Februar 2011 Seite: 9 BAG, Urteil vom 06.10.2010 7 AZR 397/09 Befristeter Abschluss von Arbeitsverträgen ist ohne Zustimmung des Personalrats wirksam EINLEITUNG: Im Personalvertretungsrecht des öffentlichen Dienstes ist die Beteiligung des Personalrats in den Bundesländern nicht einheitlich geregelt. Problematisch ist, ob nach der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmung die nicht ordnungsgemäße Unterrichtung der Befristung entgegengehalten werden kann. Die Entscheidung referiert darüber hinaus die Voraussetzungen des Sachgrundes der Vertretung im Schulbetrieb sowohl im Falle der unmittelbaren als auch der mittelbaren Stellvertretung. SACHVERHALT: Ein beim Land angestellter Lehrer wurde auf der Grundlage mehrerer nacheinander folgender befristeter Arbeitsverträge ab August 2006 als Realschullehrer fortlaufend beschäftigt. Am 18.02.2008 vereinbarte das Land mit ihm einen befristeten Anschlussarbeitsvertrag für die Zeit vom 18. bis 19.03.2008 mit einer wöchentlichen Pflichtstundenzahl von 13,5 Stunden. Als Befristungsgrund war die Vertretung der erkrankten Lehrkraft P. der Realschule im Schulzentrum A angegeben. Am 19.03.2008 verlängerte das Land dieses befristete Arbeitsverhältnis bis zum 30.04.2008. Als Befristungsgrund wurde diesmal die Vertretung der erkrankten Lehrkraft H der Realschule im Schulzentrum A angegeben. Am 29.04.2008 verlängerte das Land die Befristung nochmals
Februar 2011 Seite: 10 bis zum 18.07.2008 mit einer geringfügig verringerten Pflichtstundenzahl von insgesamt 10,5 Wochenstunden. Als Befristungsgrund war wiederum die Vertretung der erkrankten Lehrkraft H der Realschule im Schulzentrum in A angegeben. Außerdem hatte das Land mit dem Lehrer für die Zeit vom 05. bis 18.03.2008 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag mit 10 Stunden pro Woche zur Vertretung der erkrankten Lehrkraft V als Realschullehrer abgeschlossen. Dieser Vertrag wurde zunächst bis zum 16.05.2008 verlängert. Am 17.05.2008 schloss das Land dann aber nochmals einen befristeten Arbeitsvertrag bis 18.07.2008 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Pflichtstundenzahl von 10 Stunden als Ersatz für die Lehrkraft V. Nachdem eine weitere Verlängerung nicht zustande kam, erhob der Lehrer Entfristungsklage. Er bestritt die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats in Bezug auf die letzten beiden Befristungsabreden und meint, das Mitbestimmungsrecht des Personalrats umfasse nach den landespersonalvertretungsrechtlichen Bestimmungen auch die Befristung. Die Befristung sei aber auch deshalb nicht wirksam, weil das Land sich angesichts der Anzahl der bei ihr beschäftigten Vertretungskräfte (1.795) nicht formal auf die konkret bestimmten Vertretungsfälle zurückziehen könne. Die Anzahl der Vertretungskräfte zeige, dass strukturell eine zweite Lehrergruppe in Form von Vertretungslehrern beschäftigt werde. Weil der Schulbetrieb eine staatliche Pflichtaufgabe des Landes sei, bestehe für die Beschäftigung von Lehrern prinzipiell kein nur vorübergehender Bedarf. Im Rahmen der Personalbedarfsplanung kalkuliere das Land letztlich mit dem dauerhaften Mehrbedarf
Februar 2011 Seite: 11 zur Vertretung. Das Arbeitsgericht hat der Entfristungsklage stattgegeben. Das LAG hat sie dagegen auf Berufung des beklagten Landes abgewiesen. Die Revision des Lehrers blieb erfolglos. ENTSCHEIDUNG: Die in den beiden letzten Arbeitsverträgen vom 29.04.2008 und 17.05.2008 vereinbarten Befristungen seien wirksam. Nach 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liege ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt werde. Voraussetzung sei zum Einen eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass ein freigestellter oder erkrankter Mitarbeiter seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen