Gesamtperspektive Flusslandschaften

Ähnliche Dokumente
Ein Grundlagenprojekt der Regionale Gesamtperspektive. Anwenderhandbuch

Auf dem Weg ins ZukunftsLAND. Düsseldorf, 19. Dezember 2014

Landkreis Limburg-Weilburg Fachdienst Wasser-, Boden- und Immissionsschutz

Gewässerentwicklung. im Rahmen von Regionale 2016 und EU-Wasserrahmenrichtlinie. Gerhard Jasperneite. Coesfeld,

REGION IN DER BALANCE

- 1 - Geografische Angaben

- 1 - Geografische Angaben

Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz Heilenbecke

Flächendeckende Erhebung von Querbauwerken in NRW

Forum 1 Hochwasserangepasstes Planen und Bauen am Fluss. Die Rolle der Regionalplanung beim Hochwasserrisikomanagement - Fallbeispiel

GEK ERPE. Gut strukturiert? Planungsteam GEK Auftraggeber. ube Lp+b IPS. Zustand und Handlungsbedarf. 2. Informationsforum 30.

Workshop der Kooperation Mittelweser am in Minden S1

Zukunftsland Regionale 2016 Wegenetzkonzepte und ihre Umsetzung

Flächenmanagementverfahren. Flurbereinigungen Berkelaue I Berkelaue II Berkelaue III

Wasserrahmenrichtlinie / Gewässerschau im Kreis Lippe

Trends zur Innenentwicklung in NRW: Konsequenzen und Herausforderungen für den Wohnungsmarkt und die handelnden Akteure

Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten Hinweise zur Durchführung von Unterhaltungsarbeiten in naturschutzrechtlich geschützten Gebieten

Bezirksregierung Münster Bezirksplanungsbehörde

Deklaration Biologische Vielfalt in Kommunen. Veröffentlicht am Internationalen Tag der Biodiversität am 22. Mai 2010

Loopleitung LEW von Epe (Kreis Borken) nach Werne (Kreis Unna)

Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) und Artenvielfalt unter Wasser. Eva Pier, NUA

Gewässer = rechtliches und fachliches zu beachten. Allgemeine Ziele der Gewässerunterhaltung. Gewässereinzugsgebiete in Europa (EU)

Die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der EU-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie - Gemeinsamkeiten, Synergien und Unterschiede

Erhalt der Bodenvielfalt. Besonderer Schutz seltener Böden. Schutz vor Bodenverlust (Erosion) Schutz der Bodenfunktionen und ihrer Leistungsfähigkeit

Was tun?! Von der Nationalen Strategie zur konkreten Umsetzung

Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie in den Einzugsgebieten der Spree / Dahme

Regierungspräsidium Kassel Das neue Wasserhaushaltsgesetz (WHG)

Neue beschreiten. Alternative Ufersicherungen vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen

Kommunale Landschaftsplanung

22. März 2013 Tag des Wassers

EU-Wasserrahmenrichtlinie. 15. Infoveranstaltung IBOS Görlitz, Landratsamt Görlitz, Umweltamt, Dipl.-Ing.

Gesamtperspektive Flusslandschaften: Anwendung und Erfahrungen in zwei Projekten

:DIE BERKEL! LEBEN MIT DEM FLUSS

EG-Hochwasserrisikomanagement in NRW Umsetzung an der Sieg

ELEMENTE DER NATIONALEN AUENSTRATEGIE DIPL.-ING. DR. GERHARD SCHWACH, BMLFUW, ABTEILUNG I/8

EIN WORT EIN STADTTEIL EINE MARKE

Die neue Gewässerschutzverordnung (GSchV) Quelle:

Bezirksregierung Detmold. Der Zustand der Gewässer in Ostwestfalen-Lippe.

Bericht über die Umsetzungsfahrpläne in den Lippezuflüssen

Das Auenprogramm Bayern

- 1 - Inhaltsverzeichnis. Entwicklung des Wohnungsbestandes und der fertiggestellten Wohngebäude und Wohnungen im Kreis Borken seit

Flussauen bieten natürlichen Hochwasserschutz. am Beispiel des Simmerbaches. Dr. Marlon Bröhr Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises

VI.1 Mustergliederung VI-1

Ordnungsbehördliche Verordnung

Auen Bewertung Gewässerdynamik. Kantonsschule Wettingen Variowoche Eine Bewertung von. Chantal Hischier, Abteilung G2G

Wussten Sie schon, 24 Antworten zur Wasserkraft

LNV-Info 5/2007 LFV, LNV und NABU: Gemeinsame Erklärung zur Wasserkraftnutzung in Baden-Württemberg

FLIESSGEWÄSSER IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN HOCHWASSERSCHUTZ UND NATURSCHUTZ

Das Steinfurter Modell zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen an Fließgewässern

Kanton Zürich Baudirektion Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Gewässerraum. Das Wichtigste in Kürze

Die Berkel in Coesfeld

Mitgliederversammlung am 6.November in Köln. Es gilt das gesprochene Wort.

Strategische Umweltprüfung (SUP) gemäß 14 UVPG

Informelle Landschaftsentwicklung

Strategische Umweltprüfung. zum Hochwasserrisikomanagementplan für den Thüringer Anteil. an der Flussgebietseinheit Rhein.

Extremregen in Münster und Greven Was lernen wir? Eine Bewertung und Einordnung aus Sicht der Bezirksregierung

Urbane grüne Infrastruktur Grundlage für attraktive und zukunftsfähige Städte

Quelle: Bezirksregierung Detmold 1.Oktober 2009

Zukunftsaufgabe: Auen- und Hochwasserschutz

Renaissance-Tiergarten Schloss Raesfeld

Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie in Deutschland

Projektergebnisse: Hochwasser und Sturzfluten

Presseinformation. Die Bezirksregierung Münster teilt mit:

Welchen Nutzen hat die Gesellschaft von mehr Natur und Wildnis am Gewässer?

Hochwasserschutz Schullwitz-Eschdorf

Flächen für die Gewässerentwicklung

Verbesserung der biologischen. Vielfalt an ausgebauten

GEMEINDE SAARWELLINGEN Integriertes Gemeindeentwicklungskonzept (GEKO) Workshop am

Alternative Wasserkraft

Natürlich tut naturnah gut!

Stand der Umsetzung der EG HochwasserrisikomanagementRichtlinie in NRW

Dschungel der Begriffe und Vorschriften und: wer hat s erfunden?

Kleine Wasserkraftanlagen aus Sicht von Naturschutz, Gewässerschutz und Energiewende

Wild oder gerade? Auswirkungen von Flussbegradigungen

Ordnungsbehördliche Verordnung. zur Festsetzung des Überschwemmungsgebietes der Stever von der Einmündung in die Lippe bis zur Landstraße L 843

Tarifbestimmungen Anlage 13

Bezirksregierung Arnsberg Geschäftsstelle des Regionalrates

Stadt Tecklenburg. 45. Flächennutzungsplanänderung. Ergebnisse der Anfrage nach 34 LPlG NRW Städtebaulich-Planerische Stellungnahme.

