Januar 2014 Länderanalyse Irland 1. Strukturdaten Fläche: Einwohner (2013): Bevölkerungsdichte: Hauptsstadt: BIP pro Kopf (2012): Währung: Wechselkurs (Januar 2014): 70.273 km² 4,59 Mio. 65 Einw./km² Dublin 35.750 EUR Euro (EUR) 1,36 USD/EUR 2. Politische Lage Mitte Dezember 2013 hat Irland als erstes Programm-Land der Euroraum- Peripherie planmäßig den Rettungsschirm, den die Länder des Euroraums nach Ausbruch der internationalen Finanzkrise 2009 aufgespannt hatten (EFSF und später ESM), verlassen. Damit kann sich die kleine Insel wieder selbständig am Kapitalmarkt verschulden bzw. refinanzieren. Und die Investoren haben tatsächlich wieder Vertrauen in das Land gefasst: Der Zinssatz für 10-jährige Staatsanleihen fiel seit Juli 2011 von 13,9% auf nur noch 3,3%. Auch wenn die Risikoprämien im Laufe des Jahres 2014 wieder etwas ansteigen sollten beispielsweise aufgrund der bevorstehenden europaweiten Bilanzprüfungen der Kreditinstitute durch die Aufsichtsbehörden ( Bankenstresstest ), könnte dies Dublin gut überstehen: Die Regierung hat bereits durch Emission von Staatsanleihen in den vergangenen beiden Jahren einen Finanzpuffer von mehr als 20 Mrd. Euro aufgebaut. Auch eine vorsorgliche Kreditlinie des Eurorettungsfonds ESM über 10 Mrd. Euro, die der irische Finanzminister Michael Noonan noch im September 2013 selbst ins Gespräch brachte, lehnte die irische Regierung dann doch ab. Der Hauptgrund hierfür: Eine solche Kreditlinie wäre erneut mit Auflagen für die Haushaltskonsolidierung verbunden gewesen. Dies wollte die Regierung aber um jeden Preis vermeiden, um nach Ablauf der Hilfszahlungen, die volle Souveränität zurückzuerhalten. Die Inselrepublik musste nach Griechenland im November 2010 als zweites Land des Euroraums unter den Euro-Rettungsschirm EFSF schlüpfen. Insgesamt erhielt Irland über einen Zeitraum von drei Jahren knapp 85 Mrd. Euro an Kredithilfen vom IWF, den Euro-Ländern, Großbritannien, Schweden und Dänemark. 17,5 Mrd. Euro steuerte Irland selbst aus Mitteln seines Pensionsfonds bei. Eigentlich wollte die kleine Insel die Kredithilfen der europäischen Staaten erst gar nicht in Anspruch nehmen; vielmehr wollte sie die Gläubiger der maroden Finanzinstitute des
Länderanalyse Irland 2 Landes zur Kasse bitten. Auf Drängen der europäischen Partner nahm die damalige irische Regierung die Hilfen aber dann doch an, um einen Zusammenbruch des gesamten Euro-Raums zu vermeiden. Dies führte im Gegenzug zu einem enormen Anstieg der Staatsverschuldung. Nicht zuletzt aus diesem Grund fordert Irland regelmäßig eine rückwirkende direkte Rekapitalisierung seiner angeschlagenen Banken durch den Eurorettungsfonds ESM. Bisher scheiterte dies allerdings am Widerstand Deutschlands. 3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung Die irische Wirtschaft ist im dritten Quartal 2013 mit einem realen BIP-Zuwachs von 1,5% gegenüber dem Vorquartal überraschend stark gewachsen. Nach einem leichten BIP-Anstieg um real 0,2% im Jahr 2012 dürfte die Wirtschaft auch 2013 in einer ähnlichen Größenordnung zugelegt haben (2013s: 0,1%). Bezeichnend hierfür ist, dass die Belebung der Wirtschaft nicht ausschließlich von den Exporten getragen wurde. So verfügt Irland auch nach der Krise über starke exportorientierte Branchen (Chemie- und Pharmaindustrie, Medizintechnik, Logistikbranche), die jedoch stark von den weltwirtschaftlichen Entwicklungen abhängig sind. Vielmehr hat auch bei den Bruttoanlageinvestitionen ein kräftiger und in gewissem Maße auch beim Konsum ein leichter Aufschwung eingesetzt. Erstere haben im dritten Quartal real um knapp 11% gegenüber dem Vorquartal zugelegt einen Anstieg in dieser Größenordnung gab es zuletzt Anfang 2012. Im Zuge der erwarteten Erholung der Weltwirtschaft im Laufe des Jahres 2014 wird mit einer weiteren Belebung der Bruttoanlageinvestitionen gerechnet. Hierbei spielt auch die Steuerpolitik eine entscheidende Rolle: Auch nach der Krise weist Irland mit 12,5% die niedrigste Körperschaftsteuer innerhalb der EU auf und ist somit für ausländische Investitionen nach wie vor sehr