Neuer Abfindungsanspruch - 1 a daneben!

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DNotI. Dokumentnummer: 12zb526_11 letzte Aktualisierung: BGH, XII ZB 526/11. BGB 1903; FamFG 278, 286, 293

Transkript:

Neuer Abfindungsanspruch - 1 a daneben! Seit 1.1.2004 ist 1 a KSchG in Kraft, der erstmals einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung begründen soll. Der Beitrag untersucht die Mogelpackung und weist auf praktische Probleme im Umgang mit der ne uen Vorschrift hin. Dieser Artikel ist erschienen in: NZA, Seite 77, 2004 Dr. Jobst Hubertus Bauer Dr. Steffen Krieger GLEISS LUTZ Stuttgart I. Einleitung 1 a KSchG wurde zum 1.1.2004 durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 1 neu in das Kündigungsschutzgesetz aufgenommen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll den Arbeitsvertragsparteien unter der Überschrift Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess angeboten werden 2. Zu erwarten ist allerdings eher ein umgekehrter Effekt: Mancher Anwalt oder Gewerkschaftsfunktionär wird versuchen, für seinen Mandanten durch ein Klageverfahren eine nach 1 a KSchG angebotene Abfindung noch weiter in die Höhe zu treiben 3. Der sog. Abfindungsanspruch stellt keine inhaltliche Neuregelung oder wesentliche Alternative zur bisherigen Rechtslage dar. Der vermeintliche Anspruch des Arbeitnehmers wird auf die bloße Möglichkeit reduziert, ein Angebot des Arbeitgebers nach 1 a KSchG anzunehmen. Ob der Arbeitgeber ein solches Angebot unterbreitet, bleibt ausschließlich ihm überlassen. Er kann wie früher vor, bei oder nach Ausspruch der Kündigung auch eine geringere oder höhere Abfindung als die in 1 a II KSchG gesetzlich vorgeschriebene anbieten. Und er kann selbstverständlich entgegen 1 a KSchG auch weiterhin Abfindungen bei personenoder verhaltensbedingten und/oder außerordentlichen Kündigungen anbieten. Formal handelt es sich dann allerdings nicht um ein Angebot nach 1 a KSchG. Der Arbeitnehmer geht bei Verstreichenlassen der Kla- 1 2 3 BGBl. I, 3002. BT-Drucks. 15/1204, S. 12. Rieble, BT-Ausschussdrucks. 15/566, unter II. 1. c).

gefrist dennoch nicht leer aus. Lässt er die Frist zur Klageerhebung verstreichen, kommt durch Annahme nach 151 BGB ein Abwicklungsvertrag zu Stande 4. II. Anspruchsvoraussetzungen Der Anspruch des Arbeitnehmers nach 1 a KSchG setzt einen Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt wird und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann ( 1 a I 2 KSchG). Da der Hinweis auf die Abfindung in der Kündigungserklärung erfolgen muss, gilt das Schriftformerfordernis des 623 BGB. Problematisch erscheint dies in folgendem Beispiel 1: Der Arbeitgeber spricht eine betriebsbedingte Kündigung aus und bietet unter Zeugen, aber nur mündlich, eine Abfindung nach 1 a KSchG an. Der Arbeitnehmer erhebt keine Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber lehnt die Zahlung der Abfindung unter Berufung auf den Verstoß gegen das Schriftformerfordernis ab. Unseres Erachtens kann sich der Arbeitgeber in diesem Fall nach Treu und Glauben gem. 242 BGB nicht auf das Schriftformerfordernis berufen. Der Arbeitnehmer kann also trotz fehlender Schriftform die Abfindung beanspruchen 5. Da der Anspruch mit Verstreichenlassen der Klagefrist entsteht, stellt sich weiter die Frage, ob der Arbeitnehmer bzw. seine Erben auch dann Zahlung verlangen können, wenn der Arbeitnehmer während des Laufs der Klagefrist verstirbt oder fristlos gekündigt wird. Dies ist zu verneinen, weil der Begriff des Verstreichenlassens das Unterlassen einer möglichen (Tod!) und nicht gänzlich sinnentleerten (fristlose Kündigung!) Handlung voraussetzt. III. Anwendung rechtsgeschäftlicher Grundsätze Bei der Erklärung des Arbeitgebers nach 1 a KSchG handelt es sich eindeutig um eine rechtsgeschäftliche Erklärung. Der Hinweis des Arbeitgebers stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, an die der Arbeitgeber gem. 145 BGB bis zum Ablauf der Klagefrist gebunden ist. Das bis zu diesem Zeitpunkt un- 4 5 Ausführlich Preis, DB 2004, Heft 1 (II.2.a.) Abweichend Grobys, DB 2003, 2176: Kein Anspruch, da nicht schutzwürdiger Rechtsirrtum des Arbeitnehmers. 2

