Die Zukunft der Vereinten Nationen

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Transkript:

Entwicklungen und Perspektiven seit 1990 Die Zukunft der Vereinten Nationen Klaus Dicke Der Versuch, eine Prognose zur künftigen Rolle der UNO zu wagen, muss von einer Bestandsaufnahme und Beurteilung ihrer Entwicklung seit 1990 ausgehen. Eine solche Bestandsaufnahme ist deshalb zunächst für den Sicherheitsrat und zumindest kurz auch für andere Organe und Tätigkeitsbereiche der Weltorganisation an den Anfang zu stellen. Danach wird auf die Frage eingegangen, was der Konflikt um den Irak für die Zukunft der UNO bedeutet, und erst auf dieser Grundlage können einige Thesen zur künftigen Rolle der Weltorganisation entwickelt werden. Entwicklung der Friedenssicherung seit 1990 Als sich der Sicherheitsrat im Jahre 1990 mit dem irakischen Überfall auf Kuwait befasste, hatte der Rat in seiner bis dahin 45- jährigen Geschichte 659 Resolutionen verabschiedet. Darunter waren zweifellos gewichtige Entscheidungen die Stichworte Korea, Nahost, Rhodesien und Namibia mögen genügen; aber niemand wird behaupten, dass der Sicherheitsrat bis zu diesem Zeitpunkt ein Organ gewesen ist, das die ihm in Artikel 24 der Charta zugeschriebene Hauptverantwortung für die internationale Sicherheit und den Weltfrieden auch nur annähernd zufriedenstellend wahrgenommen habe. Dagegen spricht die Tatsache, dass Konflikte wie Vietnam oder Kambodscha den Rat tatenlos erlebten, und dagegen sprechen rund 250 Vetos bis 1990, die den Rat in entscheidenden Fragen weitgehend lahm legten. Kaum jemand hätte deshalb Mitte der achtziger Jahre folgende Zahlen prognostiziert: In den seit 1990 vergangenen dreizehn Jahren hat der Sicherheitsrat mehr als 850 Resolutionen verabschiedet, unter denen sich zum Teil höchst komplexe Regelungen wie die Waffenstillstandsstatute für das Kosovo oder für Afghanistan oder aber für den Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien befinden. Um bei diesem enormen quantitativen Anwachsen der Tätigkeit seiner politischen Rolle gerecht werden zu können, hat der Rat Unterorgane zum Beispiel Sanktionsausschüsse eingerichtet und in Gestalt der so genannten Presidential Statements eine neue Äußerungsform kreiert. Er hat in der seitherigen Zeit mehr Operationen der Friedenssicherung mandatiert als alle Organe der UNO zusammengenommen in der Geschichte vor 1990. Um seine Aktivität in diesem Zeitraum angemessen beurteilen zu können, muss analytisch die völkerrechtliche und politische Seite der Entscheidungsfindung von der operativen Seite der Durchführung einzelner Einsätze unterschieden werden. Entscheidungspraxis des Sicherheitsrates In einer völkerrechtlichen und politischen Beurteilung der Entscheidungspraxis des Rates seit 1990 sind insgesamt fünf Innovationen zu erkennen: Erstens hat der Rat spätestens Anfang 1992 zu erkennen gegeben, dass er seine künftige Tätigkeit in verstärktem Ausmaße auf eine weite Interpretation der Nr. 412 März 2004 Seite 43

Klaus Dicke Friedensbedrohung nach Artikel 39 der Charta zu stellen gewillt ist. Und dem ist er in der nachfolgenden Praxis auch gefolgt. Dies hat dazu geführt, dass er in der Lage war, auf die nach 1990 sich fundamental wandelnden Szenarien internationaler Konflikte zu reagieren: vom Schutz der Schiiten und Kurden im Irak über die innerstaatliche Situation in Haiti oder Somalia bis hin zu den privatisierten Kriegen Afrikas oder bereits 1992 dem internationalen Terrorismus. Als Orientierungsmarke für die Feststellung einer Friedensbedrohung diente dabei internationales Ordnungsrecht wie insbesondere Menschenrechte und das Verbot der Proliferation von Massenvernichtungswaffen. Insoweit hat sich der Rat der neuen Realität weltweiter Konflikte gegenüber als höchst flexibel und anpassungsfreudig und zugleich dem Konzept des Rechts- Friedens