Leben mit wenig Spielraum im Alter Prof. (FH) Priv. Doz. Dr. Frederic Fredersdorf
Gliederung 1. Was heißt Alter? / Wer ist alt? 2. Welche Lebensbedingungen schränken den Spielraum (im Alter) ein, und welche Zielgruppen sind davon besonders betroffen? 3. Was sind die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte? 4. Welche Menschen haben heute und zukünftig einen besonders geringen Spielraum im Alter?? 2
1. Was heißt Alter? / Wer ist alt? Alter Junge Alte = 55-65 kalendarisch psychologisch (subjektiv empfunden) medizinisch biologisch sozial Ältere = 66-75 Betagte = 76-85 Best Ager Hochbetagte = 85+ Vgl.: Thiele, G. (2001): Soziale Arbeit mit alten Menschen. Köln: S. 29 Schreiber (2006): Best-Ager: 50-plus-Services. Generation Silber: Agil und kaufkräftig. Call Center Profi. H.1; S. 14-18 Weineck, J. (2004): Sportbiologie. Balingen. S. 418 3
Beispiel Organische Faktoren Veränderungen des Organismus im höheren Lebensalter: verminderte Sehkraft nachlassendes Hörvermögen geringere Glukosetoleranz erhöhte Cholesterinwerte arteriosklerotische Gefäßveränderungen Zunahme von: 1. Krankheiten 2. Funktionsstörungen 3. Hilfebedarf Vgl.: Schildberg, F. & Kiffner E. (1987): Chirurgische Therapie im höheren Lebensalter. In: Schütz, R.: Alter und Krankheit. München. S. 154-166 4
Beispiel Organische Faktoren Chronische Erkrankung und subjektive Gesundheit 2006/2007 Statistik Austria (2006): Österreichische Gesundheitsbefragung 2005/2006. Wien. S. 16 5
Beispiel Organische und soziale Faktoren Verbreitung gesundheitsbedingter Einschränkungen in D nach Alter, Geschlecht und Schichtzugehörigkeit in % 100% 50% 0% Unterschicht Mittelschicht Oberschicht Männer m 70+ 49,1 53,6 51,1 m 60-69 46,7 41,2 37,7 m 50-59 53,2 39,4 28,6 Nach: Telefonischer Gesundheitssurvey Deutschland 2003, zit. n.: Lampert & Ziese 2005, S. 179 6
Beispiel Psycho-soziale Faktoren Subjektive Beurteilung von Lebensqualität und sozialen Netzen in Österreich nach Alter in % % 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 15-29 30-45 45-59 60-74 75+ Jahre Psychische LQ Soziales Netzwerk Statistik Austria (2006): Österreichische Gesundheitsbefragung 2005/2006. Wien. S. 177 7
Beispiel Soziale Faktoren Anzahl hilfreicher Personen in % von drei Altersklassen Vorarlberger Bürger/innen % 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 51,6 38,7 35,5 30,6 25,0 21,4 23,8 16,1 19,4 14,5 10,9 12,5 Altersklassen 15-29 30-59 60+ 0,0 0-4 5-9 10-14 15+ Anzahl hilfreicher Personen im Krisenfall Nachgängige Datenanalyse aus: Fredersdorf, F.,; Roux, P. & Lorünser, D. (2010): Bürgerschaftliches Engagement und Sozialkapital in Vorarlberg 2010. Dornbirn 8
Beispiel Soziale und ökonomische Faktoren Lebensformen und durchschnittliches Nettovermögen in D im Alter 65+ in 1.000 250 200 150 100 50 0 200,4 128,1 88,8 Alleinlebender Mann Ehepaar Alleinlebende Frau BM Fam, Sen., Fr., Jug. (2005): Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin. S. 204 9
Beispiel Ökonomische Faktoren Armutsquote spezifischer Zielgruppen in D im Jahr 2003 (Anteil der Bevölkerung unter 60% des Einkommens-Medians [743 ] ) % 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 Allein Erziehende M. ohne Renten/Pensionen vor Transfer Mieter Nicht Beschäftigte M. mit Renten/Pensionen vor Transfer Allein Lebende M. mit subjektiv schlechtem Ges.Zustand Frauen Männer M. mit subjektiv gutem Ges.Zustand Paar mit 2 Kindern Eigentümer Beschäftigte Nach: Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Engels, D. (2005): Analysen zu Einkommensarmut und Lebenslagen in Deutschland auf der Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels für die Jahre 2000-2003. Köln. S. 1 10