widerrufliche Angebot des Arbeitgebers ist annehmbar und angenommen, sobald die Klageerhebungsfrist abgelaufen ist. Dagegen ist die Einordnung des Verstreichenlassens der Klagefrist durch den Arbeitnehmer umstritten 6. Die Parallele zwischen 1 a KSchG und normalen Abwicklungsvereinbarungen spricht dafür, auch in dem bloßen Verstreichenlassen der Klagefrist eine rechtsgeschäftliche Handlung zu sehen. 1 a KSchG ordnet dem Schweigen des Arbeitnehmers ausnahmsweise Erklärungswert zu. Im Unterschied zu 151 BGB verzichtet 1 a KSchG nicht nur auf den Zugang der Annahmeerklärung, sondern auch auf die Abgabe einer entsprechenden Erklärung. Damit stellen sich Fragen der Geschäftsfähigkeit, der Stellvertretung, der Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage 7. Die gesetzlich fingierte Annahme des Abfindungsangebots kann zum Beispiel nach 123 BGB angefochten werden, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingte Gründe oder Zahlungsfähigkeit vorgetäuscht hat 8. Die vorausgegangene Kündigung gilt zwar ggfs. nach 7 KSchG n.f. als rechtswirksam, jedoch ist eine nachträgliche Klagezulassung nach 5 KSchG möglich. Die Antragsfrist beginnt dann mit Erklärung der Anfechtung zu laufen. Erwirkt der Arbeitnehmer auf diese Weise eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, ist die Abfindung in entsprechender Anwendung der 346 bis 348 BGB zurückzuzahlen, ohne dass er sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen kann. Berechnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kündigungsfrist fehlerhaft, so kommt wegen Doppelirrtums eine Anfechtung nicht in Betracht. Das Arbeitsverhältnis endet, wenn die Kündigungsfrist zu kurz bemessen wurde, zum richtigen Zeitpunkt, da dem Arbeitgeber eine Berufung auf den von ihm veranlassten Kalkulationsirrtum nach Treu und Glauben verwehrt ist 9. Auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt kann der Arbeitnehmer sich im Übrigen auch nach Ablauf der Klagefrist noch berufen, weil die 3-Wochen-Frist des 4 KSchG nur für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung gilt 10. IV. Auslegungsprobleme Die Normierung der Abfindungsvereinbarung in 1 a KSchG führt zu neuen Auslegungsproblemen: Beispiel 2: Der Arbeitgeber kündigt schriftlich wie folgt: Leider sehen wir uns gezwungen, Ihnen zum... ordentlich auf Grund dringender betrieblicher Erfordernisse zu kündigen. Auch wenn wir der Meinung sind, 6 7 8 9 10 Grobys, DB 2003, 2174 und Bader, NZA 2004, II.1.b.] sehen hierin einen Realakt; Löwisch, NZA 2003, 694 ordnet auch das Verstreichenlassen der Klagefrist dagegen als rechtsgeschäftliche Handlung ein. Von der Anwendbarkeit dieser Grundsätze geht Löwisch, NZA 2003, 694, aus. Ebenso Ziemann, BT-Ausschussdrucks. 15/564 unter V. 2. g). LAG Berlin vom 28.4.2000, NZA-RR 2001, 85 zur parallelen Fallgestaltung beim echten Abwicklungsvertrag. BAG vom 12.1.1994, NZA 1994, 751; anders aber Bader, NZA 2004, II.1.d.] 3

