Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden. Plädoyer für eine Partizipationskultur. Vortrag auf der Tagung Wir können auch anders

Ähnliche Dokumente
Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden - Plädoyer für eine Partizipationskultur

Kinder- und Jugendpartizipation in der Gemeinde/Kirchgemeinde

Demokratie 4.0: Bürgerbeteiligungsverfahren ein Praxisbeispiel aus Deutschland

Partizipation in der Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten

Demokratie und Partizipation werden verknüpft (demokratische Partizipation; Beteiligung an Entscheidungen).

Fachtagung Gesund aufwachsen für alle! Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche im Stadtteil

Nur mit Partizipation lässt sich Qualität entwickeln!

Partizipation und Inklusion 2 Perspektiven auf Demokratiebildung. Petra Wagner & Rüdiger Hansen

Was brauchen Kinder, um gesund aufzuwachsen?

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an demokratischen Alltagsprozessen. Bautzen,

Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung

Partizipation von Familien im Familienzentrum Prof. Dr. Sarah Häseler-Bestmann

Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung und Prävention

»Vielfältige Demokratie«: Neue Partizipationsstudie der Bertelsmann Stiftung die Ergebnisse im Überblick

Früh übt sich Erkenntnisse zur Partizipation von Kleinkindern. Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé

Demokratie von Anfang an Beteiligung in Kita und Schule!

Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Ganztagsschule

KONZEPT BÜRGERmitWIRKUNG WOLFSBURG. Bürgerbeteiligung zur Entwicklung eines Konzepts zur Institutionalisierung von Bürgerbeteiligung

Der 15. Kinder und Jugendbericht Vorstellung und Zusammenfassung

Aufbau von Präventionsketten

Kommunale Demokratie

Eine Gesunde Stadt ist nicht unbedingt eine Stadt, die ein bestimmtes gesundheitliches Niveau erreicht hat. Sie ist vielmehr eine Stadt, die

Fachtagung Gesund aufwachsen für alle! Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche im Stadtteil

Herausforderungen und Chancen beim Aufbau von Präventionsketten in Kommunen

Kongress Gemeinsam für eine gute Kita Die Idee des kompetenten Systems komba und Bertelsmann Stiftung am in Mühlheim an der Ruhr

Partizipative Hochschule

Mitentscheiden und Mithandeln Partizipation und Engagementförderung in Kindertageseinrichtungen

Jahrestagung Streetwork / Mobile Jugendarbeit in Vlotho. Partizipation von Jugendlichen im öffentlichen Raum

Präventionsketten als Chance einer gelingenden Zusammenarbeit in der Kommune. Sozialraumkonferenz 7. November 2016

Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Warum ist Beteiligung wichtig?

Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung

Der Gießener Weg zur Partizipation AUFTAKTVERANSTALTUNG :00 17:00 UHR

Workshop Bürgerbeteiligungsverfahren und ihre Umsetzung für eine gesunde Kommune Gera Dokumentation

Einführung in das Thema Partizipation als Schlüssel zur Bildung Ebenen der Partizipation Praxisbeispiel Verfassungsgebende Versammlung Mitspracheraum

Indikatorenbestimmung für eine sozialräumliche Mittelverteilung zur

PARTIZIPATION VON KINDERN, JUGENDLICHEN UND FAMILIEN STÄRKEN FORUM 2 FRIEDHELM GÜTHOFF

Präventionsketten Chancen und Herausforderungen

keineswegs um leere Floskeln, vielmehr wird in den meisten der 7. Dabei handelt es sich in den Konzepten der Bildungsprogramme

Kinder- und Jugendbeteiligung im ländlichen Raum

DIE KOMMUNE ALS GESTALTUNGSRAUM

Internationale Jugendarbeit auf kommunaler Ebene

Partizipation für alle Input zum Workshop Beteiligung im Programm Soziale Stadt am

UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE FLÜCHTLINGE UND DIE KINDER UND JUGENDHILFE

Gesundheitliche Chancengleichheit - partnerschaftlich in Bayern umgesetzt. Iris Grimm Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit

Kinder beteiligen! Partizipation in offenen Ganztagsschulen des Primarbereichs

Inklusion auf kommunaler Ebene: Wie kann Inklusion geplant werden? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann

Dialog eigenständige Jugendpolitik RLP

Ist dabeisein schon alles?

