Die Bedeutung von Vorhaben und sozialen Beziehungen für das Wohlbefinden im Alter

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Transkript:

Die Bedeutung von Vorhaben und sozialen Beziehungen für das Wohlbefinden im Alter Dr. Christoph Rott Fachtagung der Thüringer Mehrgenerationenhäuser TMSFG, Erfurt, 07. Oktober 2011 Grundlagen des Vortrags Mehrgenerationenhäuser (MGH) als Antwort auf das Altern der Gesellschaft. Politisches Aktionsprogramm: konsequente Förderung des Miteinanders von Menschen unterschiedlicher Lebensalter. Ressourcenansatz: Jeder Mensch kann unabhängig von seinem Alter einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. 2012 Europäisches Jahr des aktiven Alterns MGH: aktives Leben von Senioren unterstützen Zentrale Aspekte: Aktivitäten (Vorhaben, persönliche Projekte) und soziale Beziehungen Gute Chancen, in Thüringen nicht nur alt, sondern sehr alt zu werden Die Gesellschaft des Langen Lebens Im Zeitraum 2008/10 wurden 95% der Männer und 97% der Frauen 50 Jahre alt. Von den 50-Jährigen wurden 87% der Männer und 94% der Frauen 65 Jahre alt. Die Lebenserwartung 65-Jähriger betrug für Männer 16,6 Jahre und für Frauen 20,0 Jahre. Von den 65-Jährigen wurden 58% der Männer und 74% der Frauen 80 Jahre alt. Von den 80-Jährigen wurden 27% der Männer und 37% der Frauen 90 Jahre alt.

Abnehmende Sterbewahrscheinlichkeit im hohen Alter weltweit seit 1950 Normalfall in Zukunft: Sehr langes Leben Frauen 80 Jahre alt Männer 80 Jahre alt Frauen 90 Jahre alt Männer 90 Jahre alt Christensen et al., 2009 Online Focus, 08.10.2010 Konsequenzen der zunehmenden individuellen Lebenslänge Der Einzelne hat prinzipiell eine längere Lebenszeit für Aktivitäten und persönliche Vorhaben zur Verfügung, die dem Leben Sinn geben. Besonders im hohem Alter bestehen aber auch ernsthafte Risiken, Ressourcenverluste zu erleiden (Gesundheit, geistige Leistungsfähigkeit, soziale Beziehungen, Aktivitäten). Können Ältere Aktivitäten so ausführen, wie sie es gerne möchten?

Aktivitätsbeschränkungen im Alter (SHARE 2004, Daten für Deutschland) Aktivitätseinschränkungen durch schlechte Gesundheit 100% 80% 60% 40% 20% 0% 77% 67% 87% 91% Männer** Frauen*** m 65-79 w 65-79 m 80-94 w 80-94 Altersgruppen (Jahre) überhaupt nicht ab und zu fast immer Mayer & Baltes, 1996 Menning & Hoffmann, 2009 Hieber, Oswald, Rott & Wahl, 2006 WHO: Aktiv Altern Welche Aktivitäten sind eingeschränkt? "Unter aktiv Altern versteht man den Prozess der Optimierung der Möglichkeiten von Menschen, im zunehmenden Alter ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozialen Umgebung teilzunehmen und ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten, und derart ihre Lebensqualität zu verbessern." WHO, 2002

Faktoren, die Aktiv Altern bestimmen Welche konkreten Aktivitäten Älterer? Wer sind die Akteure? WHO, 2002 Deutscher Alterssurvey (DEAS) Bundesweit repräsentative Studie von Personen in der zweiten Lebenshälfte (40-54 Jahre, 55-69 Jahre und 70-85 Jahre) Drei Wellen 1996, 2002, 2008 Grundlage für politische Entscheidungsträger Themen (u.a.): Leben im Ruhestand gesellschaftliche Partizipation nachberufliche Aktivitäten soziale Kontakte Gesundheit, Wohlbefinden, usw. Tätigkeiten und Engagement in der zweiten Lebenshälfte (DEAS) Ehrenamtliches Engagement Pflege und Betreuung Enkelkinderbetreuung Lernen im Alter Computernutzung Einschränkungen: Personen mit Aktivitäten in mindestens einem dieser Bereiche in der Minderheit Anteil über die Altersgruppen hinweg stark abnehmend

