Jugendsexualität 2006

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Transkript:

Jugendsexualität 2006 Schule und Sexualerziehung ERGEBNISSE DER REPRÄSENTATIVEN BEFRAGUNG VON MÄDCHEN UND JUNGEN IM ALTER VON 4 BIS 7 JAHREN IM AUFTRAG DER BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG (BZGA) STAND: JANUAR 2008

Schule und Sexualerziehung Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse zur Rolle der Schule bei der Sexualerziehung basieren auf den Daten der Studie Jugendsexualität 2006, die für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln durchgeführt wurde. Befragt wurden im Jahre 2005.500 und.000 deutscher Abstammung im Alter von 4 bis 7 Jahren rund um die Themen Aufklärung und Sexualität. Daneben werden auszugsweise auch Ergebnisse einer Vergleichsstichprobe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (über 600 und ) dargestellt, die mit dem gleichen Fragebogen befragt wurden. Sexualerziehung findet flächendeckend statt. Unabhängig davon, unter welcher Begrifflichkeit die Lehrinhalte länderspezifisch laufen, in welchem Fach und welcher Jahrgangsstufe sie verankert ist, eines lässt sich festhalten: Sexualerziehung hat in der Schule heutzutage seinen festen Platz. Im Westen wie im Osten haben neun von zehn Jugendlichen in der Schule Sexualerziehung erhalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Sexualerziehung in der Schule im Trend Gesamt West Ost 00 80 in % 83 75 77 86 87 89 8 92 93 9 9 87 90 60 40 45 47 20 0 994 996 998 200 2005 4-6 2005 Abb. Selbst Mitte der neunziger Jahre lagen die Zahlen für Westdeutschland noch um acht Prozentpunkte () bzw. neun Prozentpunkte () unter dem heutigen Wert. Vor allem aber ließen sich große Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Schulen erkennen, da nicht einmal jede(r) zweite ostdeutsche Jugendliche eine schulische Sexualerziehung erfuhr. Dieser Rückstand wurde in den letzten zehn Jahren vom ostdeutschen Schulsystem aufgeholt: 2005 ist endgültig eine Parität zwischen Ost- und Westdeutschland hinsichtlich der Sexualerziehung an Schulen erreicht.

Doch auch wenn man heute prinzipiell von einem flächendeckenden Angebot ausgehen kann, so gilt dies nicht für alle Jugendlichen gleichermaßen. "Keine Sexualerziehungsthemen im Unterricht besprochen" äußern in der deutschen Stichprobe häufiger diejenigen und vor allem, die sich noch nicht oder jedenfalls nicht ausreichend aufgeklärt fühlen ( 3% bzw. 5%, 9% bzw. 8%). Hier ist ein gewisser Zusammenhang mit dem Alter gegeben: Bei beiden Geschlechtern sind es die 4jährigen, die tendenziell etwas seltener angeben, Sexualerziehungsthemen im Unterricht behandelt zu haben. Dazu passt auch, dass es sich eher um Jugendliche, die die unteren Klassen besuchen, handelt (Jahrgänge 7 und 8), für die Sexualerziehung zum Teil erst noch auf den Lehrplan kommt. In der Vergleichsstichprobe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund geben und mit ausländischen Wurzeln im Schnitt um jeweils etwa 0 Prozentpunkte seltener an, Sexualerziehung in der Schule erfahren zu haben ( 79%, 78%) als ihre deutschen Altersgenossen. Aus dem Rahmen fallen vor allem türkische, die nicht in Deutschland geboren sind: Sie hatten besonders selten nur zu 59% Sexualerziehung in der Schule. Wissensdefizite dieser Gruppe sind unausweichliche Folge, denn: Schule ist in der Sexualerziehung ein wichtiges Vermittlungsmedium. Zwar hat der Schulunterricht als generelle Informationsquelle für sexuelle Themen seit der letzten Befragung vor fünf Jahren leicht an Bedeutung verloren (200: 76%, 82%), ist aber mit heute 74% resp. 75% immer noch für mehr Jugendliche eine wichtige Quelle der Sexualaufklärung als in den 90er Jahren. Kenntnisquellen über Sexualität, Fortpflanzung, Empfängnisverhütung die fünf wichtigsten Quellen Schulunterricht 74 75 Gespräche 77 70 Jugendzeitschriften 58 47 Bücher 29 22 Illustrierte/ Zeitungen 25 2 0 20 40 60 80 0 20 40 60 80 Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich 4-4 2005 Abb. 2 2

