Verwendung des BIP 17

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Kapitel 4 Geld- und Finanzmärkte. Lekt. Dr. Irina-Marilena Ban. Pearson Studium 2014 Olivier Olivier Blanchard/Gerhard Illing: Illing: Makroökonomie

Transkript:

Verwendung des BIP 17 Die inländische Produktion kann auf folgende Arten verwendet werden: privater Konsum (C); Konsum des Staates (G); Bruttoanlageinvestitionen (I); Vorratsveränderung; Außenbeitrag, Nettoexporte, Exporte abzüglich Importe (N X). Bezeichnen wir die Nachfrage nach inländischen Gütern mit Z und vernachlässigen wir Vorratsveränderungen, so gilt also Z = C + I + G + NX.

2. VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG 2.2 Verteilung des Brutto-Inlandsproduktes (nominell) Einkommensarten 1990 2000 2005 2007 2008 Mrd. EUR Arbeitnehmerentgelte 071,86 106,85 119,96 130,51 137,12 Betriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen Produktionsabgaben minus Subventionen 047,72 076,54 098,22 111,97 115,88 016,63 024,14 027,15 028,35 029,20 BRUTTO-INLANDSPRODUKT (BIP) 136,21 207,53 245,33 270,84 282,20 Primäreinkommen aus der/an die übrige Welt 0-0,99 0-3,52 0-2,52 0-5,59 0-4,19 minus Abschreibungen 019,31 031,35 035,05 041,22 043,58 NETTO-NATIONALEINKOMMEN 115,91 172,66 207,76 224,02 234,44 Laufende Transfers aus der/an die übrige Welt VERFÜGBARES NETTONATIONALEINKOMMEN 0-0,37 0-1,60 0-2,04 0-1,37 0-1,78 115,53 171,06 205,72 222,65 232,66 Quelle: STATISTIK AUSTRIA 2.3 Entwicklung der Nachfrage (nominell) Nachfragearten 1990 2000 2005 2007 2008 Mrd. EUR Konsumausgaben insgesamt 102,49 153,49 178,96 193,22 200,14 Private Haushalte 074,99 110,87 130,34 140,08 145,57 Staat 025,64 039,69 045,14 049,36 050,73 Bruttoinvestitionen 034,13 050,81 055,41 061,76 066,81 Bruttoanlageinvestitionen 032,33 049,79 053,31 060,20 063,18 Ausrüstungen 1 015,07 023,26 025,45 028,18 029,08 Bauten 017,26 026,53 027,86 032,03 034,10 Vorratsveränderung 2 001,47 000,79 001,91 000,88 002,18 Statistische Differenz 0-0,67 0-0,41 000,48 0-0,11 000,04 INLÄNDISCHE VERWENDUNG 135,94 203,89 234,85 254,87 266,98 Exporte (Waren und Dienstleistungen) 050,48 096,33 132,00 161,42 166,59 Importe (Waren und Dienstleistungen) 050,21 092,69 122,40 145,45 151,36 BRUTTO-INLANDSPRODUKT (BIP) 136,21 207,53 244,45 270,84 282,20 Quelle: STATISTIK AUSTRIA 1 einschließlich immaterielle Anlagen, sonstige Ausrüstungen, Nutztiere und Nutzpflanzungen 2 einschließlich Nettozugang an Wertsachen 28

Das IS/LM Modell 18 1936 von John Maynard Keynes entwickelt, 1937 von John Hicks in der heute üblichen Form präsentiert. Beschreibt das simultane Gleichgewicht auf den Güter- und Finanzmärkten. Erlaubt es, die Bestimmungsgründe der gesamtwirtschaftlichen Produktion Y und des Zinssatzes i in der kurzen Frist zu analysieren. Annahmen: Kurze Frist: das Preisniveau P ist konstant; Geschlossenen Volkswirtschaft: der Außenbeitrag N X ist 0.

