Veranstaltung IG Metall VDA Zukunft der Automobilproduktion am Standort Deutschland

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Transkript:

Erich Klemm Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Daimler AG Veranstaltung IG Metall VDA Zukunft der Automobilproduktion am Standort Deutschland Frankfurt, 11. September 2013 Sperrfrist Redebeginn Es gilt das gesprochene Wort!

Erich Klemm, VDA/IAA Symposium, Frankfurt 11. September 2013 2 Die Zukunft der Automobilproduktion in Deutschland hängt von vielen Faktoren ab: Wie immer sind es Menschen, von derer richtigen oder falschen Entscheidung die Zukunft wesentlich beeinflusst wird. Ich möchte heute 3 Aspekte beleuchten und diskutieren. Und erstens die Frage stellen: Nutzen wir die Chance des weltweit steigenden Bedarfs an Automobilen für die Produktion in Deutschland, oder folgen alle dem global footprint? 2. Es zeichnet sich eine Strukturänderung ab in den Automobilfabriken, ehemals sichere Autoarbeitsplätze werden in Leiharbeit oder Arbeit in Werkverträgen gewandelt. Dadurch entsteht auch eine Gefahr der Wettbewerbsverzerrung. 3. Auf EU-Ebene steht eine neue CO2 Gesetzgebung für Autos an. Die kann Arbeitsplätze gefährden oder moderne Technologien fördern, je nachdem, ob richtig oder falsch entschieden wird. Lassen Sie mich zum ersten Punkt kommen: Wie nutzen wir die Wachstumschancen auf dem Automobilweltmarkt für die deutsche Automobilproduktion? Ich will dabei auf 2 einfache Tatsachen hinweisen: 1. Deutschland hat seinen Wohlstand und seine Wirtschaftskraft hauptsächlich aus der Tatsache, dass wir erfolgreich in alle Welt unsere Produkte exportieren können. Das gilt für den Maschinenbau genauso wie für die Automobilindustrie. 2. Das Wachstum an zusätzlichen Automobilen findet aber nicht in Deutschland und Europa statt, sondern in anderen Regionen der Welt.

Erich Klemm, VDA/IAA Symposium, Frankfurt 11. September 2013 3 Vor diesem Hintergrund diskutieren die Entscheidungsträger sicherlich nicht nur bei Daimler, dass künftiger Produktionszuwachs auch in diesen Wachstumsmärkten stattfinden muss. Das erscheint zunächst logisch. Trotzdem möchte ich die Frage aufwerfen, was passiert, wenn alle dieser Logik folgen: Läuft dieses Land dann nicht Gefahr, seine starke Stellung als Exportnation zu verlieren? Es geht mir keineswegs um eine Debatte um schwarz oder weiß. Die Erfahrung zeigt, dass die Produktion deutscher Hersteller außerhalb Europas auch Arbeitsplätze in Deutschland sichern kann. Was wir aber auch in Zukunft brauchen, ist eine Produktion für die Welt aus Deutschland heraus. Denn wenn Deutschland seine Stärke halten will, muss klar sein, wir müssen auch eine starke Exportnation bleiben. Dazu gehört natürlich besonders der Export von Automobilen. Ich finde, auch dieser Verantwortung müssen sich die Entscheidungsträger bewusst sein. Der von mir angesprochene zweite Strukturwandel von ehemals sicheren Automobilarbeitsplätzen hin zu einer immer größer werdenden Zahl von Beschäftigten in Leiharbeit und Werksvertragsbeschäftigten wird ja schon heiß diskutiert. Was wir brauchen sind Lösungen. Ich sage das, obwohl es auf Druck der Betriebsräte in der Automobilindustrie inzwischen Vereinbarungen zu Bezahlung in der Leiharbeit gibt und unsere Tarifverträge z. B. mit den Branchenzuschlägen für Leiharbeiter manche Verbesserung gebracht hat. Dennoch geht es in vielen Unternehmen mit dieser Art von Beschäftigung schon längst nicht mehr um zusätzliche Flexibilität, sondern es geht darum, die Kosten zu senken und unsere Tariflöhne zu unterlaufen. Dabei kann man schon von Wettbewerbsverzerrung innerhalb Deutschland sprechen zwischen den Unternehmen, die ihre Leute anständig bezahlen und denen, die jede Chance nutzen, die Kosten durch Fremdpersonal zu drücken. Tatsächlich wird der gemeinsame Entgelttarifvertrag unterlaufen, der ja auch im Interesse der Unternehmen eine Ordnungsfunktion hat.

