Evaluation des Gewaltpräventionsprogramms und Zivilcouragetrainings zammgrauft
zammgrauft - das Anti-Gewaltprogramm der Münchener Polizei möchte Kinder und Jugendliche für Gewaltphänomene sensibilisieren und ihre zivilcouragebezogenen Kompetenzen fördern. Auf diese Weise soll in den interaktiven Übungen und Reflexionsrunden des gruppenbasierten Trainings eine Verbesserung der Klassengemeinschaft erreicht werden. Die wissenschaftlichen Evaluation von zammgrauft wurde von Studenten der LMU (Betreuung: PD Dr.Mechthild Schäfer, Department Psychologie) gemeinsam mit dem Kommissariat 105 - Prävention und Opferschutz - der Münchener Polizei (KHK Ralph Kappelmeier, KHK Nicolo Witte) konzipiert und mit Unterstützung der Jugendbeamten des Polizeipräsidiums München durchgeführt. Ziel war es, einen Nachweis der nachhaltigen Wirksamkeit von zammgrauft zu erbringen. Zu diesem Zweck wurde unter Einbezug bereits existierender Skalen ein Fragebogen entwickelt, um die Schüler vor, direkt im Anschluss sowie drei Monate nach dem Training zu befragen. An der Datenerhebung nahmen insgesamt 611 Schüler (60% Jungen) aus 23 Klassen der sechsten bis achten Klassenstufe aus dem Raum München sowie dem Allgäu teil. Im Rahmen der Evaluation wurden verschiedene Forschungsfragen differenziert untersucht: 1. Kurz- und längerfristige Effekte des Trainings auf Faktoren, welche Einfluss auf die Zunahme von Zivilcourage, die Reduktion von Gewalt sowie die Verbesserung des Klassenkontextes haben. Beispielhaft sind zu nennen: Das Wissen der Schüler über sinnvolle Helfer- und Opferstrategien, das Selbstvertrauen der Schüler und das Klassenklima. 2. Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen bezüglich der Wirksamkeit des Trainings. 3. Auswirkung einer nach Geschlecht getrennten Trainingsdurchführung auf die Wirksamkeit von Zammgrauft. 4. Auswirkung der Anzahl durchgeführter Spiele auf die Wirksamkeit. 5. Auswirkung des Klassenklimas auf die Wirksamkeit des Trainings im Bereich der Klassengemeinschaft.
Die Ergebnisse der Evaluation bestätigen, dass zammgrauft positive Veränderungen im Sinne seiner Zielsetzung bei den Schülern bewirkt. Die Jugendlichen verfügten nach dem Training über ein differenzierteres Gewaltverständnis und konnten erfolgreich für Gewalthandlungen sensibilisiert werden. Zudem konnte, neben der Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, die Entschlusssicherheit der Schüler, in Notsituationen aktiv einzugreifen, gestärkt werden. Darüber hinaus fühlten sich die Schüler kompetenter und kannten mehr sinnvolle Verhaltensweisen zur Bewältigung von Notsituationen. Als gruppenbasiertes Programm gelingt es zammgrauft ebenfalls positive Veränderungen des Klassenklimas zu erzielen. Es zeigte sich außerdem, dass die Schüler nach dem Training mehr Zivilcourage in der Klassen wahrgenommen haben und gewalttätige Verhaltensweisen reduziert werden konnten. Die Ergebnisse bestätigen ferner, dass zammgrauft bei Jungen und Mädchen gleichermaßen positive Veränderungen bewirkt. So lohnt sich eine geschlechtsspezifische Prävention im Fall von zammgrauft nicht. Auch eine Klassen- bzw. Gruppenaufteilung während der Trainingsdurchführung zu Gunsten geschlechtshomogener Teilgruppen erscheint vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse nicht empfehlenswert: insbesondere dem Gemeinschaftsaspekt von zammgrauft würde bei einem solchen Vorgehen zu geringe Beachtung geschenkt. Bezüglich der Auswirkung der Anzahl durchgeführter Spiele konnte kein Unterschied in der Wirksamkeit nachgewiesen werden. Allerdings war in den Klassen, in denen weniger Spiele durchgeführt wurden, mehr Zeit für die Besprechung und Diskussion der Spiele. Die Schlussfolgerung, dass man mit weniger Spielen zu ähnlich guten Ergebnissen kommt, wäre deshalb fahrlässig. Es wäre im Gegenteil zu prüfen, in wieweit die Qualität der Durchführung bedeutsamen Einfluss hat, da die Evaluation bezüglich der Auswahl der Trainer selektiv sein musste um das Potential des Programms/Trainings zu erfassen.
