Wie kann/soll sich der. wenn eine Mitarbeiterin von einem Kollegen sexuell belästigt



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Ausgabe 1 / 2012 Liebe Leserinnen und Leser, und eines Tages fragte ein Anwalt: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der klügste Anwalt im ganzen Land? Und der Spiegel antwortete: Herr Anwalt, Ihr seid der klügste hier, doch ein Kollege hinter den Bergen, bei den sieben Zwergen, ist noch tausendmal klüger als Ihr!" Die Suche nach dem richtigen Anwalt ist vielleicht manchmal beschwerlich, sie lohnt sich aber. Die Beauftragung eines Anwalts setzt schließlich viel Vertrauen voraus. Danach sollten Sie gezielt suchen: Nach einem Anwalt Ihres Vertrauens - damit auch Ihr Märchen ein Happy End hat. Ihr Dr. Peter Bitzer Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung Wie kann/soll sich der Arbeitgeber verhalten, wenn eine Mitarbeiterin von einem Kollegen sexuell belästigt wird? Dieses Thema ist für Arbeitgeber und betroffene Arbeitnehmer(innen) gleichermaßen prekär und schwierig. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat etwas mehr Klarheit gebracht (Urteil vom 09.06.2011, Aktenzeichen: 2 AZR 323/10). Die wichtigsten Aussagen des BAG im Überblick: Eine sexuelle Belästigung stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Die endgültige Entscheidung für oder gegen den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung hängt aber von einer Abwägung im Einzelfall ab. Entscheidend sind dabei insbesondere der Umfang und die Intensität der sexuellen Belästigung. Wichtig: Verbale Belästigungen bewegen sich nach Ansicht des BAG dabei nicht etwa generell in einem weniger gravierenden Bereich. Für das Bewirken einer Belästigung genügt bereits der bloße Eintritt der Belästigung. Vorsätzliches Handeln ist nicht erforderlich. Es genügt also der bloße Eintritt einer Belästigung. Es kommt nicht auf die Absicht des belästigenden Arbeitnehmers an. Andererseits bleibt es dabei, das die Absicht einer sexuellen Belästigung ausreicht, auch wenn im Ergebnis eine Belästigung gar nicht eintritt. Es genügt, wenn die Unerwünschtheit einer sexuellen Belästigung objektiv erkennbar ist. Impressum: Herausgeber & V.i.S.d.P.: Rechtsanwalt Dr. Peter Bitzer, Berrenrather Straße 393, 50937 Köln Sülz, Telefon: 0221 47 40 45 1, Fax: 0221 47 40 45 2, homepage: bitzer-anwalt.de

Unerwünscht ist eine sexuelle Belästigung nicht nur dann, wenn die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung aktiv verdeutlicht. Es genügt, wenn die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar ist. Hinweis: Darin liegt eine Abweichung von der früheren Rechtslage. Denn auf der Grundlage des früheren Beschäftigtenschutzgesetzes war es noch erforderlich, dass die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlichte. Das sagt der Anwalt: Der Arbeitgeber muss im Falle einer sexuellen Belästigung alle geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen ergreifen. Welche dieser Maßnahmen er konkret als verhältnismäßig ansehen darf, hängt zwar - wie immer - von den Umständen des Einzelfalls ab. Aber: Das Auswahlermessen des Arbeitgebers ist insoweit erheblich eingeschränkt, als er die Benachteiligung auf jeden Fall zu unterbinden hat. Geeignet sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft (wirklich) abstellen, so dass also eine Wiederholung ausgeschlossen ist. Versetzung an einen anderen Arbeitsort: Bahnbrechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts Der Fall: Die klagende Arbeitnehmerin ist bei dem Freistaat Sachsen als Angestellte beschäftigt. Sie ist zuständig für die Erteilung von Betriebserlaubnissen für Kindertagesstätten. Der Arbeitsvertrag verweist auf die einschlägigen tariflichen Regelungen (BAT-O). Im Einstellungsschreiben war ihr ein Arbeitsplatz in der Zweigstelle D. zugewiesen worden. Im Zuge einer späteren Verwaltungsreform beschloss das zuständige Staatsministerium, die Verwaltung zu konzentrieren und die Zweigstelle in D. aufzulösen. Mit Schreiben vom 14.07.2008 wurde die Arbeitnehmerin zum 01.8.2008 an den Dienstsitz in C. versetzt. Der einfache Arbeitsweg von der Wohnung der Arbeitnehmerin in D. zur Arbeitsstelle in C. nimmt bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwischen 1,75 Stunden und 2 Stunden 12 Minuten in Anspruch. Die Arbeitnehmerin klagte gegen die Versetzung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben ihr Recht. Vor dem BAG kam jedoch das Aus (BAG, Urteil vom 17.08.2011, 10 AZR 202/10, NJW 2012, 331). Das Urteil: Die Frage der Wirksamkeit der Versetzung steht und fällt ausschließlich mit der Frage, ob die Arbeitgeberin bei der Ausübung ihres gesetzlichen Direktionsrechts gemäß 106 S. 1 GewO, 315 BGB ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. In diesem Zusammenhang muss eine umfassende Abwägung der wechselseitigen Interessen erfolgen. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören etwa: die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.

