Kurzgutachten. Darüber hinaus wird ein weiterer Haftgrund anerkannt: die Wiederholungsgefahr. 112a StPO lautet wie folgt:



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Transkript:

Kurzgutachten Hiermit wird von mir, Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Fachanwalt für Strafrecht, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins und Lehrbeauftragten an der Johann Wolfgang von Goethe Universität Frankfurt am Main folgendes Kurzgutachten zu den Voraussetzungen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr im deutschen und im griechischen Strafprozessrecht im Falle Timo Behrendt (Nr. des Haftbefehls: 9/2007)- erstellt: Im deutschen Strafprozessrecht werden in den 112 StPO die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft näher geregelt. Bekanntlich setzt die Verhängung der besonders eingriffsintensiven und grundrechtseinschränkenden Ermittlungsmaßnahme der Untersuchungshaft einen Haftbefehl voraus. Dieser ergeht erst dann, wenn ein der abschließend geregelten Haftgründe vorliegt. Als Haftgründe werden vorrangig die Flucht- und die Verdunkelungsgefahr formuliert ( 112 StPO). In der einschlägigen Vorschrift werden diese Begriffe näher präzisiert. Darüber hinaus wird ein weiterer Haftgrund anerkannt: die Wiederholungsgefahr. 112a StPO lautet wie folgt: (1) Ein Haftgrund besteht auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist, 1. eine Straftat nach den 174, 174a, 176 bis 179 des StGB oder 2. wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach 125a, nach den 224 bis 227, nach den 243, 244, 249 bis 255, 260, nach 263, nach den 306 bis 306c oder 316a des Strafgesetzbuches oder nach 29 Abs. 1 Nr. 1, 4, 10 oder Abs. 3, 29a Abs. 1, 30 Abs. 1, 30a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes begangen zu haben, und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen werde, die Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich und in den Fällen der Nummer 2 eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach 112 vorliegen und die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach 116 Abs. 1, 2 nicht gegeben sind. Dieser Haftgrund wird allerdings zu Recht in einer besonderen Vorschrift geregelt, denn die Art der Untersuchungshaft, auf die er abzielt, weist einen anderen Charakter auf. Während nach herrschender Ansicht in Theorie und Rechtssprechung die Untersuchungshaft der Sicherung des Strafverfahrens dient, (in der Form der Sicherung von Beweisen, der Sicherung der physischen Anwesenheit des Beschuldigten usw.) wird durch die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr, auch Sicherungshaft genannt, der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten von besonders gefährlichen Straftätern bezweckt. Somit handelt es sich dabei um eine polizeilich-

vorbeugende Maßnahme 1. Solche Vorschriften präventiven Charakters sind dem deutschen Strafprozessrecht nicht fremd (Beispiele: 111, 126, 132a StPO), wegen ihrer Eingriffsintensität jedoch immer restriktiv zu handhaben. Die Sicherungshaft bzw. die Wiederholungsgefahr als Haftgrund hat bereits einer verfassungsrechtlichen Überprüfung überstanden 2, es bleibt allerdings umstritten, ob sie nach der Novellierung durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 den verfassungsrechtlichen Standards immer noch entsprechen würde. Zur Aktivierung der Vorschrift des 112a StPO müssen folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen: a. dringender Verdacht einer der inm S. 1 Nr. 1 und 2 abschließend bezeichneten Straftaten seitens des Beschuldigten, b. bestimmte Tatsachen, welche die Gefahr begründen, dass der Beschuldigte vor Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird und c. die Erforderlichkeit der Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr. Es lohnt sich allerdings, auf diese Voraussetzungen ausführlicher einzugehen, um die Besonderheiten der Vorschrift und die Fälle ihrer Anwendbarkeit besser zu erschließen. Der Gesetzgeber schreibt die Wiederholungsgefahr als einen Haftgrund für zwei Kategorien von Straftaten vor: die erste