Übung im Zivilrecht für Anfänger. Übungsstunde am Besprechungsfall. Prof. Dr. Thomas Rüfner. Materialien im Internet:

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Transkript:

Übung im Zivilrecht für Anfänger Übungsstunde am 20.05.2008 5. Besprechungsfall Prof. Dr. Thomas Rüfner Materialien im Internet: http://ius-romanum.uni-trier.de/index.php?id=18783

Fall N betreibt in einer kleinen Stadt ein kleines, aber stark expandierendes Software-Unternehmen. Die Expansion des Unternehmens wird über Kredite der am Ort ansässigen B-Bank finanziert. Als N eines Tages erklärt, er benötige einen weiteren Kredit über 3.000.000,- zur Erschließung neuer Märkte, hat der zuständige Sachbearbeiter A Bedenken, weil die Vergabe des Kredits zu einer Meldepflicht nach 13 KWG führen würde. Um dies zu vermeiden, schlägt A vor, dass anstelle des N dessen vermögende Schwester S den Kredit aufnimmt. Die Beteiligten sind der Ansicht, dass in diesem Fall keine Meldepflicht eintritt. N und dessen Schwester sind einverstanden. Nach ordnungsgemäßer Belehrung unterzeichnet S den Kreditvertrag. Danach verpflichtet sie sich zu jährlichen Zinszahlungen in Höhe von 8 % und zur Rückzahlung der Kreditsumme nach drei Jahren. S überweist die Darlehensumme sofort nach Erhalt an N. Als der Kredit drei Jahre später fällig wird, übersendet S der B-Bank einen Scheck über 3.000.000,-, gezogen auf die C-Bank. Die C- Bank weigert sich jedoch, den Scheck einzulösen, weil das Konto der S nicht gedeckt sei. S erklärt auf Nachfrage, die mangelnde Deckung des Schecks beruhe darauf, dass N die Darlehenssumme nicht wie erwartet an sie, S, zurückgezahlt habe. Da die B-Bank genau wisse, dass N der eigentliche Darlehensnehmer sei, solle sie sich ihr Geld gleich dort holen. Prof. Dr. Th. Rüfner 2

Aus dem Kreditwesengesetz (KWG) 13 Großkredite von Nichthandelsbuchinstituten (1) Ein Institut, das nach 2 Abs. 11 von den Vorschriften über das Handelsbuch freigestellt ist (Nichthandelsbuchinstitut), hat der Deutschen Bundesbank unverzüglich anzuzeigen, wenn seine Kredite an einen Kreditnehmer insgesamt 10 vom Hundert seines haftenden Eigenkapitals erreichen oder übersteigen (Großkredit) (2) Ein Nichthandelsbuchinstitut in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft darf unbeschadet der Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte einen Großkredit nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter gewähren 19 Begriff des Kredits für die 13 bis 13b und 14 und des Kreditnehmers (2) Im Sinne der 10, 13 bis 18 gelten als ein Kreditnehmer zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften, die insofern eine Einheit bilden, als eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss auf die andere oder die anderen ausüben kann, oder die ohne Vorliegen eines solchen Beherrschungsverhältnisses als Risikoeinheit anzusehen sind, da die zwischen ihnen bestehenden Abhängigkeiten es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass, wenn einer dieser Kreditnehmer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, dies auch bei den anderen zu Zahlungsschwierigkeiten führt. Dies ist insbesondere der Fall bei 3. Personen und Unternehmen, für deren Rechnung Kredit aufgenommen wird, und denjenigen, die diesen Kredit im eigenen Namen aufnehmen. Prof. Dr. Th. Rüfner 3

Erklärung zu 13 KWG Handelsbuchinstitut Kreditinstitut ( Bank ), das in bestimmtem Umfang für eigene Rechnung mit Wertpapieren handelt. Für Nicht-Handelsbuchinstitute besteht eine ähnliche Regelung in 13a KWG. Zweck: Vermeidung zu großer Risiken in Bezug auf einen Kreditnehmer. Wenn der Kreditnehmer eines Großkredits zahlungsunfähig wird, hat die Bank einen erheblichen Teil ihres Eigenkapitals auf einen Schlag verloren. Bankaufsicht wird informiert. Einstimmiger Vorstandsbeschluss erforderlich. Prof. Dr. Th. Rüfner 4