gegenüber treu erwiesen. Zweitens war der Sicherheitsrat und dies in den Fällen Namibia und Kambodscha bereits vor 1990 gezwungen, sich in starkem Umfang jenem Komplex der Friedenssicherung zuzuwenden, den Boutros-Ghali in seiner 1992 vorgelegten Agenda für den Frieden das post-conflict peace-building genannt hatte, also der Notwendigkeit, umfangreiche Maßnahmen zum Wiederaufbau von Staatlichkeit in Konfliktregionen zu veranlassen und in Kooperation mit dem Generalsekretär der UNO ihre Durchführung politisch zu begleiten. Das Wahlrecht Namibias, die Notverfassung des Kosovos, der Rechtsrahmen für die Wiederaufbauversuche in Afghanistan und den Friedensprozess in Ost-Timor und erst vor wenigen Wochen der äußere Rahmen für die Stabilisierung und den Wiederaufbau Liberias sind unter maßgeblicher Mitwirkung der UNO entstanden und vom Sicherheitsrat verabschiedet worden. Hier hat sich insbesondere seine legitimatorische Funktion bewährt. Drittens hat der Sicherheitsrat auch hier den Notwendigkeiten alltäglicher Praxisanforderungen folgend in mehrfacher Hinsicht völkerrechtliches Neuland betreten. Die Einsetzung des Jugoslawientribunals mag als Beispiel genügen: Dem gängigen Verfahren folgend, hat der Rat zunächst den Generalsekretär um einen Bericht über die politischen und völkerrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Einsetzung ersucht. Der Generalsekretär seinerseits hat die Staaten und Nicht-Regierungsorganisationen befragt und dem Rat folgendes Ergebnis übermittelt: Normalerweise sei die Einsetzung eines solchen Gerichtes auf dem Wege des multilateralen Vertragsschlusses zu betreiben. Dies dauere jedoch unwägbar lange und garantiere nicht, dass alle Betroffenen einem solchen Vertrag beiträten. Deshalb empfehle er eine Einsetzung des Gerichtes unter Kapitel VII der Charta. Dem folgte der Rat. Damit hat er erstens seinem Handeln eine völlig neue Interpretation staatlicher Souveränität zugrundegelegt, hat zweitens der Individualisierung völkerstrafrechtlicher Verantwortung in bewaffneten Konflikten die Bahn gebrochen und hat drittens den Weg eines internationalen Verordnungsgebers beschritten. Kein Staat hat am 28. September 2001 nachhaltig protestiert, als der Rat in einer Resolution nach Kapitel VII die zwar von der Generalversammlung zur Zeichnung aufgelegte, aber nicht in Kraft getretene Konvention zur Unterbindung der Finanzierung des internationalen Terrorismus nicht nur in Kraft gesetzt, sondern zugleich auch einen Ausschuss zur Überwachung ihrer Umsetzung ins Leben gerufen hat. Das war ein Akt akzeptierter und effektiver internationaler Gesetzgebung in Reinkultur ein Novum in der Geschichte des Völkerrechtes. Viertens hat der Sicherheitsrat in den Fällen Libyen im Zusammenhang mit Lockerbie, Afghanistan und zwar bereits Seite 44 Nr. 412 März 2004

Die Zukunft der Vereinten Nationen Der Plenarsaal der UN-Vollversammlung in New York am 26. September 2003. Aus Furcht vor neuen Terroranschlägen ziehen die Vereinten Nationen weitere internationale Mitarbeiter aus dem Irak ab. Nach Einschätzung von UN-Diplomaten in New York ist die Anordnung Annans ein schwerer Schlag für die Bemühungen der USA um größere internationale Legitimität für ihr Besatzungsregime. dpa, Fotograf: Tim Brakemeier 1999, Angola, Sierra Leone und Liberia Maßnahmen erlassen, die nicht-staatliche Akteure einbezogen. Eines der Resultate ist der so genannte Kimberley-Prozess, das heißt der von Staaten wie Südafrika, Angola, Belgien unter anderen getragene Versuch, in Kooperation zwischen Staaten, der Privatwirtschaft und NGOs auf dem Wege eines multilateralen Vertrages ein Zertifizierungssystem für Rohdiamanten einzuführen, um dem grausigen Phänomen der so genannten Blutdiamanten Herr zu werden. Was sich hier in weniger als drei Jahren von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt getan