dass die Kündigung sozial gerechtfertigt i.s.d. 1 KSchG ist, bieten wir Ihnen eine Abfindung nach 1 a KSchG in Höhe eines halben Monatsverdienstes pro Jahr Betriebszugehörigkeit an. Die Abfindung beträgt demnach EUR.... Der Arbeitnehmer lässt daraufhin die dreiwöchige Klagefrist verstreichen. Was gilt, wenn die konkret ermittelte Abfindung nicht der objektiven Rechtslage zu 1 a II i.v.m. 10 III KSchG entspricht? Die für den Arbeitnehmer ungünstigste Auslegungsvariante wäre, dass es sich in Wahrheit nicht um ein Angebot nach 1 a KSchG handelt. Dies widerspräche aber einer vernünftigen Auslegung nach 133 BGB. Der Arbeitgeber hat mit seinem Angebot zum Ausdruck gebracht, dass er bei Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist eine Abfindung nach 1 a KSchG zahlen will. Hat er sich zu Ungunsten des Arbeitnehmers verrechnet, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die richtige Abfindung 11. Hat er jedoch dem Arbeitnehmer zu viel angeboten, muss er sich daran festhalten lassen. Dogmatisch beruht der Anspruch des Arbeitnehmers dann allerdings auf Vertrag (Annahme nach 151 BGB) und nicht auf 1 a KSchG 12. Beispiel 3: Der Arbeitgeber kündigt wie folgt: Leider sehen wir uns gezwungen, Ihnen auf Grund dringender betrieblicher Erfordernisse i.s.d. 1 KSchG ordentlich zum... zu kündigen. Auch wenn wir der Meinung sind, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, bieten wir Ihnen eine Abfindung in Höhe von EUR... an. Dieser Betrag entspricht einem halben Monatsgehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit. Die Höhe der angebotenen Abfindung stimmt jedoch nicht mit 1 a II, 10 III KSchG überein. Beispiel 4: Der Arbeitgeber kündigt wie folgt: Hiermit kündigen wir das bestehende Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum.... Sofern Sie keine Kündigungsschutzklage erheben, bieten wir Ihnen eine Abfindung in Höhe von EUR... an. Die Höhe entspricht nicht 1 a II, 10 III KSchG. Im Beispiel 3 fehlt der Hinweis auf 1 a KSchG. Dieser ist aber nach dem Wortlaut der Vorschrift auch nicht nötig. Deshalb wird man nach 133 BGB zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sich der Arbeitgeber im Rahmen eines Angebotes nach 1 a KSchG nur verrechnet hat und sich die Lösung daher nach den oben zu Beispiel 2 dargestellten Grundsätzen richtet. Dagegen spricht im Beispiel 4 alles dafür, dass es sich nicht um ein Angebot nach 1 a KSchG handelt. Der Arbeitnehmer hat deshalb nur einen Anspruch auf die (vertraglich vereinbarte) Abfindung. Um von vornherein Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden, ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, schon im Kündigungsschreiben deutlich klarzustellen, dass es sich gerade nicht um eine Abfindung nach 1 a KSchG, sondern um ein einzelvertragliches Angebot handelt. 11 12 Ebenso Preis, DB 2004, Heft 1 (II.3.a.) Im Grundsatz ebenso Nägele, ArbRB 2003, 276, allerdings ohne die Möglichkeit einer Annahme nach 151 BGB. 4