Projekt MOBILATE Perspektivenwechsel I Beobachten wir die Aktivitäten der Älteren! Alltägliche Mobilität und Freizeitaktivitäten Fünf europäische Länder, städtische u. ländliche Regionen Zwei Altersgruppen: 55-74 Jahre / 75+ Aktivitätstagebuch Fünf charakteristische Gruppen von Aktivitäten: Soziale innerhäusliche Aktivitäten Soziale außerhäusliche Aktivitäten Häusliche Aktivitäten Physische Aktivitäten Kulturelle Aktivitäten Soziale inner- und außerhäusliche Aktivitäten Häusliche Aktivitäten Sozial drinnen Zu Hause Besuch bekommen 80 80 Telefonieren 59 65 Prozent 0 20 40 60 80 100 Sozial draußen Freunde außerhalb der Wohnung treffen 54 75 In ein Café oder Restaurant gehen 34 56 Religiöse Veranstaltungen, Kirche 45 47 Aktivitäten in Verein oder Club 7 19 16 Tanzen, Kegeln 4 55-74 Jahre 15 Seniorenveranstaltungen besuchen 27 75+ Jahre Ehrenamtliches Engagement 3 11 Prozent Zuhause Fernsehen, Radiohören Es sich zu Hause gemütlich machen, aus dem Fenster schauen Lesen, Rätsel raten, Briefmarken o.ä. sammeln "Do-it-yourself", Basteln, Handarbeiten Computerspiele Im Internet surfen, Chatrooms besuchen 0 20 40 60 80 100 3 0 2 1 25 40 42 51 59 63 86 84 55-74 Jahre 75+ Jahre

Körperliche und kulturelle Aktivitäten Prozent 0 20 40 60 80 100 Körperlich Spazierengehen, Stadtbummel machen 51 69 Im Garten arbeiten 29 48 Wandern, Radfahren 14 46 Aktiv Sport treiben Besuch von Sportveranstaltungen 4 2 14 14 Beeren, Pilze, Kräuter sammeln 2 9 55-74 Jahre Angeln 2 1 75+ Jahre Kulturell Ins Kino, Theater, Konzert, Oper gehen 10 28 Bücherei aufsuchen 10 7 Kurse besuchen, Weiterbildung 2 8 Künstlerische Tätigkeiten 5 3 Zufriedenheit mit Aktivitätsmuster Ältere mit ausschließlich häuslichen Aktivitäten sind sehr unzufrieden. Ältere, die in mehreren Bereichen aktiv sind, sind zufriedener als Ältere, die nur in wenigen Bereichen aktiv sind bzw. sein können. Zwischen 14 und 24% der Älteren in Deutschland haben den Wunsch nach mehr Aktivitäten. Den größten Einfluss auf die Zufriedenheit mit den Freizeitmöglichkeiten hatte eine gute körperliche Verfassung. Persönliche Vorhaben (M. Powell Lawton) Perspektivenwechsel II Fragen wir die Älteren nach ihren Vorhaben! Motivation, die sich in Zielen Älterer äußert Handlungen, beabsichtigt um eine Situation zu erhalten oder zu herzustellen, vom Individuum vorhergesehen Geplant und von der Person ausgewählt Voraussetzung: Bedürfnis und Zielobjekt Kurz- oder langfristig, konkret oder abstrakt Existenz eines Ziels von hoher Bedeutung für die Person Ziel entspringt der Identität einer Person und bekräftigt sie gleichzeitig Lawton et al., 2002