hat, ist politisch und völkerrechtlich von höchster Relevanz, wenn man sich etwa vergegenwärtigt, dass der illegale Export von Rohdiamanten aus Angola täglich ein Volumen von etwa einer Million Dollar aufweist, dass die privat finanzierten Kriege in Angola, dem Kongo, Liberia, Sierra Leone und anderswo zu einem gewichtigen Teil aus dem Diamantenhandel finanziert werden und dass das größte Problem für eine effektive Regelung nicht technischer, sondern politischvölkerrechtlicher Art ist: Die Frage, wie sich eine solche Zertifizierung zum neoliberalen WTO-Recht verhält, zeigt, dass die Tätigkeit des Sicherheitsrates unmittelbar in Fragen einer globalen Verfassungsordnung mündet. Und schließlich hat sich der Rat fünftens darüber hinaus auch bemüht, strukturelle Fragen der Friedenssicherung zu behandeln und hier zu einheitlichen Regelungen beziehungsweise Standards zu gelangen. Das beginnt mit dem bereits 1990 an den Generalsekretär gerichteten Auftrag, eine Nr. 412 März 2004 Seite 45

Klaus Dicke Studie über künftige Maßnahmen der Friedenssicherung zu erstellen, der in der bereits zitierten Agenda für den Frieden eingelöst wurde, setzt sich fort über die Behandlung der sehr kritischen Berichte des Generalsekretärs über Srebrenica oder den so genannten Brahimi-Bericht bis hin zu dessen jüngster Reforminitiative. Bisherige Ergebnisse sind etwa allgemeine Richtlinien für Alltagsprobleme der Friedenssicherung Frauen in bewaffneten Konflikten, HIV/AIDS und bewaffnete Konflikte, Kindersoldaten und anderes mehr sowie eine deutlich verbesserte Kooperation zwischen dem Sicherheitsrat und dem Sekretariat. Man sollte den Sicherheitsrat nicht in die Nähe einer Weltregierung bringen, aber es sei doch die Frage erlaubt, ob die in den fünf genannten Punkten nur angerissene Bilanz dieses Organes seit 1990 in den weltpolitischen Outputs der Vereinigten Staaten, von Europa ganz zu schweigen, eine auch nur einigermaßen entsprechende Innovationskraft findet. Man kann Madelaine Albright nur sehr zustimmen, dass die so viel diskutierte amerikanische Strategie der Präemption bei Lichte betrachtet nichts wirklich Neues bietet, sollte aber auch die Frage stellen, woran es liegt, dass sie mehr politische Aufmerksamkeit gefunden hat als das Innovationspotenzial der Praxis des Sicherheitsrates seit 1990. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass der praktische Erfolg der vom Sicherheitsrat mandatierten und unter der Flagge und Verantwortung der UNO durchgeführten Operationen durchwachsen war, jedenfalls keinesfalls das hielt, was die Euphorie der frühen neunziger Jahre an Erwartungen über die Friedenssicherung der UNO hegte und weckte. Bilanz in der Friedenssicherung Auch was die Leistungsbilanz und die Defizite der von der UNO durchgeführten oder auch nicht durchgeführten Operationen seit 1990 angeht, können nur grobe Linien aufgezeigt werden. Insgesamt sechs Punkte, drei fallbezogene und drei allgemeine, scheinen wichtig: Das erste Fallbeispiel ist das ehemalige Jugoslawien. Hier hat die UNO mehrere Dinge schmerzlich lernen müssen. Erstens hat sich gezeigt, dass das Vertrauen auf die Wirkung des kooperativen Instrumentes der Blauhelme bei mangelnder Kooperationsbereitschaft auch nur einer Konfliktpartei massiv enttäuscht wird, ohne dass der Organisation unmittelbare Eskalationsoptionen zu Gebote stehen. Damit hängt zweitens das Phänomen der doppelten Agenda zusammen: für den Balkan gab es nationale russische, französische, deutsche Agenden, die nicht mit der Agenda des Sicherheitsrates abgestimmt waren. Zwei Lehren sind daraus zu ziehen: Nur da, wo der Sicherheitsrat im Zentrum politischer Agenden steht und seine primäre Verantwortung für den Weltfrieden anerkannt wird, kann er Erfolg haben. Und zum andern: Der Einsatz von Blauhelmen kommt nur beim Vorliegen der Kooperationsbereitschaft