Schule (75%) nimmt bei den männlichen Jugendlichen den wichtigsten Rang als Vermittlungsmedium für Kenntnisse über Sexualität, Fortpflanzung und Empfängnisverhütung ein, noch vor Gesprächen (70%) und weit vor Jugendzeitschriften (47%) oder anderen schriftlichen Medien (jeweils nur knapp über 20%). Bei den erreicht der Schulunterricht mit 74% immerhin fast die gleiche Wertigkeit wie Gespräche (77%). Auch speziell bei der Sexualaufklärung übernimmt der Lehrer als Bezugsperson eine wichtige Rolle. Bei den rangieren Lehrer in der Bedeutung mit 38% auf dem zweiten Platz knapp hinter der Mutter (42%). Bei den fällt der Mutter mit 70% zwar unumstritten die Schlüsselrolle zu, und auch die beste Freundin oder der beste Freund hat höhere Bedeutung als der Lehrer, aber immerhin sind Lehrer auch für ein knappes Drittel der wichtige Bezugspersonen bei der Aufklärung über sexuelle Dinge gewesen. Wichtigste Personen bei Sexualaufklärung Auswahl Deutsche Migranten Mutter 42 70 26 49 Lehrer 3 38 30 40 beste Freundin, bester Freund 33 44 38 47 0 20 40 60 80 0 20 40 60 80 Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich 4-5 2005 Abb. 3 Noch ganz anders stellt sich die Situation für Jugendliche aus Migrantenfamilien dar. Jugendliche mit Migrationshintergrund werden weitaus seltener von ihren Eltern aufgeklärt als Jugendliche deutscher Herkunft. In der Konsequenz beziehen Jugendliche beiderlei Geschlechts aus Migrantenfamilien ihr Aufklärungswissen eher noch häufiger als deutsche Jugendliche von Gleichaltrigen (beste/r Freund/in, Geschwister). mit Migrationshintergrund versuchen die Defizite bei der elterlichen Aufklärung ganz offensichtlich teilweise durch die Schule (Lehrer) zu kompensieren. Für sie ist der Lehrer wichtigere Informationsquelle in Aufklärungsfragen gewesen (40%) als für deutsche (3%). Für mit Migrationshintergrund trifft dies nicht zu, sie beziehen ihr Aufklärungswissen sogar auffällig seltener aus dem schulischen Feld (30%) als deutscher Herkunft (38%). Und trotzdem: Für aus Migrantenfamilien ist die wichtigste 3