interessant. Die Aussichten auf eine Wiederbelebung des privaten Konsums halten sich jedoch auch 2014 noch in Grenzen. Die Immobilienkrise und der damit in Verbindung stehende Zusammenbruch des Bankensektors hat in den meisten Branchen zu harten Einschnitten bei Löhnen und Einkommen geführt, was auch noch 2014 spürbar sein wird. Allerdings hat sich das Lohnniveau etwas stabilisiert, Kürzungen betreffen im Wesentlichen nur noch den öffentlichen Dienst. Ein weiterer Hemmschuh des privaten Konsums stellen die Kürzungen im Sozialbereich sowie die gestiegene Mehrwertsteuer (auf 23%) dar. Positiv auf den Privatkonsum wirkt sich hingegen die sinkende Zahl an Erwerbslosen aus: Seit Februar 2012 ist die Arbeitslosenquote von 15,1% auf 12,6% (Oktober 2013) gesunken. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Arbeitslosenquote von 13,2% im Jahr 2013 auf 12,6% im Jahr 2014 sinken. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Erwerbslosen immer noch mehr als doppelt so hoch wie vor Ausbruch der Krise ist. Vor allem junge Arbeitssuchende sind nach wie vor von der Krise betroffen und verlassen
Länderanalyse Irland 3 häufig das Land. Der strikte Konsolidierungskurs der Regierung wirkt sich darüber hinaus dämpfend auf den staatlichen Konsum aus. Durch das harte Sparprogramm wurden zahlreiche Infrastrukturprojekte gestrichen, was insbesondere die am Binnenmarkt orientierten inländischen Firmen der Baubranche trifft. Auch die Lage des Bankensektors ist nach wie vor äußerst problematisch. So ist es durchaus möglich, dass sich durch die 2014 anstehenden europaweiten Bilanzprüfungen durch die Europäische Zentralbank ( Bankenstresstest ) erneut große Löcher in den Bilanzen der Banken auftun. Im ungünstigsten Szenario müsste die irische Regierung erneut Hilfen von den europäischen Partnern einfordern was aus heutiger Sicht jedoch als recht unwahrscheinlich gilt. Immerhin setzte sich die Erholung am Immobilienmarkt auch 2013 fort: Seit dem zweiten Quartal 2013 steigen einschlägige Immobilienindices wieder dies war zuletzt vor dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise im Jahr 2007 der Fall. Die weiteren konjunkturellen Aussichten hängen sehr stark von der Entwicklung der Weltwirtschaft insbesondere der europäischen Wirtschaft ab. Unter der Prämisse, dass sich die Weltwirtschaft im Laufe des Jahres 2014 wieder erholt, ist mit einem kräftigen Aufschwung bzw. einem realen Zuwachs des BIP um 2,4% zu rechnen; 2015 dürfte die Wirtschaft dann wieder etwas an Dynamik verlieren und mit einer Rate von knapp 2% wachsen. Die Verbraucherpreise haben im November 2013 wieder leicht zugelegt. Im Durchschnitt dürfte die Inflationsrate 2013 bei niedrigen 0,5% gelegen haben. Daran wird sich auch 2014 nicht viel ändern: Mit 0,7% dürfte sie nur leicht gegenüber 2013 zulegen. 4. Außenwirtschaft Irlands Außenhandel hat in den ersten drei Quartalen 2014 deutlich an Fahrt verloren: Von Januar bis September gingen die Warenexporte gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum nominal um 4,8% zurück, die Warenimporte schrumpften um 4,2%. Dementsprechend fiel der Handelsbilanzüberschuss per Ende September 2012 mit 26,2 Mrd. Euro etwas geringer aus. Da der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz aber im gleichen Zeitraum über ein Drittel zulegte, fiel der Überschuss in der Leistungsbilanz ebenfalls deutlich höher aus: Ende September 2013 betrug dieser 7,5 Mrd. Euro gegenüber 4,5 Mrd. Euro im Jahr 2012. Insgesamt dürfte der Aktivsaldo der Leistungsbilanz 2013 bei 8,1 Mrd. Euro oder 4,9% gemessen am BIP gelegen haben einer der höchsten Werte seit 1993. Zum Vergleich: Zwischen 2000 und 2009 war die Leistungsbilanz Irlands noch mit durchschnittlich -2,3% des BIP negativ. Seit 2010 weist die kleine Insel wieder positive Salden mit zunehmender Dynamik auf. Diese Entwicklungen sind überaus positiv zu bewerten und spiegeln im Wesentlichen die gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit der kleinen Insel wider. 2014 wird mit einem Aktivsaldo der Leistungsbilanz von 4,4% des BIP gerechnet.