aller Konfliktparteien in Frage, in allen anderen Fällen sind von vornherein Einsätze nach Kapitel VII ins Auge zu fassen. Die Fähigkeit der UNO, solche durchzuführen, ist freilich begrenzt, und daraus resultiert ein zweites Problem: Zweitens sind Somalia und Ruanda Chiffren für ein Versagen der UNO. Im ersten Fall gelang es trotz signifikanter Erfolge von UNOSOM I nicht, die Lage im Land zu stabilisieren und sich gegen marodierende Stammes-Banden durchzusetzen; das Scheitern war insgesamt kläglich. In Ruanda wusste man um die Gefahr eines Stammeskrieges; entschlossenes Handeln hingegen unterblieb. Die Gründe können hier nicht aufgearbeitet werden, aber folgendes ist im Ergebnis festzuhalten: Die psychologischen Konsequenzen waren ein wirklicher Rück- Seite 46 Nr. 412 März 2004

Die Zukunft der Vereinten Nationen schlag für die Idee multilateraler Friedenssicherung, denn sie legten eine grundsätzliche Schwäche der kollektiven Sicherheit auch nach 1990 bloß: ihre Selektivität. Schon im Fall Jugoslawien war zur Erklärung der Zögerlichkeit im Vorgehen der Staatengemeinschaft das fehlende Öl zitiert worden. Im Fall Ruanda war es die schlichte Angst, ein zweites Somalia zu erleben, und vielleicht auch die Feigheit, in einem vermeintlich randständigen Welteckchen die ansonsten hochgehaltenen Grundsätze lieber vorerst im Schrank zu lassen. Seit Somalia und Ruanda steht der Sicherheitsrat jedenfalls vor der Frage, wie er künftig mit dem Problem des doppelten Standards umzugehen gedenkt. Das dritte Fallbeispiel ist Kosovo. Seit der Resolution 1244 herrscht hier eine Art geordnetes Chaos, ein Wust von Zuständigkeiten und Engagements internationaler Organisationen, ein Konsolidierungsprozess, dessen Ziel unklar ist substantial autonomy lautet die Formel von 1244 und der bisher kaum einmal alle beteiligten ethnischen Parteien an einen Tisch brachte; es sind bestenfalls leise Fortschritte im Aufbau der technischen und politischen Infrastruktur zu verzeichnen bei ebenso leiser Beibehaltung völliger serbischer Isolierung. Die einzige Hoffnung auf Stabilität liegt darin, dass die KFOR auf lange Dauer im Land bleibt. Allerdings ist erstens die Situation in Ost- Timor um Etliches besser, und zweitens ist es ein riesiger Erfolg, dass im Schatten des im Kosovo herrschenden geordneten Chaos es immerhin möglich ist, zum Beispiel im Rahmen von Winterschools der Coimbra-Group serbische, albanische, kroatische und montenegrinische Studierende mit Kommilitonen und Kommilitoninnen aus EU-Staaten über Demokratie und Minderheitenschutz diskutieren zu lassen. Damit ist europäische Zukunft immerhin wieder oder vielleicht auch allererst möglich. Was viertens die operativen Möglichkeiten der UNO angeht, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass jeder Einsatz vom Generalsekretär ein hohes Maß an organisatorischem und koordinatorischem Aufwand verlangt. Das Zusammenstellen und die Einsatzleitung von Truppen- und Polizeikontingenten müssen mit den beteiligten Staaten abgestimmt werden; in aller Regel mehr als ein Dutzend beteiligter internationaler Organisationen müssen koordiniert werden, und wie etwa im ehemaligen Jugoslawien ist ein Zusammenführen militärischer und ziviler Sicherheits- und Aufbaukräfte unter Beteiligung von NATO, OSZE, EU, einzelnen Mitgliedsstaaten und vor allem allen beteiligten Konfliktparteien erforderlich. Trotz Personalabbaus hat hier die Kapazität des Sekretariates in den neunziger Jahren eine nicht unerhebliche Verbesserung erfahren; lessons learned-groups, die bereits erwähnten Berichte des Generalsekretäres selbst und der Gruppe um Brahimi haben mindestens in den Bereichen der Kommunikation und des Managements zu Verbesserungen in der Leitungsstruktur geführt, ohne freilich bereits eine routinisierte Strategie für Großeinsätze erkennbar werden zu lassen. Dies liegt