Stress in der Pflegearbeit: anregend oder aufregend? Vom Umgang mit der eigenen Gesundheit in einem belastenden Beruf demenz weiter denken Fachtagung am 14. November 2007 in Augsburg Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Prof. Dr. Susanne Schäfer-Walkmann Stress in der Pflegearbeit: anregend oder aufregend? Vom Umgang mit der eigenen Gesundheit in einem belastenden Beruf Gesund zu bleiben trotz hoher Arbeitsbelastung ist eine Aufgabe, die von allen pflegenden Profis bewältigt werden muss. Im Mittelpunkt des Beitrages steht die Gesundheit einer Berufsgruppe, die selbst einen Gesundheitsberuf ausübt und die bekanntermaßen eine Hochrisikogruppe für arbeitsbedingte Belastungen und gesundheitliche Probleme darstellt. Mithilfe der Stressforschung wird untersucht, weshalb Pflegekräfte in ihrem Berufsalltag häufig an ihre physischen und psychischen Grenzen stoßen, welche intrapersonalen Faktoren dazu beitragen, Stress erfolgreich zu bewältigen und welche Rolle die viel zitierten Rahmenbedingungen in der Pflege spielen. Die Argumentation folgt drei Thesen: 1. Häufig sind in der Pflege beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielfachen Belastungen ausgesetzt: Schwierige Pflegesituationen, Konflikte im Team, Schichtarbeit, Zeitmangel, Geldknappheit und anderes mehr stellen negative Stressoren und somit Risikofaktoren für die Gesundheit dar. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dann krank, wenn die Stressbewältigungsstrategien ohne Erfolg bleiben und die pathologischen überwiegen. 2. Die Pflege alter und kranker Menschen ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, deren vielfältige Anforderungen von jeder Mitarbeiterin bzw. jedem Mitarbeiter individuell verarbeitet und bewältigt werden müssen. Entscheidend für eine gelingende Bewältigung sind die so genannten Widerstandsressourcen. Die Resilienz stellt dabei die wichtigste intrapersonale Schutzressource dar. Ob Pflegearbeit als anregend (im Sinne von Eustress) oder aufregend (im Sinne von Distress) bewertet wird, hängt zunächst von der individuellen Wahrnehmung und Bewältigung ab. 3. Eine systematische Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz bedeutet die Verbindung der personalen und organisationalen Voraussetzungen für Wohlbefinden, Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit. Diese Verbindung gelingt durch einen ausgewogenen Mix aus individueller Verhaltensprävention (die beim einzelnen Menschen ansetzt) und organisationaler Verhältnisprävention (die an den Rahmenbedingungen ansetzt). 1
Stress in der Pflegearbeit: anregend oder aufregend? Vom Umgang mit der eigenen Gesundheit in einem belastenden Beruf StMAS-Tagung, Augsburg, 14.11.2007 Prof. Dr. Susanne Schäfer-Walkmann Sozialarbeitswissenschaft und Praxisevaluation Berufsakademie Stuttgart Fachbereich Sozialwesen Die Gesundheit der Pflegekräfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege gelten als Hochrisikogruppe für arbeitsbedingte Belastungen: vergleichsweise schlechterer psychischer Gesundheitszustand; vergleichsweise häufiger psychosomatische Probleme; vergleichsweise schlechterer physischer Gesundheitszustand; vergleichsweise hohes Ausstiegspotenzial bzw. kurze Verweildauer im Beruf. 1
Gliederung 1. Stress in der Pflege: zum Thema des Vortrags 2. Stress in der Pflege oder die Frage: Welche Faktoren machen krank? 3. Stress in der Pflege oder die Frage: Warum bleiben manche Kolleginnen und Kollegen trotz Stress gesund? 4. Stress in der Pflege: anregend oder aufregend? Oder die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Gesundheit 5. Wo Gesundheit fehlt kann nicht gepflegt werden! Wo Gesundheit fehlt Wo Gesundheit fehlt, kann Weisheit nicht offenbar werden, Kunst kann keinen Ausdruck finden, Stärke kann nicht kämpfen, Reichtum wird wertlos und Klugheit kann nicht angewandt werden. Herophilos, 335 bis 280 vor Christus 2
Wo Gesundheit fehlt kann nicht gepflegt werden! Stress in der Pflege oder die Frage: Welche Faktoren machen krank? 3
Das transaktionale Stresskonzept Stress ist ein dynamisches Beziehungsgeschehen zwischen Person und Umwelt. Stress wird als prozesshaftes Geschehen betrachtet: Der Reiz / Stressor ist bedeutsam für das Wohlergehen der Person. Stressmodell - Risikofaktoren psycho-soziale Stressoren Spannungszustand Physikalische und biochemische Stressoren Bewältigungshandlung - Wohlbefinden (Eustress) Missbefinden (Distress) Gesundheits-Krankheits- Kontinuum Organschwächen, gesundheitliche Risiken 4
Distress: Zwei unterschiedliche Stressachsen Stressor aktiv Adrenalin Sympathikus- Nebennierenmark Physiologische Anpassung Fight+Flight- Syndrom, Herz- Kreislauferkrankungen Hypophyse- Nebennierenrinde passiv Physiologische Anpassung Cortisol Depression, Immunschwäche Arbeitsbezogene Belastungen als negative Stressoren Aufgabenbezogene Belastungen Soziale Belastungen Umweltbelastungen Betriebliche und überbetriebliche Belastungen 5