werde. Außerdem müsse zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters ein Kausalzusammenhang bestehen. Der Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers müsse gerade wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenen Arbeitnehmers entstehe. In den Fällen der unmittelbaren Vertretung habe der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betreut worden sei, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren. Werde die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Arbeitnehmers nicht unmittelbar von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung), habe der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzu-
Februar 2011 Seite: 12 sammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. Nehme der Arbeitgeber den Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass, die Aufgaben in seinem Betrieb oder aus seiner Dienststelle neu zu verteilen, so müsse er zunächst die bisher dem vertretenen Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben darstellen. Anschließend sei die Neuverteilung dieser Aufgabe auf einen oder mehrere andere Arbeitnehmer zu schildern. Schließlich sei darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben (BAG, Urteil vom 18.04.2007 7 AZR 293/06). Der erforderliche Kausalzusammenhang könne schließlich auch damit begründet werden, dass der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, den vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen (hypothetische Zuweisung). In diesem Fall sei aber zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einen oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies könne insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen (BAG, Urteil vom 14.04.2010 7 AZR 121/09, Newsletter Ausgabe September 2010). Nach Auffassung des BAG war in dem zu entscheidenden Fall die befristete Einstellung des Lehrers durch den konkreten vorübergehenden Ausfall einer Stammkraft veranlasst. Es habe also ein Fall der unmittelbaren Vertretung vorgelegen. Dem Lehrer sei nicht darin zu folgen, dass durch die Umstände des Falles
Februar 2011 Seite: 13 Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das Land ihn über mehrere Jahre innerhalb eines Regelbedarfs beschäftigt habe, weswegen die konkret vereinbarten Befristungen zur Vertretung nur vorgeschoben und somit rechtsmissbräuchlich seien. Der Lehrer habe jedoch im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass der Sachgrund der Befristung nicht vorgeschoben sein dürfe. Bei der Auslegung des 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG seien unionsrechtliche Vorgaben, insbesondere die der Richtlinien 1999/70 EG des Rates vom 28.06.1999 (Befristungsrichtlinie) zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung EGB über befristete Arbeitsverträge vom 18.03.1999 (Rahmenvereinbarung) zu beachten. Nach 5 der Rahmenvereinbarung hätten die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zu ergreifen, um den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden. Das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung sei eine nach der Rahmenvereinbarung geforderte Maßnahme. Entschließe sich ein Mitgliedsstaat zu dieser Maßnahme, habe er auch dafür Sorge zu tragen, dass das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen gewährleistet werde (EuGH, Urteil vom 23.04.2009 C 378/07). Aufgabe der nationalen Gerichte sei es, im Rahmen ihrer Zuständigkeit diesem Ziel bei der Auslegung der nationalen Vorschriften Rechnung zu tragen. Hierzu müssten sie insbesondere dafür sorgen, dass nationale Regelungen, welche die Verlängerung oder Wiederholung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfes zuließen, nicht dazu benutzt werden könnten, einen tatsächlich ständigen dauernden Bedarf zu decken.