bezieht sich auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ( 174, 174a, 176 bis 179 StGB); solche Straftaten müssen nicht wiederholt oder fortgesetzt begangen worden sein; der Gesetzgeber scheint in diesem Fall davon auszugehen, dass ein besonders schutzbedürftiger Kreis der Bevölkerung vor mit hoher Wahrscheinlichkeit drohenden schweren Delikten bewahrt werden soll 3. Hierbei schwingt auch die Überlegung mit, dass bei Sexualstraftätern ein so schwerwiegendes Persönlichkeitsdefizit vorliegt, das auch bei einmaliger Tatbegehung eine besondere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit darstellt. Die zweite Konstellation enthält Straftaten, die erfahrungsgemäß besonders häufig von Serientätern begangen werden 4. Konkret werden im 112 Nr. 2 als solche die Tatbestände des schweren Landfriedensbruchs ( 125a StGB), qualifizierte Körperverletzungen ( 224 bis 227), besonders schwere formen von Diebstahl und Unterschlagung sowie räuberische Erpressung ( 243, 244, 249 bis 255), gewerbsmäßige und Bandenhehlerei ( 260), Betrug ( 263), Brandstiftung ( 306 bis 306c), räuberischer Angriff auf Kraftfahrer ( 316c) und schließlich erhebliche Betäubungsmittelstraftaten ( 29 ff. BtMG). Diese müssen wiederholt oder fortgesetzt begangen worden sein und die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt haben. Wiederholt wird eine Straftat begangen, wenn sie mindestens zweimal durch rechtlich selbständige Handlungen begangen wurde. Dabei werden geringfügige Abweichungen nicht berücksichtigt. Durch die Anlasstaten, die im Nr. 2 aufgezählt werden, muss, wie bereits erwähnt, zusätzlich eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung eingetreten sein. Wenn man denkt, dass die dort aufgeführten Straftatbestände eher dem Bereich der mittelschweren Kriminalität einzustufen sind, 1 Müller-Dietz, Probleme der Untersuchungshaft, S. 11 2 BVefGE 35, 185, 188, in: NJW 1973, 1363, 1364 3 Vgl. BVerfGE 19, 342, 350, in: NJW 1966, 243, 244 4 StPO Kommentar, Meyer-Goßner, 49. Auflage, 112 a, Rn. 7

muss die Tat besonders schwer wiegen. Für diese Taten muss zusätzlich eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten sein. Sowohl bei einmalig begangenen Sexualstraftaten als auch bei den wiederholt oder fortgesetzt begangenen sonstigen Taten, rechtfertigt erst die Wiederholungsgefahr die Anordnung von Untersuchungshaft. Eine solche liegt nach dem Gesetzeswortlaut dann vor, wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird. Erheblich sind nach ständiger Auffassung in der Kommentierung und in der Rechtssprechung diejenigen Straftaten, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität angehören 5. Zudem wird ihre Gleichartigkeit verlangt. Dabei handelt es sich um eine Prognose auf das Erscheinungsbild der von demselben Beschuldigten künftig zu erwartenden Straftaten. Ihr Erscheinungsbild muss nämlich mit dem der bereits begangenen Taten übereinstimmen. Allerdings genügt es, wenn die rechtsethische und psychologische Grundlage, auf welche die Straftaten zurückgehen, vergleichbar ist 6. Das setzt eine Gesamtbetrachtung des Tatgeschehens und ihre Anknüpfung an eine potentielle Serienmäßigkeit der Taten des Beschuldigten. Diese Prognose muss sich allerdings auf bestimmte Tatsachen stützen, die eine so starke Neigung des Beschuldigten zu ähnlichen, so schwerwiegenden Straftaten erkennen lassen, die es wahrscheinlich machen, dass der Beschuldigte vor seiner Verurteilung diese Serie gleichartiger Taten wiederholen oder fortsetzen wird. Unumstritten ist auch in Theorie und Rechtssprechung, dass diese Neigung anhand von konkreten Persönlichkeitsmerkmalen erschlossen wird. In die Prognose sind bspw. Erwägungen einzubeziehen, die mit den Vorstrafen des Beschuldigten, den Abständen zwischen vergangenen Straftaten, mit seiner allgemeinen Persönlichkeitsstruktur, mit seinem sozialen Umfeld und seinen sozialen Bindungen zusammenhängen 7. Eine Vorstrafe wegen einer ähnlichen Tat wird nunmehr nicht als Voraussetzung zur Bejahung der Wiederholungsgefahr festgeschrieben. Möglich ist seit dieser