BPO Marktpotential in Deutschland 2010. Marktpotentialanalyse mit einem Top-Down Ansatz



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Transkript:

BPO Marktpotential in Deutschland 2010 Marktpotentialanalyse mit einem Top-Down Ansatz

Management Summary Der Business Process Outsourcing (BPO) Markt hat sich in Deutschland im internationalen Vergleich nur sehr schleppend entwickelt. Die Zurückhaltung der deutschen Unternehmen liegt an mehreren Faktoren wie z.b. den einschränkenden nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen mit der restriktiven Sozialgesetzgebung, aber auch an der skeptischen Einstellung vieler deutscher Unternehmen, der Angst vor Kontrollverlust sowie mögliche negative Schlagzeilen. Jedoch besteht auch auf Anbieterseite noch Verbesserungsbedarf. Die globalen BPO Anbieter sind zu wenig auf die deutsche Situation eingestellt. Der Markt der nationalen Dienstleister ist unübersichtlich, fragmentiert und wenig auf die Übernahme ganzer Business Prozesse eingerichtet. Nach einer Studie des Offshoring Institute wird das derzeitige kontraktierte Marktvolumen auf knapp 2 Mrd. EUR eingeschätzt, das outsourcingfähige Volumen - alleine für die Back-Office Prozesse HR, F&A sowie Procurement mit einem vorsichtigen und konservativen Berechnungsansatzes - auf beachtliche 31,5-33 Mrd. EUR. Demnach verfügt der BPO Markt in Deutschland über ein enormes Wachstumspotential, dessen Erschließung allerdings einige Fragen offen lässt, die in der vorliegenden Studie beantwortet werden.

BPO MARKTPOTENTIAL IN DEUTSCHLAND Unsicherheit am deutschen BPO Markt Momentan zeigt sich am deutschen Markt ein leichter wirtschaftlicher Aufschwung und laut der aktuellen IFO Umfrage zufolge bewerten auch die meisten Unternehmen ihre Lage optimistisch. Doch die Nachhaltigkeit ist ungewiss und die wirtschaftlichen Bedenken der Unternehmen sind nach wie vor groß. Insbesondere das Back Office hat sich in der Krise als problematisch erwiesen. Zum einen sind die Kosten vorwiegend fix und lassen sich kaum den veränderten Absatzmengen entsprechend anpassen. Zum anderen sind technische Innovationen insbesondere für das Back Office auf dem Vormarsch allerdings bringt dies risikoreiche Investitionen mit sich. Der Zeitpunkt für BPO ist somit perfekt. Aufgrund der vielfach zu hohen Verwaltungskosten erkennen immer mehr Unternehmen Business Process Outsourcing als Option, zumindest schon eher als noch vor einigen Jahren. zu intransparent und instabil. Dabei ist das Marktpotential enorm, wie die aktuellen Berechnungen des Offshoring Institute ergeben. Deutschland ein hartes Pflaster BPO ist kein Tabu-Thema mehr, die Wenigsten sind aber mutig genug, um den Schritt zu wagen und tatsächlich BPO Verträge abzuschließen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland noch im Anfangsstadium. Wesentlich besser akzeptiert sind hingegen unternehmenseigene Shared Service Centers (SSC). Den Einschätzungen des Offshoring Institutes zufolge sind die Akzeptanzraten insbesondere seit dem Jahr 2000 sprunghaft gestiegen. Im Hinblick auf Unternehmen mit mehr als 100 Mio. Jahresumsatz (erst ab dieser Größenordnung gilt der Einsatz einer SSC-Lösung als sinnvoll) ergeben sich unseren Einschätzungen nach folgende Akzeptanzraten für ausgewählte Funktionalbereiche: - Finance & Accounting (F&A) SSC zwischen 20% und 30% - Human Resource (HR) SSC 10%-15% - Procurement SSC 3%-10%. Abb.: Das Back Office steht zunehmend unter Druck Bei größeren Konzernen ist der Einsatz von SSC wesentlich verbreiteter. Einer Studie des Offshoring Institute nach haben bis zu 90% der Top 100 Unternehmen in Deutschland bereits SSC Vorhaben erfolgreich umgesetzt. Kleinere Unternehmen sind dabei allerdings wesentlich weniger aktiv im Hinblick auf SSC. Dennoch werden BPO Projekte in Deutschland nur vereinzelt umgesetzt. Die Unsicherheit ist nach wie vor zu groß, der deutsche BPO Markt BPO hingegen ist bisher noch um einiges weniger akzeptiert. Dies spiegelt auch die Grundeinstellung der deutschen Unternehmen