erwachsene Bezugsperson mit 30% der Lehrer; er hat für sie eine größere Bedeutung bei der Aufklärung in sexuellen Fragen gehabt als Mutter oder Vater (26% / 24%). In der Frage der Wissensvermittlung speziell zu Sexualthemen, bei denen Jugendliche sich nicht ausreichend informiert fühlen, finden die Lehrer nicht mehr in dem Maße Zuspruch, wie sie ihn bei der sexuellen Aufklärung allgemein haben. Nur noch 6% der bzw. 22% der aus deutschen Familien sehen hier im Lehrer eine wichtige Person. Lehrer als präferierte Wissensvermittler zu sexuellen Themen nach Schulklassen bei Informationsdefiziten Gesamt 6 22 Klasse 7 33 38 Klasse 8 2 22 Klasse 9 8 24 Klasse 0 4 22 Klasse -3 4 34 0 0 20 30 40 0 0 20 30 40 Angaben in% 4-9 2005 Abb. 4 Dies Ergebnis ist jedoch zu relativieren, denn in einzelnen Teilgruppen ist das Interesse der Jugendlichen an der Schule als wissensvermittelnder Institution durchaus auch in weitaus höherem Maße gegeben. Generell spielen Lehrkräfte besonders bei den jüngeren Jugendlichen eine überdurchschnittlich große Rolle: 24% der 4jährigen und 29% der 4jährigen würden es begrüßen, von ihren Lehrern weitere Informationen zu sexuellen Themen zu erhalten, bei denen sie subjektiv Defizite empfinden. Der Zuspruch ist vor allem von Seiten der Schülerinnen und Schülern des 7. Jahrgangs hoch: 33% der und 38% der würden gern mit Hilfe von Lehrern ihre Wissenslücken schließen. Mit Zunahme der Schuljahrgänge nimmt dann die Bedeutung des Lehrers bei und kontinuierlich ab; mit der Ausnahme der des Schuljahrgangs -3 (hier steigt die Nachfrage nochmals an). Beachtenswert: Lehrer sind überdurchschnittlich wichtig für Jugendliche, bei denen die Eltern nur begrenzt als Ansprechpartner fungieren, wo z. B. im Elternhaus Sexualität nicht thematisiert wird ( 20%, 25%), oder für Jugendliche, deren Eltern es 4

ablehnen, dass sie jetzt schon Geschlechtsverkehr haben ( 2%, 29%), oder die angeben, keine Vertrauensperson für sexuelle Fragen zu haben ( 2%, 27%). Und auch der Blick auf die Vergleichsstichprobe der Jugendlichen aus Migrantenfamilien offenbart die besondere Verantwortung der Schule für diese Gruppe. Denn entsprechend der untergeordneten Rolle der Eltern in der Sexualaufklärung und als Vertrauenspersonen sehen Jugendliche mit Migrationshintergrund ihre Eltern seltener als mögliche Informanten für die Gebiete, in denen sie sich noch nicht ausreichend informiert fühlen. Viele Jugendliche mit ausländischen Wurzeln erhoffen sich stattdessen vom Partner / von der Partnerin, dass er/sie den noch bestehenden Informationsbedarf an sexuellen Fragen erfüllt. Mit 20% erreicht die Antwort "von meiner Partnerin" unter den Angaben der die größte Nennungshäufigkeit, weit vor den Eltern. Und auch die setzen in starkem Maße darauf, innerhalb der Partner-Beziehung sexuelle Wissensdefizite auffüllen zu können: 28% nennen den Partner als präferierte Person und damit ähnlich viele wie die Mutter. Abgesehen davon, dass die Qualität dieses von Gleichaltrigen vermittelten Wissens objektiven Kriterien teilweise wohl kaum standhält: Wenn andere erwachsene Bezugspersonen weitgehend ausfallen, so fällt der Schule zwangsläufig vermehrt eine Schlüsselrolle zu. Bei den aus Migrantenfamilien wird die beachtliche Rolle des Lehrers oder der Lehrerin aus den Nennungshäufigkeiten des Lehrer im Vergleich zur Mutter deutlich: Unter den aus Migrantenfamilien reicht der Stellenwert des Lehrers / der Lehrerin näherungsweise an den der Mutter heran, während bei den deutscher Herkunft die Mutter mit Abstand höchste Priorität genießt. Und was die aus Migrantenfamilien betrifft, so erreichen Lehrer bei mit Migrationshintergrund mit 9% die zweitgrößte Nennungshäufigkeit unter den präferierten Bezugs-Personen sie werden fast genauso oft genannt wie die beliebteste Wissensvermittlerin, die Partnerin mit 20%. Wesentliche Themen des Aufklärungsspektrums werden abgedeckt. Sexualerziehung in der Schule umfasst viele Aspekte, und diese Bandbreite spiegelt sich auch in den fünf von den und am häufigsten als im Unterricht behandelt genannten Themen wieder. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Themen teilweise unterschiedliche Aufmerksamkeitswerte je nach Geschlecht erreichen: 5