Beispiel Strukturelle Faktoren 25,0 20,0 Anteil armutsgefährdeter Bevölkerung in Österreich nach Alter und Region % 15,0 10,0 5,0 Großstädte Dichte Besiedlung Ländliche Region 0,0 55-59 60-64 65-69 70-74 75+ Jahre Nach: Statistik Austria EU-SILC 3. Welle 2005. In:Heitzmann, K. & Eiffe, F. (2008): Gibt es einen Großstadtfaktor in der Armutsgefährdung und Deprivation älterer Menschen? Forschungsbericht des Forschungsinstituts für Altersökonomie 3/2008. S. 10 11
Beispiel Strukturelle Faktoren Faktoren für besondere Armutsgefährdung im ländlichen Raum: Unzureichende individuelle Mobilität Langzeitarbeitslosigkeit Geringe Erwerbschancen Ungünstige Wirtschaftsstruktur mit vielen Niedriglohnbranchen Schlechtes Angebot an kommunalem Wohnraum Unzureichende Altersversorgung bestimmter Berufsgruppen Mangelnde bis fehlende Bildungs-, Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen Fehlende Gleichberechtigung der Frauen Schlechte Infrastruktureinrichtungen Angst vor Stigmatisierung aufgrund fehlender Anonymität Vgl.: Wiesinger, G.: Ursachen und Wirkungszusammenhänge der ländlichen Armut im Spannungsfeld des sozialen Wandels. In: SWS-Rundschau (43.Jg.) Heft 1/2003. S. 47 12
3. Was sind die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte? Steigende Lebenserwartung in Österreich: Durchschnittsalter 1991 / 1999 / 2006 Alter 85 80 75 72,3 79 74,8 80,9 77,1 82,7 Männer Frauen 70 65 1991 1999 2006 Statistik Austria (2006): Österreichische Gesundheitsbefragung 2005/2006. Wien. S. 15 13
3. Was sind die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte? 70 Demographischer Wandel in Österreich: Prognose 2010-2075 % 60 50 40 30 Alter: 15-60 Jahre über 60 Jahre 20 10 bis 15 Jahre 0 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2075 Sinkender Anteil der Renten-/Pensionsbeitrag zahlenden Bevölkerung Statistik Austria (2009): Bevölkerungsprognose 14
3. Was sind die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte? Veränderungen des Arbeitsmarkts Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse im Lebensverlauf Steigende Kosten der Lebenserhaltung Sektorale Lohnunterschiede Sinkende Möglichkeiten privater Altersvorsorge Sinkende Renten- / Pensionsanwartschaften Sinkende Kaufkraft zukünftiger SeniorInnen Höhere Lebenserwartung Steigende Gesundheitsrisiken im Alter Wachsender Versorgungsund Pflegebedarf Brüchiger werdende hilfreiche Soziale Netzwerke Steigende Wahrscheinlichkeit von Altersarmut 15
4. Welche Menschen haben heute und zukünftig einen besonders geringen Spielraum im Alter? Menschen mit Zeiten langer Arbeitslosigkeit Menschen mit geringem Einkommen (z.b. in Niedriglohnsektoren) Menschen mit längeren Erwerbsunterbrechungen für Kindererziehung und Pflege Menschen mit langen Phasen atypischer, teilzeitiger oder prekärer Beschäftigung Menschen ohne Rückgriff auf zusätzliches materielles Vermögen Menschen in Mietverhältnissen Menschen mit geringen sozialen Netzen Menschen mit Migrationshintergrund Menschen in Lebensräumen mit geringeren Versorgungsangeboten Menschen mit höheren Gesundheitsrisiken und schlechterer Gesundheit Menschen mit Behinderung Menschen in psycho-sozialer Isolation Menschen mit geringerem Bildungs- und Ausbildungsstand Alleinlebende Menschen Frauen Nach.: Leiber, S. (2009): Armutsvermeidung im Alter: Handlungsbedarf und Handlungsoptionen. Düsseldorf 16
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Prof. (FH) Priv.Doz. Dr. Frederic Fredersdorf