnungen Als erstes Bundesland hat 2003 Rheinland-Pfalz eine Einbaupflicht statuiert. 2004 folgte das Saarland. 2005 zogen Schleswig-Holstein und Hessen nach, 2006 Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Anfang 2008 schloss sich Thüringen an. S. 4
45 Abs. 6 Hamburgische Landesbauordnung: In Wohnungen müssen Schlafräume, Kinderzimmer und Flure, über die Rettungswege von Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben. Die Rauchwarnmelder müssen so eingebaut und betrieben werden, dass Brandrauch frühzeitig erkannt und gemeldet wird. Vorhandene Wohnungen sind bis zum 31.12.2010 mit Rauchwarnmeldern auszurüsten. (Inkrafttreten: 01.04.2006) S. 5
48 Abs. 4 LBauO Mecklenburg-Vorpommern In Wohnungen müssen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure, über die Rettungswege von Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens ein Rauchwarnmelder haben. Die Rauchwarnmelder müssen so eingebaut oder angebracht und betrieben werden, dass Brandrauch frühzeitig erkannt und gemeldet wird. Bestehende Wohnungen sind bis zum 31.12.2009 durch den Besitzer auszustatten. S. 6
49 Abs. 4 LBauO Schleswig-Holstein In Wohnungen müssen [ ]. Die Eigentümerinnen oder Eigentümer vorhandener Wohnungen sind verpflichtet, jede Wohnung bis zum 31.12.2010 (statt zuvor 31.12.2009) mit Rauchmeldern auszurüsten. Die Sicherstellung der Betriebsbereitschaft obliegt den unmittelbaren Besitzerinnen und Besitzern, es sei denn, die Eigentümerin oder der Eigentümer übernimmt diese Verpflichtung selbst. (Inkrafttreten: 01.05.2009) S. 7
Träger der Einbau- und Wartungspflicht Wohnungseigentümer Die meisten Landesbauordnungen ordnen an, dass der Eigentümer verpflichtet ist, Rauchwarnmelder zu installieren (nachzurüsten) und zu betreiben. Hamburg nennt keinen Normadressaten. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig- Holstein spricht der Gesetzeswortlaut statt vom Eigentümer vom (unmittelbaren) Besitzer. These: Besitzer = Eigenbesitzer (zweifelhaft) S. 8
Träger der Einbau- und Wartungspflicht Wohnungseigentümergemeinschaft? Soweit die Einbau- und Wartungspflicht die Wohnungseigentümer trifft, fragt sich, ob ein Fall der Wahrnehmungsbefugnis des rechtsfähigen Verbandes besteht (vgl. 10 Abs. 6 S. 3 WEG). Der Verband, koordiniert und organisiert durch den Verwalter, würde dann die für ihn fremden Pflichten der Wohnungseigentümer im eigenen Namen wahrzunehmen haben. S. 9
Eigentumsverhältnisse an Rauchwarnmeldern Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum? Nach der Regelungstechnik des WEG stehen Gebäudeteile, Einrichtungen und Anlagen im Gemeinschaftseigentum ( 1 Abs. 5 WEG), es sei denn, die Teilungserklärung erklärt sie zu Sondereigentum und der zu Sondereigentum erklärte Bauteil ist sondereigentumsfähig. S. 10
Sondereigentumsfähigkeit? Nur sondereigentumsfähige Teile können wirksam zu Sondereigentum erklärt werden. Anders lautende Bestimmungen in der Teilungserklärung sind nichtig. Zwingend Gemeinschaftseigentum sind gem. 5 Abs. 2 WEG alle Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind (1. Alt.), sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch aller Eigentümer dienen (2. Alt.). S. 11