Zuletzt zeigen die Ergebnisse, dass das Klassenklima einen Einfluss auf die Wirksamkeit haben kann. Besonders Klassen mit einem negativen Klassenklima vor dem Training konnten hinsichtlich der Verbesserung ihrer Gemeinschaft profitieren. Zudem gaben die Schüler an, dass ihnen das zweitägige Training Spaß und Freude bereitet hat und sie nützliches Wissen für den Alltag erworben haben. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse ist es wünschenswert, dass zammgrauft zukünftig möglichst viele Jugendliche erreicht und ein fester Bestandteil der schulischen Präventionsarbeit wird. Das Programm leistet einen wichtigen Beitrag Jugendliche für Gewalt zu sensibilisieren, ihnen Mut zu machen zivilcouragiert zu handeln und sich aktiv für ein demokratisches und friedliches Zusammenleben einzusetzen. Im Folgenden werden einige der Forschungsergebnisse in Form von Graphiken dargestellt.
Der überwiegende Teil der Schüler gibt eine sehr gute und gute Bewertung für das Training ab.
Der überwiegende Anteil bewertet auch Praxisnähe, Anregung zur persönlichen Reflexion und den Einfluss des Trainings auf das soziale Miteinander positiv...
Die Einschätzung der praktischen Relevanz ist nachhaltig, d. h. bleibt auch über drei Monate weitgehend erhalten...
Inhaltbereiche der Wirksamkeitsprüfung
Die Auftretenshäufigkeit verschiedener Formen gewalttätigen Verhaltens wird langfristig merklich verringert wahrgenommen, für zivilcouragiertes Verhalten wird eine leichte Zunahme berichtet... Gewalttätiges Verhalten Zivilcouragiertes Verhalten
Gewaltbezogenes Wissen steigt durch das Training deutlich an und bleibt relativ nachhaltig bestehen.
Handlungs- und Verantwortungskompetenzen steigen durch das Training markant an, sinken mit der Zeit wieder, aber bleiben nachhaltig auf deutlich erhöhtem Niveau erhalten.
Alle Handlungskompetenzen für sinnvolles Opfer- und Helferverhalten steigen auf 60 % an (teils deutlich höher) und bleiben auf deutlich erhöhtem Niveau erhalten. t 0 -> t 1 (t(586) = -25,20, p <.001) t 1 -> t 2 (t(565) = -18,50, p <.001)
Selbstvertrauen steigt in beiden Komponenten (Selbstwirksamkeit/Selbstwert) durch das Training deutlich an und sinkt langfristig nur wenig ab.
Das Klassenklima verbessert sich durch das Training und bleibt nachhaltig positiver. vor dem Training nach dem Training nach drei Monaten
Die Rollenstruktur in der Klasse verändert sich verzögert, da mehr Helfer erst nach drei Monaten erkennbar werden, während die Anzahl der Mittäter direkt sinkt und etwas verringert bleibt. Rating: 0 = kein Kind 1 = 1-3 Kinder 2 = 4-10 Kinder
Die Rollenstruktur in der Klasse verringert sich nachhaltig durch die verringerte Anzahl an wahrgenommenen Opfern. Rating: 0 = kein Kind 1 = 1 Kind 2 = 2-3 Kinder
Ein negatives Klassenklima ist gekennzeichnet durch weniger zivilcouragiertes Verhalten, (nicht) weniger Helfer, mehr Mittäter und mehr Opfer als bei positivem Klassenklima...
zammgrauft zeigt nur in Klassen mit negativem Klassenklima eine markante und nachhaltige Verbesserung des Klassenklimas...
Bezüglich der Anzahl der Helfer bewirkt das Training eine durchgängige Verbesserung des Klassenklimas.
Bezüglich der Anzahl der Opfer bewirkt das Training eine durchgängige Verbesserung des Klassenklimas.
Fazit Zammgrauft zeigt Wirksamkeit in allen intendierten Bereichen gewalttätigem & zivilcouragiertem Verhalten gewaltbezogenem Wissen Zivilcourage fördernden Faktoren Förderung der Klassengemeinschaft in der intendierten Richtung