wider. Unternehmen geben nur ungern Verantwortung ab aus Angst, die Kontrolle über das eigene Geschäft zu verlieren. Amerikanische und britische Unternehmen scheinen weit risikofreudiger. Überspitzt ausgedrückt sind angloamerikanische Unternehmen schon einen Schritt voraus und stellen sich nicht mehr nur die Frage, was ausgelagert werden könnte, sondern was nicht ausgelagert werden sollte. Da durch Outsourcing das System der Arbeitsteilung eine neue Ebene erreicht, verlangt dies ein neues Verständnis des Unternehmensbegriffs. Arbeitsprozesse, die vorher unweigerlich zum Unternehmen gehörten, wie die Personalabteilung, das Finanz- und Rechnungswesen etc. werden zunehmend von spezialisierten externen Anbietern abgewickelt. Das verlangt eine völlig neue Vorstellung über die Strukturen eines Unternehmens, und das klassische Bild einer Firma muss neu überdacht werden. Die Abgabe von Kompetenzen muss als Erleichterung und nicht als Verlust gesehen werden. Um zu einer realistischen Einschätzung des BPO Marktpotentials in Deutschland zu gelangen, muss der spezielle Kontext von BPO in Deutschland berücksichtigt werden. Im internationalen Vergleich ist BPO am deutschen Markt schwerer umzusetzen. Die Zurückhaltung hat mehrere Ursprünge, liegt aber zu einem Großteil auch an der Negativpresse und Stigmatisierung. In Medienberichten werden Outsourcing und vor allem Offshoring als sozial unverantwortlich dargestellt. Gerade in Zeiten der Rezession und in Unternehmensstrategien, in denen Corporate Social Responsibility eine immer bedeutendere Rolle gewinnt, regen sich die Gemüter, wenn z.b. Jobs nach China abwandern. Andererseits werden besonders die nicht erfolgreichen Outsourcing- und Offshoring- Versuche öffentlich diskutiert und somit die Vorsicht der deutschen Unternehmen geschürt. Neben der negativen Einstellung der Gesellschaft zu Outsourcing spielen in Deutschland rechtliche und politische Rahmenbedingungen eine größere Rolle als in anderen Ländern. Beispielsweise wurde kürzlich ein Gesetzentwurf präsentiert, der darauf zielt, künftig Auslandstätigkeiten von Unternehmen explizit zu besteuern und dadurch die deutschen Unternehmen im Land zu halten. Außerdem sorgen starke Gewerkschaften für besonders restriktive Arbeitnehmerschutzregelungen wie bspw. die Betriebsübergangsregelungen. Mehrwert von Outsourcing wird unterschätzt Der treibende Faktor für Outsourcing- Entscheidungen ist, gerade in einer Phase der wirtschaftlichen Rezession, nach wie vor das Kostenargument. Der Wertschöpfungsbeitrag hat aber auch in wirtschaftlich besseren Zeiten kaum eine große Rolle bei BPO Entscheidungen von deutschen Unternehmen gespielt. Dass durch externe Dienstleister ein Mehrwert erzeugt werden kann, wie z.b. durch Prozessoptimierung und flexible Anpassung an veränderte Marktverhältnisse, die gerade in kritischen Zeiten einen enormen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wurde bisher noch unterschätzt. Der deutsche BPO Markt - eher abstrakt als greifbar Die Schwierigkeit, verlässliche Zahlen über BPO Aktivitäten in Deutschland zu bekommen, liegt an der Intransparenz des deutschen BPO Marktes bzw. daran, dass in Deutschland keine Angaben über Fremdvergabe-Verträge veröffentlicht werden müssen. Dieser Umstand macht die aktuelle Lage am deutschen BPO Markt schwierig. Im Gegensatz dazu sind beispielsweise US-amerikanische Firmen dazu