Novellierung die Anordnung von Untersuchungshaft, auch wenn in der Vergangenheit keine andere Straftat begangen wurde. In diesem Fall ist besondere Sorgfalt geboten, ob die zur Verfügung stehenden Tatsachen die Gefahr der Wiederholung erheblicher Straftaten ausreichend begründen können 8. Zuletzt wird als Voraussetzung zur Anordnung der Sicherungshaft ausdrücklich ihre Erforderlichkeit formuliert. Ob die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr erforderlich ist, bemisst sich nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität. Wenn z.b. die Wiederholungsgefahr durch andere, für den Beschuldigten mildere Maßnahmen abgewendet werden kann, ist diese Sicherungshaft unverhältnismäßig und dafür unzulässig. Diese Art von Untersuchungshaft verhält sich zur Grundnorm des 112 StPO subsidiär, so dass zuerst die Voraussetzungen dieser 5 Karslruher Kommentar, 112a StPO, Rn. 17 6 BezG Meiningen NStE Nr. 2 7 Meyer-Goßner, 112a, Rn. 14 8 Vgl. Hohmann, StraFo 1999, 213

Vorschrift geprüft werden müssen. Liegen ihre Voraussetzungen auch vor und kommt gleichzeitig eine Haftverschonung nach 116 Abs. I, II StPO nicht in Betracht, muss sich der Haftbefehl auf 112 berufen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sicherungshaft im deutschen Strafprozessrecht eine besonders schwerwiegende Maßnahme des Ermittlungsverfahrens darstellt. Da sie eine besondere, von anderen Haftgründen abweichende Zweckrichtung aufweist und lediglich kraft einer Prognose angeordnet wird, muss sie besonders sorgfältig gehandhabt werden. Diese Überlegungen werden von der gerichtlichen Praxis in Deutschland auch geteilt, so dass die damit befassten Richter in der Regel sehr sorgfältig mit der Prüfung der Voraussetzungen der Sicherungshaft vorgehen. Die Wiederholungsgefahr wird auf diese Weise relativ selten bejaht und zwar nur in Fällen, wo der Beschuldigte bereits in einem kriminellen Milieu so stark eingebunden ist und eine Vielzahl von Straftaten serienmäßig begangen hat, so dass sich die Besorgnis, dass er vor seiner Verurteilung weitere Straftaten begehen wird, aufdrängt. Die Möglichkeit der Anordnung von Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr wird auch im Art. 5 c), 2. Alt. EMRK beschrieben. Die Konvention enthält jedoch keine näheren Bedingungen zur Anordnung dieser Maßnahme, so dass die vom jeweiligen nationalen Recht strengeren Voraussetzungen jedenfalls mit der Konvention verträglich sind 9. Das griechische Recht sieht ebenfalls die Möglichkeit von Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr vor. Die Voraussetzungen werden jedoch im Gesetzeswortlaut der griechischen StPO sogar ausführlicher beschrieben. Die Sicherungshaft kann somit nach Art. 282 grstpo dann angeordnet werden, wenn es hinreichend begründet werden kann, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte andere Vergehen oder Verbrechen begehen wird, falls er freigelassen wird. Diese Begründung muss sich aus konkret erwähnten Tatsachen seines Vorlebens oder aus den besonderen Merkmalen der Anlasstat ergeben. Die Wiederholungsgefahr muss nach griechischem Recht entweder aus besonderen Persönlichkeitsmerkmalen des Täters oder aus den besonderen Merkmalen der Tat gerechtfertigt erscheint. Darüber hinaus wird im Art. 282 Abs. III, S. 2 grstpo klargestellt, dass die Schwere der Tat für sich zur Anordnung der Untersuchungshaft nicht ausreicht. Wenn aber der griechische Gesetzgeber an die Anordnung von Sicherungshaft so hohe Anforderungen stellt, wäre diesbezüglich eine besondere Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft zu erwarten. Wir haben den Fall von Timo Behrendt anhand der dem griechischen Verteidiger, Herr Rechtsanwalt Harilaos Ladis, studiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass von einer fehlerhaften Anwendung der einschlägigen Vorschriften auszugehen ist. Die Tatsachen, auf die sich die Wiederholungsgefahr stützen soll, wurden im Haftbefehl 9 Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Art. 5, Rn. 73ff.; Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, Art. 5, Rn. 70 ff.