Themen des Sexualkundeunterrichts Auswahl Geschlechtsorgane 96 96 Geschlechtskrankheiten 87 83 Empfängnisverhütung Regel, Eisprung der Frau körperl. Entwicklung Jugendlicher 8 75 74 82 82 89 Schwangerschaft, Geburt 66 74 00 80 60 40 20 0 20 40 60 80 00 Basis: Jugendliche, die Sexualkundeunterricht in der Schule erhalten haben Angaben in % 4-8 2005 Abb. 5 Am ausführlichsten wurde wohl der Themenbereich Geschlechtsorgane in der Schule behandelt, jeweils von 96% der und genannt. Beide, und, führen auch sehr häufig das Thema Geschlechtskrankheiten an, danach taucht in der Rangfolge der Häufigkeiten das Thema Verhütung auf, von jeweils knapp über 80% der und genannt. Damit gehört dieser Themenbereich zu den meistgenannten, belegt aber bei beiden Geschlechtern nicht die Spitzenposition. Recht selektiv aufgrund unterschiedlicher persönlicher Betroffenheit? wird das Thema Regel und Eisprung wahrgenommen: erinnern sich sehr häufig an Informationen zu Menstruation und Eisprung (89%, zweithäufigst erinnerter Themenbereich), um einiges weniger (75%). Zu den Hauptthemen zählen ferner die körperliche Entwicklung Jugendlicher und Informationen rund um Schwangerschaft und Geburt. Auffällig: erinnern auch diese Themen häufiger als. Geschlechtsorgane und Verhütung sind dagegen Themen, die gleich gut erinnert werden, und die Behandlung des Themas Geschlechtskrankheiten wird tendenziell häufiger von angeführt. Sofern sie Sexualkundeunterricht erhalten haben, benennen ausländischer Herkunft die behandelten Themen in gleicher Häufigkeit wie deutscher Herkunft, die Unterschiede sind marginal. Deutlicher unterscheiden sich dagegen die aus den beiden Stichproben: ausländischer Herkunft erinnern sich nicht nur seltener als mit Migrationshintergrund, sondern auch seltener als aus deutschen Familien an die verschiedenen Themenbereiche. 6

Auf Nachfrage: Verhütung wird spätestens ab Jahrgang 8 fast immer thematisiert. Auf spezielle Nachfrage hin, inwieweit denn Verhütung Gegenstand des Unterrichts war, ist eine sehr positive Rückmeldung zu verzeichnen. Wer Sexualkundeunterricht in der Schule erfährt, erhält in diesem Rahmen auch in nahezu jedem Fall Informationen zum Thema Verhütung. Zumindest trifft dies für die Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe 8 zu. Verhütung wird also auf jeden Fall thematisiert, und das bereits zu einem frühen Zeitpunkt. Über Verhütung im Unterricht gesprochen und Angaben in % Klasse 7 Klasse 8 Klasse 9 Klasse 0 Klasse -3 im letzten Schuljahr 39 48 39 47 40 39 29 36 3 9 im vorletzten Schuljahr 4 20 20 27 25 20 23 27 24 9 länger her 8 8 22 6 28 33 46 37 62 69 noch gar nicht besprochen 0 9 2 3 2 aktuelles Thema 4 9 8 6 3 5 2 0 20 40 0 20 40 0 20 40 0 20 40 0 20 40 Basis: und mit Sexualkundeunterricht in der Schule 4-6 2005 Abb. 6 Diese frühe Behandlung des Themas Verhütung kommt den Interessen der Jugendlichen durchaus entgegen, denn: Je jünger die und, desto größer ist das Interesse am Thema. 45% der und 34% der im Alter von 4 Jahren geben auf die Frage, zu welchen sexuellen Themenbereichen sie gern mehr Informationen hätten, (unter anderem) das Thema Verhütung an. In etwa analog dazu fallen die Ergebnisse aus, wenn man die Jahrgangsstufen betrachtet. Bei den ist das Interesse in den Jahrgängen 7 und 8 am größten (über 40% dieser Jahrgänge möchten "gern mehr darüber wissen"), bei den ist das Interesse in den Jahrgangsstufen 8 und 9 besonders groß (jeweils 34% möchten gern mehr darüber erfahren). Das frühe Informationsangebot trifft also auf entsprechendes Interesse. 7