WRRL Umsetzung in der Kooperation Lippezuflüsse

Abwasserbeseitigungskonzepte Wasserrahmenrichtlinie

Synergien zwischen Hochwasserschutz und WRRL

LANDTAGSWAHL. am 22. Mai Endgültige Ergebnisse Kreis Borken. Ergebnisse nach Wahlkreisen. Ergebnisse für den Kreis Borken insgesamt

1. Einleitung Biber als geschützte Art nach BNatschG. 2. Ausbreitung des Bibers am Beispiel des Verbandsgebietes des WBV Landgraben, Friedland

Ökosystem Flusslandschaft

Stadtentwicklung und Gewässerentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe

Bewertungsverfahren für Maßnahmen an Fließgewässern und in Auen bei der Umsetzung der WRRL

Zahlen zur Stadt Ahaus: Einwohner Fläche: 151 qkm. davon genutzt für: Siedlung, Verkehr: Wald, Wasser, Grün: 17 % Landwirtschaft:

Photovoltaik-Freiflächenanlagen Raumordnung und Bauleitplanung

Gewässer: Feldbach erheblich verändert

Fischpässe an der Unteren Ruhr (Stand: März 2019)

Flurbereinigungsverfahren Womelsdorf gemäß 86 Flurbereinigungsgesetz

Die Erarbeitung von Gewässerentwicklungskonzepten im Land Brandenburg Regionalbereich Ost - Arbeitsstand Mai 2011

Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin Abteilung I

Transkript:

Ein Grundlagenprojekt der Regionale 2016 Gesamtperspektive Flusslandschaften Dokumentation Prozess und Produkte

Wie in allen gesellschaftlichen Projekten gilt es auch im Rahmen der Regionale 2016, die unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenssituationen von Frauen und Männern zu berücksichtigen. In der Wortwahl dieser Dokumentation werden deshalb geschlechtsneutrale Formulierungen bevorzugt oder beide Geschlechter gleichberechtigt erwähnt. Wo dies aus Gründen der Lesbarkeit unterbleibt, sind ausdrücklich stets beide Geschlechter angesprochen. Bearbeiterteam Stein+Schultz Stadt-, Regional- und Freiraumplaner Planungsbüro Koenzen - Wasser und Landschaft landinsicht. projektbüro dipl.-ing. anke schmidt farwick + grote architekten bda stadtplaner Bildnachweis Sämtliche Fotos stammen - wenn nicht anders genannt - aus dem Archiv des Bearbeiterteams oder der Regionale-2016 Agentur. Alle Abbildungen sind erstellt durch das Bearbeiterteam. Auftraggeber Regionale 2016 Agentur GmbH Schlossplatz 4 46342 Velen Fon: 02863.38398-0 Fax: 02863.38398-99 Mail: info@regionale2016.de Die Gesamtperspektive Flusslandschaften wird unterstützt durch: Die Sparkassen im Regionale-2016-Gebiet. Juli 2012

Gesamtperspektive FlusslandschAFten Dokumentation Prozess und Produkte Autoren Stein+Schultz Stadt-, Regional- und Freiraumplaner Planungsbüro Koenzen - Wasser und Landschaft landinsicht. projektbüro dipl.-ing. anke schmidt farwick + grote architekten bda stadtplaner

Inhaltsverzeichnis Ziele...................................................... 7 Akteure und Prozess...................................... 9 Bestandsanalyse Flussschichten............................................ 14 Flussgeschichte........................................... 26 Flussregeln............................................... 28 Flussvorhaben............................................ 32 Flussetappen............................................. 34 Fazit Bestandsanalyse...................................... 49 Visionsentwicklung Flussraumtypen........................................... 52 Besonderheiten der Flusssysteme........................ 76 Fazit Visionsentwicklung.................................. 79 Anwendung und Umsetzung Arbeit mit den Ergebnissen der Gesamtperspektive........ 82 Spielregeln für eine gute Praxis........................ 83 Zusammenwirken mit Richtlinien........................ 85 Fazit Anwendung und Umsetzung........................ 88 Mitwirkende............................................. 86

Gronau Heek Ahauser Aa, Dinkel+ Vechte Ahaus Schöppingen Vreden Legden Rosendahl Stadtlohn Berkel + ScHLinge Südlohn Gescher Billerbeck Havixbeck Issel + Bocholter aa Velen Coesfeld Nottuln Bocholt Borken Isselburg Heiden Reken Dülmen Senden Rhede Raesfeld Haltern am See Lüdinghausen Ascheberg Hamminkeln Nordkirchen Schermbeck Hünxe Dorsten Olfen Selm Werne LiPPe + ZuFLÜsse Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Übersicht Flusssysteme 6

Ziele Der Klimawandel und die wachsende Konkurrenz um die Fläche machen Wasser zu einem Zukunftsthema im westlichen Münsterland. Außerdem tragen erlebbare Flüsse zur Lebensqualität der Region bei. Wie viel Platz brauchen die Flüsse zukünftig? Welche Funktionen übernehmen sie im Zukunfts- LAND? Wie können Menschen mit Ihnen in Kontakt kommen? Antworten auf diese und viele andere Fragen rund um die Flüsse der Zukunft sucht die Gesamtperspektive Flusslandschaften. Sie wirft einen interdisziplinären Blick auf die vier Flusssysteme im Regionale-Gebiet: Berkel-Schlinge, Lippe und Zuflüsse, Issel-Bocholter Aa und Vechte-Dinkel-Ahauser Aa. Dabei geht es gleichermaßen um Gewässerökologie und Naturschutz, Städtebau und Architektur, Hochwasserprävention, Landschaftsbild und Erholung am Fluss. Die Gesamtperspektive Flusslandschaften soll Akteure zusammenbringen und ein konzertiertes Vorgehen aller am Fluss Interessierten fördern, Orientierung zu Vorschriften, Zuständigkeiten und Interessen geben, Menschen, die gemeinsam Regionale-Projekte am Fluss umsetzen wollen, inspirieren und Hilfestellung für die Einordnung ihrer Projekte in den regionalen Zusammenhang sein, ein Baukasten mit innovativen Strategien für die Gestaltung der Flüsse und die dazugehörigen Prozesse sein. Die Büros Stein+Schultz, Koenzen, farwick+grote und landinsicht haben die Studie im Auftrag der Regionale 2016-Agentur erarbeitet. Gefördert wurde sie vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und der Sparkasse Westmünsterland. Die Gesamtperspektive beleuchtet die Bestandteile der Flusslandschaften und ihre Entstehung. Sie bringt Licht ins Dickicht der Regelwerke, Zuständigkeiten, Planungen und Interessen und sammelt aktuell laufende sowie geplante Projekte entlang der Flüsse in einer Karte. Anschauliche Bilder zeigen Entwicklungsperspektiven für die Flüsse und regen zur Diskussion über innovative Flussprojekte an. Zusammen mit den Akteuren werden besondere Talente der einzelnen Gewässersysteme herausgearbeitet. Ergebnis ist die gemeinsame Orientierung auf ein strategisches Vorgehen. Dabei ist die Grundlagenstudie Flusslandschaften kein rechtsverbindlicher Plan, sondern will inspirierender Denkanstoß, Richtschnur eines Handelns aus Überzeugung und Grundlage von Vereinbarungen sein. Insofern generiert sie keine parzellenscharfen Flächenansprüche. Die zahlreichen in der Studie betrachteten Bäche und Flüsse im Regionale-Gebiet ähneln sich stark. Sie sind natürlichen Ursprungs, ihr Typ entspricht meist dem der sandgeprägten Tieflandgewässer und sie durchfließen in regelmäßigen Abständen Siedlungsbereiche. Die Gesamtperspektive Flusslandschaften baut auf der Studie Raumperspektiven ZukunftsLAND auf. Diese hat gezeigt, wie sehr der Raum der Regionale 2016 dadurch gekennzeichnet ist, dass Flüsse, Bäche und Gräben gleichmäßig die Landschaft durchziehen. Die Flüsse bestimmten die Art und Weise, wie Landschaften bewirtschaftet wurden, und Industrialisierung und Flurbereinigung haben das Bild der Flüsse in den letzten 100 Jahren gewandelt. 7

Ausarbeitung Bestandsanalyse Ausarbeitung Visionen Ausarbeitung Anwendung und Umsetzung FLUSSREISEN FLUSSDISKUSSIONEN PLÄNESCHMIEDEN Flussgruppe Berkel-Schlinge Flussgruppe Lippe+Zuflüsse Flussgruppe Issel-Bocholter Aa Flussgruppe Vechte-Dinkel-Ahauser Aa Flussgruppe Berkel-Schlinge Flussgruppe Lippe+Zuflüsse Flussgruppe Issel-Bocholter Aa Flussgruppe Vechte-Dinkel-Ahauser Aa Flussgruppe Berkel-Schlinge Flussgruppe Lippe+Zuflüsse Flussgruppe Issel-Bocholter Aa Flussgruppe Vechte-Dinkel-Ahauser Aa WORKSHOP GESAMTPERSPEKTIVE WORKSHOP GESAMTPERSPEKTIVE AUSTAUSCH REFLEXIONSTEAM AUSTAUSCH REFLEXIONSTEAM AUSTAUSCH REFLEXIONSTEAM Juli 2011 September, Oktober 2011 November, Dezember 2011 Februar 2012 März, April 2012 Juni 2012 8