V. Rechtsfolgen Die Höhe der Abfindung beträgt nach 1 a II 1 KSchG 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Dabei wird auf 10 III KSchG verwiesen, nicht aber auf die Höchstgrenzen nach 10 II KSchG ( 1 a II 2 KSchG). Danach gilt als Monatsverdienst, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld- und Sachbezügen zusteht. Bezüge, die für die Arbeit während eines längeren Zeitraums, insbesondere für das ganze Jahr, gewährt werden, sind auf die einzelnen Monate grundsätzlich gleichmäßig zu verteilen. Im Einzelfall kann es bei der Ermittlung der konkreten Abfindung durchaus zu Problemen kommen. Der Arbeitnehmer ist deshalb gut beraten, vor Verstreichen der Klagefrist mit dem Arbeitgeber abzustimmen, was unter einem halben Monatsverdienst i.s.d. 1 a II, 10 III KSchG zu verstehen ist. Die Konstruktion des 1 a KSchG entspricht einem echten Abwicklungsvertrag, bei dem der Arbeitgeber zunächst einseitig eine Kündigung ausspricht und danach eine Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Stande kommt. Deshalb kann das Verstreichenlassen der Klagefrist als bloße Hinnahme einer Kündigung nach richtig interpretierter Auffassung des BSG 13 für sich genommen keine Sperrzeit nach 144 SGB III auslösen 14. Denn eine Sperrzeit kann nach 144 SGB III nur dann verhängt werden, wenn sich die rechtsgeschäftliche Mitwirkung auf den Beendigungstatbestand als solchen bezieht. Spricht der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aus und bietet dabei gleichzeitig eine Abfindung an, so bleibt es dabei, dass es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, an dem der Arbeitnehmer gerade nicht mitgewirkt hat 15. Dennoch hätte der Gesetzgeber gut daran getan, die Nichtgeltung von 144 SGB III zumindest durch eine sozialrechtliche Regelung flankierend klarzustellen 16. VI. Abfindungspoker 1 a KSchG könnte vermeintlich gewitzte Anwälte förmlich zum Abfindungspoker durch Klageerhebung einladen 17, indem versucht wird, die vom Arbeitgeber angebotene Abfindung entgegen der eigentlichen Absicht des Gesetzgebers als gesetzliche Mindestregelung zu nutzen. 13 14 15 16 17 BSG vom 25.4.2002 B 11 AL 89/01; BSG vom 17.10.2002 B 7 AL 134/01. Löwisch, NZA 2003, 694 befürchtet trotzdem die Verhängung einer Sperrzeit, wenn man auf das Verstreichenlassen der Klagefrist rechtsgeschäftliche Grundsätze anwendet. Bauer/Hümmerich, NZA 2003, 1076; a.a. aber BA, DA 1.113 zu 144 SGB III Rdnr. 29 ff.; Vogel, NZS 1997, 250; Schweiger, NZS 2001, 521 (vor allem Fußnote 14); Spellbrink/Eicher/Voelzke, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, 12 Rdnr. 285; Geiger, NZA 2003, 839. Ausführlich zu den sozialrechtlichen Konsequenzen von 1 a KSchG Bauer/Krieger, Kündigungsrecht Reformen 2004, Rdnrn. 86 ff. Darauf hat schon Ziemann, BT-Ausschussdrucks. 15/564 unter V. 2. h) völlig zu Recht hingewiesen. 5

