Teilhaberisiken und Gatekeeping-Prozesse für r gering qualifizierte Jugendliche auf dem Ausbildungsmarkt. Bettina Kohlrausch (SOFI) Heike Solga (WZB)

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Transkript:

Teilhaberisiken und Gatekeeping-Prozesse für r gering qualifizierte Jugendliche auf dem Ausbildungsmarkt Bettina Kohlrausch (SOFI) Heike Solga (WZB) 1

Wem gelingt der Übergang in die Ausbildung? 1% 9% 17,3 3,1 8% 7% 6% 5% 4% 73,5 47,6 < 82,7 96,9 3% 2% 1% 26,5 52,4 % ohne Hauptschulabschluss mit Hauptschulabschluss mit mittleren Schulabschluss mit höherem Schulabschluss direkt nach der Schule in Ausbildung ins Übergangssystem Quelle: Bildungsbericht 212 2

Wem gelingt der Übergang in die Ausbildung? 1% 9% 17,3 3,1 8% 7% 6% 73,5 47,6 5% 4% 82,7 96,9 3% 2% 1% 26,5 52,4 % ohne Hauptschulabschluss mit Hauptschulabschluss mit mittleren Schulabschluss mit höherem Schulabschluss direkt nach der Schule in Ausbildung ins Übergangssystem Quelle: Bildungsbericht 212 3

Drei Evaluationsprojekte für f abschlussgefährdete hrdete Hauptschüler/innen»Abschlussquote erhöhen Berufsfähigkeit steigern 1«(27 29)»Abschlussquote erhöhen Berufsfähigkeit steigern 2«(28 21)»Erweiterte Berufsorientierung und Praxisbegleitung (VBoP)«(28 21) Umsetzung eines dualisierten Schulalltages (ab der 8. Klasse) Ca. 2 Schüler/innen (Projekt und Parallelklassen) 4 Befragungen: 3 Klassenraumbefragungen, 1 Cati Befragung Betriebsbefragung und ca. 1 Experteninterviews mit pädagogischem Personal und Betrieben 4

Theorie: Benachteiligungsprozesse I Signaling Theorie (Spence 1973) Bildung(szertifikate) = Signal für Ausbildungseignung Bedeutung von nicht fachlichen Kompetenzen Durch welche Mechanismen wirken Signale? Job competition model (Thurow 1975) Betriebe sortieren Bewerber nach Ausbildungseignung. Verdrängungsmechanismus: In Zeiten eines Überangebots an Bewerber/innen verdrängen jene mit höheren Leistungen jene mit geringeren Leistungen. 5

Theorie: Benachteiligungsprozesse II Statistische Diskriminierung (Arrow 1985): im Zuge der Bildungsexpansion soziale Verarmung von Hauptschulen Hauptschüler/innen = soziale Minderheit Abwertung des Hauptschulabschlusses Zugehörigkeit zur Gruppe der Hauptschüler/innen = Kompetenzdefizite Absolute Ausgrenzung (Solga 25): Leistungsschwache und bildungsarme Jugendliche werden nicht nach unten sortiert, sondern als nicht ausbildungsgeeignet aussortiert. 6

Forschungsfragen Welche Fähigkeiten und Kompetenzen signalisieren Betrieben Ausbildungsfähigkeit? Fachnoten oder soziale Kompetenzen? Über welche Mechanismen wirken diese Signale? Verdrängung (relativ) oder Diskriminierung (absolut)? 7

Untersuchungsdesign Analyse des Einflusses bestimmter Faktoren auf die Übergangschancen besonders leistungsschwacher Schulabgänger/innen in eine Ausbildung at-risk population N =733 Schulabgänger/innen nach K9 (Projekt = 51, Normal = 233) Abhängige Variable: Ausbildung 3 Monate nach Schulende Ja = 328 (45%) Nein = 45 (55%) Methode Binäre logistische Regressionen mit robusten Standartfehlern durchschnittlichen Marginaleffekten 8