Märkte 19 Gütermärkte: Es gibt nur einen Markt (aggregiertes Modell). Unternehmen bieten Güter an (Y ), welche von Haushalten (C), Unternehmen (I) und dem Staat (G) nachgefragt werden. Das Preisniveau P wird als konstant angenommen, sodass Markträumung durch geeignete Wahl der Produktion Y erreicht wird (Mengenanpassung). Finanzmärkte: Der Einfachheit halber werden nur der Markt für Geld und jener für fest verzinsliche Wertpapiere (Anleihen) betrachtet. Markträumung erfolgt durch geeignete Anpassung des Zinssatzes i, der auf Anleihen bezahlt wird (Preisanpassung). Da die Nachfrage nach Investitionsgütern vom Zinssatz i und die Nachfrage nach Geld und Anleihen vom Produktionsniveau Y abhängen, können der Gütermarkt und die Finanzmärkte nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Man muss Y und i so bestimmen, dass auf allen Märkten simultanes Gleichgewicht herrscht.

Güternachfrage 20 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage: Z = C + I + G. Konsumgüternachfrage: C = C(Y T ). Einkommen: Y ; Steuern abzüglich Transferzahlungen: T (exogen gegeben); verfügbares Einkommen: Y T ; die Funktion C(Y T ) ist steigend in Y T. Investitionsgüternachfrage: I = I(Y, i). Zinssatz: i; die Funktion I(Y, i) ist steigend in Y und fallend in i. Staatlicher Konsum: G. der staatliche Konsum ist ein exogener Parameter.

Konsum 21 Die Konsumnachfragefunktion C = C(Y T ) spiegelt die folgenden empirischen Beobachtungen wider: Konsumausgaben hängen in erster Linie vom verfügbaren Einkommen ab; Konsumausgaben hängen positiv vom verfügbaren Einkommen ab. Einfaches Beispiel: C(Y T ) = c 0 + c 1 (Y T ). Autonomer Konsum: c 0 > 0. (Marginale) Konsumneigung: 0 < c 1 < 1.

Investitionen 22 Die Investitionsnachfragefunktion I = I(Y, i) spiegelt die folgenden Annahmen wider: Investitionsausgaben hängen in erster Linie vom Absatzniveau und vom Zinssatz ab; Produktion ist gleich Absatz (Lagerinvestitionen sind gleich 0); Investitionsausgaben hängen positiv vom Absatzniveau ab; Investitionsausgaben hängen negativ vom Zinssatz ab (Kreditaufnahme bzw. Opportunitätskosten der Investition). Einfaches Beispiel: I(Y, i) = b 0 + b 1 Y b 2 i mit b 0 > 0, b 1 > 0 und b 2 > 0.

Gütermarktgleichgewicht bei gegebenem Zinssatz 23 Güterproduktion Y ist gleich Güternachfrage Z: Y = Z = C + I + G = C(Y T ) + I(Y, i) + G. Die Güternachfrage steigt mit Y. Annahme: die Steigung ist kleiner als 1 (durch empirische Beobachtungen belegt). Für gegebenen Zinssatz i lässt sich aus der Gütermarkträumungsbedingung das Produktionsniveau Y bestimmen. Graphische Lösung: das Keynesianische Kreuz. Algebraische Lösung im Beispiel (Annahme: 0 < c 1 + b 1 < 1): Y = c 0 + c 1 (Y T ) + b 0 + b 1 Y b 2 i + G. Y = c 0 c 1 T + b 0 b 2 i + G 1 c 1 b 1. Das Produktionsniveau Y hängt positiv von den autonomen Konsum- und Investitionsausgaben (c 0 und b 0 ) sowie vom staatlichen Konsum G ab. Darüberhinaus hängt Y negativ von den Steuern T und vom Zinssatz i ab.

Der Multiplikator 24 Der Multiplikator: Der Multiplikator ist größer als 1. 1 1 c 1 b 1. Je stärker Konsum und Investitionen auf Veränderungen des Einkommens reagieren, umso größer ist der Multiplikator. Aufgrund von verzögerten Reaktionen auf Seiten der Konsumenten und Unternehmen, benötigt der Multiplikatorprozess in Wirklichkeit Zeit. Im Modell erfolgt die Anpassung sofort.