Akteure und Prozess Die Gesamtperspektive entstand in einem Prozess, in dem die vier Fachplanungsbüros eng mit regionalen Akteuren zusammenarbeiteten. Auf Flussreisen, in Flussdiskussionen, Pläneschmieden und Workshops wurden Ideen, Fragen und Zwischenergebnisse ausgetauscht sowie die Anwendung der Erkenntnisse getestet. Flussreisen: Herausforderungen und Potenziale mit eigenen Augen sehen Wie verändern sich Flüsse von der Quelle bis zum Hauptlauf? Welche Flusslandschaft fasziniert uns? Wer bewirtschaftet die Auen der Zukunft? Hat die Wasserkraft eine Zukunft in der Region? Wie lebendig sind gestaute Flüsse? Was machen die Niederländer an ihren Flüssen anders? Wie nah wollen und können wir ans Wasser? Diese Fragen und viele mehr kann man am besten diskutieren, wenn man gemeinsam am Fluss wandert, radelt und lokalen Experten lauscht. Auf vier Flussreisen im September und Oktober 2011 haben Bürgermeister, Landwirte, Planungsverantwortliche aus Kreisen, Städten und Gemeinden sowie Fachleute aus Behörden jeweils einen Tag lang zu Fuß und per Fahrrad die Flusssysteme erkundet. Sie trafen an prägnanten Orten Menschen, die den Fluss in- und auswendig kennen. Flussdiskussionen: Vom Bestand zur Vision Wie entwickeln sich unsere Flüsse? Wie passen die neuen Anforderungen an Hochwasservorsorge zu dem Wunsch, nah am Wasser zu sein? Wie können die Innenstädte mit den Flüssen vernetzt werden? Wie können Brachflächen in innerörtlichen Flusslagen intelligent nachgenutzt werden? Wie kann gemeinsam mit der Landwirtschaft eine passende Bewirtschaftung der Auen erreicht werden? Im November und Dezember 2011 diskutierten Planungsverantwortliche aus Kreisen und Gemeinden, Fachleute für Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Regionalentwicklung, Hochwasserschutz, Gewässerökologie, Städtebau und Landschaftsentwicklung, Bürgermeister und Initiativen aus den Bereichen Tourismus und Kultur gemeinsam, wie sich die Flüsse der Region weiterentwickeln können. Im Mittelpunkt standen Visionen für einen innovativen Umgang mit dem Fluss, in denen die Ansprüche und Ideen aus verschiedenen Disziplinen zusammenkommen. Wie schon bei den Flussreisen beteiligten sich Kollegen aus der niederländischen Nachbarschaft engagiert. Die Veranstaltungen fanden in den vier Flussgruppen statt. Pläneschmieden: Der Praxistest Wie kann die Gesamtperspektive Flusslandschaften dabei helfen, Regionale 2016 Projekte zu qualifizieren? Eignen sich die Visionen, um die Fragen zur nachhaltigen Gestaltung der Flüsse in Innenstädten, landwirtschaftlich geprägten Bereichen und Waldlandschaften zu beantworten? In der dritten Serie von Treffen, die im April und Mai 2012 stattfanden, haben die Flussgruppen an konkreten Beispielen aus ihrer Praxis getestet, wie man mit den gemeinsam erarbeiteten Werkzeugen Projekte noch besser machen kann. Workshops: Flussgruppen im Austausch Was würde die Umsetzung der Visionen für die einzelnen Flusssysteme und das ganze Regionale- Gebiet bedeuten? Was sind passende Strategien für die Gestaltung von Flusslandschaften im ZukunftsLAND? Zwei Workshops zur Gesamtperspektive Flusslandschaften am 15. März und am 14. Juni 2012 gaben allen Interessierten Gelegenheit, das Thema Flüsse im ZukunftsLAND und die Zwischenergebnisse der Gesamtperspektive umfassend zu diskutieren, weiterzuentwickeln und zu testen. Reflexionsteam: Gemeinsame Richtungsentscheidungen Im Reflexionsteam haben je ein Bürgermeister aus den vier Flussgruppen, Fachleute aus dem Umweltministerium, der Bezirksregierung Münster und den Kreisverwaltungen, ein Vertreter der Landwirtschaft und ein Partner aus den Niederlanden die Zwischenergebnisse gesichtet und diskutiert, wie die Ergebnisse in die Region kommuniziert werden können. 9

Flussreisen an unterschiedlichen Flusssystemen 10

Flussdiskussionen und Workshops 11

12

Bestandsanalyse In der Bestandsanalyse wurde Wissen zu den Flüssen des Regionale-Gebiets zusammengetragen. Gewässernahe Nutzungen und Schutzgebiete, Querbauwerke wie Schleusen und Wehre, schutzwürdige Böden, Überschwemmungsgebiete und vieles mehr wurden kartografisch erfasst. Die geschichtliche Entwicklung der Flüsse im westlichen Münsterland wurde in acht zeitliche Schritte gegliedert und in Text und Bild dargestellt. Die Regeln, Zuständigkeiten, Planungen und unterschiedlichen Interessen, die die Entwicklung des Flusses aktuell bestimmen, wurden grafisch überlagert. Schließlich wurden die Erkenntnisse in Flussetappen verdichtet. Sie sind im interdisziplinären Dialog entstanden und beschreiben heutige, typische wiederkehrende Flussabschnitte. 13

Flussschichten In den Flussschichten sind digital erhältliche Datensätze nach Themen so zusammengestellt, dass man die Verteilung, Beschaffenheit und Gemeinsamkeiten der Flüsse im Regionale- Gebiet erkennen und die Nutzungen und Zustände in und an den Fließgewässern auswerten kann. 14

Topografische Karte Die Topographische Karte im Maßstab 1:100.000 gibt einen Überblick über das Untersuchungsgebiet. Sie zeigt die Verteilung von Siedlungslagen, größeren Verkehrswegen und Waldbereichen. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster 15

Betrachtungsgewässer Untersucht wurden die vier Flusssysteme Lippe + Zuflüsse, Berkel + Schlinge, Issel + Bocholter Aa, Vechte, Dinkel + Ahauser Aa sowie zahlreiche Nebengewässer. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster 16

Ausweisung der Flüsse nach Wasserrahmenrichtlinie Die Ausweisung der Flüsse nach WRRL (EU-Wasserrahmenrichtlinie) weist auf den Status und den Zustand der untersuchten Gewässer im Westmünsterland hin. Die meisten Fließgewässer wurden als erheblich verändert ausgewiesen. Sie befinden sich somit in einem schlechten ökologischen Zustand. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; www.flussgebiete.nrw.de 17

Gewässerstrukturgüte Die Karte der Gewässerstrukturgüte zeigt den strukturellen Zustand der Gewässer, also die Fähigkeit der Fließgewässer sowie ihrer Ufer und Auen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu dienen. Auch diese Auswertung zeigt, dass sich die Gewässer überwiegend in schlechtem Zustand befinden. Klasse 1: unverändert Klasse 2: gering verändert Klasse 3: mäßig verändert Klasse 4: deutlich verändert Klasse 5: stark verändert Klasse 6: sehr stark verändert Klasse 7: vollständig verändert Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; LANUV 2005 18

Überschwemmungsgebiete Die Darstellung der Überschwemmungsgebiete weist auf den Raumbedarf der Fließgewässer bei Hochwasser hin. Auffällig ist der erhöhte Flächenbedarf an der Issel. Die Festsetzung der Überschwemmungsgebiete für das 100jährliche Hochwasser durch die Bezirksregierungen ist noch in Gang und soll bis Ende 2013 fertiggestellt sein. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; http://www.wms.nrw.de/umwelt/wasser/uesg, Stand: 2007 19

Nutzungen entlang der Flüsse Die Nutzungen entlang der Flüsse zeigt - stark generalisiert - die Flächennutzung im Umkreis von 50 Metern zum jeweiligen Gewässer. Den größten Anteil hat landwirtschaftliche Nutzung mit Ackerund Grünlandflächen. Nahezu alle Siedlungslagen haben Kontaktpunkte zu den Flüssen oder Bachläufen. Größere geschlossene Waldbereiche gibt es an den Gewässern nur selten. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster 20