Operationalisierung: fachliche vs. nicht fachliche Kompetenzen Signale Fachlich - Schulabschluss: Keinen Schlecht Mittel Gut Nicht-fachlich - Note im Arbeitsverhalten - Gewissenhaftigkeit (Big Five) Kontrollvariablen: Individuelle Charakteristika: Kognitive Grundfähigkeiten, Verträglichkeit, Gender, Bildung der Eltern, Stabilität der Familiensituation, Ausbildungsmotivation Charakteristika auf der Klassen /Schulebene: % Eltern ohne Berufsabschluss, ANR 9

Fachliche und/oder nicht fachliche Kompetenzen 1

Fachliche und/oder nicht fachliche Kompetenzen aussortiert 11

Fachliche und/oder nicht fachliche Kompetenzen 12

Fachliche und/oder nicht fachliche Kompetenzen 13

Operationalisierung: : Mechanismen Mechanismus: Diskriminierung Praktikum Projektteilnahme (ja/nein) Dauer Praktikum Häufigkeit der Wechsel des Praktikums Qualität der berufsbezogen vs. allgemein Tätigkeit Mechanismus: Verdrängung Ausbildungsmarktsituation Angebots/Nachfragerelation 14

Verdrängung und/oder Diskriminierung Projektteilnahme Nein (Ref.) Ja 11 Arbeitsverhalten Schlecht Gut/ Mittel (Ref.) -15 Niveau Schulabschluss Gewissen-haftigkeit Hoch Normal (Ref.) Niedrig Schlecht Gemischt Gut (Ref.) Kein Abschluss -44-13 -3 1 3-5 -4-3 -2-1 1 2 15

Verdrängung und/oder Diskriminierung Häufig. Praktikumswechsel Ke ine Projektklasse Hoch: >2 Niedrig: - 2mal (Ref.) -19-11 Tätigkeit i. Praktikum Ke ine Projektklasse Nicht qualifiziert Qualifiziert -13-1 ANR Schlecht Gut 2-25 -2-15 -1-5 5 16

Verdrängung und/oder Diskriminierung Häufig. Praktikumswechsel Ke ine Projektklasse Hoch: >2 Niedrig: - 2mal (Ref.) -19-11 Tätigkeit i. Praktikum Ke ine Projektklasse Nicht qualifiziert Qualifiziert -13-1 ANR Schlecht Gut 2-25 -2-15 -1-5 5 17

Verdrängung und/oder Diskriminierung Häufig. Praktikumswechsel Ke ine Projektklasse Hoch: >2 Niedrig: - 2mal (Ref.) -19-11 Tätigkeit i. Praktikum Ke ine Projektklasse Nicht qualifiziert Qualifiziert -13-1 ANR Schlecht Gut 2-25 -2-15 -1-5 5 18

Ergebnisse Hauptschulabschluss als notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Beginn einer Ausbildung. Nicht fachliche Kompetenzen haben eine höhere Signalwirkung als Schulnoten. Ausschluss von Hauptschüler/innen erfolgt eher aufgrund von Diskriminierungs als Verdrängungsmechanismen. >> Ausgrenzung ist eher absolut. >> Entgegenwirken: Direkte Beobachtungsmöglichkeiten 86% der erfolgreichen Jugendlichen im Praktikumsbetrieb 19

Annahmen über Übergangsprobleme gering qualifizierter Jugendlicher Gering qualifizierte Jugendliche scheitern vor allem an ihren mangelnden fachlichen Fähigkeiten ( fehlenden Ausbildungsreife ). 2

Annahmen über Übergangsprobleme gering qualifizierter Jugendlicher 21

Annahmen über Übergangsprobleme gering qualifizierter Jugendlicher Gering qualifizierte Jugendliche scheitern vor allem an ihren mangelnden fachlichen Fähigkeiten ( fehlenden Ausbildungsreife ). Gering qualifizierte Jugendliche werden vom demographischen Wandel profitieren. 22

Schlussfolgerungen Wissenschaftlich Konzentration auf Gelingensbedingungen und den Intragruppenvergleich hilft Benachteiligungsmechanismen besser zu verstehen. Politisch Direkte Kontakte zwischen Betrieben und Jugendlichen sind ggf. besser als indirekte Übergangsmaßnahmen. 23

Danke! 24