Vertiefung Schuldrecht Teil 1: Grundlagen 1: Grundlagen I. Klausurmethodik: Einige Anmerkungen. II. Allgemeines zum Schuldrecht 1. Schuldrechtsreform: Eine Entwicklung und ihre Folgen Literatur: Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, Rdnr. 1-5 a. Europarechtlicher Hintergrund: Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ("Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie") Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr b. Überblick über die Reform: Änderungen im Verjährungsrecht AGB-Recht (Einbeziehung in das BGB) Verbraucherkreditrecht und Fernabsatzrecht (Einbeziehung in das AGB) dd. Allgemeines Schuldrecht (insbes. Leistungsstörungsrecht) ee. Besonderes Schuldrecht: Kauf- und Werkvertrag, Trennung zwischen Gelddarlehen ( 488 BGB) und Sachdarlehen ( 607 BGB) c. Harmonisierung des Privatrechts in Europa: Der gemeinsame Referenzrahmen ( Common Frame of Reference ) auf dem Weg zu einem europäischen Zivilgesetzbuch? 2. Begriffe: a. Schuldverhältnis und Dauerschuldverhältnis Schuldverhältnis: 241 I; 311 II, III Parteien des Schuldverhältnisses, Anspruch und Verbindlichkeit Dauerschuldverhältnisse b. Gefälligkeitsverträge und Gefälligkeitsverhältnis Gefälligkeitsverträge: Schenkung, Leihe (echte Schuldverhältnisse) 1
Gesellschaftliche Gefälligkeitsverhältnisse und Gefälligkeitsverhältnisse mit rechtsgeschäftlichen Charakter (Fall 1 BGHZ 21, 102; Fall 2 BGH NJW 1992, 498) Haftungsmaßstab: 280, 241 II BGB zumindest bei Gefälligkeitsverhältnissen mit rechtsgeschäftlichem Charakter BGHZ 21, 102 = NJW 1956, 1313 BGH NJW 1992, 498 BGH NJW 1992, 2474 3. Vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse a. Vertragliche Schuldverhältnisse mehrseitige Rechtsgeschäfte (Verträge) (1.) Synallagmatische Verträge (Gegenseitigkeit; Kaufvertrag, Mietvertrag) (2.) Unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge (Auftrag, 662 BGB) (3.) Einseitig verpflichtende Verträge (Schenkung) einseitige Rechtsgeschäfte (Auslobung, 657 BGB) Faktische Verträge (Gesellschaftsrecht); sozialtypisches Verhalten ( Hamburger Parkplatzfall - BGHZ 21, 319) dd. Zustandekommen: Fall 4 (BGH NJW 2005, 53) b. Gesetzliche Schuldverhältnisse dd. ee. Geschäftsführung ohne Auftrag, 677, 683 BGB Bereicherungsrecht, 812 ff. BGB Deliktsrecht, 823 ff. BGB Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 987 ff. BGB Verhältnis Erbe-Erbschaftsbesitzer beim Erbschaftsanspruch, 2018 ff. BGB c. Geschäftlicher Kontakt ( 311 II BGB) d. Nachbarschaftliches Schuldverhältnis als ges. Schuldverhältnis ( 280 I, 241 II)? Rechte und Pflichten der Nachbarn durch Bundes- und Landesrecht geregelt, damit gesetzliches Schuldverhältnis h.m.: Kein Schuldverhältnis, ausreichende Regelung in 903 ff., 823 ff. BGB. Fall 3 (BGH NJW 1965, 389) BGHZ 21, 319 = NJW 1956, 1475 BGHZ 23, 175 = NJW 1957, 627 BGHZ 42, 374 = NJW 1965, 389 BGH NJW 1977, 375 2
4. Der Inhalt von Schuldverhältnissen a. Sachenrecht: Numerus Clausus Typenzwang. b. Schuldrecht: Vertragsfreiheit, 241 I, 311 I BGB Grundsatz: freie Bestimmung des Inhalts durch die Parteien (1.) Grundsatz der Privatautonomie/Vertragsfreiheit als Leitmotiv (2.) Vertragsfreiheit: Abschluss- und Gestaltungsfreiheit; beachte: Kontrahierungszwang, AGG und klassische Grenzen der Vertragsfreiheit: 134, 138 BGB (3.) Ermittlung des Parteiwillens durch Auslegung ( 133, 157 BGB) und ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung rechtsgeschäftlicher Lücken. Vorrang der Auslegung vor den (dispositiven) Regelungen des BGB (Wortlaut: Im Zweifel ). Schuldrechtliche Typenverträge: Unterscheidung nach der charakteristischen Leistung (1.) Dauernde Übertragung der Substanz: Kaufvertrag, Schenkung, Tausch (2.) Gebrauchsüberlassung: Miete, Leihe, Pacht (3.) Tätigkeiten (Dienstleistungen bzw. Herbeiführung eines Erfolgs): Dienstvertrag, Werkvertrag (4.) Sicherung: Bürgschaft; NICHT: schuldrechtlicher Sicherungsvertrag, da hier 311 I, 241 I BGB c. Bestimmung der Leistung durch eine Partei/ einen Dritten durch eine Partei: 315, 316 BGB (1.) Vertrag und Abrede über Leistungsbestimmung, Bezeichnung der Partei; Praktischer Anwendungsfall: Direktionsbefugnis im Arbeitsrecht. (2.) Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen; Korrektur durch Gericht, 315 III 2 BGB durch einen Dritten: 317 BGB d. Leistungsort und Leistungszeit Leistungsort (Erfüllungsort), 269 BGB: (1.) Abgrenzung zu Erfolgsort (2.) Holschuld, Bringschuld und Schickschuld (b.) Holschuld: 269 I, II BGB Bringschuld Schickschuld, bspw.: Versendungskauf, 447 BGB Bedeutung für Schuldnerverzug, Gefahrtragung, Konkretisierung bei Gattungsschuld (3.) Vorrang der Parteivereinbarung ( 269 I: Im Zweifel ).. Auslegung gem. 133, 157 BGB. 3
(b.) () () Bei fehlender Vereinbarung: Ermittlung aus den Umständen/Natur des Schuldverhältnisses ( 269 I BGB) Gesetzliche Sonderregelungen: bspw. Hinterlegungsort ( 374 BGB). Im Zweifel 269 BGB (Holschuld, aber keine Bringschuld) Leistungszeit, 271 BGB Lit.: Grimme, NJW 1987, 468 Fälligkeit und Erfüllbarkeit Fälligkeit: Zeitpunkt, an dem der Schuldner spätestens leisten muss; wichtig für: Durchsetzung des Anspruchs, Eintritt des Schuldnerverzuges, Leistungsstörungsrecht ( 280 I, III, 281 I; 323 I BGB). Erfüllbarkeit: Zeitpunkt, an dem der Schuldner frühestens leisten darf (b.) Vorrang der Parteivereinbarung; Bsp: Stundung, pactum de non petendo, Verfallsklausel; Auslegung, 187 193 bzw. 133, 157, 242 BGB; dazu Fall 6 (BGH NJW 1985, 2329) (c). Keine Vereinbarung: Gesetzliche Vorschriften (z.b. 488 III, 604 II, 614). Besondere Umstände des Einzelfalls (e). Auffangtatbestände des 271 I, II BGB. (1.) Keine Vereinbarung sofort (Abs. 1) (2.) Vereinbarung (Abs. 2) (e.) Bedeutung einer Rechnung für die Fälligkeit; Fall 5 (BGH NJW 1981, 814) BGHZ 79, 176 = NJW 1981, 814 BGHZ 103, 284 = NJW 1988, 2042 BGH NJW 1998, 2060 BGH NJW 1985, 2329 BGH NJW 2003, 3341 e. Gegenstand des Schuldverhältnisses Stückschuld: konkret bezeichneter Gegenstand Gattungsschuld/Vorratsschuld (1.) Begriffe (b.) Gatungsschuld: geschuldete Leistung nur nach generellen, allgemeinen Merkmalen bestimmt (Typ, Farbe, Gewicht etc.) Vorratsschuld: Unterart der Gattungsschuld, beschränkte Gattungsschuld (da begrenzt auf bestimmte Teilmenge) Relevanz: Leistungsstörungsrecht (Unmöglichkeit, 275 I BGB; Beschaffungsrisiko, 276 I 2 BGB) (2.) Konkretisierung Sache mittlerer Art und Güte 4
(b.) das seinerseits Erforderliche : Auswahl und Aussonderung; abh. von Art der Schuld () Holschuld: Auswahl und Aussonderung der Sache mittlerer Art und Güte + wörtliches Angebot an Wohnsitz des Gläubigers (Aufforderung zur Abholung) () Bringschuld: Auswahl und Aussonderung der Sache mittlerer Art und Güte + tatsächliches Angebot an Wohnsitz des Gläubigers () Schickschuld: Aushändigung der ausgewählten und ausgesonderten Sache an geeignete Transportperson Rechtsfolge: Verteilung der Leistungsgefahr () Vor Konkretisierung: Beschaffungspflicht trifft Schuldner (Leistungsgefahr) () Nach Konkretisierung: Leistungsgefahr geht auf Gläubiger über. Wichtig für 446, 447 BGB. () Zu trennen von Gegenleistungsgefahr ( 326 BGB). (dd.) Str.: Bindung des Schuldners an Konkretisierung? Fälle: () Fall 7: Abgrenzung Bringschuld/Gattungsschuld, BGH NJW 2003, 3341 () Fall 8: Untergang der Ware beim Versendungskauf, OLG Köln NJW 1995, 3128 () Fall 9: Nacherfüllung durch Nachlieferung auch bei Stückschuld, BGHZ 168, 64 (dazu auch OLG Braunschweig NJW 2003, 1053 lesen) Literatur: Huber, NJW 2002, 1004 Canaris, JZ 2003, 831, 1156 Ball, NZV 2004, 217 RGZ 91, 312 RGZ 92, 369 BGH NJW 1994, 515 OLG Köln NJW 1995, 3128 OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053 BGH NJW 2006, 2839 f. Geldschuld Wertverschaffungsschuld; 270 BGB (qualifizierte Schickschuld), str. (1.) Schuldner verschafft Gläubiger die durch Nennbetrag ausgedrückte Vermögensmacht. (2.) Grundsatz: Keine Unmöglichkeit ( Geld hat man zu haben ). (3.) Keine Konkretisierung, 243 II BGB; Regelung der Leistungsgefahr in 270 I BGB; qualifizierte Schickschuld (4.) Keine unmittelbare Anwendbarkeit des 300 II BGB bei Gläubigerverzug, wohl aber Analogie Münzsortenschuld als Ausnahme Fall 10 (BGH NJW 1982, 1585) 5