Gewässernahe Schutzgebiete Die Karte der Schutzgebiete zeigt eine Überlagerung aller FFH-Vogelschutz-, Naturschutz- und Natura 2000-Gebiete im Untersuchungsgebiet. Einige Schutzgebiete beziehen sich direkt auf den Schutz der Gewässer und bilden größere zusammenhängende Komplexe, die der Verbindung einzelner isolierter Biotope dienen. Besonders große und zusammenhängende Schutzgebiete finden sich entlang der Lippe und der Berkel. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; Unter Verwendung von Sach- und Grafikdaten des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz NRW (LANUV), Aktualisierungsdatum: Oktober 2011 21

Mühlenstandorte Die Mühlenstandorte sind wichtige kulturhistorische, oft baukulturell bedeutende Orte und im Münsterland sehr häufig anzutreffen. Die noch in Betreib befindlichen oder nicht mehr genutzten Mühlen stellen einerseits Chancen zur Vermittlung von historischem Wissen und dessen Erlebbarkeit sowie zur Nutzung der Wasserkraft dar. Andererseits stellt sich, aufgrund der Vorgaben der WRRL, an jedem dieser Standorte die Frage nach der ökologischen Durchgängigkeit des Gewässers. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; Stadt Bocholt; und Informationen vom Büro farwick + Grote 22

Querbauwerke und Wasserkraftanlagen Querbauwerke und Wasserkraftanlagen fallen im Münsterland öfter mit Mühlenstandorten zusammen. Querbauwerke sind Anlagen, die den Abfluss des Gewässers regulieren, z.b. zur Wasserkraftnutzung oder zur Wasserstandsregulierung in Siedlungen oder der Landwirtschaft dienen. Sie beeinflussen die Durchgängigkeit der Gewässer für Lebewesen. An einigen Gewässern zeigen sich Häufungen dieser Bauwerke. Querbauwerke sind abflussregulierende Bauwerke, die quer zur Fließrichtung im Gewässer liegen. QUIS bedeutet Querbauwerke-Informationssystem. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; Querbauwerke-Informationssystem QUIS, LANUV 2005 23

Wegenetz Ein dichtes Wegenetz (Straßen und Radwege) überzieht das Westmünsterland wie ein Spinnennetz. Es verbindet die vielen kleinen und größeren Orte und ist ein wichtiger Teil der Infrastruktur. Es gibt nur wenige größere Areale, in denen kaum befestigte Wege zu finden sind so in Teilen der Lippeaue und im weißen Venn (überwiegend als Truppenübungsplatz genutzt) nördlich von Haltern. Die Karte überlagert das Wegenetz im westlichen Münsterland mit den Gewässern. Quelle: Kreis Borken, Geoinformation und Liegenschaftskataster; www.openstreetmap.de 24

Überlagerung Die Überlagerung der Datensätze ist Grundlage für die Einteilung der Flüsse in wiederkehrende Abschnitte. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote 25

FlussGeschichte Die Flusslandschaften im Münsterland haben eine bewegte Geschichte, denn seit Jahrhunderten werden Berkel, Dinkel, Ahauser Aa, Vechte, Bocholter Aa, Issel und Lippe sowie ihre zahlreichen Zuflüsse vom Menschen kultiviert, geformt und umgebaut und an die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ansprüche der jeweiligen Zeit angepasst. Aufgrund der Selbstähnlichkeit des Regionale-Gebietes weisen die Flüsse dabei eine überwiegend vergleichbare Entwicklung auf. Für die zukünftige Gestaltung der Flüsse und ihrer Umgebung ist das Verständnis dieses Entwicklungsprozesses von großer Bedeutung. Warum ist das, was wir heute vorfinden, so wie es ist? Dabei sind vor allem folgende Fragen relevant: Welche Bedeutung hatten die Flüsse für die Orte in der Vergangenheit? Welche Bedeutung haben die Flüsse für die Orte heute? Welche Kultivierungsschritte haben zum heutigen Bild der Flusslandschaften und zu der heutigen Beziehung der Orte zu ihren Flüssen geführt? Die geschichtliche Entwicklung der Flüsse wird in acht zeitliche Abschnitte gegliedert und in Text und Bild dargestellt. 26

Ursprung für Besiedlung Für die Besiedlung der Region spielten die Flüsse und deren Umfeld eine wichtige Rolle: Höhenrücken und Flussterrassen boten gute Voraussetzungen für Landwirtschaft und dienten als Verkehrsbänder. Die Entstehung der noch heute kleinteiligen Siedlungsstruktur geht auf diese Phase im frühen Mittelalter zurück. Waschen und Baden Das saubere Wasser der Flüsse und Bäche wurde vor Einfluß in die Städte zum Waschen der Wäsche genutzt, die Uferwiesen dienten dem Bleichen. Vielerorts zeugen noch heute Flurnamen wie z.b. Bleeke von dieser Zeit. Das Baden im Fluss wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts im westlichen Münsterland populär. Seit dieser Zeit entstanden zahlreiche Flussbadeanstalten, die neben dem Freizeitaspekt vor allem der Hygiene der Bevölkerung dienten. Beispielsweise sind in Stadtlohn am Losberg, in Bocholt an der Königsmühle und am Quellbereich der Berkel in Billerbeck solche Anstalten entstanden. Durch die starke Verschmutzung der Flüsse mussten die Bäder schließen, teilweise wurden sie auch im Zweiten Weltkrieg zerstört. Heute sind, bis auf wenige Ausnahmen, keine Bademöglichkeiten mehr an den Flüssen der Region vorhanden. Industrialisierung Mit der aufkommenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert siedelten sich im westlichen Münsterland zahlreiche Textilfabriken an. Als Produktionsstandorte wurden meistens Flächen unmittelbar an den Flüssen gewählt, da hier das Brauchwasser für die Produktion entnommen und das Schmutzwasser eingeleitet werden konnte. Durch die Industrialisierung kam den Flüssen aber auch eine größere Bedeutung als Transportweg zu. So wurden z. B. Berkel und Lippe schiffbar gemacht, es wurden Schleusen zur Überwindung der Höhenunterschiede gebaut und teilweise wurden die Flüsse erheblich verbreitert, um das hohe Transportaufkommen an Gütern und Rohstoffen aufzunehmen. So hat sich durch die Phase der Industrialisierung das Gesicht der Flüsse und ihres Umfelds stark verändert, was zumeist bis heute nachwirkt: Die gewerblichen Flächen liegen heute oft als Barriere zwischen den Stadtkernen und den Flüssen. Regulierung und Flurbereinigung Die zunehmende Ökonomisierung der Landwirtschaft seit der Industrialisierung hatte auch für die Flüsse der Region gravierende Auswirkungen. Seit den 1930er Jahren wurden in der Region im Zuge der Flurbereinigung viele Teilabschnitte und Nebenflüsse kanalisiert und verrohrt, um die landwirtschaftlichen Flächen besser nutzbar zu machen. Zudem wurden in vielen Städten Umfluten gebaut, um die Regulation des Hochwassers zu verbessern, oder Flüsse im Innenstadtbereich unter die Erde verbannt und z.t. überbaut. Beispiele hierfür sind die Garwerts Mähre in Stadtlohn, die Ahauser Aa und Berkel in Coesfeld. ursprünglicher Lauf des Ölbachs bei Vreden Ölbach bei Vreden nach Flurbereinigung überbaute Berkel in Coesfelder Innenstadt verrohrte Garwerts Mähre in Stadtlohn Bauerschaft Büren um 500 Bauerschaft Büren um 800 Bauerschaft Büren um 1000 Textilwerke Ahaus an der Ahauser Aa Industrie an der Aa in Bocholt ehem. Lippeschleuse Ahsen Badeanstalt in der Berkel bei Stadtlohn um 1942 bis 1000 Durch die Nutzbarmachung der Landschaft änderte sich die Gestalt der Flüsse und Bächen nachhaltig: tiefergelegene, feuchte Flächen in der Nähe der Bäche und Flüsse wurden gerodet und entwässert, um dort Landwirtschaft betreiben zu können. Bauerschaft Büren um 1500 bis 1500 Entwässerung und Rodung 16. - Anfang 20. Jh. 16. - 19. Jh. Umlenkung und Umbau Die Nutzbarkeit von Flüssen wurde in der Region schon im frühen Mittelalter erkannt. So wurden die Flüsse und Bäche umgelenkt, um die zur Befestigung der Siedlungen entstandenen Stadtgräben zu speisen. Teilweise sind diese historischen Strukturen auch heute noch erhalten (z. B. Burg Vischering in Lüdinghausen, Fegetasche in Coesfeld). Durch Wasserkraft konnten auch Mühlen betrieben werden, mit denen Getreide gemahlen und Maschinen angetrieben werden konnten. Dazu war die Umlenkung aus dem Taltiefen in die Höhenlage und die Stauung der Flüsse notwendig, um eine möglichst gleichmäßige und effiziente Nutzung der Wasserkraft zu erreichen. Die damals gebauten Mühlen, ihre Wehre und Teiche sind vielfach noch heute erhalten und stellen wichtige baukulturelle Identifikationspunkte im Stadtgefüge dar, auch weil sie am Schnittpunkt zwischen Stadt und Wasser liegen. Begradigung und Regulierung Das Thema Hochwasser ist auch im westlichen Münsterland ein alt bekanntes. Um die Städte und Siedlungen an Flüssen wirkungsvoll vor Hochwasser zu schützen, wurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Flussabschnitte begradigt und eingedeicht. Beispiele hierfür sind der Berkeloberlauf und -unterlauf bei Vreden bzw. Stadtlohn die 1916 bzw. 1930 begradigt wurden, sowie eingedeichte Gewässerabschnitte bei Rhede (Rheder Bach), Dorsten (Lippe) oder Heek (Dinkel). Die Technisierung und Regulierung wird am Beispiel der Lippe und ihrer Zuflüsse besonders deutlich: Durch Bergbauschäden und damit einhergehenden Veränderungen der Landschaftstopographie wurden zahlreiche Pumpwerke und Ausbauten des Flussbettes notwendig, um den Wasserstrom zu erhalten. Begradigung der Berkel, B-Plan 1911 seit ca. 1830 Begradigung der Lippe im Luftbild Deichvorland bei Heek (Dinkel) bis 1930 Heeker Deich bei Dinkelhochwasser bis 1980 Wiederentdeckung der Flüsse In den letzten Jahren haben viele Städte und Gemeinden ihre Flüsse wieder entdeckt. Zahlreiche Planungen und Initiativen zeigen den Beginn eines neuen Verständnisses im Umgang mit Wasser und Flüssen. Im westlichen Münsterland dokumentieren Projekte wie der Inselpark in Gronau, die neue Aa-Promenade in Ahaus, die Rahmenplanung Berkel in Stadtlohn und die Bewerbung der Stadt Vreden für die Landesgartenschau diesen neuen Planungsansatz. Bewerbung Vreden (LAGA 2017) seit 2000 Dinkel im Inselpark Gronau (LAGA 2003) Stadt Ahaus 1863 Berkelmühle in Stadtlohn Aa-Promenade :jutequartier Ahaus Burg Vischering an der Stever Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Haus Egelborg an der Dinkel 27