Beteiligung von Kindern und Eltern im Kinderschutz. Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl FU Berlin

Prof. Dr. Dirk Nüsken

Qualitätssicherung und Zielorientierung der Beitrag der BZgA

Inklusion und Integration. Ein Beitrag zur Begriffsklärung

Armut und Gesundheit Was tut sich in Deutschland? Prof. Dr. Rolf Rosenbrock. Tagung Gesundheit und Armut Fachhochschule Bern 09.

Pia Yvonne Schäfer, Stiftung SPI, Drescheibe Kinder- und Jugendpolitik Berlin

WAS IST MIT ARMUTSSENSIBLEM HANDELN

Beschwerden in der Kinder- und Jugendhilfe Chancen und Herausforderungen für die Professionalität

Anrechnung von Fort- und Weiterbildungsangeboten

Soziale Lage und. Veranstaltungen, lassen. unter. Bereits. Gesundheit. e.v. (LVG &AFS)

Neustrukturierung der Jugendarbeit im Landkreis Müritz

Forum 4. Jugendhilfe und Schule eine Win-Win Situation? Input 1 Erich Sass. Wissenschaftliche Fachtagung. Wissenschaftliche Fachtagung

Strategien zur Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit in Niedersachsen

UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE FLÜCHTLINGE: BETEILIGUNG ERÖFFNEN UND SICHERSTELLEN

Bildungsgerechtigkeit: Kommunale Gestaltungsmöglichkeiten

Partizipation in der Gesundheitsförderung

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Unterrichtsmaterialien zu den Aufgaben des Jugendamts

Werkstatttag INKLUSION in Wilhelmshaven

Handout zum Workshop: Wie kann Partizipation in der offenen Kinder- und Jugendarbeit gelingen? Haltung Erfolgsfaktoren Stolpersteine

BÜRGERBETEILIGUNG HERAUSFORDERUNGEN ERWARTUNGEN STATUS QUO POTENZIALE

Dr. Frank Gesemann Zum Stand der kommunalen Integrations- und Diversitätspolitik in Deutschland

Von einzelnen Beteiligungsinseln zur integrierten Beteiligungskultur: Bürgerbeteiligung in den Kommunen

Präventionsketten in Niedersachsen

Die fachliche Haltung als innerer Kompass für den Berufsalltag in der Sozialen Arbeit DBSH ENGAGMENT AUS ERKENNTNIS 5. Berufskongress für Soziale

1. Berufliche Identität/Selbstverständnis und professionelle Perspektiven weiterentwickeln ENTWURF. Ausbildungsplan Fachakademie für Sozialpädagogik

4. Beteiligung. Weiterführende Fragen:

Aktive Europäische Bürgerschaft

Jugendbeteiligung in Villingen- Schwenningen

#ODD16 #OGMNRW 1/5

ALLE MITNEHMEN? Leichter gesagt als getan. Wie können Beteiligungsprozesse im Bildungsbereich gelingen?

Von der Stakeholderbeteiligung zur Kultur der Teilhabe?

Ihr nennt uns die Zukunft, wir sind aber auch Gegenwart!

Bürgerausstellungen in konfliktären Beteiligungsprozessen. Praxisbeispiele und Einsatzmöglichkeiten

DER ÖGD ALS KOORDINIERENDER AKTEUR? Möglichkeiten und Grenzen bei der Gestaltung kommunaler (Inklusions-) Strategien

Forum junges Stadtteilleben

Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen

Nicht über uns ohne uns! Kinder und Jugendliche in Stiftungsgremien

8 Werte / Religion / Jugend

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in kommunalen Prozessen

LERNEN DURCH BETEILIGEN

Mit 16 wählen geht das?

Partizipation im Übergang gemeinsam gestalten

DGWF-Jahrestagung 2017

Warum sind Vernetzung, Koordination und Kooperation im Handlungsfeld Gesundheitsförderung und Prävention von besonderer Bedeutung?