Investition und Ersparnis 25 Die private Ersparnis ist die Differenz zwischen dem verfügbaren Einkommen der Haushalte und deren Konsum: S p = Y T C. Die Ersparnis des Staates ist die Differenz zwischen Steuereinnahmen (abzüglich geleisteter Transfers) und staatlichem Konsum: S s = T G. Addition dieser zwei Definitionen ergibt S = S p + S s = Y C G. Wenn auf dem Gütermarkt Gleichgewicht herrscht (Y = Z = C + I + G), so folgt also I = S. Der Gütermarkt einer geschlossenen Volkswirtschaft ist genau dann im Gleichgewicht, wenn die Investitionsausgaben gleich der gesamten (privaten und staatlichen) Ersparnis sind.

Fiskalpolitik 26 Das Modell sagt voraus, dass der Staat durch geeignete Veränderungen des staatlichen Konsums G oder der Steuern T (Fiskalpolitik) kurzfristig jedes gewünschte Produktionsniveau Y realisieren kann. Dagegen ist einzuwenden, dass wir bisher den Zinssatz als gegeben betrachtet haben; wir eine geschlossene Volkswirtschaft betrachten (in einer offenen Volkswirtschaft fließt ein Teil der Nachfrage ins Ausland ab, d.h., er wird durch Importe abgedeckt); wir die Rolle von Erwartungen nicht berücksichtigt haben (Haushalte und Unternehmen werden nicht oder nur wenig auf fiskalpolitische Maßnahmen reagieren, wenn sie diese als vorrübergehend empfinden); fiskalpolitische Maßnahmen Nebenwirkungen haben, die im vorliegenden Modell nicht berücksichtigt wurden (z.b. Inflation, Staatsschuld); fiskalpolitische Maßnahmen normalerweise lange Implementierungs- und Wirkungsverzögerungen aufweisen.

Die IS-Kurve 27 Das Produktionsniveau hängt negativ vom Zinssatz i ab. Ein Zinsanstieg lässt die Investitionen zurückgehen, was wiederum einen Einkommensrückgang auslöst. Dieser wird durch den Multiplikatoreffekt noch verstärkt. Die Menge aller Kombinationen (Y, i), bei denen Gütermarktgleichgewicht herrscht, wird als IS-Kurve bezeichnet und ist im (Y, i)-diagramm einen fallende Kurve. Alle Faktoren, die bei gegebenem Zinssatz zu einem Rückgang des Gleichgewichtseinkommens führen, verschieben die IS-Kurve nach links. Es sind dies kontraktive Fiskalpolitik (Steuererhöhung, Reduzierung des staatlichen Konsums) und ein Rückgang des autonomen Konsums oder der autonomen Investitionen. Umgekehrt führt expansive Fiskalpolitik und eine Zunahme der autonomen Ausgaben zu einer Rechtsverschiebung der IS-Kurve.

Geld und Wertpapiere 28 Ein Wirtschaftssubjekt kann sein Vermögen (genauer: Finanzvermögen) in Form von Geld oder in Form von Wertpapieren halten. Geld (Bargeld plus Sichteinlagen bei Geschäftsbanken) wird zur Abwicklung von Transaktionen verwendet, bringt jedoch keine Zinsen. Auf Wertpapiere wird ein nicht-negativer Zinssatz i gezahlt, sie können aber nicht zur Abwicklung von Transaktionen verwendet werden. Die Aufteilung des Vermögens eines Wirtschaftssubjektes auf Geld und Wertpapiere hängt vom Transaktionsvolumen und vom Zinssatz ab: je höher das Transaktionsvolumen, desto mehr Vermögen wird in Form von Geld gehalten; je höher der Zinssatz, desto weniger Vermögen wird in Form von Geld gehalten.