These: Rauchwarnmelder sind zwingend Gemeinschaftseigentum Gem. 5 Abs. 2 WEG ist anzunehmen, dass Rauchwarnmelder zwingend gemeinschaftliches Eigentum sind. Sie dienen der Sicherheit des ganzen Gebäudes. Zum Gebäudeschutz gehört der Brandschutz. Flammen und Rauch machen vor der Wohnungstür und fremdem Sondereigentum nicht halt. Rauchmelder dienen auch dem gemeinschaftlichen Gebrauch aller Eigentümer (»Je mehr Eigentümer nicht mitmachen, desto schlechter der Schutz«) S. 12
1. Bestätigung durch AG Ahrensburg ZMR 2009, 78 Rauchwarnmelder sind Gemeinschaftseigentum, auch wenn sie in den Räumen des Sondereigentums installiert werden. Sie dienen ohne Zweifel auch der Sicherheit des Gebäudes. Geschützt werden die in den Räumen befindlichen Personen, das Gebäude an sich, das darin befindliche Eigentum und die Nachbarschaft S. 13
2. Bestätigung durch AG Rendsburg ZMR 2009, 240 Rauchwarnmelder sind Gemeinschaftseigentum Auch wenn vorrangiges Ziel des Gesetzgebers der Schutz von Menschenleben gewesen sein dürfte, dient die Pflicht zur Ausstattung der Wohnungen mit Rauchwarnmeldern zumindest auf dem Brandschutz und somit dem Schutz des Gebäudes insgesamt (unter Hinweis auf Schmidt/Breiholdt/Riecke ZMR 2008, 341, 343). S. 14
3. Bestätigung durch OLG Frankfurt DWE 2009, 63 Rauchwarnmelder gehören zu den Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der WEer dienen und aus diesem Grund gemäß 5 Abs. 2 WEG gemeinschaftliches Eigentum sind. Für die rechtliche Qualifizierung ist es unbeachtlich, dass sie sich innerhalb des räumlichen Bereich des Sondereigentums befinden. (unter Hinweis auf Schmidt/Breiholdt/Riecke ZMR 2008, 341, 343). S. 15
Konkurrenzverhältnis: WEG./. Sondereigentümer Da Rauchwarnmelder Gemeinschaftseigentum sind, ist die Abwälzung der Einbau- und Wartungspflicht auf den Sondereigentümer (gegen dessen Willen bzw. ohne Zustimmung) per Beschluss nichtig. Umstritten ist, ob der einzelne Sondereigentümer den Einbau und die Wartung durch die Gemeinschaft ablehnen darf unter Hinweis auf freiwillige Selbstinstallation und -wartung. S. 16
AG Rendsburg, ZMR 2009, 239 Hat ein Wohnungseigentümer bereits deutlich teurere Rauchwarnmelder installiert, kann er ausnahmsweise nicht verpflichtet werden, die von der Gemeinschaft ausgewählten Geräte zu dulden. Seiner Anfechtungsklage ist stattzugeben. Kritik: Das Urteil unterschätzt das Bedürfnis der WEG an einer einheitlich organisierten Verkehrssicherung, speziell die Kontrollpflicht gegenüber dem Sondereigentümer, die in jedem Falle beim Verband bleibt. S. 17
Einbau Der Einbau von Rauchwarnmeldern ist neutral gesagt eine bauliche Maßnahme. Sie kann sein: Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung ( 21 Abs. 3 WEG),»privilegierte«bauliche Veränderung nach 22 Abs. 2 WEG (Modernisierung) oder»klassische«bauliche Veränderung ( 22 Abs. 1 WEG). S. 18
Bestehen einer gesetzlichen Einbaupflicht Schreibt das Landesgesetz die Installation oder Nachrüstung von Rauchwarnmeldern vor, handelt es sich bei der Erfüllung der gesetzlichen Vorgabe um eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung. Sie kann nach 21 Abs. 3 WEG mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden. Die bauliche Maßnahme ist nicht als bauliche Veränderung nach 22 Abs. 1 WEG zu qualifizieren (vgl. BGH zum Kaltwasserzählereinbau). S. 19