Beispiel 5: Der Arbeitnehmer erhebt innerhalb der 3-Wochen-Frist Klage und verhandelt im Gütetermin intensiv über eine Erhöhung der außergerichtlichen nach 1 a KSchG angebotenen Abfindung. Der Arbeitgeber weigert sich, worauf das Arbeitsgericht Kammertermin anberaumt. Ist der Vortrag erheblich mit der Folge, dass der Arbeitnehmer seine Felle davonschwimmen sieht, kann er bis zur Stellung der Anträge die Klage ohne Einwilligung des Arbeitgebers zurücknehmen ( 54 II 1 ArbGG). Folge der Klagerücknahme nach 269 III 1 ZPO ist, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist. Die angegriffene Kündigung gilt dann nach 7 KSchG von Anfang an als rechtswirksam 18. Bei wörtlicher Anwendung der 269 ZPO, 7 KSchG bliebe es also bei der angebotenen Abfindung, weil durch die Rücknahme der Klage fingiert wird, der Arbeitnehmer habe niemals Klage erhoben. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Rechtsprechung solchen Taktiken einen Riegel vorschiebt, indem sie ausgehend von 1 a KSchG in der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine konkludente Ablehnung des Angebots des Arbeitgebers sieht mit der Folge, dass auch die spätere Klagerücknahme nicht zum Entstehen des Anspruchs führen kann 19. Beispiel 6: Der Arbeitnehmer erhebt zwar innerhalb der 3-Wochen-Frist keine Kündigungsschutzklage, macht aber Ansprüche auf Lohnzahlung über das Ende der Kündigungsfrist hinaus gerichtlich geltend. Als sich abzeichnet, dass der Arbeitgeber Mühe hat, die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung zu beweisen, erweitert er nach mehrwöchiger Prozessdauer seine Klage und beantragt nunmehr auch, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen. Die herrschende Meinung 20 wendet 6 KSchG a.f. entsprechend an, wenn der Arbeitnehmer aus der Unwirksamkeit der Kündigung Rechte herleitet und deshalb innerhalb der 3-Wochen-Frist Leistungsklage erhoben hat. Dementsprechend wird eine analoge Anwendung der Neufassung des 6 KSchG in den Fällen zu befürworten sein, in denen der Arbeitnehmer fristgemäß eine Klage erhebt, bei der die Unwirksamkeit der Kündigung als Vorfrage zu überprüfen ist. Folglich kann der Arbeitnehmer im Beispiel 6 sich trotz Verstreichenlassens der Klagefrist auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen. Auf der anderen Seite steht die Erhebung der Zahlungsklage innerhalb der 3-Wochen-Frist nach dem Gesetzeswortlaut der Entstehung eines Anspruches nach 1 a KSchG nicht entgegen. Der Arbeitnehmer kann richtigerweise gleichwohl keine Zahlung der angebotenen Abfindung verlangen. Denn dieses Verlangen widerspricht der erhobenen Klage und ist deshalb treuwidrig. Der Anspruch des Arbeitnehmers nach 1 a KSchG entfällt deshalb nicht erst bei 18 19 20 KR-Friedrich, 6. Aufl. 2002, 4 KSchG, Rdnr. 294 unter Hinweis auf BAG vom 24.9.1987 2 AZR 4/87. Ebenso Nägele, ArbRB 2003, 276; Bader, NZA 2004, II.1.c.]; Preis, DB 2004, Heft 1 (II.3.h.). BAG vom 30.11.1961, AP Nr. 3 zu 5 KSchG 1951; BAG vom 28.6.1973, AP Nr. 2 zu 13 KSchG 1969; KR-Friedrich, a.a.o., 6 KSchG, Rdnr. 23; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl. 2002, 6 Rdnr. 4. 6

Umstellung der Klage 21, sondern der Arbeitgeber ist bereits auf Grund der Erhebung der Zahlungsklage, die eine Ablehnung des Angebots des Arbeitgebers darstellt, dazu berechtigt, gem. 242 BGB die Leistung der Abfindung zu verweigern. Eine vermeintlich schlaue Taktik des Anwalts erweist sich daher (hoffentlich) leicht als riskantes Spiel. Nachdem der Gesetzgeber schon nicht davon abgehalten werden konnte, den überaus fraglichen Anspruch nach 1 a KSchG zu kreieren, hätte er allerdings gut daran getan, solche taktischen Spielchen durch eine glasklare gesetzliche Regelung von vornherein zu unterbinden. VII. Fazit Der sog. Abfindungsanspruch nach 1 a KSchG bringt eigentlich nichts Neues, es sei denn, man würde darunter zusätzliche Rechtsunsicherheit verstehen. Die Vorschrift liegt deshalb 1 a daneben 22. Schon jetzt lässt sich prognostizieren, dass das vom Gesetzgeber am Heiligabend 2003 überbrachte Weihnachtsgeschenk ein Mauerblümchendasein fristen wird. Mit solchen Placebos 23 lassen sich die Probleme des Arbeitsmarktes nicht lösen. 21 22 23 So aber Grobys, DB 2003, 2175 f. Wie wenig durchdacht 1 a KSchG ist, zeigt sich beispielhaft auch darin, dass der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einführung von 1 a KSchG die Steuerfreibeträge für Abfindungen nach 3 Nr. 9 EStG auf 7.200 Euro bis maximal 11.000,-- Euro absenkt (Art. 6 Nr. 3 a lit. a HBeglG 2004 vom 29.12.2003, BGBl. I, 3076) und dadurch Abfindungsregelungen entgegenwirkt. Hanau, BT-Ausschussdrucks. 15 (9) 552, unter II. 7