Der Preis (Kurs) von Wertpapieren 29 Wertpapier W 0 : in der Vergangenheit emittiert, Restlaufzeit 1 Jahr, Nennwert N 0, Zinssatz i 0, Preis (Kurs) P 0. Effektivverzinsung i E = N 0(1 + i 0 ) P 0 P 0. Aktuelles Wertpapier mit einjähriger Laufzeit und Nennwert N 0 : Zinssatz (ist gleich Effektivverzinsung) i. Wäre i E < i, so würde jeder, der ein Wertpapier W 0 besitzt, dieses verkaufen wollen, um mit dem Erlös ein neu emittiertes Wertpapier mit einjähriger Laufzeit zu kaufen. Dies würde den Preis P 0 verringern. Umgekehrt würde i E > i zu einem Kursanstieg von W 0 führen. Der Kurs ist nur dann arbitragefrei, wenn i E = i gilt, d.h., wenn P 0 = N 0(1 + i 0 ) 1 + i gilt. Wertpapierkurse steigen (fallen) genau dann wenn der Zinssatz fällt (steigt).

Gleichgewicht auf den Finanzmärkten 30 Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Geld (M d ) hängt vom gesamtwirtschaftlichen Transaktionsvolumen und vom Zinssatz (i) ab. Annahmen: die Geldnachfrage ist proportional zum gesamtwirtschaftlichen Transaktionsvolumen und dieses ist proportional zum nominalen BIP (P Y ): M d = P Y L(i). Die Funktion L(i) ist fallend in i (Liquiditätspräferenz). Für gegebenes Geldangebot M herrscht am Geldmarkt genau dann Gleichgewicht, wenn M = M d gilt, also wenn M/P = Y L(i). Wenn diese Gleichung gilt, hat kein Wirtschaftssubjekt einen Anreiz, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Somit herrscht auch auf dem Wertpapiermarkt Gleichgewicht. M/P ist die reale Geldhaltung.

Die LM-Kurve 31 Die Menge aller Kombinationen (Y, i), bei denen Gleichgewicht auf dem Geldund dem Wertpapiermarkt herrscht, wird als LM-Kurve bezeichnet und ist im (Y, i)-diagramm einen steigende Kurve. Eine Erhöhung der realen Geldmenge verschiebt die LM-Kurve nach rechts unten, eine Verringerung der realen Geldmenge verschiebt sie nach links oben. Die reale Geldhaltung ändert sich, wenn sich das nominale Geldangebot oder das Preisniveau verändert. Das nominale Geldangebot wird durch geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank (Offenmarktgeschäfte) gesteuert.

Zentralbank und Geschäftsbanken 32 Unter Geld verstehen wir Bargeld plus Sichteinlagen bei Geschäftsbanken (Geldmenge M1). Unter Zentralbankgeld (Geldbasis, high-powered money) verstehen wir Bargeld plus Reservehaltung der Geschäftsbanken (Mindestreserven plus freiwillige Reserven). Die Zentralbank kann die Geldbasis direkt durch Offenmarktgeschäfte steuern. Der Zusammenhang zwischen der Geldbasis und der Geldmenge wird durch den Geldschöpfungsmultiplikator beschrieben.

Offenmarktgeschäfte 33 Zentralbanken kaufen von Geschäftsbanken Wertpapiere bzw. verkaufen an Geschäftsbanken Wertpapiere. Dies geschieht auf dem Offenen Markt für Wertpapiere (Offenmarktgeschäfte). Kauft die Zentralbank Wertpapiere von einer Geschäftsbank, so erhöht sie im Gegenzug die Reserven der Geschäftsbank, wodurch sich die Geldbasis erhöht (expansive Offenmarktoperation). Verkauft die Zentralbank Wertpapiere an eine Geschäftsbank, so belastet sie im Gegenzug das Reservekonto der Geschäftsbank, wodurch sich die Geldbasis verringert (kontraktive Offenmarktoperation).

Der Geldschöpfungsmultiplikator 34 Die Geldmenge besteht aus Bargeld und Sichteinlagen: M = CU + D. Die Geldbasis besteht aus Bargeld und Reserven: H = CU + R. Der Anteil der Geldmenge, der in Form von Bargeld gehalten wird, sei c (als konstant angenommen): CU = cm, D = (1 c)m. Der Reservesatz ist jene Menge an Reserven, die die Geschäftsbanken pro Euro Sichteinlage halten. Der Reservesatz sei θ (als konstant und kleiner als 1 angenommen): R = θd. Zusammenhang zwischen Geldbasis und Geldmenge: H = CU + R = CU + θd = cm + θ(1 c)m = [c + θ(1 c)]m. Geldschöpfungsmultiplikator 1 c + θ(1 c) > 1.