Länderanalyse Irland 4 Die wichtigsten Handelspartner Irlands sind die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich; zusammen genommen deckten diese beiden Länder im Jahr 2012 knapp 40% aller irischen Exporte ab. In die Länder der EU gingen knapp 60% aller Exporte. Dies verdeutlicht die Abhängigkeit Irlands von der konjunkturellen Lage der EU-Länder und insbesondere von den USA. 5. Finanzstatus Irland galt jahrelang als stabilitätspolitischer Musterschüler im Euro-Raum. So verbuchte der Staatshaushalt mit Ausnahme des Jahres 2002 zwischen 1997 und 2007 stets Überschüsse und die Staatsverschuldung konnte von einst 95% gemessen am BIP (1993) bis auf knapp 25% im Jahr 2007 zurückgefahren werden. Mit der Immobilien- und Bankenkrise rutschte Irland jedoch tief in die roten Zahlen. Nach Griechenland und Portugal musste die kleine Insel im November 2010 sogar unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen, konnte ihn aber Mitte Dezember 2014 als erstes Programmland planmäßig wieder verlassen. Bereits 2012 wagte sich die kleine Insel mit einzelnen Testemissionen (erfolgreich) an den Kapitalmarkt zurück. Und auch nach Auslaufen des Hilfsprogramms kann sich Dublin problemlos refinanzieren. Eine Anfang Januar 2014 begebene Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren war mehr als dreifach überzeichnet und rentierte mit 3,5%. Auch die Renditen bestehender 10-jähriger Staatsanleihen sind seit ihrem Höhenflug im Juli 2011 von knapp 14% kontinuierlich auf durchschnittlich 3,3% (Stand: Januar 2014) gesunken. Zum Vergleich: Spanische und italienische Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit rentierten jeweils mit 3,9%. Die starke Nachfrage nach irischen Schuldtiteln deutet darauf hin, dass die Investoren die Fortschritte Irlands honorieren und tatsächlich wieder Vertrauen in das Land gefasst haben. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land nach wie vor mit tief roten Haushaltszahlen zu kämpfen hat was auch der Hauptrisikofaktor bei der Gesundung Irlands darstellt. Nach einem Haushaltsdefizit von 8,1% gemessen am BIP im Jahr 2012 nach Spanien und Griechenland das höchste Defizit in der EU dürfte dies 2013 immer noch bei hohen 7,5% des BIP gelegen haben. Der Haushaltsplan für 2014 sieht anstelle der vom IWF geforderten Einsparungen und Steuererhöhungen in Höhe von 3,1 Mrd. Euro nur 2,5 Mrd. Euro vor. Daher ist es fraglich, ob die irische Regierung die von der EU-Kommission gesetzte Defizitobergrenze von 5,1% des BIP im Jahr 2014 einhalten kann. Realistischer erscheint eher ein Defizit von rund 5,5%. Somit wird die kleine Insel frühestens 2015 einen Maastricht-konformen Haushalt (Defizit muss kleiner oder gleich 3% des BIP) vorlegen. Nach Griechenland, Italien und Portugal weist Irland mit 127,5% gemessen am BIP (Stand: 2. Quartal 2013) die vierthöchste Staatsver-
Länderanalyse Irland 5 schuldung in der EU auf. 2014 wird die Schuldenstandsquote voraussichtlich nochmals bis auf 128,4% des BIP ansteigen, danach ist wieder mit einem leichten Rückgang des enormen Schuldenbergs zu rechnen. Sollten die irischen Banken (auch rückwirkend) Hilfen aus dem ESM erhalten, würde sich die Schuldenlast der kleinen Insel schlagartig um ca. 40 Prozentpunkte reduzieren. Im Länderkreditranking des Finanzmagazins Institutional Investor vom September 2013 belegt Irland mit 59,4 von 100 Punkten den 53. Rang unter 179 gewerteten Ländern. Damit verbesserte sich das Land gegenüber der März-Ausgabe um vier Positionen. 6. Ausblick Unter den sogenannten GIIPS-Ländern, die im Laufe der Euro-Krise unter den Euro- Rettungsschirm geschlüpft sind, hat Irland eindeutig die beste Entwicklung genommen. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sich die Investoren wieder um die Staatsanleihen der Inselrepublik reißen und das ohne eine (angebotene) Kreditlinie des Rettungsfonds ESM als Sicherheitspolster in Anspruch genommen zu haben. Hierfür verantwortlich sind unter anderem die konstant hohen Leistungsbilanzüberschüsse, die Irland inzwischen wieder erwirtschaftet, sowie die guten wirtschaftlichen Aussichten: Mit einem prognostizierten Zuwachs des realen BIP von 2,4% liegt Irland 2014 an der Spitze der EU-Länder. Das einst aufgrund des rasanten Zuwachs der Wirtschaftsleistung zwischen 1995 und 2007 als keltischer Tiger bezeichnete Land scheint wieder an Fahrt aufzunehmen. Die Erfolgsgeschichte Irlands ist im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum einen hat die irische Regierung schon sehr früh begonnen (im Jahr 2008), ein hartes und wirksames Sparprogramm durchzusetzen, das im Gegensatz zu manch südeuropäischem Land von der Bevölkerung weitgehend akzeptiert wurde und nicht zu gewalttätigen und antieuropäischen Massenprotesten führte. Zum anderen verfügt die irische Volkswirtschaft über eine in ihrem Kern flexible, unternehmensfreundliche und vor allem konkurrenzfähige Wirtschaftsstruktur, die dazu geführt hat, dass Irland auch unter dem harten Spardiktat der Troika seine Exporte ankurbeln und ein positives Wirtschaftswachstum erzielen konnte. Die Chancen, dass sich diese Erfolgsgeschichte fortsetzt, stehen in der Tat gut. Hierfür spricht auch, dass neben dem Hauptwachstumstreiber, nämlich den Exporten, der Privatkonsum wieder etwas an Dynamik gewinnt. Bei all den Erfolgsmeldungen, die Irland in den vergangenen beiden Jahren zu verzeichnen hatte, bleiben aber erhebliche Risiken, die das Land wieder unmittelbar in die Krise und im schlimmsten Falle wieder unter den Eurorettungsschirm treiben könnte. Allen voran steht die extrem hohe Staatsverschuldung und der
Länderanalyse Irland 6 damit in Verbindung stehende angeschlagene Bankensektor. Sollte dieser, beispielsweise im Rahmen des im ersten Halbjahr 2014 anstehenden Bankenstresstests, weitere Probleme bereiten, könnte dies die Inselrepublik nicht alleine schultern und müsste vermutlich erneut um Hilfen beim Eurorettungsfonds ESM bitten. Über den Berg ist die kleine Insel noch lange nicht. Der Grundstein für einen erfolgreichen Neuanfang ist mit der wiedererlangten Souveränität aber gelegt. Allgemeiner Hinweis Diese Publikation ist lediglich eine unverbindliche Stellungnahme zu den Marktverhältnissen und den angesprochenen Anlageinstrumenten zum Zeitpunkt der Herausgabe der vorliegenden Information am 10. Januar 2013. Die vorliegende Publikation beruht unserer Auffassung nach auf als zuverlässig und genau geltenden allgemein zugänglichen Quellen, ohne dass wir jedoch eine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der herangezogenen Quellen übernehmen können. Insbesondere sind die dieser Publikation zugrunde liegenden Informationen weder auf ihre Richtigkeit noch auf ihre Vollständigkeit (und Aktualität) überprüft worden. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit können wir daher nicht übernehmen. Die vorliegende Veröffentlichung dient ferner lediglich einer allgemeinen Information und ersetzt keinesfalls die persönliche anleger- und objektgerechte Beratung. Für weitere zeitnähere Informationen stehen Ihnen die jeweiligen Anlageberater zur Verfügung. Verfasser: Dr. Alexander Kalb Tel +49 89 2171-22858 alexander.kalb@bayernlb.de Redaktion: RO Länderrisiko- und Branchenanalyse www.bayernlb.de Geschäftsgebäude: Bayerische Landesbank Brienner Straße 18 80333 München Tel +49 89 2171-01