Verden (Aller), 1. Juli 2013 Konzept Kooperationsprojekt Jugend- und Gesundheitshilfe und Freie Träger der Jugendhilfe für Kinder von psychisch kranken Eltern Ausgangspunkt Immer mehr Kindern leben mit Eltern mit psychischen Störungsbildern oder diagnostizierten psychischen Erkrankungen. Obwohl die Anzahl der Betroffenen zunimmt, reagiert die Gesellschaft privat wie professionell unsicher auf den Umgang mit Erkrankten. Häufig werden aus Scham oder geringer Krankheitseinsicht die Anzeichen von Betroffenen verleugnet und die Betroffenen ziehen sich zurück und isolieren sich und ihre Familien. Die Erfahrungen von pädagogischen Fachkräften im Umgang mit psychisch kranken Eltern zeigen, dass eine hohe Annahme von Unterstützungsangeboten immer dann besteht, wenn eine Krankheitseinsicht besteht und die Angebote einen niedrigschwelligen und angstfreien Zugang aufweisen. Die sozialpsychiatrischen Hilfen werden von kranken Eltern positiv angenommen, da die Hilfen, bezogen auf ihre Erkrankung, als Erleichterung wahrgenommen werden. Die Annahme von Jugendhilfeangeboten fällt Eltern häufig schwerer, weil sie auf Grund der Fokussierung auf ihre eigene Krankheit die Bedürftigkeit ihrer Kinder nicht ausreichend im Blick haben. So bleiben Kinder mit ihren Irritationen und Sorgen betreffend der Erkrankung ihrer Eltern nicht selten alleine. Dabei sind besonders die frühen Kindheitsjahre eine Zeit, in der Kinder noch nicht in außerfamiliären Beziehungsnetzen eingebunden sind und stehen damit in ihren Entwicklungschancen ganz und gar in der Abhängigkeit zu ihren Eltern. Gelungene Bindungen zwischen Eltern und Kind stellen die Grundlage für eine gesunde Entwicklung in allen Bereichen dar. Sichere Bindungen wirken wie ein lebenslanger unsichtbarer Schutzschirm. Aus diesem Wissen heraus gilt es, Eltern und Kindern früh in dieser so wichtigen Lebenszeit Unterstützungsangebote anzubieten, die es Ihnen trotz Ihrer Beeinträchtigung möglich macht, als Familie zusammenzuleben. Die Arbeitsgruppe Frühe Hilfen setzt sich seit mehreren Jahren mit dem Thema psychisch kranke Eltern und deren Auswirkungen auf ihre Kinder inhaltlich auseinander. Als Fazit wurde festgestellt, dass ein Zusammenleben von psychisch kranken Elternteilen mit ihren Kindern immer dann gut gelingen kann, wenn alle Beteiligten auf ein verlässliches sicher kooperierendes Unterstützungsangebot zurückgreifen können. Aus dieser und der oben beschriebenen inhaltlichen Feststellung entstand die Entwicklung eines Kooperationsprojektes zwischen dem Fachdienst Gesundheit und Umweltmedizin, Abteilung Sozialpsychiatrischer Dienst, dem Fachdienst Jugend und Familie des Landkreises Verden und den Freien Trägern der Jugendhilfe.