Flussregeln In den Flussregeln werden die wichtigsten Gesetze, Richtlinien und Regeln zusammengestellt, die es bei der Planung und Umsetzung von Projekten an Gewässern zu beachten gilt. Diese Vorschriften werden kurz definiert und erläutert. In der Illustration beschreibt zu jeder Flussregel ein fiktiver Akteur sein Interesse am Gewässer. Wir möchten mit der Wasserrahmenrichtlinie die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer verbessern... RegionaLPLanung Obere Wasserbehörde (Land) EingriFFs- und AusGLeichsregelung Wasserrahmenrichtlinie Untere Wasserbehörde (Kreis) Um auf meinen Flächen optimal wirtschaften zu können, muss der Fluss das Wasser schnell wegtransportieren. Und die Bewässerung muss gesichert sein... Wasserhaushaltsgesetz Landeswassergesetz Die Flüsse sollen die Qualitäten der Gemeinde unterstützen, und es sollte kein Wasser in die Keller laufen... Kommunale Planung: der Bürgermeister Für die HQ 100 Richtlinie muss mehr Retentionsraum geschaffen werden... Ich würde gerne am Wochenende entlang der Flüsse radfahren... Mein Großvater hat noch im Fluss gebadet und ist dort Schlittschuh gelaufen - wir finden den Fluss kaum bei unserem Abendspaziergang... Landwirt / Kleiner Wasser- und Bodenverband HocHWasserRisikomanagementrichtlinie [Landesnaturschutzgesetz ] [Bundesnaturschutzgesetz ] Hochwasserexperten / Bezirksregierung Wir machen großräumiges Flussgebietmanagement, um die unterschiedlichen Ansprüche an der Lippe zu organisieren... Bürger / Naherholer Wir wollen vielfältige Lebensräume für Pflanzen und Tiere entlang der Flüsse herstellen... Wir wollen Möglichkeiten, um die Flüsse für den Sport zu nutzen. Vom Wasser aus entdeckt man den Fluss ganz anders... FLora-Fauna-habitat-Richtlinie Fischereirechte Lippeverband / Großer Wasser- und Bodenverband Naturschützer Naturschutzbehörden Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote 28

Wasserrahmenrichtlinie, Wasserhaushaltsgesetz, Landeswassergesetze Die Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG)", kurz WRRL, dient einer europaweiten gemeinsamen Gewässerschutzpolitik. Dazu wurden die Einzugsgebiete aller EU-Gewässer in so genannte Flussgebiete aufgeteilt. In diesen Flussgebieten wurden seit 2000 Bestandsaufnahmen durchgeführt, Bewirtschaftungs- und Maßnahmenpläne erstellt sowie Monitoringprogramme erarbeitet. Verbindliche Ziele der WRRL für die Oberflächengewässer lauten: Guter ökologischer und chemischer Zustand bis 2015 Gutes ökologisches Potenzial und guter chemischer Zustand bei erheblich veränderten oder künstlichen Gewässern bis 2015 Verschlechterungsverbot Die vormals bestehenden deutschen Gesetze zum Schutz und zur Nutzung der Gewässer wurden im Bund (Wasserhaushaltsgesetz) und in den Ländern (Landeswassergesetze) den Anforderungen der WRRL angepasst. Bis Mitte 2012 sollen im Zuge der WRRL die so genannten Umsetzungsfahrpläne fertiggestellt werden. Diese enthalten Maßnahmenpakete für die Gewässersysteme der WRRL und legen auf die Maßnahmen bezogene zeitliche Prioritäten fest. Untere Wasserbehörde (Kreis) Obere Wasserbehörde (Land) Wir möchten mit der Wasserrahmenrichtlinie die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer verbessern... Hochwasserrisikomanagementrichtlinie Die Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, kurz EU-HWRM-RL, hat zum Ziel, die Risiken von Hochwässern auf Mensch, Umwelt und Güter zu minimieren bzw. mit den Risiken vernünftig umzugehen. Im Wesentlichen gliedert sich die Richtlinie in drei Stufen: 1. In der ersten Stufe soll für alle Gewässer der WRRL bis Ende 2011 das Hochwasserrisiko bestimmt und bewertet werden. 2. Im zweiten Schritt sollen aus diesen Erkenntnissen bis Ende 2013 Karten für Hochwassergefahren- und risiken erstellt werden. 3. Zuletzt sollen bis Ende 2015 Hochwasserrisikomanagementpläne erstellt sowie Maßnahmen und Ziele formuliert werden, die zum Schutz, zur Vermeidung von und zur Vorsorge vor Hochwässern dienen. Für die HQ 100 Richtlinie muss mehr Retentionsraum geschaffen werden... Hochwasserexperten Bezirksregierung 29