Erich Klemm, VDA/IAA Symposium, Frankfurt 11. September 2013 4 Ich bin mir sicher, wir brauchen neue Regeln zu Leiharbeit und Werkverträgen. Der Gesetzgeber muss gleichen Lohn für gleiche Arbeit zum Prinzip machen und die Betriebsräte müssen mehr Einfluss bekommen auf die Frage wer zu welchen Bedingungen auf dem Betriebsgelände arbeitet. Wenn auf diesem Gebiet nichts geschieht, wird sich die Spirale schon aus Wettbewerbsgründen weiter nach unten drehen. Dabei habe ich noch gar nicht beleuchtet, welche Risiken die Unternehmen eingehen, wenn sie ihre Fabriken in immer mehr Einzelfunktionen zerlegen und z. B. Logistik von der Fa. A, Vormontagen von der Fa. B. usw. machen lassen. Wenn jetzt die Beschäftigten von A und B auch noch in anderen Tarifstrukturen sind und womöglich von einer anderen Gewerkschaft repräsentiert werden als die Stammbelegschaft, dann sind wir bei Zuständen wie z. B. bei der Lufthansa, wo mal das Bodenpersonal, mal die Piloten und mal das Kabinenpersonal in unterschiedlichen Tarifauseinandersetzungen sind. In den komplexen Gebilde einer Automobilfabrik gäbe es genügend Schlüsselpositionen von der aus auch eine kleine Truppe großen Einfluss ausüben könnte. Deshalb verstehe ich nicht, wie wenig Bedeutung in manchen Automobilbetrieben vom Management der Erhaltung einer einheitlichen Belegschaft und Tarifstruktur beigemessen wird. Ich glaube jedenfalls, dass es hier dringenden Gesprächsbedarf zwischen den Sozialpartnern einerseits aber auch mit den politischen Entscheidungsträgern andererseits gibt. Den dritten Punkt, den ich ansprechen möchte, bezieht sich auf Umweltregularien, konkret die CO²-Gesetzgebung der EU. Offensichtlich ist, dass mit diesem Instrument nicht nur die Umwelt geschützt werden soll, sondern auch Industriepolitik zu Lasten der deutschen Premiumhersteller betrieben wird. Keineswegs wende ich mich gegen strengere CO²-Regularien, ich finde es auch gut, dass die Autoindustrie das 95 Gramm Ziel für 2020 als Herausforderung angenommen hat.

Erich Klemm, VDA/IAA Symposium, Frankfurt 11. September 2013 5 Dass im Rahmen dieser Zielsetzung die Lasten sehr ungleich verteilt sind und die Hersteller von Premiumfahrzeugen eine sehr viel größere Last tragen müssen als Hersteller kleinerer Fahrzeuge ist schmerzhaft, aber wohl nicht zu vermeiden. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass der europäische Gesetzgeber bisher nicht bereit ist, besondere Anstrengungen mit Fahrzeugen ohne oder geringer lokaler Emission durch angemessene Multiplikatoren von Superkredits zu belohnen bzw. Ökoinnovationen unbürokratisch anzurechnen. Dadurch könnte unsere high tech geprägte Industrie zeigen, was möglich ist, und manche technische Lösung, die sonst nie Marktreife erreichen würde, bekäme eine Chance. Ich bin überzeugt, es würde langfristig der Umwelt, unserer Industrie und auch den Arbeitsplätzen mehr nützen als das, was zurzeit vorgeschlagen ist. Zumal Europa die einmalige Chance hätte, Forschungs- und Innovationsförderung zu betreiben, ohne dafür selber einen Cent aufwenden zu müssen. Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Automobilproduktion in Deutschland hat gute Chancen weiterhin, sich erfolgreich weiterzuentwickeln wenn die Entscheidungsträger ausgewogen die richtigen Entscheidungen treffen. Darüber lohnt es sich, gemeinsam nachzudenken und auch Verantwortung zu übernehmen.