1. These Häufig sind in der Pflege beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielfach belastenden Rahmenbedingungen ausgesetzt: Schwierige Pflegesituationen, Konflikte im Team, Schichtarbeit, Zeitmangel, Geldknappheit u.v.a.m. stellen negative Stressoren und somit Risikofaktoren für die Gesundheit dar. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dann krank, wenn die Stressbewältigungsstrategien ohne Erfolg bleiben und die pathologischen überwiegen. Stress in der Pflege oder die Frage: Warum bleiben manche Kolleginnen und Kollegen trotz Stress gesund? 6
Resilienz Gesundheit ist das Ergebnis eines dynamischen Wechselverhältnisses von Schutzfaktoren und Risikofaktoren. In der Psychologie bezeichnet Resilienz die psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen. Als Resilienz begünstigende Faktoren gelten nachweislich das soziale Umfeld, die biologische Vitalität und die so genannte Selbstwirksamkeit. Stressmodell - Widerstandsressourcen SELBSTWIRKSAMKEIT - Sinnhaftigkeit - Verständnisfähigkeit - Kontrollierbarkeit psycho-soziale Stressoren Spannungszustand Physikalische und biochemische Stressoren Widerstandsquellen Ressourcen RESILIENZ Wohlbefinden (Eustress) Bewältigungshandlung - Missbefinden (Distress) Gesundheits-Krankheits- Kontinuum Organschwächen, gesundheitliche Risiken 7
2. These Die Pfleg alter und kranker Menschen ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, deren vielfältige Anforderungen von jeder Mitarbeiterin bzw. jedem Mitarbeiter individuell verarbeitet und bewältigt werden müssen. Die Resilienz stellt dabei die wichtigste intrapersonale Schutzressource dar. Ob Pflegearbeit als anregend (im Sinne von Eustress) oder aufregend (im Sinne von Distress) bewertet wird, hängt zunächst von der individuellen Wahrnehmung und Bewältigung ab. Stress in der Pflege: anregend oder aufregend? Oder die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Gesundheit 8
Stressmodell Widerstandsressourcen - Risikofaktoren/Stressoren SELBSTWIRKSAMKEIT - Sinnhaftigkeit - Verständnisfähigkeit - Kontrollierbarkeit psycho-soziale Stressoren Spannungszustand Physikalische und biochemische Stressoren Widerstandsquellen Ressourcen RESILIENZ Wohlbefinden (Eustress) Bewältigungshandlung - Missbefinden (Distress) Gesundheits-Krankheits- Kontinuum Organschwächen, gesundheitliche Risiken Der Umgang mit der eigenen Gesundheit ist zunächst ein ganz persönlicher: Individuelle Verhaltensprävention bedeutet, sich selbst zu pflegen und dieses Selbstpflegepotenzial nachhaltig zu fördern und zu stärken. ist auch ein struktureller: Es gilt, längerfristig und dauerhaft gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen in der Pflege zu schaffen (organisationale Verhältnisprävention). 9
3. These Eine systematische Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz bedeutet die Verbindung der personalen und organisationalen Voraussetzungen für Wohlbefinden, Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit. Diese Verbindung gelingt durch einen ausgewogenen Mix aus individueller Verhaltensprävention (die beim einzelnen Menschen ansetzt) und organisationaler Verhältnisprävention (die an den Rahmenbedingungen ansetzt). Wo Gesundheit fehlt kann nicht gepflegt werden! 10
Die Gesundheit der Pflegekräfte ist ein hohes Gut für jede bzw. jeden Einzelnen und die Gesellschaft! Vom Umgang mit der Gesundheit in einem belastenden Beruf Die Stressforschung belegt, dass der Mensch einer ganzen Reihe von Stressoren keineswegs hilflos ausgeliefert ist, sondern aktiv gegensteuern kann! Individuell: Ob Pflegearbeit anregend oder aufregend ist, hängt stark von der persönlichen Stressbewältigung ab! Organisational: Rahmenbedingungen werden von Menschen geschaffen und sind veränderbar! Gesellschaftlich: Eine Gesellschaft im demographischen Wandel hat einen hohen Bedarf an pflegerischen Dienstleistungen! 11
Pflegearbeit macht krank!? Gute Gesundheit am Arbeitsplatz? Wo Gesundheit fehlt, kann nicht gepflegt werden! 12
Die Stressforschung belegt, dass der Mensch einer ganzen Reihe von Stressoren keineswegs hilflos ausgeliefert ist, sondern aktiv gegensteuern kann und das auf drei Ebenen. 1. Individuell Der Umgang mit Stress in der Pflege ist zunächst ein individueller: Ob Pflegearbeit anregend oder aufregend ist, hängt stark von der persönlichen Stressbewältigung ab. 2. Organisational Der Umgang mit Stress in der Pflege ist auch ein organisationaler: Rahmenbedingungen werden von Menschen geschaffen. 3. Gesellschaftlich Mit Blick auf die demographischen Veränderungen in unserer Gesellschaft werden nicht nur mehr Pflegekräfte gebraucht, es werden auch die Belegschaften altern und sich Lebensarbeitszeiten verlängern. Die Ausführungen beruhen auf einer salutogenetischen Sichtweise von Gesundheit. Das impliziert, die pathogenetische Sichtweise Pflegearbeit macht krank zu ergänzen bzw. ganz abzulösen und danach zu fragen, wo Ursachen oder Gründe für eine gute Gesundheit am Arbeitsplatz liegen könnten. Ein solches Verständnis von Gesundheit umfasst viel mehr als ein Freisein von Krankheit, es schließt Wohlbefinden sowie den Erhalt und die Entwicklung individueller Gesundheitskompetenzen ein. Kontakt: Prof. Dr. Susanne Schäfer-Walkmann Staatliche Studienakademie Stuttgart (BA) University of Cooperative Education Studienbereich Sozialwesen Herdweg 29 70174 Stuttgart Tel.: 0711 / 1849-755 Fax: 0711 / 1849-735 schaefer-walkmann@ba-stuttgart.de 2
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