Bundesnaturschutzgesetz, Landesnaturschutzgesetz, Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie Wir wollen vielfältige Lebensräume für Pflanzen und Tiere entlang der Flüsse herstellen... Die grundlegenden Ziele des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz, kurz BNatSchG) lauten wie folgt: Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich zu schützen Sicherung der biologischen Vielfalt von wild lebenden Pflanzen und Tieren, Ökosystemen, Biotopen, geographischen Eigenheiten u.a. entsprechend dem jeweiligen Gefährdungsgrad Dauerhafte Sicherung der Leistungsund Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts Dauerhafte Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft Bewahren von großflächigen, weitgehend unzerschnittenen Landschaftsräumen vor weiterer Zerschneidung Erhalten bzw. Schaffen von Freiräumen im besiedelten und siedlungsnahen Bereich Seit Inkrafttreten der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes dienen die Landesnaturschutzgesetze hauptsächlich der Ergänzung oder Vertiefung des Bundesnaturschutzgesetzes. Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, auch Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie genannt, dient dem Schutz von Arten und Lebensräumen innerhalb der EU. Wesentliche Ziele der Richtlinie sind: Ausweisung und Vernetzung von schutzwürdigen Lebensräumen.. (Lebensraumtypen nach FFH-Richtlinie sind z.b., Dünen mit offenen Grasflächen mit Corynephorus und Agrostis,, Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur, Subkontinentale peripannonische Gebüsche, und viele mehr.) Schutz von innerhalb und außerhalb dieser Schutzgebiete lebenden Arten (z.b. die Gelbbauchunke, das Flussneunauge, Biber, Schlammpeitzger und viele mehr). Naturschützer Naturschutzbehörden Regionalplanung Der Regionalplan (in NRW früher der Gebietsentwicklungsplan) als Instrument der Raumordnung dient der Formulierung und Festsetzung von Planungen auf Ebene der Region, also zwischen kommunaler Bauleitplanung und landesweiten Planungen. Er befasst sich u.a. mit den Themen Siedlung, Freiraum, Gewinnung von Bodenschätzen und Verkehr. Wesentliche Aufgaben sind: Erstellung, Mitwirkung und Fortschreibung von Regionalplänen und Landesentwicklungsplänen Mitwirkung und Unterstützung bei der Erstellung von Landesplanungen und kommunalen Bauleitplanungen Kooperation mit regionalen Organisationen sowie Initiativen zur Förderung der Regionen Zuständig für die formale Regionalplanung sind die jeweiligen Bezirksregierungen. Der Regionalplan ist gleichzeitig landschaftlicher und forstlicher Rahmenplan. 30

Wir machen großräumiges Flussgebietsmanagement, um die unterschiedlichen Ansprüche an der Lippe zu organisieren... Wir wollen Möglichkeiten, um die Flüsse für den Sport zu nutzen. Vom Wasser aus entdeckt man den Fluss ganz anders... Eingriff- und Ausgleichsregelung Diese Regelung des Naturschutzrechts sieht vor, dass durch den Menschen vorgenommene unvermeidbare Eingriffe, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen durch bestimmte geeignete Maßnahmen an gleicher oder anderer Stelle gleichwertig kompensiert werden müssen. Dadurch sollen negative Effekte auf Natur und Landschaft verhindert oder zumindest minimiert werden. Es kann sich anbieten, notwendige Ausgleichs- / Kompensationsmaßnahmen für eine naturnahe Entwicklung der Flusslandschaften zu nutzen und in diesen Bereichen räumlich zu konzentrieren. Geregelt wird die Anwendung der Eingriffs- und Ausgleichsflächenregelung von den Unteren Landschaftsbehörden, Stiftungen oder Flächenagenturen. Lippeverband Großer Wasser- und Bodenverband Fischereirechte und Wassersportregelungen Je nach Historie und Landesrecht kann das Fischereirecht z.b. vom Grundstückseigentümer oder auch von mehreren Berufsfischern wahrgenommen werden. Heute wird es oft in Landesfischereigesetzen geregelt. Lokale Befahrungsregelungen und -verbote sowie freiwillige Vereinbarungen mit dem Naturschutz im Sinne einer naturverträglichen Gewässernutzung regeln bisher den Wassersport auf Fließgewässern. Allerdings fehlen oftmals abgestimmte Gesamtkonzepte für die Flussläufe. Freizeitsportler 31

FlussVorhaben In den letzten Jahren öffnen sich Städte und Regionen zunehmend zu ihren Flüssen. Stadt- und Landschaftsplanung versuchen, die Flüsse attraktiver und zugänglicher zu machen. In der offenen Landschaft geht es zunehmend darum, den Flüssen mehr Raum zur Entfaltung zu geben. Auf diese Weise sollen sie ökologisch funktionsfähiger werden. Die Karte Flussvorhaben zeigt eine Übersicht der laufenden und geplanten Projekte mit und an Flüssen im Regionale 2016-Gebiet. Dargestellt sind hier sowohl Vorhaben, die als Bewerbungen im Rahmen der Regionale 2016 (in pink dargestellt) eingereicht sind, als auch weitere Planungen außerhalb dieses Strukturförderprogramms (in blaugrün dargestellt). 32

Flussvorhaben_Projekte mit und an Flüssen im ZukunftsLAND 01_Alter Hof Schoppmann 01_Berkel Schlinge Radweg 02_BahnLandLust 02_Flussrenaturierung zwischen Lünen + Werne 03_BerkelSTADT Coesfeld 03_Renaturierung Rheder Bach 04_Die Berkel! Leben mit dem Fluss 04_Wasser in Arbeit / 4 Mühlenstandorte 05_Den Menschen sichtbar machen. Otto Pankok 05_Umgestaltung Lippe 06_KuBAaI 06_Wasserlagen Dorsten 07_Kulturhistorisches Zentrum Vreden 08_Kraftwerk Künstlerdorf Schöppingen 09_WasserBurgenWelt 10_Zukunftsdorf Legden 11_2Stromland 12_Lebendige Kulturlandschaft 13_Von der Burg zur Freiheit, von der Freiheit zur Burg 09_Nachnutzung Baumwollspinnerei Gronau als Wohnund Dienstleistungsquartier 07_Flusspartie an Lippe und Horne 08_Schlinge Promenade 09_Nachnutzung Baumwollspinnerei Gronau als Wohn- und Dienstleistungsquartier 10_Städtebauliche Neuordnung Nienborger Mühle 12_Rahmenplanung innerstädtische Berkel Stadtlohn 14_Entwicklung Messing Areal in Bocholt als Wohnstandort 15_bildungsFlusslandschaftBerkel NL_Watertuin Aastrang Bruggenhutte 16_WALDband 15_Gewässerrandstreifen Kleine Issel, Königsbach, Brüner Mühlenbach, Winzerbach Punktuelles Projekt 10_Städtebauliche Neuordnung Nienborger Mühle 13_Neugestaltung Borkener Aa zwischen Mühle und Stadtpark 14_Wasserwege Steverleben 17_Faszination LANDleben (noch ohne Ort) 12_Lebendige Kulturlandschaft 11_Jutequartier Ahaus 08_Kraftwerk Künstlerdorf Schöppingen 11_Jutequartier Ahaus 16_Renaturierung / Hochwasserschutz Laaker Bach 17_Renaturierung Issel Marienthal 07_Kulturhistorisches Zentrum Vreden 10_Zukunftsdorf Legden Projekt mit mehreren Standorten 15_bildungsFlusslandschaftBerkel Großräumigeres Projekt 12_Rahmenplanung innerstädtische Berkel Stadtlohn 04_Die Berkel! Leben mit dem Fluss 03_BerkelSTADT Coesfeld 01_Berkel Schlinge Radweg 08_Schlinge Promenade NL_Watertuin Aastrang Bruggenhutte 04_Wasser in Arbeit / 4 Mühlenstandorte 14_Entwicklung Messing Areal als Wohnstandort 03_Renaturierung Rheder Bach 01_Alter Hof Schoppmann 13_Von der Burg zur Freiheit, von der Freiheit zur Burg. 13_Neugestaltung Borkener Aa zwischen Mühle und Stadtpark 02_BahnLandLust 14_Wasserwege Steverleben 06_KuBAaI 16_Renaturierung / Hochwasserschutz Laaker Bach 09_WasserBurgenWelt 15_Gewässerrandstreifen Kleine Issel, Königsbach, Brüner Mühlenbach, Winzerbach 17_Renaturierung Issel Marienthal 11_2Stromland 05_Den Menschen sichtbar machen. Otto Pankok 05_Umgestaltung Lippe 06_Wasserlagen Dorsten 07_Flusspartie an Lippe und Horne 16_WALDband Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote 02_Flussrenaturierung zwischen Lünen + Werne 33