Fehlen einer gesetzlichen Einbaupflicht In Ländern ohne gesetzlichen Zwang zur Installation (z.b. Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg) fehlt eine Ermessensreduktion auf Null. Die Mehrheit, die gegen den Einbau ist, kann von der Minderheit nicht gezwungen werden, der Installation zuzustimmen. Der Minderheit bleibt vorerst nur die Hoffnung auf die Tätigkeit des Landesgesetzgebers. Möglicher Ausweg: Verkehrssicherungspflicht nach 21 Abs. 3 WEG? (fraglich, aber vertretbar; vgl. OLG Frankfurt DWE 2009, 63 im Anschluss an Schmidt/Breiholdt/Riecke ZMR 2008, 341, 346). S. 20
AG Rendsburg ZMR 2009, 239 Grundsätzlich begegnet die Verteilung der Kosten für den Einbau und die Wartung nach Anzahl der jeweils in der Wohnung erforderlichen Rauchwarnmelder gem. 16 Abs. 4 WEG keinen Bedenken. Bemerkenswert: Das AG Rendsburg fasst neben den einmaligen Einbaukosten (unzweifelhaft) auch die sich regelmäßig wiederholen Wartungskosten (Betriebskosten) unter Abs. 4. Das ist fraglich. S. 21
Zutrittsverschaffung gegenüber Sondereigentümer Der Sondereigentümer ist verpflichtet, das Betreten der Wohnung zu gestatten und zu ermöglichen ( 14 Nr. 4 1. Halbsatz WEG). Die Duldungspflicht deckt auch das jährliche Betreten zur optischen Funktionsprüfung. Durchsetzen muss den Anspruch der rechtsfähige Verband ( 10 Abs. 6 S. 3 WEG). S. 22
Mietrechtliche Fragen 1. Duldungspflicht des Mieters ( 554 BGB) Verbesserung der Mietsache? Härtefall? Dreimonatige Ankündigungsfrist? 2. Umlagefähigkeit auf den Mieter Einbaukosten ( 559 BGB) Wartungskosten Betriebskosten ( 2 Nr. 17 Betriebskostenverordnung) S. 23
Duldungspflichtige Modernisierungsmaßnahme Installation ist vom Mieter zu dulden. Keine Härte i.s.d. 554 Abs. 2 S. 2 BGB, da Mieterhöhung im Bagatellbereich (AG Schwarzenbek, ZMR 2008, 721) wenn Mieter selbst Rauchwarnmelder installiert hat oder renovieren will (AG Hamburg-Wandsbek ZMR 2009, 47) Die dreimonatige Ankündigungsfrist gilt nicht, da gesetzlich angeordnet (vgl. BGH Urt. v.04.03.2009 VIII ZR 110/08) bzw. Bagatellmaßnahme (vgl. AG Schwarzenbek ZMR 2008, 721). S. 24
Umlagefähige Betriebskosten (Wartung) Die Kosten der nach DIN 14676 einmal jährlich durchzuführenden optischen Funktionsprüfung sind sonstige Betriebskosten gem. 2 Nr. 17 BetrKV (AG Lübeck Urt. v. 5.11.2007 21 C 1668/07). Problem: Batterieaustausch umlagefähig? Problem: Mietgeräte umlagefähig? Problem: Altverträge (ohne Nennung RWM) S. 25
Achtung bei Abschluss von Neuverträgen! Die Umlage sonstiger Betriebskosten ist nur wirksam vereinbart, wenn die jeweilige Kostenart im Mietvertrag ausdrücklich einzeln bezeichnet ist. Bei laufenden Verträgen hilft eine ergänzende Vertragsauslegung, da der Einbau von Rauchwarnmeldern eine Modernisierung ist. (vgl. BGH ZMR 2007, 851) Wichtig: Bei Neuverträgen Rauchwarnmelderwartungskosten ausdrücklich als sonstige Betriebskosten vereinbaren. S. 26
Selbstinstallation Rauchmelder = vertragsgemäßer Gebrauch! Verstehen Dritte einen auf mangelnde Batterie- Stromspannung weisenden Signalton des Rauchwarnmelders als Feueralarm und wird von der herbeigerufenen Feuerwehr die Wohnungstür im Einsatz zerstört, ist der Mieter nicht schadensersatzpflichtig. (AG Hannover ZMR 2009, 293) S. 27
OVG Hamburg ZMR 2009, 567 Feuerwehreinsätze wegen des Fehlalarms einer Brandmeldeanlage sind auch dann gebührenpflichtig, wenn die Anlage zwar im überwiegenden öffentlichen Interesse eingerichtet wurde, sie aber auch privaten Interessen dient. Anmerkung: Die Entscheidung dürfte für Rauchwarnmelder entsprechend gelten. S. 28
Ende Teil 3 S. 29