Persönliche Vorhaben - Erfassung "Wenn Sie an die Zukunft denken, wie wird sie aussehen?" "Manche Leute mögen nicht für die Zukunft planen, andere aber doch. Wie sieht es bei Ihnen aus?" "Was gibt Ihrem Leben in diesen Tagen Sinn und Bedeutung?" "Die meisten von uns haben Aufgaben und Ziele, die wir uns vornehmen. Man könnte das persönliche Vorhaben nennen." Beschreibung der Merkmale von Vorhaben Frage nach drei konkreten persönlichen Vorhaben Lawton et al., 2002 Persönliche Vorhaben - Häufigkeiten 1. Zwischenmenschliche Beziehungen: Familie (66%) und Freunde (46%) 2. Reisen und Erholung (42%) 3. Religiöse Bezüge (30%) 4. Verwirklichte Pläne (28%) 5. Zuhause als Objekt (27%) 6. Instandhaltung des Zuhauses (24%) 7. Anderen helfen (22%) Insgesamt 24 Themen Lawton et al., 2002 Persönliche Vorhaben - Kategorien Orientierung an Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL und IADL) Aktive Erholung An anderen ausgerichtete Vorhaben Intellektuelle Aktivitäten Planungen das Zuhause betreffend Hochgeistige/moralische Aktivitäten Lawton et al., 2002 Persönliche Vorhaben - Wohlbefinden Außer ADL stehen die Kategorien in Beziehung zum Wohlbefinden (positiver Affekt [PA], Depression, Lebensbewertung [VOL]) Aktive Erholung: PA [+] An anderen ausgerichtete Vorhaben: PA [+], Depression [-] und VOL [+] Intellektuelle Aktivitäten: VOL [+] Planungen das Zuhause betreffend: PA [+], VOL [+] Hochgeistige/moralische Aktivitäten: PA [+], VOL [+] Lawton et al., 2002

Aktivitäten (Adams, Leibbrandt & Moon) Soziale und Freizeitaktivitäten (sieben Bereiche) Bereiche mit Beziehung zum Wohlbefinden, Gesundheit und Langlebigkeit: Soziale, Freizeit-, produktive, körperliche, intellektuelle, Dienstleistungs- und "einzelgängerische" Aktivitäten Informelle soziale Aktivität weist die meiste Evidenz für eine Beziehung zum Wohlbefinden auf. Im Allgemeinen erzeugt das Ausüben von selbst gewählten körperlichen und sozialen Aktivitäten körperliches und psychisches Wohlbefinden (Pushkar et al., 2010). Soziale Beziehungen und Mortalität Soziale Beziehungen Ältere Menschen, besonders Männer, brauchen enge Bindungen zum Überleben. Seeman et al., 1993

Soziale Beziehungen im Alter I Partnerschaften, Familienangehörige und Freunde gehören auch im Alter zu den wichtigsten und engsten Beziehungen. Wesentlich für emotionale Erfahrungen. SB haben erhebliche direkte Effekte auf physiologische Prozesse, Gesundheit und Gesundheitsverhalten. SB schwächen den Rückgang von kognitiven Leistungen (Wahrnehmungsgeschwindigkeit) ab. Ältere neigen verstärkt dazu, negativen oder aversiven Kontakten aus dem Weg zu gehen, bevor sie überhaupt stattfinden. Ältere wenden sich besonders solchen sozialen Erfahrungen zu, die sie als Sinn stiftend und emotional bedeutsam erleben. Soziale Beziehungen im Alter II Wenige oder mindestens eine bedeutsame, enge Sozialbeziehung in der Umgebung verhindert oftmals Einsamkeit und vermittelt das Gefühl der Zugehörigkeit. Freunde sind hilfreich bei der Anpassung an alternsabhängige Veränderungen (als Begleitpersonen, Quelle der Informationen und emotionaler Unterstützung, Bestätigung der Identität und des Selbstwertgefühls, etc.). Enge soziale Beziehungen sollten daher im hohen Alter vorherrschen und sich auf das Wohlbefinden auswirken. Enge sozialer Beziehungen: Kreis 1 Enge sozialer Beziehungen: Kreis 2 Gibt es Menschen, die Ihnen ganz besonders wichtig sind. So wichtig, dass Sie sich ein Leben ohne diese Menschen nur ganz schwer vorstellen können? Gibt es Menschen, die Ihnen nicht ganz so wichtig sind, die Ihnen aber trotzdem sehr nahe stehen?

Enge sozialer Beziehungen: Kreis 3 Gibt es Menschen, die Sie bisher noch nicht erwähnt haben, die Ihnen aber trotzdem wichtig sind? Häufigkeit und Wirkung sozialer Kontakte Enge des Kontakts Kreis 1: Ganz besonders wichtige Personen Kreis 2: Sehr nahestehende Personen Kreis 3: Wichtige Personen Häufigkeit Intensität Anteil Tage Anzahl Pers. 67% 1,54 28% 1,31 25% 1,23 Nur Kontakte mit ganz besonders wichtigen Personen wirkten sich auf den positiven Affekt aus. Ihr Ausbleiben führte zu höherem negativen Affekt. Rott & Schüller, 2005 Soziale Beziehungen und Generativität Schaffung überdauernder Werte, die auf der Auswahl wichtiger Werte, von Lebenszielen und Sozialkontakten beruht; Wahrung einer kulturellen Identität, die beispielsweise darauf beruht, dass ältere Menschen zwischen Wandel und Kontinuität, zwischen gestern und heute vermitteln und integrieren; Selbstbescheidung und Selbstverantwortlichkeit, die darin besteht, dass die Belastung anderer (jüngerer) Beziehungspartner minimiert werden kann, wenn ältere Menschen sich um ein möglichst selbst bestimmtes und unabhängiges Alltagleben bemühen. Vorhandensein von Generationenbeziehungen nach Alter