FlussetaPPen Flussetappen sind Betrachtungseinheiten für die bestehenden Flüsse und Bäche. In interdisziplinären Diskussionen wurden typische Abschnitte definiert, die bei den Bächen und Flüssen im Regionale-Gebiet häufig vorkommen. Flussetappen sollen dabei helfen, den Bestand zu verstehen und die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Flüsse einzugrenzen. Die Flussetappen berücksichtigen: angrenzende Nutzungen und die Einbindung in die Münsterländer Parklandschaft Flussprofilformen von unreguliert bis kanalisiert, Rückstaubereiche Flussdynamik, Hochwasserschutz und Deiche städtebauliche Einbindung, architektonische Prägung und Bebauungstypologien Flusserleben und Landschaftsbild Zugänglichkeit So lassen sich zehn Flussetappen im Regionale 2016-Gebiet voneinander unterscheiden, die jeweils eigene Potenziale und Herausforderungen aufweisen. Zu jeder Flussetappe gibt es einen Steckbrief, der in einem exemplarischen Schnitt, einer Beschreibung und Fotos von typischen Situationen der jeweiligen Etappe folgende Fragen beantwortet: Was kennzeichnet die Etappe? Wo liegen die Potenziale? Was sind Herausforderungen? Die Gewässergröße ist dabei kein Unterscheidungskriterium. Innerhalb der Etappen werden - wenn notwendig - Besonderheiten von Fluss und Bach differenziert. In den Flussetappen fließen die unterschiedlichen Aspekte der Bestandsaufnahme zusammen. Einen ersten Hinweis zu einer Flussetappe liefert die Suchraumkarte, die Nutzungen entlang der Flüsse, Gewässerstrukturgüte, Staubereiche, Hochwasser- und Mühlenstandorte überlagert. Diese Informationen wurden durch lokale Kenntnisse und die Bewertungen des interdisziplinären Bearbeiterteams ergänzt. In den exemplarischen Schnitten ist ein mittlerer Wasserstand dargestellt. Hoch- und Niedrigwasserstände werden über gestrichelte Linien angedeutet. 34

1 / Unregulierter Fluss / Bach in Feld und Wald 2 / Regelprofilierter Fluss / Bach in Feld und Wald Flussprofilformen, Rückstaubereiche Flussdynamik, Hochwasserschutz und Deiche 3 / Regelprofilierter Fluss / Bach im Siedlungsbereich 4 / Gestauter Fluss / Bach in Feld und Wald städtebauliche Einbindung und architektonische Prägung angrenzende Nutzungen 5 / Gestauter Fluss / Bach in Hochlage 6/ Gestauter Fluss / Bach mit kulturhistorischem Gebäude Flusserleben und Landschaftsbild Zugänglichkeit 7 / Gestauter Fluss / Bach in dichter Siedlungslage 8 / Kanalisierter Fluss / Bach in dichter Siedlungslage Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote 9 / Regelprofilierter Fluss / Bach mit Deichprofil 10 / Regelprofilierter Fluss / Bach mit Deichvorland 35

1 / Unregulierter Fluss / Bach in Feld und Wald Diese Etappe beschreibt Abschnitte, die mäandrierend und dynamisch im Wald oder innerhalb eines Gehölzsaums fließen. Extensiv bewirtschaftete Flächen oder Auenbereiche begleiten den Flusslauf. Durch lokale Uferabbrüche, Wurzelteller, Kolkbildungen und Totholzstämme in Sohle und Uferbereich bilden sich abwechslungsreiche Uferbilder - es ist insgesamt ein hörbarer und erlebbarer Fluss. Bäche sind sichtbar fließend. Es gibt kaum Durchgängigkeitsdefizite, die Gewässerstrukturgüte liegt auf einer Skala von 1 (ausgezeichnet) bis 7 (kein Leben im Gewässer möglich) bei 1-4. Es gibt keinen Rückstau. Die Wasserläufe führen permanent Wasser - nur in den Oberläufen können Abschnitte trockenfallen. Der Wasserlauf ist naturnah und dynamisch, bei Hochwasserereignissen werden die Auenbereiche der größeren Flüsse längere Zeit überflutet. Das Landschaftsbild verändert sich so durch Erosionsprozesse der Ufer und Sedimentverlagerungen. Die öffentliche Zugänglichkeit ist in dieser Etappe gering, meist kann man das Wasser nur an Querungen und Brücken erleben. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Weitere ökologische Verbesserung der schon guten Bereiche, Optimierung der Erlebbarkeit als Beitrag zum sanften Tourismus Die Bäche und Flüsse bieten großes Potenzial für Flusserleben und punktuelle Kontaktpunkte, die Flüsse bieten zusätzlich noch Potenzial für Wassersport und Aufenthalt am Fluss. Hagenbach Lippe bei Schermbeck-Gahlen Fluss: Lippe bei Hervest - Dorsten Bach: Oberlauf der Stever 36

2 / Regelprofilierter Fluss / Bach in Feld und Wald Die großen Flüsse dieser Etappe, z.b. Lippe, Bocholter Aa oder Berkel sind in ihrem ausgebauten und begradigten Zustand ein typisches Element der Münsterländer Parklandschaft. Die Bäche sind eher Gräben, die in ihrer Gradlinigkeit kaum noch als Landschaftselement wahrnehmbar sind. Intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftete Flächen reichen dicht an das begradigte, stark ausgebaute und meist deutlich vertiefte Flussbett heran. Aufgrund des Gewässerausbaus sind die Ufer wenig abwechslungsreich. Die Strukturvielfalt in Ufer und Sohle ist gering, es finden sich kaum Gehölze am Wasser und insgesamt wenig Abwechslung in Art und Geschwindigkeit der Strömung (Strömungsdiversität). Durch Ausbau und regelmäßige Unterhaltung sind viele Tier- und Pflanzenarten in diesen Bereichen ausgestorben. Die Gewässerstrukturgüte liegt bei 4/5-7. Die Bereiche sind ohne Rückstau. Auenbereiche gibt es nicht, der Fluss ist auf den schnellen Abfluss von Hochwasser optimiert. Die Befestigungen von Uferbereichen verhindern natürliche Seitenerosion und begünstigen Erosion in die Tiefe. Größere Wassermengen können aufgrund fehlender Widerstände im Bett schnell abgeleitet werden. Die öffentliche Zugänglichkeit ist in dieser Etappe gering, meist kann man den Fluss nur an Querungen und Brücken erleben. Diese Brücken sind die einzigen architektonischen Elemente dieser Etappen. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Ökologische Qualität und Gewässerstrukturgüte zusammen mit den Anrainern verbessern und entwickeln. Als Flüsse bieten sie Potenzial für Wassersport. Die Erlebbarkeit und Wahrnehmung sollte punktuell, z.b. an Querungen, auf Radwegen, an Brücken ermöglicht werden und dabei die umgebende Kulturlandschaft einbeziehen. Bach: Issel nach Austritt aus dem Tiergarten Raesfeld Fluss: Lippe bei Olfen 37

3 / Regelprofilierter Fluss / Bach im Siedlungsbereich Dieser uniforme Flussabschnitt fließt begradigt durch Ortslagen in einem ausgebauten, deutlich vertieften Flussbett. Die Gewässer verlaufen zum Teil durch Parkanlagen oder werden von öffentlichen Wegen begleitet, aber häufig reichen auch Privatgrundstücke bis direkt an das Wasser heran. Öffentliche Infrastrukturen entlang der Flüsse haben häufig keinen Bezug zum Wasser. Insbesondere bei kleineren Gewässern sind Brückenbauwerke häufig überdimensioniert und nach rein technischen Gesichtspunkten gestaltet. Proportionen zwischen Flussraum und benachbarter Nutzung stimmen nicht. Bäume und Sträucher, häufig Ziergehölze, wachsen abschnittsweise an den wenig strukturierten Uferbereichen. Sie sind stark überformt und wirken wenig lebendig. Pflanzen und Tieren fehlen Strukturen und Strömungsdiversität in ihrem Lebensraum. Profilierung und Uferbefestigung haben zum Ziel, das Hochwasser schnell abzuführen. Zusätzlich schützen Retentionsbecken oberhalb der Siedlungsbereiche letztere vor Überschwemmungen. Durch die steilen Ufer und tiefliegenden Wasserflächen kommt man nicht direkt an das Wasser heran. Die Gewässerstrukturgüte liegt im Bereich 4/5-7. Es gibt keinen Rückstau. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Ökologische Qualität und Gewässerstrukturgüte zusammen mit den Anrainern verbessern und entwickeln. Ausrichtung der öffentlichen Infrastrukturen zum Wasser, Stadt mit dem Wasser entwickeln. Querungen, Zugänglichkeiten, Vernetzung mit der Stadt innovativ und hochwertig gestalten, Private und öffentliche Uferbereiche und angrenzende Bauten und Nutzungen gestalterisch qualifizieren. Bach: Berkel bei Gescher Fluss: Issel bei Bocholt 38