2 Ziele Folgende Ziele sollen mit dem Kooperationsprojekt erreicht werden: Auflösung der Abhängigkeit von Kindern von ihren Eltern in Bezug zum Zugang zum Hilfesystem. Niedrigschwelliger angstfreier Zugang zum Hilfesystem, Abbau von Schwellenängsten. Abklärung des familiären Netzwerkes. Nutzbarmachung des vorhandenen Netzwerkes. Aufbau eines tragfähigen Netzwerkes für das Kind (Sender am Kind). Sicherstellung eines präventiven Kinderschutzes. Weitere Hilfen bekannt machen. Vermittlung in das Hilfesystem, z. B. Gruppenangebote. Vermittlung in bestehende Strukturangebote im Sozialraum. Alle genannten Ziele sollen das Familiensystem stärken und dazu beitragen, dass Kinder mit ihren psychisch kranken Eltern gesichert zusammenleben können. Zielgruppe Alle Kinder, die in einer Familie leben, in denen bekannt ist, dass ein Elternteil / die Eltern psychisch krank bzw. seelisch behindert sind. Eine psychiatrische Diagnose ist notwendig. Zugang Die Familie ist dem Fachdienst Gesundheit und Umweltmedizin (FD 53), Sozialpsychiatrischer Dienst, bekannt. Der erkrankte Elternteil stellt einen Antrag auf Eingliederungshilfe beim Landkreis Verden, Fachdienst Soziales (FD 50). Eine Meldung geht an die Koordinierungsstelle Netzwerk Frühe Hilfen und nachfolgend an die freien Träger. Aus diesem Zusammenschluss entsteht ein Tandem, bestehend aus dem Bereich Gesundheitshilfe und Jugendhilfe. Ein weiterer Zugang ist möglich über Eltern, den Fachdienst Jugend und Familie (FD 51), Allgemeiner Sozialdienst (ASD) oder die Koordinierungsstelle Netzwerk Frühe Hilfen, Freie Träger der Jugendhilfe, Gesundheitsbereich (Kliniken, Ärzte, Sozialpsychiatrischer Dienst, Therapeuten, Hebammen usw.).
3 Handlungsablauf Erster möglicher Zugang: 1. Familie ist dem ASD nicht bekannt, aber dem Sozialpsychiatrischen Dienst. 2. Eltern haben einen festgestellten Hilfebedarf auf SGB XII Eingliederungshilfe und stellen einen Antrag beim FD 50. 3. Eltern zeigen in der Betreuung der Kinder Anzeichen von Überforderung. Sie lehnen eine direkte Kontaktaufnahme zum Fachdient Jugend und Familie (ASD) ab. 4. Der Sozialpsychiatrische Dienst nimmt Kontakt zu der Koordinierungsstelle Netzwerk Frühe Hilfen in der Fachstelle Frühe Hilfen auf. Zweiter möglicher Zugang: Psychisch kranke Eltern lehnen die Antragstellung auf Eingliederungshilfe und den Kontakt zum ASD ab, sehen aber grundsätzlich einen Unterstützungsbedarf für ihre Kinder. 1. Der Sozialpsychiatrische Dienst, die Klinik in Rotenburg und die Beratungsstellen erhalten die Möglichkeit, die Eltern direkt an die freien Träger oder der Koordinierungsstelle Netzwerk Frühe Hilfen im Fachdienst Jugend und Familie zur Beratung und Darstellung der Hilfeangebote zu vermitteln. Die Freien Träger nehmen bei Bedarf (wenn die Familie dem ASD nicht bekannt ist) Kontakt zur Koordinierungsstelle auf. 2. Der Einsatz einer Fachkraft für das Kind / die Kinder ist niedrigschwellig bis zu drei Monate möglich mit dem Ziel, ein tragfähiges soziales Netzwerk für das Kind/die Kinder herzustellen. Auftrag 1. Die Koordinierungsstelle in der Fachstelle Frühe Hilfen hat den Auftrag, den Kontakt zu den Freien Trägern der Jugendhilfe und die Begleitung der in der Familie tätigen Fachkraft sicherzustellen. Weiter hat sie die Aufgabe, wenn nötig, den Kontakt zum ASD herzustellen. 2. Die Fachkräfte des Freien Trägers der Jugendhilfe klären in Kooperation mit den Leistungserbringern der Eingliederungshilfe und des Sozialpsychatrischen Dienstes innerhalb von drei Monaten ab, ob es eine ausreichende verlässliche Hilfe und Unterstützung im bestehenden sozialen System der Familie gibt oder hergestellt werden kann. Der Freie Träger der Jugendhilfe hat den Auftrag, beim Aufbau eines tragfähigen sozialen Netzwerkes für das Kind / die Kinder Unterstützung zu leisten. 3. Im Rahmen eines Abschlussgespräches, einem Runden Tisch mit allen Beteiligten, wird das weitere Vorgehen abgeklärt. 4. Der Einsatz einer Fachkraft für das Kind ist niedrigschwellig bis zu drei Monate möglich mit dem Ziel, ein tragfähiges soziales Netzwerk für das Kind herzustellen.