verpflichtet, langfristige Outsourcing-Verträge in den Jahres- und Quartalsberichten anzugeben, soweit es sich um börsennotierte Gesellschaften handelt. Diese werden in der Datenbank der SEC (U.S. Security and Exchange Commission) gespeichert und sind öffentlich zugänglich. Trotzdem wurden bereits Versuche unternommen, das BPO Marktvolumen zahlenmäßig zu erfassen, wie beispielsweise in einer Studie von Pierre Audoin Consultants (PAC), die 2006 das Marktvolumen auf 1,7 Milliarden EUR bezifferten 1 oder Nelson Hall, die 2007 den Markt bei 2,1 Milliarden EUR sahen. Beide Studien prognostizieren ein Marktwachstum PAC ein Wachstum von 17% und Nelson Hall ein Wachstum von 9%. Das Offshoring Institute geht von einer vorsichtigeren Einschätzung des aktuellen Marktvolumens aus und schätzt den Umfang der BPO Verträge in den Bereichen F&A, HR und Procurement im Jahr 2009 auf ca. 2 Milliarden EUR. Back-Office Prozesse in Deutschland Der BPO Markt umfasst sehr unterschiedliche Verwaltungsprozesse, im Folgenden konzentrieren wir uns aber auf die drei zentralen Unterstützungsprozesse F&A, HR und Procurement. Branchenspezifische Services wie Banken- oder Versicherungsprozesse und auch manche Front-Office Services wie Kunden- und Dokumentenmanagement werden zwar ebenfalls zum BPO gezählt, die Zuständigkeit für die einzelnen Teilprozesse sind aber abteilungsübergreifend. Aus diesem Grund gibt es kaum Benchmarks und es liegen zu diesem Zeitpunkt noch keine verlässlichen Daten in Deutschland vor. 1 Vgl. Kaiser, S., Business Process Outsourcing (BPO) in Deutschland, EDS (Hrsg.), Rüsselsheim 2006, S. 3 Der HR Outsourcing Markt hat sich in den letzten Jahren auch in Deutschland positiv entwickelt. Es werden nicht mehr nur die Lohn- und Gehaltsabrechnungen ausgelagert, sondern zunehmend auch Recruiting-Aufgaben, Stammdatenpflege, Weiterbildungsmaßnahmen, usw. Die Auslagerung der eigenen Personalabteilung an spezialisierte Personaldienstleister wird in Deutschland zunehmend beliebter, obwohl die Sozialgesetzgebung das HR Outsourcing Marktwachstum bremst. Vor allem der Mittelstand ist tendenziell noch wenig dazu bereit, die eigene Mitarbeiterbetreuung und - verwaltung extern abwickeln zu lassen. HR Offshoring - also die Verlagerung außer Landes - findet in Deutschland kaum statt, was an den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der allgemeinen öffentlichen Befindlichkeit liegt. Ebenfalls rechtliche nationale Bestimmungen wirken dem Marktwachstum des F&A Outsourcing entgegen. Zusätzlich sind insbesondere die vornehmlich kleineren deutschen Service-Anbieter noch nicht angemessen mit Ressourcen ausgestattet. Zum einen haben deutsche F&A-Anbieter für große Outsourcing-Projekte kaum genügend Kapazitäten, zum anderen arbeiten sie häufig noch mit Buchhaltungssystemen, die oftmals nicht SAP kompatibel sind. Deshalb sind potentielle Outsourcing-Partner eher globale BPO Provider, die bisher kaum Dienstleistungen in Deutschland anbieten sondern nur aus internationalen Nearshore- oder Offshore- Standorten agieren. Generell ist aber auch F&A Outsourcing in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen. Procurement-Outsourcing hat sich in Deutschland vergleichsweise noch wenig durchgesetzt. Procurement umfasst nicht nur den Einkauf selbst, sondern auch die Bedarfsanalyse, Auswahl der Lieferanten, Bestellung, Prüfung

