Die Schizophrenie und das Glutamat: Neue Medikamente jenseits vom Dopamin?

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Transkript:

Die Schizophrenie und das Glutamat: Neue Medikamente jenseits vom Dopamin? Prof. Dr. Walter E. Müller Department of Pharmacology Biocentre of the University 60439 Frankfurt / M

Die Dopaminhypothese der Schizophrenie 1) Antipsychotika wirken über antidopaminerge Effekte 2) Der Erkrankung liegt eine Dysfunktion dopaminerger Mechanismen im ZNS zugrunde a) Positivsymptomatik Überfunktion b) Negativsymptomatik Unterfunktion

Unterschiedliche Beeinflussung der einzelnen dopaminergen Systeme Als Angriffspunkte von Atypika und Kombinationstherapie A B Striatum 1 Substantia Nigra 2 3 4 Präfrontaler Cortex Nucleus Accumbens Hypothalamus Einfluss auf den präfrontalen Cortex - relevant für Verbesserung der Negativsymptomatik und der Kognition Erleichterte Freisetzung von Dopamin vermittelt durch Blockade der 5- HT 2A -, 5-HT 2C - und präsynaptischer D 2 -Rezeptoren Hemmung der Serotoninwiederaufnahme durch Agonismus am 5-HT 1A - Rezeptor Präfrontaler Cortex Einfluss auf das Striatum - relevant für Senkung des EPS-Risikos Geringere D 2 - Rezeptorbesetzung schnelle Dissoziation vom D 2 -Rezeptor Erhöhte Freisetzung von Dopamin vermittelt durch Blockade von 5-HT 2A/C und präsynaptischen D 2 -Rezeptoren oder durch Agonismus an 5-HT 1A -Rezeptoren partieller D 2 -Rezeptor- Agonismus Tegmentum (VTA) 1. Nigrostriatales (A9) System 2. Mesolimbisches (A10) System 3. Mesocorticales (A10) System 4. Tuberoinfundibulares (A12) System Einfluss auf Hippocampus und größere Wirksamkeit auf Positivsymptomatik Bevorzugte Bindung an mesolimbische D 2 - Rezeptoren Hippocampus 5-HT 2A -Rezeptorvermittelte Abnahme der Dopamin-Freisetzung D 4 -Antagonismus? Striatum Globus pallidus Thalamus Substantia nigra Ventrales Tegmentum Hypophyse Einfluss auf die Hypophyse - relevant für Senkung des Hyperprolaktinämie-Risikos Geringere D 2 -Rezeptoraffinität Schnelle Dissoziation vom D 2 -Rezeptor Erhöhte Freisetzung von Dopamin durch 5-HT 2A/C - Antagonismus partieller D 2 -Rezeptor- Agonimus Leuner and Müller, Pharmacopsychiatry (2007)

Glutamaterge Mechanismen Regulieren für die Pathophysiologie der Schizophrenie relevante neuronale Verschaltungen Current Opinion in Pharmacology 2007; 7:48-55

Pathophysiologie der glutamatergen Neurotransmission: Allgemeine Probleme L-Glutamat ist der wichtigste excitatorische Neurotransmitter (ca. 30-40 % aller Synapsen) Hohe synaptische L-Glutamat Koncentration Schwache Affinität von L-Glutamate, begrenzte Structuralspecificität, nur wenige specifische Agonisten oder Antagonisten L-Glutamat hat auch metabolische Functionen (Zitronensäurezyklus, Proteinbiosynthese) Aber: Grosse Zahl von metabotrophen oder ionischen Receptoren

J.C. Watkins (2000)

Der NMDA Rezeptor (Popescu CMLS, 2005)

(Waxman, 2005)

Pathophysiologie der glutamatergen Neurotransmission bei der Schizophreniie Verminderte NMDA Rezeptor Expression in einigen aber nicht allen Untersuchungen (hauptsächlich NR1) Unterschiedliche Effekte von Antipsychotika auf NMDA- Rezeptor Dichte (meist B max ) Hochregulation der Glycinbindungsstelle (?) Glycin Konzentrationen erhöht (Cortex) bzw. erniedrigt (putamen)? Erniedrihte L-Glutamat Konzentration (CSF) B max Kainate Receptor PFC B max AMPA Receptor hippocampus

Die Strukturen der beiden NMDA-Antagonistern Ketamin und Phencyclidin (PCD, angels dust)

PCD (und Ketamine) lösen Schizophrenie-ähnliche Symptome bei Gesunden aus (Goff and Coyle, Am. J. Psychiatry 2001) induces amotivational state (blunted affect, withdrawal, psychomotor retardation) induces psychotic symptoms (suspiciousness, disorganization, visual and auditory illusions) induces the characteristic cognitive deficits of schizophrenia exacerbates psychotic symptoms in patients stabilized on typical neuroleptics induces deficits in prepulse inhibition, sensitive to atypical neuroleptics, not typicals

Ketamine erhöht die durch Dopamin-Freisetzung reduziert D 2 -Rezeptorbindung im Striatum (Laruelle et al., 2003)

Schematische Darstellung des NMDA-Rezeptors (N-Methyl-D-Aspartat) Ca 2+ NMDA Glutamat + Glycin Zn + Redox H + Zellmembran PCP Mg 2+ Phosphorylierung Polyamine

NMDA agonists on negative symptomes (Tuominen et al., 2005)

NMDA agonists on positive symptomes (Tuominen et al., 2005)

Schematische Darstellung einer chemischen Synapse A Terminales Ende eines Axons B Mitochondrium I C Vesikel Präsynaptische Membran J H G E F D Synaptischer Spalt Postsynaptische Membran

Schizophrenia Bulletin 2007; 33:1120-1130

Biol Psychiatry 2004; 55:452-456

Glutamatergic cortical modulation of the mesocortical and mesolimbic dopaminergic system (Laruelle et al., 2003)

Glutamatergic cortical modulation of the mesocortical and mesolimbic dopaminergic system (Laruelle et al., 2003)