fünftens neben der Notwendigkeit, die Besonderheiten des Einzelfalles jeweils zu berücksichtigen, vor allem auch darin begründet, dass in den Fällen Kosovo, Afghanistan, Liberia und nun auch Irak die UNO erst zu einem relativ späten Zeitpunkt wieder ins Spiel kam und die jeweiligen Operationsbedingungen erst im unmittelbaren Vorfeld des Einsatzes ausgehandelt werden konnten. Dabei haben sich Arbeitsteilungen herausgeschält, die zum Beispiel im Falle Afghanistan die Rolle der UNO in starkem Umfang auf den humanitären Bereich und die Vermittlung technischer Hilfe beschränken, die politische Leitung aber dem Zusammenspiel zwischen der Regierung des Landes und dem militärischen Nr. 412 März 2004 Seite 47

Klaus Dicke Kommando vorbehalten. Ob diese Entwicklung im Sinne der kollektiven Sicherheit ist, kann immerhin bezweifelt werden. Schließlich sind sechstens die Grenzen für Einsätze der Vereinten Nationen zu benennen: Sie sind ausschließlich politischer Art und liegen im Vorhandensein und Grad des Ausmaßes begründet, in welchem die Staaten und hier namentlich die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zu einem Engagement in Konfliktzonen unter der Führung des Sicherheitsrates bereit sind. Bilanz in anderen Tätigkeitsbereichen Man kann die Tätigkeit der UNO nicht auf dieses Feld der Friedenssicherung beschränken, wenngleich es nach 1990 wieder deutlich ins Zentrum getreten ist. Deshalb seien hier zumindest andeutungsweise auch die übrigen Betätigungsfelder der UNO angesprochen, die aus der Perspektive der Bundesrepublik Deutschland vielleicht in den Hintergrund treten, aber für die Mehrzahl der 191 Mitglieder von existenzieller Bedeutung sind oder besser: bislang von existenzieller Bedeutung waren. Denn in nicht wenigen Bereichen haben sich deutliche Veränderungen vollzogen. Hier einige Stichworte: Im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hat die WTO binnen kürzester Zeit andere Regime in den Hintergrund gedrängt. Das Scheitern des WTO- Gipfels in Cancún an einer Gruppe von 21 Entwicklungsländern zeigt zweierlei: erstens die Konzentration des weltwirtschaftlichen Multilateralismus auf die WTO und zweitens zunehmende Konsensprobleme vor allem im Hinblick auf die nach wie vor ungelösten sozial-, umwelt- und entwicklungspolitischen Kollateralfragen der Welthandelsordnung. Im Bereich der Umweltpolitik zeigen sich Grenzen des kooperativen Multilateralismus überhaupt, und zwar erstens Grenzen im Hinblick auf globale Problemlagen, das heißt solche, die bei Nichtkooperation auch nur eines einzigen potenten Partners ungelöst bleiben. Zweitens zeigen sich Grenzen ganz anderer Art, die gelegentlich mit dem Stichwort overload of commitments belegt werden: Schweden rechnete jüngst vor, dass seine Mitgliedschaft bei zahlreichen internationalen Umweltabkommen dazu führe, dass ganze Ministerien rund ums Jahr mit Konferenzen in aller Herren Länder ausgebucht sind. Hier stellen sich Grenznutzenfragen, die ihrerseits Reformüberlegungen etwa im Hinblick auf das UNEP nahezu zwingend machen, zugleich aber darauf hinweisen, dass mindestens in Einzelbereichen der Schritt von der internationalen Kooperation zur Supranationalität die rationale Lösung darstellt. Für den Umweltschutz des Meeresbodens ist dieser Schritt seit Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens vollzogen. Für den Menschenrechtsbereich ließe sich Ähnliches aufzeigen, doch ist hier eine andere Entwicklung noch auffallender: Sowohl die Weltrassismus-Konferenz in Durban als auch die Tatsache, dass wir inzwischen mehrere internationale Konventionen haben den Strafgerichtshof, die Anti-Personenminen-Konvention, die Konvention gegen Kindersoldaten, die durch Initiativen von NGO- Netzwerken entstanden sind, weisen darauf hin, dass sich die politische Landschaft, in der sich die multilaterale Diplomatie zu bewegen hat, fundamental geändert hat. Die Umbenennung der für die UNO zuständigen Abteilung des Auswärtigen Amtes in Globale Fragen, Vereinte Nationen, Menschenrechte und humanitäre Hilfe und die vor zehn Jahren noch nicht denkbare Bereitschaft des Amtes, Jugendvertreter in die Delegation bei der Generalversammlung aufzunehmen, sind Indizien für und Reaktionen auf solche Veränderungen ebenso wie die Tatsache, dass die einzige Weltkonferenz des Seite 48 Nr. 412 März 2004