Eine Überschreitung der für Arbeitslose geltenden maximalen Pendelzeiten ist für die Entscheidung des Arbeitgebers bei einer Versetzung irrelevant. Die sozialrechtlichen Normen ( 121 IV S. 1 und S. 2 SGB III) bestimmen das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitslosen und der Arbeitsverwaltung. Darin wird geregelt, welche Arbeitsstellen dem Arbeitslosen zumutbar sind und welche er ablehnen darf. Pendelzeiten für Arbeitslose: Unzumutbar sind danach Pendelzeiten von insgesamt mehr als 2,5 Stunden (bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden) oder insgesamt mehr als 2 Stunden (bei einer Arbeitszeit von 6 Stunden und weniger) Derartige Arbeitsstellen darf der Arbeitslose also ablehnen, ohne Nachteile beim Arbeitslosengeld befürchten zu müssen. Pendelzeiten für Arbeitnehmer: Diese für Arbeitslose geltenden maximalen Pendelzeiten gelten nach Ansicht des BAG jedoch nicht auch für Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss stattdessen bei jeder Versetzung eine umfassende Abwägung durchführen. Das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an kurzen Pendelzeiten ist im Rahmen dieser Abwägung selbstverständlich ein wesentliches Kriterium. Dieses Interesse ist aber mit den konkreten dienstlichen Gründen des Arbeitgebers abzuwägen. Faustformel das BAG: Bei wichtigen dienstlichen Gründen können längere Pendelzeiten zumutbar sein, bei dienstlichen Gründen von geringerem Gewicht können aber auch bereits kürzere Pendelzeiten unzumutbar sein. Feste Grenzen lassen sich bei der Versetzung an einen anderen Arbeitsort daher nicht definieren. Das sagt der Anwalt: Für Arbeitgeber ist diese neue Rechtsprechung Segen und Fluch zugleich. Anders als bisher kann der Arbeitgeber künftig auch ohne vertragliche Regelung eine Versetzung an einen anderen Ort vornehmen, ohne an starre Pendelgrenzen gebunden zu sein. Andererseits muss er das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an kurzen Pendelzeiten nunmehr in der Abwägung angemessen berücksichtigen. Das Risiko besteht künftig in den jetzt noch größer gewordenen Unwägbarkeiten des Abwägungsergebnisses. Für den Arbeitnehmer bedeutet die neue Rechtsprechung eine Verschlechterung seiner Verteidigungsposition. Auf keinen Fall sollte der Arbeitnehmer die Versetzung an einen anderen Arbeitsort leichtfertig verweigern. Denn dann droht eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung. Der Arbeitnehmer sollte der Versetzungsmaßnahme entweder zunächst nachkommen und gleichzeitig die Wirksamkeit der Versetzung gerichtlich überprüfen lassen oder gegebenenfalls eine Eilentscheidung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung herbeiführen. Besetzung freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen Vor der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes sollten Arbeitgeber unbedingt prüfen, ob der Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann ( 81 Absatz 1 SGB IX). Das gilt unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch tatsächlich bewirbt und er seinen Status bei der Bewerbung offenbart. Zudem muss sich der Arbeitgeber frühzeitig mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10, Pressemitteilung Nr. 77/11).