Zu 19 Abs. 2 KWG Unerwünschte Risikobündelung besteht auch bei mehreren Personen, wenn Zahlungsschwierigkeiten der einen zwangsläufig auch zu Zahlungsschwierigkeiten der anderen führen: Mehrere Unternehmen in demselben Konzern. Strohmann, der für einen anderen auftritt. Die Meldepflicht nach 13 KWG bleibt trotz Einschaltung der S bestehen! Prof. Dr. Th. Rüfner 5

Anspruch B S Anspruchsgrundlage: 488 Abs. 1 S. 2 BGB Vertragsschluss: Seitens B durch A? Eigene Willenserklärung? + Handeln im Namen der B? + Vertretungsmacht? Prof. Dr. Th. Rüfner 6

Die Vertretungsmacht des S Grundsätzlich kann hinreichende Bevollmächtigung des S unterstellt werden ( 54 HGB). Aber: Nach 13 Abs. 2 KWG muss der Vorstand beschließen. Nach dem Wortlaut keine Voraussetzung für die Gültigkeit des Geschäftes. Keine gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht. Aber: Verstoß des A gegen Pflichten im Innenverhältnis. Nur relevant im Fall des Vollmachtsmissbrauchs. Falls Vertretungsmacht fehlt, kann B genehmigen. Prof. Dr. Th. Rüfner 7

117 Abs. 1 BGB bei Strohmanngeschäften 117 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sind keine Strafe für die Beteiligten. 117 BGB soll dem wahren Willen der Parteien zur Geltung verhelfen. Darum: 117 BGB gilt nicht, wenn die Parteien ihre Absicht nur verwirklichen können, wenn das Geschäft wirksam ist. Bei Einschaltung eines Strohmanns ist regelmäßig Wirksamkeit gewollt. Prof. Dr. Th. Rüfner 8

Anwendung auf den Fall Wenn N, A und S rechtmäßig handeln wollten: Geschäft zwischen B und S wirksam. Wenn N, A und S nur ihr rechtswidriges Verhalten verdecken wollten Geschäft zwischen B und S nach 117 Abs. 1 BGB unwirksam. Geschäft zwischen B und N nach 117 Abs. 2 BGB wirksam. Nach dem Sachverhalt wollten N, A und S rechtmäßig handeln. Obgleich sie ihr Ziel nicht erreichen, ist das Geschäft zwischen B und S als wirksam anzusehen. Prof. Dr. Th. Rüfner 9

Weitere Unwirksamkeitsgründe 138 Abs. 1 BGB ( Angehörigenbürgschaften ) Grundsätze für Bürgschaften naher Angehöriger gelten auch bei Auftreten als Darlehensnehmer. Aber: S ist nicht krass finanziell überfordert. 134 BGB Wegen Verstoßes gegen 13 Abs. 2 KWG? 13 Abs. 2 KWG verhindert die zivilrechtliche Gültigkeit des Geschäftes nicht (s.o). Prof. Dr. Th. Rüfner 10

Die Bedeutung des Schecks Erlöschen der Rückzahlungsverbindlichkeit? Nach 362 BGB? -, es wurde nicht die geschuldete Leistung erbracht. Nach 364 Abs. 1 BGB? -, Scheck wird grundsätzlich erfüllungshalber angenommen ( 364 Abs. 2 BGB). Anspruch besteht noch! Außerdem: Anspruch B S aus Art. 12 ScheckG. Prof. Dr. Th. Rüfner 11

Übung im Zivilrecht für Anfänger Übungsstunde am 27.05.2008 Rückgabe und Besprechung der 1. Klausur Prof. Dr. Thomas Rüfner Materialien im Internet: http://ius-romanum.uni-trier.de/index.php?id=18783