Fachberatung ist ein Qualitätserfordernis Impulse für die aktuelle Diskussion zur Sicherung der Qualität von Fachberatung

Das Engagement Jugendlicher als Erfolgsfaktor lokaler Bildungsnetzwerke

Lebenswerte Stadt für alle. Inklusion als kommunale Steuerungsaufgabe. Prof. Dr. Albrecht Rohrmann

Allgemeine Qualitätsstandards für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

Planungszellen zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz

Wer Wirkungen erzielen will, muss sie planen. Erkenntnisse aus dem Projekt INTERNATIONALE JUGENDARBEIT IM PLAN

Transkript:

Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Plädoyer für eine Partizipationskultur Vortrag auf der Tagung Wir können auch anders LVG & AFS e.v., Hannover, 27.01.2016 Dr. Birgit Böhm nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung Technische Universität Berlin, Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre Gliederung 1. Welcher Anspruch stellt sich heute an Partizipation? 2. Wie sieht die Wirklichkeit partizipativer Praxis aus? 3. Was zeigen Anspruch und Wirklichkeit für den Weg zur Partizipationskultur? Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 2 1

1. Welcher Anspruch stellt sich heute an Partizipation? Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 3 Gesetzlich geregelter, formeller Anspruch Zum Beispiel durch: UN-Kinderrechtskonvention Sozialgesetzbuch VIII mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz Baugesetzbuch (BauGB) Gemeindeordnungen (z.b. Niedersächsische Gemeindeordnung NGO) Gesetze über Tageseinrichtungen für Kinder (z.b. KiTaG Niedersachsen) Gesetzlich vorgegeben, dass, aber oft nicht, wie Partizipation stattfinden soll, also in welchem Ausmaß und mit welchen Methoden. = Ermessensspielraum Abbildung: pixabay, clause-192564_1920.jpg Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 4 2

Gesetzlich nicht geregelter, informeller Anspruch Politische Partizipation: Über gesetzlich geregelte Wahlen, Bürger- und Volksentscheide und Bauleitplanung hinaus mehr Beteiligungsmöglichkeiten schaffen Soziale, alltagsweltliche Partizipation: Gesetzliche Partizipationsvorgabe mit gesetzlich nicht geregelten Methoden umsetzen Für beide Bereiche gilt: Keine Verpflichtung zur direkten Umsetzung der Empfehlungen der Beteiligten Abbildung: pixabay, association-152746_1280.png Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 5 Tatsächliche Einflussnahme Partizipation im Sinne von Teilhabe, Mitwirkung und Mitbestimmung bis hin zu Selbstbestimmung und Selbstverwaltung [soll] echte Chancen auf Einflussnahme beinhalten. (Schröder 1995, S. 16 ff., zit. n. Bundesjugendkuratorium 2009, S. 6) Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Durchlaufen eines leeren Rituals der Partizipation und dem Verfügen über die Macht, die man braucht, um die Ergebnisse des Prozesses zu beeinflussen. (Arnstein 1969 nach Wright, Block und von Unger 2007, S. 4) Abbildung: pixabay, face-255283_1920.jpg Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 6 3

Bildungsanspruch Partizipation von Kindern und Jugendlichen als Schlüssel für gelingende Aneignungs- und Bildungsprozesse Voraussetzung für höhere Beteiligungsbereitschaft im Erwachsenenalter konstitutiver Bestandteil der demokratischen Kultur (Bundesjugendkuratorium 2009, S. 11, 22, 24) Abbildung: pixabay, children-441895_1280.jpg Leitgesichtspunkt für alle Kriterien zur Bewertung pädagogischer Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder (Nationaler Kriterienkatalog) (Tietze, Viernickel 2013, bes. S. 33 f.) ein Ziel in Bildungsprogrammen der Länder (z.b. Berliner Bildungsprogramm) (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin 2014, S. 17f., 169-175) Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 7 Zielgruppenentsprechende Angebotsentwicklung Partizipation als wichtiges Kriterium für eine zielgruppenadäquate Neu- und Weiterentwicklung von Angeboten und Maßnahmen Betroffene, Kinder, Jugendliche und Eltern sind dabei angemessen einzubeziehen (Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.v. 2013, S. 42) Abbildung: pixabay, family-76781_1920.jpg Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 8 4