Die Zukunft der Vereinten Nationen Jahres 2003 der Informationsgesellschaft gewidmet war. Die Globalisierung ist die neue Herausforderung für die UNO schlechthin. Vor diesem Hintergrund ist schließlich die so genannte Global Compact-Initiative Kofi Annans aus dem Jahre 1999 zu würdigen. Annan hatte auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vorgeschlagen, dass multinational tätige Unternehmen sich auf die Einhaltung von neun einfach formulierten Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsrecht und Umweltschutz verpflichten sollen und unter der Auflage, jährlich über best practices zu berichten, im Gegenzug das Logo des Global Compact zu PR-Zwecken nutzen und sich als Partners of the United Nations präsentieren dürfen. In nur vier Jahren ist daraus ein riesiges Netzwerk aus Unternehmen und NGOs geworden, das inzwischen auch von Staaten genutzt wird, um zum Beispiel Konferenzen über die Frage abzuhalten, in welcher Weise multinationale Unternehmen bei dem Bemühen, die Sümpfe der so genannten privatisierten Kriege in Afrika auszutrocknen, einbezogen werden können. Nimmt man weitere Beispiele wie etwa die HIV/AIDS-Kampagne der UNO und andere hinzu, dann ist im Überblick das wichtigste Ergebnis für die Frage nach der Zukunft der Vereinten Nationen eine fundamentale Veränderung der politischen Umwelt, in der die Organisation und in der die Mitgliedsstaaten agieren. Die Homepage als Politikinstrument, globale Netzwerke als constituency, der starke Rückgriff auf nicht staatlich organisierten Sachverstand und die Einbeziehung nicht staatlicher Akteure in allen Phasen des Politikprozesses sind alltägliche Realität im Funktionieren der UNO. Dass damit nicht nur neue Politikstile, sondern auch deutlich veränderte Anforderungen an Konsensfindung und Legitimität verbunden sind, wird bei der Einschätzung der künftigen Rolle der UNO zu berücksichtigen sein. Die Folgen des Irak-Konfliktes Die Ereignisse am 20. März 2003 sowie die weit in die neunziger Jahre zurückreichenden Entwicklungen, die zu dem Irak- Krieg führten, haben zweifellos zu einer schweren Krise der kollektiven Sicherheit geführt. Ohne dies in irgendeiner Weise zu relativieren, ist für eine Beurteilung der Konsequenzen auf Folgendes hinzuweisen: Erstens ist mit der Resolution 1511 vom 15. Oktober 2003 insofern ein gewisser Burgfriede wiederhergestellt, als die Erreichbarkeit von Einstimmigkeit demonstriert wurde und sich insbesondere der Generalsekretär mit seinen die Sicherheit des UNO-Personals betreffenden Forderungen durchsetzen konnte. Der Preis ist freilich sehr hoch: Nicht nur wird die UNO für alles, was im Irak künftig geschieht, politisch mitverantwortlich sein, sondern in gewisser Weise hat sie ein weiteres Mal in eine Arbeitsteilung eingewilligt, die sie zumindest stark in die Rolle des humanitären Aufräumers drängt, ohne dass bereits sichtbar wäre, dass sie im Falle des Iraks dieser Aufgabe gewachsen ist. Zweitens hat sich die Position der USA durch den Irak-Krieg nicht unerheblich verschlechtert. Die seitherige innenpolitische Diskussion ist wieder polyphon, will sagen: Das Schweigen der Kritiker des Unilateralismus nach dem 11. September 2001 hat ein Ende. Dem Artikel Michael Glennons in der Sommer-Ausgabe von Foreign Affairs, der eine krude Absage an die UNO und das Konzept der kollektiven Sicherheit enthielt, folgte eine in ihrer Deutlichkeit fast europäisch zu nennende Würdigung der UNO durch Madeleine Albright in Foreign Policy und ein Artikel Shashi Tharoors über die Rolle der UNO in Foreign Affairs. Ferner zeigen die Ereignisse im Irak auch, was die sole superpower eben nicht vermag. Die Rückkehr auf eine Nr. 412 März 2004 Seite 49