sowie in der Stellungnahme der Staatsanwältin entgegen der Erfordernisse des griechischen Strafprozessrechts nicht ausführlich und damit nicht in einer Weise dargestellt, die eine Überprüfung der Haftvoraussetzung der Wiederholungsgefahr durch einen objektiven Betrachter erlaubt. Wie vielmehr der Verteidiger von Timo Behrendt, Herr Rechtsanwalt Harilaos Ladis in seinem Haftprüfungsantrag dargelegt hat, muss der Haftbefehl auf die Voraussetzungen der Wiederholungsgefahr ausführlich eingehen. Vor allem muss dort Stellung genommen werden, ob die besonderen Merkmale der Anlasstat und das Vorleben des Täters kumulativ eine Wiederholungsgefahr als wahrscheinlich erkennen lassen. Auf solche Einlassungen hat die Staatsanwaltschaft im Fall von Beschuldigten Timo Behrendt verzichtet und eine Wiederholungsgefahr entgegen dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur aufgrund der Schwere der Tat (Brandstiftung, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Widerstand gegen die Staatsgewalt) angenommen. Die Begründung einer Wiederholungsgefahr aufgrund von Tatsachen aus dem Vorleben des Beschuldigten wurde im Haftbefehl gar nicht erwähnt. Auf diese Weise wurden Tatsachen aus dem Vorleben des vermutlichen Täters völlig ignoriert. Diese Tatsachen, besonders das eintragungsfreie Führungszeugnis des Beschuldigten, seine persönlichen, sozialen und familiären Bindungen, letztendlich sein gesamtes Persönlichkeitsbild sprechen nicht nur für seine Unschuld, sondern auch gegen eine angebliche Wiederholungsgefahr. Im Übrigen bestreitet der Beschuldigte die Tat mit einer durchaus glaubhaften und auf konkrete Indizien gestützten Einlassung. Selbst wenn sich die von der Staatsanwaltschaft derzeit unterstellte Version des Tatgeschehens als wahr erweisen sollte, würde es sich bei dem vorgeworfenen Tatgeschehen um einen äußerst spontanen, unüberlegten, ungeplanten und unprofessionellen Handlungsablauf handeln. Dieser spricht sehr stark dafür, dass es sich- vorausgesetzt der Tatvorwurf erwiese sich als wahreher um einen in politische Strukturen nicht eingebundenen und außerhalb dieser agierenden Ersttäter handelt, von dem eine Tatwiederholung nicht zu erwarten ist. Die mangelnde Berücksichtigung von den Beschuldigten entlastenden Tatsachen wiegt noch schwerer, denn aufgrund dieses Umstands muss er eine besonders eingriffsintensive Maßnahme für einen längeren Zeitraum ertragen. Ergebnis: Die Annahme einer Wiederholungsgefahr im Falle von Timo Behrendt wurde bisher weder im Haftbefehl noch in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vor dem Gerichtsrat gemessen an den Kriterien des deutschen und des insoweit noch bestimmteren und rechtsstaatliche Kriterien mehr beachtenden griechischen Strafprozessrechts hinreichend begründet. Die bisherige Aktenlage legt demgegenüber nahe, dass eine solche Wiederholungsgefahr gerade nicht vorliegt.