4 / Gestauter Fluss / Bach in Feld und Wald Wehre und Staustufen regulieren die Wasserstände in diesen Flussabschnitten. Der Rückstau hat Auswirkungen auf das gesamte Flusssystem. Das Flussbett ist deutlich vertieft und verbreitert mit zumeist stark verschlammter Sohle. Durch die geringe Fließgeschwindigkeit und monotone Uferprofilierung haben diese Abschnitte Stillgewässercharakter. Es etablieren sich oft seetypische Vegetationen wie z.b. Seerosen. Typische Flusslebewesen werden aufgrund des fehlenden Sauerstoffs aus der fließenden Welle verdrängt. Die Staustufen unterbrechen die Wanderungen der Tiere. In Siedlungsnähe werden diese Bereiche oft als Parkanlagen gestaltet. Die Erlebbarkeit ist beim gestauten Fluss aufgrund der größeren Wasserflächen potenziell hoch. Die Zugänglichkeit beschränkt sich punktuell auf Querungen oder Wege. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Ökologische Qualität, Durchgängigkeit und Gewässerstrukturgüte zusammen verbessern und entwickeln ggf. bestehende Wasserkraftanlagen ökologisch, energetisch und gestalterisch optimieren (nur wenn Durchgängigkeit über Umgehungsgerinne hergestellt werden kann); keine neuen Wasserkraftanlagen bauen Innovative und hochwertige Gestaltung von Querungen, Zugänglichkeiten, Vernetzung mit den angrenzenden Siedlungsbereichen Fluss: Stever bei Olfen Nonnenbach bei Appelhülsen Fluss: Staustufe der Bocholter Aa bei Bocholt Fluss: Berkel bei Vreden Bach: Teich an der Berkel bei Gescher 39

5 / Gestauter Fluss / Bach in Hochlage Diese gestauten Gewässerabschnitte sind künstlich in Hochlage an den Talrand verlegt worden, um Höhe für eine Wasserkraftnutzung mit Mühlen zu gewinnen oder das Taltief in Form von Flößwiesen zu bewässern. Der größte Teil des Wassers fließt in Hochlage und ist dort gestaut und hat Stillgewässercharakter. Der Flussverlauf in Taltiefe ist kaum noch zu erkennen oder sogar trockengefallen. So ergeben sich für die aquatische Lebenswelt in beiden Läufen unterschiedliche Probleme. Wehranlagen, Brücken und Übergänge gestalten diese Abschnitte architektonisch. Teilweise markieren die Gewässerläufe Übergänge von Siedlungsraum zu Landschaftsraum mit attraktiven landschaftlichen Zwischenzonen zwischen Hochlage und tieferliegendem Abflussgraben. Hochwasserereignisse können für die Siedlungsbereiche schadlos im Tal abgeführt werden. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Ökologische Qualität, Durchgängigkeit und Gewässerstrukturgüte verbessern und entwickeln ggf. bestehende Wasserkraftanlagen ökologisch, energetisch und gestalterisch optimieren (nur wenn Durchgängigkeit über Umgehungsgerinne hergestellt werden kann); keine neuen Wasserkraftanlagen bauen Innovative und hochwertige Gestaltung von Querungen, Zugänglichkeiten, Vernetzung mit den angrenzenden Siedlungsbereichen Spiel mit den topografischen Gegebenheiten Möglichkeit der Entzerrung der Durchgängigkeit durch Umgestaltung des tieferliegenden Grabens Kleiner Fluss: Dinkel bei Heek mit Donaugraben 40

6/ Gestauter Fluss / Bach mit kulturhistorischem Gebäude Diese Etappe findet sich an historischen Mühlenstandorten, Wasserschlössern, Gräften und anderen alten Bauwerken, an denen Wasser zu unterschiedlichen Zwecken aufgestaut wurde. Diese Orte sind Identifikationsorte im Stadtgefüge, auch wenn die ursprüngliche Nutzung nicht mehr gegeben ist. An diesen Orten ist das Wasser erreichbar und akustisch und visuell über das fallende Wasser intensiv erlebbar. Die Etappe hat ein deutlich verbreitertes Flussbett ohne erkennbare Strukturierung, die Ufer sind häufig monoton ausgebaut und teilweise mit Gehölzen bestanden. Der Stillwassercharakter verdrängt typische Flussbewohner. Die Wehre verhindern die Durchgängigkeit. Bei Niedrigwasser wird der Fluss länger gestaut, bei größeren Wassermengen werden die Wehre gezogen. So hat diese Etappe insgesamt eine relativ monotone Wasserführung. Im sogenannten Schwallbetrieb wird das Wasser regelmäßig aufgestaut, um es dann schwallartig durch die Turbinen abzulassen. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Ökologische Qualität, Durchgängigkeit und Gewässerstrukturgüte verbessern und entwickeln Fischtreppen und zeitgemäße Nutzungen der Gebäude als gestalterische Herausforderung ggf. bestehende Wasserkraftanlagen ökologisch, energetisch und gestalterisch optimieren (nur wenn Durchgängigkeit über Umgehungsgerinne hergestellt werden kann); keine neuen Wasserkraftanlagen bauen Innovative und hochwertige Gestaltung von Querungen, Zugänglichkeiten, Vernetzung mit den angrenzenden Siedlungsbereichen (Nach-)Nutzungskonzepte für die historische Bausubstanz Potenzial der Wiederanbindung der Orte an den Fluss, das Erleben von Wasserkraft-Geschichte und Wassergeräusche Kornwassermühle Heek-Nienborg Fluss: Berkel bei Vreden Füchtelner Mühle bei Olfen Berkelmühle in Stadtlohn Fluss: Schlossgraben Ahaus 41

7 / Gestauter Fluss / Bach in dichter Siedlungslage Innerhalb dichterer Ortslagen und Städte ist das Gewässer begradigt und gestaut. Die Gebäude reichen bis dicht an das Wasser heran oder private Grundstücke und Gärten grenzen an. Teilweise sind die Flüsse auch Bestandteil innerstädtischer Grünanlagen. Es gibt hier aufgrund der Dichte viele Zugänge und öffentliche Räume direkt am Wasser. Teilweise fehlen aber auch öffentliche Zugänge und eine grundsätzliche Orientierung der Städte zu den Flüssen, die lange Zeit der Hinterhof und nicht die Schauseite war. Die Etappe hat ein deutlich verbreitertes Flussbett ohne erkennbare Strukturierung, die Ufer sind häufig monoton ausgebaut und teilweise mit Gehölzen bestanden oder auch baulich als Gracht gefasst. Im Stillgewässer können typische Flussbewohner nicht überleben. Hochwasserereignisse werden schnell durchgeleitet. An diesen Orten ist das Wasser erreichbar und visuell erlebbar. Verfasser: Stein+Schultz, landinsicht, Planungsbüro Koenzen, farwick+grote Herausforderung und Potenzial Ökologische Qualität, Durchgängigkeit und Gewässerstrukturgüte verbessern und entwickeln ggf. bestehende Wasserkraftanlagen ökologisch, energetisch und gestalterisch optimieren (nur wenn Durchgängigkeit über Umgehungsgerinne hergestellt werden kann); keine neuen Wasserkraftanlagen bauen Innovative und hochwertige Gestaltung von Querungen, Zugänglichkeiten, Vernetzung mit der Stadt Potenzial der Wiederanbindung der Orte an den Fluss, das Erleben von Wasser Uferbereiche, Bauwerke und Nutzungen gestalterisch qualifizieren Fluss: Dinkel bei Gronau Fluss: Berkel bei Vreden 42