Die Autoren Dr. Jobst-Hubertus Bauer Maybachstraße 6 D-70469 Stuttgart Tel. +49 711 8997-143 Fax +49 711 855096 jobst-hubertus.bauer@gleisslutz.com www.gleisslutz.com Dr. Jobst-Hubertus Bauer, geboren 1945. Studium in Freiburg. Seit 1975 Rechtsanwalt im Büro in Stuttgart. Promotion 1976. Fachanwalt für Arbeitsrecht. Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht. Mitglied des DAV-Gesetzgebungsausschusses Arbeitsrecht, des Arbeitsrechtsausschusses der BDA, des Verbandsausschusses des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes und des Board der European Employment Lawyers Association (EELA). Mitherausgeber der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht und der Arbeitsrechtlichen Praxis (AP). Geschäftsführer bzw. Justitiar mehrerer Arbeitgeberverbände. Schwerpunkte Kollektives und individuelles Arbeitsrecht. Dr. Steffen Krieger Maybachstraße 6 D-70469 Stuttgart Tel. +49 711 8997-143 Fax +49 711 855096 steffen.krieger@gleisslutz.com www.gleisslutz.com 8

Dr. Steffen Krieger, geboren 1973. Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen. Promotion 2002. Seit 2003 Rechtsanwalt im Büro Stuttgart. Schwerpunkte Kollektives und individuelles Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsrecht, Tarifrecht, Umstrukturierungen, betriebliche Altersversorgung, internationales Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht. 9

GLEISS LUTZ BERLIN Friedrichstraße 71 D-10117 Berlin Tel. +49 30 2094-6400 Fax +49 30 2094-6444 GLEISS LUTZ BRÜSSEL Rue Guimard 7 B-1040 Brüssel Tel. +32 2 55110-20 Fax +32 2 51215-68 GLEISS LUTZ FRANKFURT Mendelssohnstraße 87 60325 Frankfurt Tel. +49 69 95514-0 Fax +49 69 95514-198 GLEISS LUTZ PRAG Jugoslávská 29 CZ-12000 Prag 2 Tel. +420 224 007-500 Fax +420 224 007-555 GLEISS LUTZ MÜNCHEN Prinzregentenstraße 50 D-80538 München Tel. +49 89 21667-0 Fax +49 89 21667-111 GLEISS LUTZ STUTTGART Maybachstraße 6 D-70469 Stuttgart Tel. +49 711 8997-0 Fax +49 711 855096 GLEISS LUTZ WARSCHAU ul. Sienna 39 PL-00-121 Warschau Tel. +48 22 52655-00 Fax +48 22 52655-55 BUDAPEST in Zusammenarbeit mit Bán, S. Szabó & Partners József nádor tér 5-6 HU-1051 Budapest Tel. +36 1 266-3522 Fax +36 1 266-3523 GLEISS LUTZ in association with HERBERT SMITH Bangkok Beijing Brussels Hong Kong London Moscow Paris Shanghai Singapore Tokyo STIBBE Amsterdam Brussels London New York www.gleisslutz.com 10