Allgemeines Gleichgewicht 35 Entlang der IS-Kurve herrscht Gleichgewicht auf dem Gütermarkt, entlang der LM-Kurve Gleichgewicht auf den Finanzmärkten. Im Schnittpunkt der beiden Kurven herrscht allgemeines Gleichgewicht. Aufgrund unserer Annahmen ist die IS-Kurve fallend, die LM-Kurve steigend: es gibt einen eindeutigen Schnittpunkt. Aus den beiden Gleichgewichtsbedingungen (IS und LM) lassen sich die Gleichgewichtswerte für Produktion (Einkommen) und Zinssatz bestimmen. Variiert man exogene Modellparameter, so führt das zu einer Verschiebung einer oder beider Kurven und daher zu einem neuen Schnittpunkt. Auf diese Weise kann man den Einfluss von exogenen Modellparametern (staatlicher Konsum, Geldmenge, Konsumneigung, autonomer Konsum, etc.) auf die endogenen Variablen (Produktion, Zinssatz, privater Konsum, Geldnachfrage, etc.) bestimmen. Das IS-LM Modell stellt ein sehr einfaches und sehr nützliches Instrument zur Analyse der kurzfristigen Reaktion einer Volkswirtschaft auf exogene Störungen (Wirtschaftspolitik, Nachfrage- und Angebotsschocks, etc.) dar.

Fiskalpolitik, Einkommen und Zinssatz 36 Veränderungen des staatlichen Konsums G oder der Steuern T werden als fiskalpolitische Maßnahmen bezeichnet. Erhöht sich G T, so spricht man von expansiver Fiskalpolitik, verringert sich G T, von kontraktiver Fiskalpolitik. Da weder G noch T in der Gleichung der LM-Kurve vorkommen, bleibt die LM-Kurve von fiskalpolitischen Maßnahmen unberührt. Eine Erhöhung von G oder eine Verringerung von T führt zu einem Anstieg der Güternachfrage. Aufgrund des Multiplikatorprozesses erhöht sich für jeden gegebenen Zinssatz i das Produktionsniveau Y, das zu Gleichgewicht auf dem Gütermarkt führt. Die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts. Die erhöhte Güternachfrage führt zu einer Erhöhung der Geldnachfrage. Da das Geldangebot unverändert bleibt, muss der Zinssatz steigen, um Gleichgewicht auf den Finanzmärkten zu gewährleisten. Die Volkswirtschaft bewegt sich entlang der LM-Kurve nach rechts oben. Das neue allgemeine Gleichgewicht zeichnet sich durch ein höheres Produktionsniveau und einen höheren Zinssatz aus.

Fiskalpolitik, Konsum und Investitionen 37 Annahmegemäß hängt der private Konsum C nur vom verfügbaren Einkommen Y T ab. Wird die Expansion allein durch eine Erhöhung des staatlichen Konsums bewirkt (T bleibt konstant), so steigt der private Konsum, weil Y steigt. Wird die Expansion allein durch eine Steuersenkung bewirkt (G bleibt konstant), so steigt der private Konsum, weil Y steigt und weil T fällt. Annahmegemäß hängen die Investitionen I positiv vom Einkommen Y und negativ vom Zinssatz i ab. Die Auswirkungen der Fiskalpolitik auf die Investitionen sind ohne genaue Kenntnis der Modellparameter und -funktionen nicht zu identifizieren. Hängen die Investitionen nur von Y ab, so bewirkt die Expansion ein Ansteigen von I, hängen sie nur vom Zinssatz ab, so fällt I.