und Überwachung bis hin zur Bezahlung und zum Einkaufsreporting. In Deutschland findet bisher kaum die vollständige Auslagerung des Einkaufs statt. Wenn überhaupt Procurement- Outsourcing betrieben wird, dann werden eher Teilprozesse und einzelne Warengruppen ausgelagert. Außerdem zeigt sich, dass Procurement Outsourcing erst in Betracht gezogen wird, wenn bereits andere Geschäftsprozesse erfolgreich ausgelagert wurden. Für die größeren deutschen Unternehmen spielt im Procurement-Outsourcing allerdings die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage eine große Rolle. Laut einer Studie von BearingPoint finden immerhin mehr als ein Drittel der 250 größten deutschen Unternehmen keinen geeigneten Service Anbieter; der größte Hemmfaktor ist hier die Angst vor dem Knowhow-Verlust. 2 Deutsche Service Provider sind noch wenig gefestigt Auch wenn der BPO Markt noch nicht so entwickelt ist wie der IT Outsourcing Markt, gibt es doch auch in Deutschland einige spezialisierte Anbieter für HR, F&A und Procurement Outsourcing. Oftmals sind es traditionelle IT- Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeiten erweitert haben und nun auch BPO Services anbieten. Es gibt zunehmend kleinere deutsche Service-Provider, wie TDS, HRV, Accon RVS, NewSource usw. Bisher ist jedoch der Markt der mittleren und kleinen Anbieter nach wie vor stark fragmentiert und wenig gefestigt. Abb.: Ausgewählte BPO Anbieter Das BPO Marktpotenzial in Deutschland ist enorm In Deutschland haben knapp 7.000 Unternehmen einen Umsatz von je über 100 Mio. EUR. Diese generieren durchschnittlich einen Umsatz von ca. 840 Mio. EUR und beschäftigen durchschnittlich ca. 2.500 Mitarbeiter. Insgesamt wird von der Zielgruppe ein Umsatz von 5.782 Milliarden EUR gemacht. 3 Unternehmen Umsatz in Mrd. $ Volkswagen AG 158.40 Daimler AG 133.43 Allianz 127.24 Deutsche Bank 124.78 E.ON 120.74 Siemens 108.76 Metro AG 93.92 BASF 86.77 Deutsche Telekom 85.89 ThyssenKrupp Group 75.14 Tab.: Die zehn umsatzstärksten deutschen Unternehmen 4 2 Vgl. BearingPoint und HPI (2007): Trends und Perspektiven von Business Process Outsourcing (BPO) im Einkauf 3 Vgl. Amadeus Datenbank 4 Vgl. Forbes Global 2000

Unternehmen Mitarbeiter Deutsche Post AG 512.500 Siemens AG 427.000 Volkswagen AG 369.900 Rewe Group 319.200 Metro AG 290.900 Robert Bosch GmbH 281.700 Schwarz Gruppe 280.000 Daimler AG 273.200 Edeka Gruppe 262.200 Deutsche Bahn AG 261.500 Tab: Die 10 größten deutschen Unternehmen 5 Aktuellen Benchmarks unserer Zielgruppe zufolge werden 0,9% bis 1,1% des Umsatzes für F&A ausgegeben. Die managed spends betragen durchschnittlich 0,58%. Managed spends sind das durchschnittlich vom Einkauf beeinflussbare Einkaufsvolumen und hauptsächlich von der Art der Firma abhängig; schwerpunktmäßig sind dies Beschaffungskosten für die unterschiedlichsten Materialien und Services. Explizit exkludiert sind hierbei die Personalkosten. Die HR-Kosten belaufen sich auf ca. 800 1.100 EUR pro Mitarbeiter und ergeben in Summe knapp 15 Mrd. EUR. mit anschließender Buchung zählt hierzu genauso wie das Bearbeiten einer Gehaltszahlung und der Ausstellung einer Rentenversicherungsbescheinigung oder das Ausführen einer Warenbestellung. De facto findet sich insbesondere in deutschen Unternehmen der Anteil der transaktionalen Tätigkeiten bei z.t. über 50% in den o.g. Funktionsbereichen. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass vielfach noch erhebliche Effizienzpotentiale durch Automatisierung bzw. Self-Services realisiert werden können. Ausgehend davon, dass die Prozesse vorwiegend transaktionalen Charakter haben, erscheint die Übergabe von ca. 30% des Funktionsvolumens plausibel. Zudem sind allerdings auch die stärker wissensbasierten Prozesse näher zu betrachten: Hier haben einige Anbieter erstaunliche Fähigkeiten entwickelt, dieses Aufgabenprofil zu übernehmen. In dieser Studie wird aber konservativ der Grenzwert bei 30% für Outsourcing-fähige Aufgaben gezogen. In Summe ergibt sich ein gesamtes Marktvolumen für Finance & Accounting, HR und Procurement BPO in Deutschland von 31,5-33 Mrd. EUR. Die Ausgaben für HR, F&A und Procurement ergeben in Summe somit ca. 105-110 Mrd. EUR. Bei der Berechnung wird konservativ davon ausgegangen, dass maximal 30% der relevanten Prozesstätigkeiten im F&A, HR und Procurement tatsächlich an externe Partner vergeben werden. Grundlage dieser Annahme ist, dass die sogenannten transaktionalen Tätigkeiten in den untersuchten Funktionen jeweils noch den größten Umfang ausmachen. Transaktional bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Tätigkeiten relativ einfach sind, schnell erlernt werden können und wiederkehrenden Charakter haben. Das Bearbeiten einer Eingangsrechnung Abb.: Marktvolumen für F&A, HR und Procurement BPO in Deutschland Das bedeutet, dass das Marktpotential von 31,5 33 Mrd. EUR im Vergleich zum aktuellen Stand 5 Vgl. Handelsblatt, nach Mitarbeitern von 2 Mrd. EUR immens ist. Sollte das o.g.