Qualitätsanspruch Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Allgemeine Qualitätsstandards und Empfehlungen für die Praxisfelder Kindertageseinrichtungen, Schule, Kommune, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015) Die Qualitätsstandards gelten übergeordnet sowohl für Mitsprache und Mitwirkung, bei der die Entscheidung letztendlich bei den Erwachsenen liegt, für Mitbestimmung, bei der ein gleichberechtigtes Stimmrecht besteht und für Selbstbestimmung, bei der Kinder und Jugendliche die alleinige Entscheidungsmacht erhalten. Abbildung: pixabay, ok-477504_1280.png Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 9 Qualitätsstandards 1-7 1. Beteiligung ist gewollt und wird unterstützt eine Partizipationskultur entsteht. 2. Beteiligung ist für alle Kinder und Jugendlichen möglich. 3. Die Ziele und Entscheidungen sind transparent von Anfang an. 4. Es gibt Klarheit über Entscheidungsspielräume. 5. Die Informationen sind verständlich und die Kommunikation ist gleichberechtigt. 6. Kinder und Jugendliche währen für sie relevante Themen aus. 7. Die Methoden sind attraktiv und zielgruppenorientiert. (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, S. 10-12) Abbildung: pixabay, ok-477504_1280.png Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 10 5

Qualitätsstandards 8-14 8. Es werden ausreichend Ressourcen zur Stärkung der Selbstorganisationsfähigkeit zur Verfügung gestellt. 9. Die Ergebnisse werden zeitnah umgesetzt. 10. Es werden Netzwerke für Beteiligung aufgebaut. 11. Die Beteiligten werden für Partizipation qualifiziert. 12. Partizipationsprozesse werden so gestaltet, dass sie persönlichen Zugewinn ermöglichen. 13. Das Engagement wird durch Anerkennung gestärkt. 14. Partizipation wird evaluiert und dokumentiert. (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, S. 12-13) Abbildung: pixabay, ok-477504_1280.png Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 11 2. Wie sieht die Wirklichkeit partizipativer Praxis aus? Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 12 6

Positive Entwicklungen Ansprüche an Partizipation und ihre Qualität wurden formuliert. Partizipation ist Thema in Studium, Aus- und Weiterbildung und Wissenschaft. Bürger_innen wollen sich beteiligen und mitbestimmen (s. z.b. FORSA 2015). Es gibt mehr Partizipationsveranstaltungen. Partizipation wurde in einzelnen Kommunen (z.b. Heidelberg, Bonn, Wolfsburg) in Gemeindeordnungen verankert ( Leitlinien für Bürgerbeteiligung). Abbildung: pixabay, smiley-559124_1280.png Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 13 Positive Entwicklungen (Forts.) Wissen und Bewusstsein über Bedeutung von Partizipation sind gewachsen. Es gibt mehr Literatur und Handreichungen zu Partizipation in verschiedenen Bereichen und Berufsfeldern. Es gibt Information auch im Internet über verschiedene partizipative Methoden und Praxisbeispiele. Es gibt eine stärkere Vernetzung im Bereich Partizipation (z.b. Netzwerk Bürgerbeteiligung ). Auseinandersetzung auch kritische mit Partizipation findet statt. Abbildung: pixabay, smiley-559124_1280.png Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 14 7

Zu wenig Mitbestimmung und Selbstbestimmung Jugendpartizipationsstudie Bertelsmann Stiftung (14.000 Befragte): am meisten Mitbestimmung in Familie (74,6 %), deutlich weniger in Schule (14,5 %) und Wohnort (13,6 %) (Bertelsmann Stiftung 2005; Meinhold-Henschel und Schack 2008, S. 2f.) Schule: Beteiligung oft nicht ergebnisoffen, systemische Grenzen (Coelen, Wagener und Züchner 2013, S. 5) Gesundheitswesen: zu wenig Patientenbeteiligung (Petak-Opel und Marona 2013) Soziale Arbeit: Betroffene eher Objekt als Subjekt der Beteiligung (Scheu und Autrata 2013, S. 127 und 279) Abbildung: pixabay, girl-295470_1280 Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 15 Zu wenig Inklusion Sozial benachteiligte Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Einkommen beteiligen sich am wenigsten. (Geißel 2012, S. 32-34) Wahlbeteiligung ist am niedrigsten, wo die ärmsten Menschen leben. (Bertelsmann Stiftung 2013) Nur noch 1,8 % der Bevölkerung sind Mitglied einer Partei, sehr wenige Abgeordnete kommen aus armen Bevölkerungsgruppen. (Niedermeyer 2015, S. 4, Tab. 2; Mützenich 2013) Mangel an Inklusion zeigen auch Präsenz- und Online-Beteiligung. (Petersen et al. 2013; Bertelsmann Stiftung 2014, S. 9, 13) Abbildung: pixabay, lost-927078_1920 Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 16 8