Empfundene Informationsdefizite zum Thema Empfängnisverhütung Nach Alter 4 Jahre 45 34 5 Jahre 3 33 6 Jahre 29 25 7 Jahre 22 9 0 20 40 0 20 40 Angaben in % 4-8 2005 Abb. 7 Nicht zu vernachlässigen: Verhütung als Thema auch später noch von Interesse. Allerdings: Zu einer erneuten Aufnahme des Themas kommt es in den Folgejahren offenbar nicht. Dabei empfinden auch die Schülerinnen und Schüler der oberen Klassen durchaus noch Informationsbedarf: Jede(r) dritte Jugendliche der Jahrgangstufe 9 und jede(r) vierte Jugendliche der Jahrgangsstufe 0 fühlen sich eben doch immer noch nicht ausreichend informiert. Sie würden nach eigenem Bekunden gern mehr über das Thema Empfängnisverhütung wissen, sicherlich aus einem inzwischen etwas veränderten, weniger theoretischen Blickwinkel. Dies gilt für beide Geschlechter gleichermaßen. In der Oberstufe differieren die Ansichten wieder: meinen dann in aller Regel, genug Wissen darüber zu haben (nur noch % "möchte mehr darüber wissen"). aber haben nach wie vor zu einem nicht geringen Teil den Wunsch mehr zu erfahren (24% möchte mehr darüber wissen"). Intensivere Aufklärung über Verhütung von Seiten der Schule bei Migranten von Nöten Wie wichtig es ist, das Thema Verhütung immer wieder aufzugreifen, zeigen die Antworten auf die Frage nach dem Verhütungsverhalten beim ersten Mal. Insbesondere unter den findet sich seit Jahren ein konstant großer, zweistelliger Anteil, bei denen der erste Geschlechtsverkehr ungeschützt stattfindet. Und besonderen Aufklärungsbedarf weisen und ausländischer Herkunft auf. 8

Verhütungsverhalten beim ersten Mal kein Verhütungsmittel 9 9 5 34 Kondom 63 7 50 66 Pille 24 35 9 37 Koitus Interruptus 4 0 20 40 60 80 Migrationshintergrund Deutsch 3 2 0 20 40 60 80 Migrationshintergrund Deutsch Angaben in %; Mehrfachnennungen möglich Basis: und mit GV-Erfahrung 8-2005 Abb.8 Seitens der Jugendlichen aus Migrantenfamilien findet beim ersten Geschlechtsverkehr oftmals keine Verhütung statt: Jeder dritte Junge (34%) und jedes fünfte (9%) geben an, nicht verhütet zu haben. Das sind jeweils mehr als doppelt so viele wie bei Jugendlichen deutscher Herkunft (deutsche : 5%, deutsche : 9%)! Schule als wichtige Informationsquelle beim Thema Verhütungpräparate. Unter den zur Wahl stehenden Mitteln zur Verhütung spielt neben dem Kondom die Antibaby-Pille nach wie vor eine große Rolle. Richtig angewendet, gewährleistet sie das höchste erreichbare Maß an Sicherheit. Ein Anwendungshemmnis neben dem dafür notwendigen Arztbesuch ist jedoch in den damit verbundenen Kosten zu sehen. Umso bedeutsamer ist es, im Rahmen der Aufklärung auch die Information weiterzugeben, dass die Krankenkassen die Kosten für Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr übernehmen. Die Mehrzahl der weiß auch um diese Möglichkeit, zeigt die Studie, 62% bejahen eine entsprechende Kenntnis, 80% sind es unter den sexuell Erfahrenen allerdings waren es in der Vergangenheit auch schon mehr (998: 69% / 85%). Sexuell aktive aus Migrantenfamilien kennen sich genauso gut aus wie sexuell aktive deutsche. Schule als Wissensvermittlerin für die Information des kostenlosen Bezugs ist für und von unterschiedlicher Bedeutung: Neben dem Geschlecht ist das Vorhandensein eines Migrationshintergrundes von erheblichem Einfluss. Für spielt Schule generell eine größere Rolle bei der Wissensvermittlung über die kostenlose Pillenabgabe als für : Sie wird von ihnen unabhängig von der Herkunft an erster Stelle als Kenntnisquelle genannt. Allerdings mit augenfällig unterschiedlicher Gewichtung je nach Herkunft: Es sind vor allem die aus deutschen Familien, für die 9