Februar 2011 Seite: 14 Eine an diesen Grundsätzen durchgeführte Missbrauchskontrolle führe im vorliegenden Fall nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Befristungen. Der Umstand, dass im Haushaltsplan gesonderte Mittel für Vertretungskräfte vorgesehen werden, rechtfertige nicht die Annahme, dass für die Beschäftigung bestimmter Vertretungskräfte ein ständiger und dauernder Bedarf bestehe. Dies käme nur dann in Betracht, wenn beim Land ein ständiger Vertretungsbedarf an Lehrern vorhanden wäre, den es anstatt eines Abschlusses wiederholter befristeter Arbeitsverträge auch durch die unbefristete Einstellung eines Lehrers abdecken könne. Dies würde aber voraussetzen, dass der unbefristete quasi als Springer eingestellte Lehrer nach der vom Land vorgegebene Organisation tatsächlich fachlich, örtlich und zeitlich in der Lage wäre, jeweils eine der regelmäßig ausfallenden Stammkräfte zu vertreten. An eine solche Konstellation sei insbesondere zu denken, wenn in einem Betrieb oder in einer Dienststelle regelmäßig Stammkräfte mit denselben Aufgaben ausfielen, die unschwer auch von einem zusätzlich dauerhaft als Personalreserve eingestellten Arbeitnehmer wahrgenommen werden könnten. Im vorliegenden Fall sei aber nicht ersichtlich, dass dieser Vertretungsbedarf durch zusätzlich, unbefristet eingestellte Lehrer sinnvoll abgedeckt werden könnte. Unter unterschiedlichen Schultypen, der mannigfachen Fächerkombination und der großen räumlichen Diversifizierung in einem Flächenstaat sei das Anforderungsprofil an die Vertretungskraft für die jeweils konkret ausfallende Stammkraft unterschiedlich. Daher stelle es keinen Missbrauch des Sachgrundes der Vertretung dar, wenn das Land jeweils durch die befristete Einstellung einer konkret-fachlich, örtlichen und zeitlich-geeigneten Lehrkraft für die Vertretung der ausfallenden Stammkraft sorge. Die Befristungen seien auch nicht wegen fehlender Zustimmung des Personalrates unwirksam. Die ohne Zustimmung des Perso-
Februar 2011 Seite: 15 nalrats vereinbarte Befristung eines Arbeitsvertrages sei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unwirksam, wenn sie nach dem maßgeblichen Personalvertretungsgesetz der zwingenden Mitbestimmung des Personalrats unterfalle (BAG, Urteil vom 13.06.2007 7 AZR 287/06). Das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein sehe jedoch bei der Befristung von Arbeitsverträgen kein Mitbestimmungsrecht vor. Im Gegensatz zum Bundespersonalvertretungsgesetz und zu den Personalvertretungsgesetzen der anderen Bundesländer enthalte das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein keinen Katalog mitbestimmungspflichtiger Maßnahmen. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass die Mitbestimmungsfälle nicht, wie in anderen Landespersonalvertretungsgesetzen, positiv festzustellen sind, sondern vielmehr im Sinne einer Negativabgrenzung geklärt werden müsse, ob ein bestimmter Sachverhalt ausnahmsweise nicht der Mitbestimmung unterliege. Von einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn sei nur auszugehen, wenn es sich um eine den Rechtsstand des oder der Bediensteten betreffende, gestaltende Handlung oder Entscheidung handele. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses beruhe auf keinem gestaltenden oder, wie bei der Eingruppierung, normvollziehenden Akt, sondern auf einer und sei es unwirksam Vereinbarung. Eine Befristungsabrede betreffe keine Entscheidung der Dienststelle, sondern eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ihre Wirksamkeit oder ggf. Unwirksamkeit folge unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften des TzBfG. Das spreche dagegen, eine Mitbestimmung des Personalrates nach 51 Abs. 1 Satz 1 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein bei Befristungsabreden anzunehmen. FAZIT: Für die Praxis des öffentlichen Dienstes von Interesse ist die
Februar 2011 Seite: 16 Entscheidung wegen der ausführlichen Darstellung der Erfordernisse einer Zweckbefristung bei Stellvertretung. Rechtlich interessant ist sie aber vor allem in Bezug auf die Beteiligungen des Personalrats in Schleswig-Holstein. Das Landespersonalvertretungsgesetz in Baden-Württemberg begründet dagegen ein Mitbestimmungsrecht des Personalrates bei der Zweckbefristung eines Arbeitsverhältnisses ( 75 Abs. 1 Zif. 2 LPVG Ba- Wü).