Zu große soziale Ungleichheit Bei großer Ungleichheit und Fragmentierung (Aufspaltung) der Gesellschaft in immer mehr Gruppen und Milieus kommt es zu wechselseitiger Vergleichgültigung, Solidarität wird zu einem sehr knappen Gut (Bude 2012) Bei großer Ungleichheit ist es schwer, im Bereich Partizipation zu mehr Inklusion zu kommen. Die Zuversicht, durch Beteiligung etwas an der eigenen Lebenssituation verbessern zu können, wird eher geringer, partizipative Angebote werden nicht aufgegriffen. Abbildung: pixabay, poverty-593754_1920.jpg Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 17 Zu wenig Ressourcen Beispiel Untersuchung Ebhardt (2013): Partizipation in Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurde erschwert durch: hohe Arbeitsbelastung, Krankenstand und Fluktuation keine zusätzlichen Ressourcen hierarchische Struktur ohne Kultur der Partizipation geringe Sensibilisierung für Beteiligungsförderung Seit 2014 Handlungskonzept Partizipation in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, entwickelt in Projekt des Bundesfachverbands Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) mit Beteiligung von Jugendlichen. Aber: Umsetzung braucht Ressourcen! Abbildung: pixabay, money-891357_1920 Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 18 9

Zu wenig gesichertes Wissen Gutachten zu Wissen über Beteiligungsverfahren (erstellt für 2. Engagementbericht der Bundesregierung, der 2016 erscheint): Vielfalt ohne System, keine ausreichende Systematisierung, Fehlen umfassender Meta-Studien (Fuhrmann 2014, S. 11, 40) Kompetenzen müssen ausgebildet werden, um entscheiden zu können, welches Format am besten für ein Thema, ein Fachgebiet und eine politische Ebene geeignet ist (Nanz und Kamlage 2014, S. 6) Problem: keine Auswahl von Methoden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnis möglich. Abbildung: pixabay, puzzle-212154_1920 Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 19 3. Was zeigen Anspruch und Wirklichkeit für den Weg zur Partizipationskultur? Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 20 10

Partizipationskultur normativ verstehen Partizipationskultur verwirklichen heißt, dass es lebendige, im Alltag stattfindende Beteiligung in allen Entscheidungssituationen gibt. (Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband 2012, S. 1) dass diejenigen, die sich beteiligen, eine echte Chance haben, etwas zu beeinflussen und in ihrem Sinne zu verändern. dass Macht abgegeben wird, ohne dass Verantwortung aufgegeben wird. Abbildung: nexus Institut Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 21 Die nächsten Schritte gehen Partizipation an Qualitätsstandards ausrichten Systemische Grenzen der Partizipation hinterfragen Mehr mitbestimmende und selbstbestimmende Partizipation ermöglichen Sozial benachteiligte Menschen durch Partizipation erreichen Ausreichende Ressourcen für Partizipation bereitstellen Abbildung: ClipArt Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 22 11

Die nächsten Schritte gehen (Forts.) Partizipative Methoden besser erforschen und systematisieren Enge Zusammenarbeit zwischen Praxis und Forschung unterstützen gute Partizipationsbeispiele als Modelle stärker herausstellen auch aus misslungenen Partizipationsbeispielen lernen in Aus- und Weiterbildung noch umfassender auf Partizipation vorbereiten Abbildung: ClipArt Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 23 Methoden mit Anspruch, aber ohne Routine! Es ist wichtig, Methoden, Techniken und Strategien zu kennen, zu erlernen und mit hoher Qualität zu praktizieren. Sie sollten aber nicht zur Routine werden. Lassen Sie uns unbequem und kritisch bleiben, und das große Ganze, partizipative Einrichtungen und Institutionen und eine partizipative Gesellschaft im Blick behalten. Abbildung: pixabay, human-112389_1920.jpg Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 24 12

VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 25 Literatur: Arnstein, S. (1969): A Ladder of Citizen Participation. Journal of the American Institute of Planners, No. 4: 216-224. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2005): Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland. Daten, Fakten, Perspektiven. Von Reinhard Fatke und Helmut Schneider. URL: http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/bst/publikationen/grauepublikationen/gp_kinder- _und_jugendpartizipation_in_deutschland.pdf [Stand: 16.01.2016]. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2014). Vielfältige Demokratie. Kernergebnisse der Studie Partizipation im Wandel Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden. Von Robert Vehrkamp und Christina Tillmann. URL: https://mitwirkung.bw21.de/downloads/demokratie%20im%20wandel%20bertelsmann.pdf [Stand: 15.01.2016]. Bude, H. (2012). Klassengesellschaft ohne Klassenspannung. Leben in der fragmentierten Gesellschaft. In: Frankfurter Hefte, Heft 3. Bundesfachverband unbegleitet minderjähriger Flüchtlinge e.v. (2015): Über 45.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland. URL: http://www.b-umf.de/images/pm_bumf_45000_2015.pdf [Stand: 18.01.2016]. Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.v. (2014). Handlungskonzept Partizipation in der Stationären Kinder- und Jugendhilfe. URL: http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/wpcontent/uploads/2014/02/handlungskonzept_partizipation_2013_web.pdf [Stand: 18.01.2016]. Bundesjugendkuratorium (2009): Partizipation von Kindern und Jugendlichen Anspruch und Wirklichkeit. URL: http://www.bundesjugendkuratorium.de/pdf/2007-2009/bjk_2009_2_stellungnahme_partizipation.pdf [Stand 15.01.2016]. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2015): Für ein kindergerechtes Deutschland! Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Allgemeine Qualitätsstandards und Empfehlungen für die Praxisfelder Kindertageseinrichtungen, Schule, Kommune, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen. URL: http://www.bmfsfj.de/redaktionbmfsfj/broschuerenstelle/pdf- Anlagen/kindergerechtes-deutschland-brosch_C3_BCre-qualit_C3_A4tsstandards,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf [Stand 15.01.2016] Coelen, T.;, Wagener, A. L.; Züchner, I. (2013): Partizipation in Ganztagsschulen. Expertise für das Zentrum eigenständige Jugendpolitik. URL: http://www.allianz-fuer-jugend.de/downloads/expertise_coelen-wagener-zchner.pdf [Stand: 16.01.2016]. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Sachsen e.v. (Hrsg.) (2012): Arbeitshilfe zur Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern in Diensten der Kinder- und Jugendhilfe. (Inhalt und Redaktion: Harmut Mann; Mitglieder der ad hoc AG Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und Diensten im PARITÄTISCHEN Sachsen). URL: http://parisax.de/www/cms/upload/service/publikationen/12-11-19_arbeitshilfe_juhi/arbeitshilfe_beteiligung_paritaet_2012.pdf [Stand 15.01.2016]. Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 26 13