Verletzt der Arbeitgeber seine Prüfpflicht, stellt dies ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat. Besetzt der Arbeitgeber eine Stelle anderweitig, ohne zuvor zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann oder diesbezüglich Kontakt zur Agentur für Arbeit aufgenommen zu haben, wird vermutet, dass die Ablehnung des Bewerbers wegen dessen Behinderung erfolgt ist. Der Arbeitgeber muss dann die Vermutung der Benachteiligung widerlegen. Gelingt ihm dies nicht, steht dem Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch nach 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu. Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers: Vorsicht beim Prozessvergleich Kündigungsschutzprozesse enden häufig mit einem Prozessvergleich. Um weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden, regeln die Parteien in diesem Vergleich in der Regel auch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Natürlich hat das aber Grenzen, denn niemand ist in der Lage, im Gerichtsverfahren mal eben ein komplettes Zeugnis zu formulieren. Es bleibt also letztlich unklar, welchen genauen Inhalt das Zeugnis haben soll und wird. In dieser Situation vereinbaren die Parteien häufig eine Regelung, wonach der Arbeitgeber ein Zeugnis zu erteilen hat, das einem von dem Arbeitnehmer vorzulegenden Entwurf entspricht. Aber was geschieht, wenn dem Arbeitgeber dieser Entwurf später nicht gefällt? Muss er ihn dann dennoch übernehmen? Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu ein interessantes Urteil erlassen (BAG, Beschluss vom 09.09.2011, 3 AZB 35/11). Der Fall: Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien einen Prozessvergleich mit folgendem Inhalt: Die Arbeitgeberin erstellt zu Gunsten des Arbeitnehmers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis. entsprechend einem von dem Arbeitnehmer noch vorzulegenden Entwurf. Der Arbeitnehmer übermittelte der Arbeitgeberin einen Zeugnisentwurf. Daraufhin erteilte die Arbeitgeber ein Zeugnis, das unter anderem in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten von dem Entwurf des Arbeitnehmers abwich. Daraufhin beantragte der Arbeitnehmer bei dem Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft gemäß 888 ZPO. Kernaussagen des Urteils: Mit der Regelung, dass die Arbeitgeberin ein Zeugnis entsprechend den vom Arbeitnehmer vorzulegenden Entwurf zu erteilen hat, ist die Formulierungshoheit grundsätzlich auf den Arbeitnehmer übergegangen. Andererseits haben die Parteien in ihrem Prozessvergleich einen Bezug zur gesetzlichen Regelung ( 109 GewO) hergestellt, indem sie die Arbeitgeberin (lediglich) dazu verpflichteten, ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. Deshalb durfte die Arbeitgeberin von dem Entwurf des Arbeitnehmers abweichen, soweit dieser Entwurf nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht.

Das sagt der Anwalt: Das BAG hat die Befugnis der Arbeitgeberin, von dem Entwurf des Arbeitnehmers abzuweichen, hier ausschließlich damit begründet, dass im konkreten Fall der Prozessvergleich auch einen Bezug auf die gesetzliche Regelung enthielt. Wie hätte das BAG aber entschieden, wenn ein derartiger Bezug nicht vorhanden gewesen wäre? Nach meiner Einschätzung kann der Arbeitgeber auch dann nicht dazu verpflichtet sein, etwa Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen oder auch sonstige wahrheitswidrige Angaben des Entwurfs. Der Arbeitgeber sollte hier aber kein Risiko eingehen. Auf der sicheren Seite ist er nur dann, wenn er von vornherein durch eine unmissverständliche Regelung im Prozessvergleich klarstellt, dass er sich eine Abweichung aus wichtigem Grund ausdrücklich vorbehält. Freistellung bei Pflegezeit: Einmal und nie wieder Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freistellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegefall). Das gilt allerdings nur für Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen. Für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen beträgt die Pflegezeit höchstens sechs Monate. Wie ist es aber, wenn der Arbeitnehmer die Pflegezeit zunächst für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommen hat und später erneut Pflegezeit beantragt? Kann er nun bis zur Grenze der Höchstdauer, also bis zu sechs Monaten, auch mehrfach die Pflegezeit beanspruchen? Pflegezeit kann nur einmal in Anspruch genommen werden - auch dann, wenn die genommene Pflegezeit die Höchstdauer von sechs Monaten unterschreitet. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage klar mit Nein beantwortet. Mit der erstmaligen Inanspruchnahme der Pflegezeit ist dieses Recht endgültig erloschen (BAG, Urteil vom 15.11.2011, Aktenzeichen: 9 AZR 348/10, Pressemitteilung-Nr.: 87/11). Dieser newsletter informiert über aktuelle Rechtsentwicklungen, Urteile und Gesetze. Für die Richtigkeit der Inhalte kann jedoch keine Haftung übernommen werden. Jeder Einzelfall muss außerdem individuell beurteilt werden. Die Inhalte können daher eine einzelfallbezogene Beratung nicht ersetzen.