Schule wichtige Informationsvermittlerin ist. 50% bezeichnen die Schule als ihre wichtigste Kenntnisquelle der kostenlosen Pillenabgabe, erst weit abgeschlagen folgen andere Nennungen (nächst häufig der Freund / die Freundin mit 22%). Für mit Migrationshintergrund steht Schule auch an erster Stelle, mit 30 Prozent allerdings längst nicht in der Größenordnung wie bei den deutscher Herkunft; dichtauf folgen bei ihnen außerdem Freund/Freundin und Mutter (27% bzw. 26%). mit deutscher Abstammung sind dagegen auf andere Informanten hin orientiert: Sie nennen zunächst ihre Mutter (42%), danach den Arzt / die Ärztin (40%), Schule folgt mit 27% erst auf dem dritten Rang. Für mit Migrationshintergrund ist Schule hingegen wichtigste Informationsvermittlerin: Sie beziehen ihre Kenntnis von der kostenlosen Pillenabgabe in erster Linie von der Schule (42%), vor der von ihnen annähernd gleich häufig genannten Informationsquelle der besten Freundin / des besten Freundes (40%). Schule als Wissensvermittlerin für die Möglichkeit der Notfallverhütung. Für und und zwar unabhängig von einem möglichen Migrationshintergrund ist Schule von noch größerer Bedeutung als Informationsquelle, was die Möglichkeit der Notfallverhütung, die Pille danach, betrifft, und zwar vor allem deshalb, weil andere Informationsquellen wegfallen. Schule avanciert hierdurch nicht nur für aus deutschen Familien, sondern auch für mit Migrationshintergrund zur Hauptinformationsquelle. Gleiches gilt für aus deutschen Familien, denn in der Frage der Information über die Pille danach treten Mutter und Arzt als Bezugspersonen deutlich zurück entsprechend mehr Gewicht bekommt die schulische Vermittlung. mit Migrationshintergrund haben ihr Wissen allerdings in allererster Linie von der Freundin, erst danach folgt Schule als Informationsquelle. Schulische Sexualerziehung zeigt Wirkung. Dass Informationen aus dem schulischen Sexualkundeunterricht aufgenommen werden, zeigt ein konkretes Beispiel: Während und, die keinen Sexualkundeunterricht hatten, nur zu 37% bzw. 35% auf die erste Menstruation / den ersten Samenerguss vorbereitet waren, liegen die entsprechenden Anteile bei denen, die in der Schule Sexualerziehung genossen haben, bei 5% der und sogar 72% der. Bei den Jugendlichen aus Migrantenfamilien sehen die Verteilungen ähnlich aus. Chancen schulischen Einflusses: Themen, die im Elternhaus ausgeblendet werden. Insgesamt bemühen sich die Eltern (deutscher) Jugendlicher um Aufklärung auf breiter Basis. Sie sehen sich sehr wohl in der Lage, ihren Kindern konkrete Informationen zu Liebe, Ehe, Partnerschaft, Familie ebenso zu geben wie zu Entwicklungsvorgängen (Entwicklung Jugendlicher, Menstruation, Entwicklung des Ungeborenen). Festzuhalten ist dabei, dass sich Väter generell schwerer tun als Mütter, wenn es um die Vermittlung aufklärerischer Informationen geht. Es gibt aber auch Themenbereiche, die bei der Aufklärung von Elternseite eher ausgeblendet werden. Hier könnte der Sexualkundeunterricht der Schule zumindest grundlegende Informationen liefern, um Defizite in der elterlichen Aufklärung zu kompensieren. Weniger besprochen werden zwischen Jugendlichen und Eltern Themen, bei denen es um die Praxis geht: Mehr als 50% der Mütter und Väter fällt es schwer, sich konkret zu sexuellen Praktiken zu äußern (Orgasmus, sexueller Höhepunkt), ebenso ist Selbstbefriedigung ein 0