4 Zeitlicher Umfang Der Einsatz sollte max. drei Monate mit einem Stundenkontingent von bis zu 50 Fachleistungsstunden umfassen. Schnittstellen zu andere Hilfesystemen Die pädagogische Fachkraft hat die Aufgabe, andere Hilfesysteme den Eltern und dem Kind bekannt zu machen. Sie kann ein Türöffner durch die Vermittlung / Begleitung zu anderen Hilfen sein. Andere Hilfesysteme können in das aufzubauende oder bestehende Netzwerk mit eingebunden werden. Das Wunsch- und Wahlrecht und die Freiwilligkeit des Elternteils / der Eltern bildet hier die Grundlage. 8a KJHG Bei dem Kooperationsprojekt handelt es sich um ein niedrigschwelliges, zeitlich befristetes Präventionsprojekt. Das heißt, dass der Einsatz in der Regel außerhalb der Problematik Kindeswohlgefährdung liegt. Sollte die pädagogische Fachkraft auf eine akute Kindeswohlgefährdung stoßen, gilt eine klare Meldeverpflichtung. Bei Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung greift der Kooperationsvertrag zwischen dem öffentlichen und den freien Trägern der Jugendhilfe. Der Handlungsablauf ist bekannt und wird eingehalten. Profil der Fachkräfte Die Fachkräfte der Freien Träger der Jugendhilfe sollten dem Anforderungsprofil entsprechen: Erfahrung im Umgang mit psychisch kranken Menschen. Bereitschaft zur Arbeit in einer Tandemsituation. Sozialräumliche Kenntnisse. Erfahrungen in der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe. Qualitätssicherung Die Qualität ist über Supervision, Fortbildung und Dokumentation der Arbeit zu sichern. Die Arbeitsergebnisse im Bereich Jugendhilfe sind im Rahmen von einer Wirkungsanalyse über das Controlling des FD 51 zu evaluieren. Für die Evaluation der Eingliederungshilfe liegt die Verantwortung im FD 50.
5 Die Vereinbarung zur kooperativen trägerübergreifenden Zusammenarbeit muss verbindlich hergestellt werden. Finanzierung Die Finanzierung der sozialpädagogischen Fachkraft des freien Trägers der Jugendhilfe erfolgt aus dem trägerorientierten Sozialraumbudget nach der Leistungs- und Entgeltvereinbarung für ambulante Hilfen zur Erziehung. Die Beauftragung erfolgt nach den Regeln der Leistungserbringung für ambulante Erziehungshilfen durch die Koordinierungsstelle. Die Rechnungsstellung erfolgt an die Wirtschaftliche Jugendhilfe durch Rechnungsstellung, von den freien Trägern im Trägerverbund durch Inanspruchnahme des trägerorientierten Sozialraumbudgets. Kalkulatorisch ist bei einem Fallaufkommen von zehn Fällen jährlich ein Finanzierungsvolumen von bis zu 20.000 auszugehen und im trägerorientierten Sozialraumbudget bereitgestellt. Ablaufplan Zugang FD 50 - Eltern haben einen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt FD 53 Sozialpsychiatrischer Dienst FD 51 Allgemeiner Sozialdienst FD 51 Koordinierungsstelle Netzwerk Frühe Hilfen Freie Träger der Jugendhilfe nach Vermittlung der Eltern an diese durch den FD 53, das Diakoniekrankenhaus Rotenburg mit der Tagesklinik in Verden und die Beratungsstellen (z.b. Suchtberatungsstelle, Frauenberatungsstelle, Erziehungsberatungsstellen, Diakonisches Werk), wenn die Familie dem ASD nicht bekannt ist. Meldung an Koordinierungsstelle Frühe Hilfen Träger der Eingliederungshilfe / Betreutes Wohnen Fallanfrage an Freie Träger der Jugendhilfe (wie HzE) Auswahl eines Mitarbeiters Benennung Fachkräfte Auswahl und Beauftragung des Freien Trägers der Jugendhilfe Tandem Jugendhilfe / Gesundheitshilfe arbeitet Finanzierung Abrechnung der Leistung mit der WJH über das trägerorientierte Sozialraumbudget FD 50