Neue Regeln für Vertikalbeschränkungen

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Transkript:

Wettbewerbskommission WEKO Commission de la concurence COMCO Commissione della concorrenza COMCO Competition Commission COMCO Neue Regeln für Vertikalbeschränkungen in der EU und der Schweiz Aktuelle Entwicklungen im Schweizer Kartellrecht, Bern, 1. Juli 2010 Dr. Andrea Graber, Referentin, Sekretariat WEKO

Inhalt 1. Ausgangspunkt: Vertikalbekanntmachung 2007 2. Gründe für die Revision 2010 3. Wichtigste Änderungen im Überblick 4. Zentrale Punkte der Vernehmlassung 5. Ausblick 2

1. Ausgangspunkt: VertBek 2007 Zur Konkretisierung von Art. 5 Abs. 4 KG erliess die WEKO am 2. Juli 2007 eine revidierte Vertikalbekanntmachung (VertBek). Insbesondere wurden die Kriterien für die Widerlegung der Vermutung und für die Beurteilung der Erheblichkeit konkretisiert. Damals bestand noch keine Fallpraxis zu Art. 5 Abs. 4 KG. Die VertBek 2007 löste kontroverse Reaktionen aus (insb. die Ziffern 10, 11 & 12). Ende 2009 beschloss die WEKO, die VertBek 2007 zu überarbeiten. 3

2. Gründe für die Revision 2010 Berücksichtigung der jüngsten Fallpraxis Berücksichtigung der Entwicklung in der EU: Revision der Vertikal-GVO 4

Fallpraxis 3 Leitentscheide: Gaba (Elmex Zahnpasta): Konkretisierung der Voraussetzungen zur Widerlegung der Vermutung und der Prüfung der Erheblichkeit bei absolutem Gebietsschutz Sécateurs et cisailles (Gartenscheren): Konkretisierung der Prüfung der Erheblichkeit bei der Festlegung von Wiederverkaufspreisen Hors-Liste Medikamente (durch die Krankenversicherer nicht rückvergütete Medikamente): Beurteilung von Preisempfehlungen, welche in einer Festlegung von Wiederverkaufspreisen resultieren Gaba und Hors-Liste Medikamente wurden an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen. 5

Lehren aus der Fallpraxis Bei der Widerlegung der Vermutung ist der Intrabrandund der Interbrand-Wettbewerb zu prüfen. Die Vermutung kann i.d.r. umgestossen werden, ausser wenn die Abrede im gesamten relevanten Markt besteht (Entscheid Hors-Liste Medikamente). Die Kontoverse um Ziffer 10 (Interbrand-Wettbewerb) war bis anhin kaum praxisrelevant. Keine per se-erheblichkeit bei Vertikalabreden Die Frage der Erheblichkeit und der Rechtfertigung ist i.d.r. entscheidend. Wichtig für die präventive Wirkung ist die Sanktionsdrohung. 6

Entwicklungen in der EU: Vertikal-GVO Am 1. Juni 2010 trat die neue Vertikal-GVO in Kraft. Sollen in der Schweiz weiterhin dieselben Regeln wie in der EU gelten unter Berücksichtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Schweiz, bedarf es einer Revision der VertBek. EU-Kompatibilität ist vom Gesetzgeber gewünscht dafür sprechen verschiedene Voten in der parlamentarischen Debatte. 7

3. Wichtigste Änderungen im Überblick Änderungen wegen Fallpraxis Widerlegung der Vermutung Erheblichkeit Änderungen wegen Anpassung an EU-Recht 30%-Regel auch für Abnehmer Berücksichtigung des Online-Handels Preisempfehlungen 8

Änderungen wegen Fallpraxis Widerlegung der Vermutung: Präzisierung, dass für die Widerlegung der Vermutung eine Gesamtbetrachtung des Marktes massgebend ist. Ausschlaggebend ist, ob genügend Intrabrand- oder Interbrand-Wettbewerb auf dem relevanten Markt besteht oder die Kombination der beiden zu genügend Wettbewerb führt (Ziffer 11). Erheblichkeit: Prüfung der Erheblichkeit erfolgt einzelfallweise in einer Gesamtbetrachtung des Marktes. Gewisse Typen vertikaler Absprachen werden aufgrund ihres Gegenstandes als qualitativ schwerwiegend eingestuft. 9

Änderungen wegen EU-Kompatibilität 30%-Regel: Damit soll der gewachsenen Nachfragemacht grosser Einzelhandelsunternehmen besser Rechnung getragen werden. Online-Handel: Internetverkäufe sollen grundsätzlich als passive Verkäufe gelten. Preisempfehlungen: Relativierung des bisherigen Swiss Finish 10

4. Zentrale Punkte der Vernehmlassung Revision und Bestreben nach EU-Konformität werden begrüsst. Anregung, EU-Konformität zu erhöhen Gratwanderung Verständlichkeit / Vollständigkeit Neue Regeln zur Vermutungswiderlegung und Erheblichkeit werden mehrheitlich begrüsst. 30%-Regel für Abnehmer erfährt Zustimmung und Kritik. Online-Handel: Formulierung wird kritisiert. Preisempfehlungen: Weder Fisch noch Vogel -Lösung wird kritisiert. 11

5. Ausblick Inkrafttreten der Vertikalbekanntmachung 2010 Anpassung Erläuterungen Kfz-Bekanntmachung Revision von Art. 5 Abs. 4 KG: Streichung von Art. 5 Abs. 4 KG bei gleichzeitiger Festschreibung, dass Mindest- und Festpreise/Gebietsabsprachen direkt sanktionierbar sind? Beibehaltung von Art. 5 Abs. 4 KG bei gleichzeitiger Definition von Safe Harbors auf Verordnungsstufe? 12