Wohnentfernung zum nächstwohnenden Kind Kontakthäufigkeit zwischen alten Eltern und erwachsenen Kindern Kontakthäufigkeit zwischen Großeltern und Enkeln nach Alter Kann man "Soziale Beziehungen" lernen?

FriendshipEnrichmentProgram (FEP) (Stevens, 2001; Stevens et al., 2006) Soziales Interventionsprogramm (Niederlande) mit dem Ziel, Freundschaften im Alter zu bereichern, Einsamkeitsgefühle zu reduzieren und das subjektive Wohlbefinden zu fördern. Teilnehmer: ältere Frauen (52-80 Jahre alt). 12 strukturierte Gruppensitzungen im Wochenrhythmus mit den Schwerpunkten Selbstwertgefühl, zwischen-menschliche Kompetenzen, Phasen der Freundschaftsentwicklung (Knüpfen, Aufrechterhalten) und Übung von relevanten sozialen Fähigkeiten. Inhalte des Programms (FEP) Das Programm sollte die Teilnehmer unterstützen ihre Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen hinsichtlich ihrer Freundschaften zu erkennen; ihre derzeitigen sozialen Netzwerke zu überprüfen, um aktuelle und potentielle Freunde zu identifizieren; Ziele zu formulieren, die die Vertiefung und Ausgestaltung von bestehenden bzw. das Knüpfen von neuen Freundschaften beinhalten; Strategien zu entwickeln, um diese Ziele zu erreichen; ihre soziale Kompetenzen zu verbessern; ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Ergebnisse nach 6 Monaten (FEP) 63% hatten neue Freundschaften geknüpft. 55% hatten noch Kontakt mit den anderen Teilnehmerinnen des Programms (33% enge Freundinnen geworden). 62% hatten die bestehenden Freundschaften vertieft bzw. ausgestaltet. 43% hatten sowohl bestehende Freundschaften vertieft als auch neue Freundschaften geknüpft. Alter hatte keinen Einfluss auf das Knüpfen von neuen Freundschaften, aber je älter die Frauen waren, desto seltener neigten sie dazu, bestehende Freundschaften zu vertiefen. Partnerverlust hatte keinen Einfluss auf die Entwicklung von Freundschaften. Ergebnisse nach 1 Jahr (FEP) Signifikante Reduktion von Einsamkeitsgefühl nur bei Frauen, die sowohl bestehende Freundschaften vertieft als auch neue Freundschaften geknüpft haben. Steigerung des Selbstwertsgefühls, Höheres Wohlbefinden (Steigerung des positiven und Reduktion des negativen Affektes). Steigerung der Lebenszufriedenheit.

Mögliche Schlussfolgerungen für Mehrgenerationenhäuser Mit dem Fokus auf Aktivitäten und sozialen Beziehungen sind die MGHs aus wissenschaftlicher Sicht auf dem richtigen Weg. Sie sollten aber Aktivitäten nicht vorgeben, sondern wichtige persönliche Vorhaben erfragen und deren Ausführung unterstützen. Die sozialen Beziehungen in und durch MGHs sollten "Kreis-1-Beziehungen" sein. Durch die Kombination von Aktivitäten und sozialen Beziehungen kann Wohlbefinden, Gesundheit und Partizipation gefördert werden. "Wir brauchen neue Visionen und einen gesellschaftlichen Willen. Dann ist nicht nur die Zukunft das Alter, sondern dann hat das Alter auch Zukunft." (Paul B. Baltes, 2003) Danke! Kontakt: Dr. Christoph Rott Institut für Gerontologie, Universität Heidelberg Bergheimer Str. 20 69115 Heidelberg Tel.: 06221-548129 E-Mail: christoph.rott@gero.uni-heidelberg.de http://www.gero.uni-heidelberg.de