Literatur: Ebhardt, J.C. (2013). Partizipation in der stationären und teilstationären Jugendhilfe. Demokratische Praxis als besondere Herausforderung in der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Masterarbeit Hochschule Darmstadt. URL: http://www.socialnet.de/materialien/attach/211.pdf [Stand: 22.01.2016]. FORSA (2015): Meinungen zum Thema Bürgerbeteiligung. Umfrage im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2015 Zukunftsstadt für das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Fuhrmann, R.D. (2014): Beteiligungsformate beurteilen und erschließen Eine Übersicht zu Vielfalt, Einsatz und Wirkung von informellen Bürgerbeteiligungsverfahren. Gutachten für den 2. Engagementberichtder Bundesregierung. Unveröffentlichtes Manuskript. Gladisch, A., Strack, G. (1996). Beteiligung von Adressaten. Zit. nach M. Galuske (2013), S. 377f., Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 10. Aufl. Weinheim: Juventa. Kronauer, M. (2015): Wer Inklusion möchte, darf über Exklusion nicht schweigen. Plädoyer für eine Erweiterung der Debatte. In: Jahrbuch für Pädagogik2015: Inklusion als Ideologie, S. 147-158. Frankfurt/M.: Peter Lang. Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.v. (LVGAFS); Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2013): Werkbuch Präventionskette. Herausforderungen und Chancen beim Aufbau von Präventionsketten in Kommunen. (Konzept und Text: Dr. Antje Richter-Kornweitz; Kerstin Utermark). URL: http://www.gesundheit-nds.de/cms/images/stories/pdfs/werkbuch- Praeventionskette_Doppelseite.pdf. [Stand: 15.01.2016]. Marona, H.; Petak-Opel, S. (2013). Leuchttürme, Praxisbeispiele und Erfahrungen aktiver Patientenbeteiligung für Akteure im Versorgungsmanagement. Borsdorf: Edition Winterwork. Meinhold-Henschel, S.; Schack, S. (2008): Situation und Handlungsansätze zur Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland. Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 13/2008 vom 04.07.2008. URL: http://www.buergergesellschaft.de/fileadmin/pdf/gastbeitrag_schack_henschel_080630.pdf Michael Galuske, C. Wolfgang Müller (2012): Handlungsformen in der Sozialen Arbeit Geschichte und Entwicklung. In: Werner Thole (Hrsg.), Grundriss soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. S. 587-610. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften. Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.) (2006): Die Kinderstubeder Demokratie. Partizipation in Kindertagesstätten. (Autoren_innen: Rüdiger Hanse, Raingar Knauer, Bianca Friedrich). Kiel. URL: http://pgstiftung.net/images/downloadbereich/kinderstube_der_demokratie.pdf [Stand 15.01.2016] Mützenich, R. (2013). Soziale Mobilität ermöglichen. In: Gesellschaftsforschung 2/2013. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, 2013, 14-15. Nanz, P.; Kamlage, J.-H. (2014): Entwicklungen der partizipativen Demokratie in Europa. enewsletter Bürgerbeteiligung 02/2014 vom 2407.2014. URL: http://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/inhalte/pdf- Dokumente/newsletter_beitraege/nwbb_beitrag_nanz_kamlage_140724.pdf [Stand: 15.01.2016]. Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 27 Literatur: Niedermayer, O. (2015). Parteimitglieder in Deutschland: Version 2015. Arbeitshefte a. d. Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 25, FU Berlin 2015. S. 4, Tab. 2. Petersen, D., Hierlemann, D., Vehrkamp, R.B., Wratil, C. (2013). Gespaltene Demokratie. Politische Partizipation und Demokratiezufriedenheit vor der Bundestagswahl 2013. Schäfer, A.; Vehrkamp, R.; Gagné, J.F. (2013): Prekäre Wahlen. Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013. Herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung. URL: http://www.wahlbeteiligung2013.de/fileadmin/inhalte/studien/wahlbeteiligung- 2013-Studie.pdf [Stand: 15.01.2016]. Scheu, B.; Autrata, O. (2013). Partizipation und Soziale Arbeit. Einflussnahme auf das subjektiv Ganze. Wiesbaden: Springer. Schröder, R. (1995): Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und -gestaltung. Weinheim: Beltz. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin (Hrsg.) (2014): Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Kindertagespflege. Akt. Neuauflage. Weimar, Berlin: Verlag das netz. URL: http://www.gew-berlin.de/public/media/berliner_bildungsprogramm_2014.pdf [Stand 25.01.2016]. Tietze, W.; Viernickel, S. (Hrsg.): Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder. Ein nationaler Kriterienkatalog. Berlin, Düsseldorf, Mannheim: Cornelsen Verlag Scriptor, 4. Aufl. 2013. Wright, M.; Block, M.; von Unger, H. (2008): Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung. In: Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 13. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2007. URL: http://www.armut-undgesundheit.de/uploads/tx_gbbkongressarchiv/wright M..pdf [Stand 22.01.2016]. Böhm Anspruch und Wirklichkeit partizipativer Methoden Tagung Wir können auch anders Hannover 27.01.2016 28 14