Klaus Dicke Führungsposition im Sicherheitsrat liegt im Interesse der USA, aber eine solche Rückkehr hat Hindernisse zu überwinden, wie die Zurückhaltung bei der Pledging-Konferenz in Madrid, aber zum Beispiel auch das Einbringen einer Israel-Resolution in den Sicherheitsrat durch Syrien mit dem politischen Ziel, die USA zu einem Veto zu bewegen und damit vorzuführen, zeigen. In diesem Kontext ist es durchaus bemerkenswert, in welcher Weise Kofi Annan beim Beginn der 58. Generalversammlung das Thema Reform der Vereinten Nationen und namentlich des Sicherheitsrates wieder ins Gespräch brachte. Dahinter steht wohl erstens die Einsicht, dass der drohende Glaubwürdigkeitsverlust des Sicherheitsrates nur durch Handeln abgewendet werden kann, zweitens das Kalkül, dass keinem der ständigen Mitglieder des Rates nach dem 20. März in seiner VN-politischen Haut wirklich wohl war und insoweit die Gunst der Stunde zu nutzen sei. Es wäre zwar sicher verwegen, eine Sicherheitsratsreform auf dem Wege einer Änderung der Charta in einem überschaubaren Zeitraum zu erwarten, aber neue Anstöße verspricht die Initiative Annans allemal. Einige Thesen zur künftigen Rolle der UNO Nur einige wenige Überlegungen: Ein möglicher Weg, die Kapazitäten der Weltorganisation für den gesamten Bereich des so genannten post-conflict peacebuilding zu erhöhen, besteht in einer Revitalisierung und Umwidmung des Treuhandrates zu einer Aufbauagentur für failed states. Der Vorteil einer solchen Agentur, die nach dem Vorbild der IAEA mit dem Sicherheitsrat verbunden werden könnte, wäre vielfältiger Art: Von der Konzentration von Sachverstand über die Möglichkeit einer personellen Aufstockung, die Entlastung des Sicherheitsrates und des Sekretariats bis hin zur Stärkung der Autorität der Vereinten Nationen reichen sie. Zudem wäre politisch für die Frage des post-conflict peace-building eine Adresse geschaffen, worin freilich auch eine gewisse Gefahr liegt, die Gefahr nämlich, die Rolle der UNO in der Friedenssicherung auf diese Funktion einzuschränken. Zudem würde sich umgekehrt in dem Maße, in dem diesem Organ Kompetenzen zugewiesen würden, auch Legitimitätsanforderungen erhöhen. Ganz anders gelagert ist die gerade auch in der Bundesrepublik gelegentlich erörterte Frage, ob und inwieweit Reformen im Hinblick auf bessere Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich sind. Unabhängig von der Einschätzung, dass die völkerrechtlich durchaus ausreichenden Handlungsmöglichkeiten nach Kapitel VII der Charta nach dem 11. September gerade nicht genutzt wurden, ist hier doch politischer Handlungsbedarf festzuhalten. Allerdings ist in erster Linie die Generalversammlung gefordert, zu einem Konsens über eine umfassendere Konvention zur Terrorbekämpfung zu gelangen. Voraussetzung dafür ist und bleibt jedoch eine Befriedung des Nahen Ostens. Schließlich ist aber auch darauf hinzuweisen, dass der 20. März 2003 keineswegs zu einer Untätigkeit des Sicherheitsrates geführt hat. Im Gegenteil, am 15. Oktober dieses Jahres wurde die größte UNO-Operation seit Jahren, die in Liberia, mandatiert. Hier wird der Erfolg darüber entscheiden, ob dies ein erster Schritt für eine Friedensordnung in Zentralafrika war, dem freilich nicht wenige weitere folgen müssen. Insbesondere mit Blick auf Afrika wird auch eine stärkere Regionalisierung der Friedenssicherung erforderlich sein; und man kann davon ausgehen, dass dieses Thema bei den anstehenden Reformüberlegungen eine gewichtige Rolle spielen wird. Seite 50 Nr. 412 März 2004