Thema, mit dem sie Schwierigkeiten haben (über 40%). Aber auch das Thema Homosexualität wird von 25% der -Mütter / 26% der -Mütter und einer jeweils sogar noch etwas größeren Zahl der Väter eher vermieden, weil sie sich damit schwer tun. In einzelnen Teilgruppen kann das Schweigen durchaus auch noch größere Dimensionen annehmen, z. B. wird das Thema Homosexualität von -Eltern, die der katholischen Kirche eng verbunden sind, zu 39% ausgeklammert. Daneben sind es die besonderen Erscheinungsformen von Sexualität Pornographie (über 30%) und Prostitution (über 20%), die Eltern bei der Aufklärung eher nicht ansprechen. Nicht unterschätzt werden sollte auch die Chance der Schule als Schnittstelle bzw. als Multiplikator zu fungieren. So geht aus den Studienergebnissen hervor, dass Beratungsstellen einen Teil derjenigen Klientel auffangen und mit Informationen versorgen, die nicht den Weg in eine gynäkologische Praxis finden. Ein erster Kontakt zu Beratungsstellen aber wird heute vielfach über Schule hergestellt: Vor allem, die schon einmal eine Beratungsstelle zur Verhütungsberatung besucht haben, geben häufig an (48%), dass es sich um eine von der Schule organisierte Informationsveranstaltung handelte. Auch von den besuchte ein knappes Drittel (30%) eine Beratungsstelle aufgrund einer schulischen Veranstaltung. Ein weiteres Indiz: Die Materialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die fundierte und umfassende Informationen zum Themenspektrum Aufklärung, Körpererfahrung und Sexualität liefern, sind unter und, die Sexualerziehung in der Schule bekommen haben, doppelt so häufig bekannt wie unter Jugendlichen ohne Sexualerziehungsunterricht. Grenzen schulischen Einflusses: Die Rolle einer Vertrauensperson hat der Lehrer nicht inne. Erwachsene wie Lehrer oder Ärzte haben wenig Relevanz, wenn es darum geht, sexuelle Fragen mit einer Vertrauensperson zu besprechen. Der Lehrer ist zwar an der Sexualaufklärung der Jugendlichen in hohem Maße beteiligt und in gewissem Umfang auch als Wissensvermittler gefragt, die Rolle der Vertrauensperson hat er aber nur selten inne (Jugendliche mit Migrationshintergrund: und jeweils 7%, Jugendliche ohne Migrationshintergrund: jeweils 4%). Unabhängig von der Herkunft fällt die Wahl der Vertrauensperson primär auf Gleichaltrige; für deutsche Jugendliche wie auch für die Mehrheit der Jugendlichen ausländischer Herkunft ist der beste Freund oder die beste Freundin die wichtigste Vertrauensperson. Zusammenfassung. Sexualerziehung findet flächendeckend statt: Mehr als 90 Prozent aller deutschen Schülerinnen und Schüler wurde Sexualkundeunterricht zuteil einzelne Gruppen sind dennoch nach wie vor benachteiligt. Schule nimmt bei den deutschen den wichtigsten Rang als Vermittlungsmedium für Kenntnisse über Sexualität, Fortpflanzung und Empfängnisverhütung ein, bei den ist sie die am zweithäufigsten genannte Kenntnisquelle. Schule springt bei der Aufklärung ein, wo andere Bezugspersonen ausfallen. Insbesondere für ausländischer Herkunft spielt Schule eine wichtige Rolle zur Kompensation von Defiziten in der elterlichen Aufklärung. Vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler würden gern auch subjektiv empfundene Wissenslücken mit Hilfe von Lehrern schließen. Verhütung gehört zu den am meisten behandelten Themen des Sexualerziehungsunterrichts was auch den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entspricht.