Marktvolumen in den nächsten 10 Jahren ausgeschöpft werden, wäre mit jährlichen Wachstumsraten von ca 32% für die BPO Anbieter zu rechnen. Fraglich ist nur, ob die 33 Mrd. überhaupt erreicht werden können und wie sich die Zeitleiste darstellt. Fazit Aus dieser Top-Down Analyse kann geschlossen werden, dass sich BPO in Deutschland im Anfangsstadium befindet. Mit gerade mal 6% ausgeschöpftem Volumen gilt es jetzt zu verstehen, welche BPO Lösungen der Markt verlangt. One-size-fits-all oder einfach alles nach Indien funktioniert in Deutschland nicht. Spezifische und intelligente Lösungen sind gefragt. Am dringendsten werden auch deutsche BPO Standorte der globalen Player benötigt. Die Ungewissheit über die Entwicklung des BPO- Marktes in Deutschland ist ein Problem für die BPO-Anbieter, die nicht wissen, wie sie mit dem deutschen Markt umgehen sollen, aber auch für outsourcing-willige Unternehmen, die die Vorteile sehen, aber sich nicht trauen, Trendsetter zu sein. Wie real ist der Markt? Wird es einen Boom geben? Falls ja, wann? Oder gibt es eine Outsourcing-Bubble, in der man lieber nicht landen will? Das sind Fragen mit denen sich sowohl Anbieter als auch potentielle Nutzer beschäftigen. Aufgrund fehlender statistischer Daten über Outsourcing und die vielen Formen des BPO hat das Offshoring Institute einen anderen, innovativen Weg der Bestimmung des Marktvolumens gewählt: über einen Top Down Ansatz ist ausgehend von allen Unternehmen mit einem Umsatz von 100 Mio. EUR abgeleitet worden, wie groß das Marktpotential theoretisch ist. Schlussendlich ist schlicht und einfach davon auszugehen, dass irgendwann auch Outsourcing eine wichtigere Rolle in der Unternehmenspraxis in Deutschland spielen wird. Wie allerdings der goldene Weg der akzeptablen Lösung aussieht, ist ebenso unklar wie die Frage, welche Anbieter sich am schnellsten und besten auf die spezifische deutsche Situation einstellen können. Zudem ist ungewiss, wie die öffentliche Diskussion weiter verlaufen wird und ob den deutschen Unternehmen von den Rahmenbedingungen her eine Chance gegeben wird, im internationalen Kontext wettbewerbsfähig zu bleiben bzw. zu werden. Die ständige Stigmatisierung des Outsourcings hat dazu geführt, dass es keinen international erfolgreichen deutschen Outsourcing-Anbieter gibt. Wiedermal verschläft Deutschland eine Zukunftsbranche aufgrund sozialpartnerschaftlich geprägter post-industriellen Sentimentalitäten. Die Autoren Sören Dressler ist Professor für Internationales Controllling an der HTW Berlin und leitet dort den Studiengang Master of Business Administration & Engineering mit Schwerpunkt BPO. Er ist Gründer und Direktor des Offshoring Institute. Eveline Wahlmüller ist Magistra der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Sie ist Researcherin im Offshoring Institute und Expertin für Standortanalysen. The Offshoring Journal ISSN 1864-9130 is published in Germany by the Offshoring Institute, Treskowallee 26, 10318 Berlin, Germany 2009 Offshoring Institute. All rights reserved.