Geldpolitik, Einkommen und Zinssatz 38 Eine Erhöhung des Geldangebots M wird als expansive Geldpolitik, eine Verringerung als kontraktive Geldpolitik bezeichnet. Da M in der Gleichung der IS-Kurve nicht vorkommt, bleibt die IS-Kurve von geldpolitischen Maßnahmen unberührt. Bei einer Erhöhung des Geldangebots M kann das Gleichgewicht auf den Finanzmärkten nur dann bestehen bleiben, wenn sich die Geldnachfrage gleichermaßen erhöht. Bei beliebig gegebenem Produktionsniveau Y ist das genau dann der Fall, wenn der Zinssatz i fällt (man beachte, dass das Preisniveau annahmegemäß konstant ist). Die LM-Kurve verschiebt sich nach unten. Der niedrigere Zinssatz regt die Investitionstätigkeit an, was über den Multiplikatorprozess zu einem Anstieg der Produktion führt. Die Volkswirtschaft bewegt sich entlang der IS-Kurve nach rechts unten. Das neue allgemeine Gleichgewicht zeichnet sich durch ein höheres Produktionsniveau und einen geringeren Zinssatz aus.

Geldpolitik, Konsum und Investitionen 39 Da die Steuern T konstant bleiben, führt expansive Geldpolitik zu einer Erhöhung des verfügbaren Einkommens Y T, was wiederum ein Ansteigen des privaten Konsums C nach sich zieht. Da die Investitionen I positiv vom Einkommen Y und negativ vom Zinssatz i abhängen, führt expansive Geldpolitik zu einer Erhöhung der Investitionen.

Politikmix 40 Oft werden Fiskal- und Geldpolitik zugleich eingesetzt. Dies wird als Politikmix bezeichnet. Bei gleichzeitigem Einsatz von Fiskal- und Geldpolitik verschieben sich sowohl die IS-Kurve als auch die LM-Kurve. Beispiel: Deutschland nach der Wiedervereinigung 1990. Die Wiedervereinigung führte zu einem starken Anstieg der Staatsausgaben G, die nur zum Teil durch Steuererhöhungen finanziert wurden. Expansive Fiskalpolitik. Verschiebung der IS-Kurve nach rechts. Die Deutsche Bundesbank fürchtete ein Überhitzen der Wirtschaft und steuerte durch kontraktive Geldpolitik gegen. Verschiebung der LM-Kurve nach oben. Es kam zu Wirtschaftswachstum bei gleichzeitigem starken Anstieg des Zinsniveaus.

Die deutsche Wiedervereinigung und das Tauziehen zwischen Geld- und Fiskalpolitik Tabelle 5.2 Ausgewählte Makro-Variablen für Deutschland, 1988-1991 Kapitel 5: Das IS-LM Modell 1988 1989 1990 1991 BIP-Wachstum (%) 3.7 3.6 5.7 Anstieg der Investitionen (%) 5.6 7,4 10.1 Budgetüberschuss (% des BIP) (Minus-Zeichen = Defizit) 5.0 7.5 2.2 0.1 2.1 3.3 Kurzfristiger Zinssatz (%) 4.3 7.1 8.5 9.2 2004 Pearson Studium Makroökonomie, 3/e Olivier Blanchard/Gerhard Illing

Anpassungsdynamik 41 Das IS/LM Modell ist ein statisches Modell: Parameteränderungen haben eine unmittelbare Auswirkung auf das Gleichgewicht. In der Realität braucht die Anpassung an veränderte Bedingungen Zeit. Wirtschaftssubjekte nehmen die veränderten Bedingungen nicht immer sofort wahr. Haushalte passen ihre Konsumausgaben nicht sofort an ein verändertes verfügbares Einkommen an. Unternehmen passen ihre Investitionsausgaben nicht sofort an ein verändertes Absatzniveau und an einen veränderten Zinssatz an. Formale Modelle, welche die Anpassungsdynamik beschreiben, existieren, sind aber weitaus komplizierter als das IS/LM Modell. Mit empirischen Untersuchungen kann man bestimmen, wieviel Zeit der Anpassungsprozess benötigt.

5-5 Wie gut bildet das IS-LM-Modell die Fakten ab? Kapitel 5: Das IS-LM Modell Ökonometrische Simulation einer Zinserhöhung durch die Fed. Kurzfristig lässt ein Anstieg des Zinssatzes durch die Fed Produktion sinken und Arbeitslosigkeit steigen. Er wirkt sich zunächst kaum auf die Preise aus. 2004 Pearson Studium Makroökonomie, 3/e Olivier Blanchard/Gerhard Illing