NAJU- Position Landwirtschaft

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Transkript:

NAJU- Position Landwirtschaft Rund 50% der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Die Landwirtschaft birgt somit riesige Potentiale, Kulturlandschaften zu erhalten und Naturschutz auf großer Fläche zu verwirklichen. Jedoch ist die intensive Landwirtschaft, wie sie momentan in vielen Regionen betrieben wird, auch für massive Umweltschäden wie Wasserverschmutzung und Artensterben verantwortlich. Ob die Landwirtschaftsfläche in Deutschland von über 190.000 km² im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung bewirtschaftet wird und somit ein Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt geleistet wird, oder nicht, hängt v.a. von den agrarpolitischen Rahmenbedingungen ab. Hintergründe Die von der Landwirtschaft verursachten Umweltprobleme kommen nicht von ungefähr: In den letzten Jahrzehnten wurde, aus den Erfahrungen der Nachkriegszeit heraus, v.a. die Produktion von Masse, weniger von Qualität gefördert. Zunächst wurden im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU Garantiepreise für bestimmte Kulturen gezahlt, die 1992 durch Direktzahlungen an Landwirte ersetzt wurden. Diese sind an den Anbau bestimmter Kulturen gekoppelt. So wird bspw. heute der Anbau von (ökologisch unsinnigem) Silomais mit hohen Beträgen gefördert, die Bewirtschaftung von (ökologisch sinnvollem) Grünland oder eiweißreichen Futtermitteln dagegen nicht. Diese Art der Agrarpolitik förderte v.a. die Intensivierung der Produktion, die Spezialisierung der Betriebe und die Konzentration der Landwirtschaft in Gunstregionen. Wachsen oder Weichen hieß das Motto, oft standen und stehen die Landwirte vor der Wahl, ihren Betrieb zu intensivieren oder aufzugeben. Die Intensivierung der Landwirtschaft führte zu Umweltproblemen, wie Artensterben, Erosion und Wasserverschmutzung. So hängt z.b. die Bedrohung von 70% aller gefährdeten Vogel- und 49% aller bedrohten Pflanzenarten mit landwirtschaftlichen Aktivitäten zusammeni. Der Energieverbrauch und die Emissionen klimarelevanter Gase in der Landwirtschaft stiegen an. Massentierhaltung und lange Tiertransporte wurden zur Regel. Die Lagerung und Vernichtung der gewaltigen Überschüsse verursachte immense Kosten. Große Teile der Überschüsse wurden mit Hilfe von Exportsubventionen auf den Weltmarkt gebracht. Der daraus resultierende Preisverfall beeinträchtigte besonders arme Länder. Rationalisierung und der Zwang zur Kostenminimierung führte dazu, dass viele Arbeitsplätze in der Landwirtschaft eingespart wurden. In Intensivregionen wurden die Feldstücke vergrößert und der Anbau auf wenige Kulturarten beschränkt, was das Landschaftsbild massiv veränderte. In benachteiligten Regionen wurden viele Betriebe aufgegeben, die Flächen verbuschten oder wurden aufgeforstet- beides ist mit einem Verlust von Biodiversität verbunden. Und das alles für 48 Mrd. im Jahr, die heute für die EU-Agrarpolitik zur Verfügung stehen. Die Verteilung der Gelder ist ungerecht: Große Betriebe bekommen überproportional viele Fördergelder. Die Gelder des Agrarhaushalts, welche noch bei den Landwirten landen, gehen zu 80% an nur 20% der Betriebe. Auch heute sind viele der o.g. Probleme nicht entschärft. Seit dem Amtsantritt von Ministerin Künast im Januar 2001 wurden viele positive Schritte hin zu einer nachhaltigeren Agrarproduktion gemacht, jedoch bleibt noch viel zu tun! Immer mehr Landwirte kämpfen heute ums wirtschaftliche Überleben. Ein unerbittlicher Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel führt zu sinkenden Erzeugerpreisen, v.a. der Milchpreis fällt anhaltend. Es besteht die große Gefahr, dass viele, gerade auch kleinere landwirtschaftliche Betriebe dem Druck bald nicht mehr standhalten können und aufgeben müssen. 1

Dies muss unter allen Umständen verhindert werden: unsere Kulturlandschaft braucht die Landwirtschaft! Leitbild Ökologischer Landbau Eine Lösung vieler Probleme der Agrarpolitik bietet der Ökologische Landbau. Die Leistungen des Ökolandbaus für Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind enorm: Die Artenvielfalt auf ökologisch bewirtschafteten Flächen ist wesentlich höher. Der Energieeinsatz ist, v.a. aufgrund des Verzichts auf synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel, wesentlich geringer. Die Emissionen von Treibhausgasen sowie von versauernd wirkenden Gasen sind deutlich geringer. Die Bodenfruchtbarkeit ist im Ökologischen Landbau höher, die Bodenerosion wesentlich niedriger. Die Gewässerbelastung durch Nitrat, Phosphat und Pflanzenschutzmittel ist deutlich geringer. Auch gesamtgesellschaftlich bietet der Ökologische Landbau zahlreiche Vorteile: Auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben werden durchschnittlich mehr Arbeitskräfte beschäftigt. Die erzeugten Nahrungsmittel sind nur in sehr seltenen Fällen mit Rückständen belastet. Die Tiere auf Ökobetrieben werden artgerecht gehalten. Es kommt keine Gentechnik zum Einsatz. Da die Erträge geringer sind, entfallen die Kosten zur Lagerung, Vernichtung und Subventionierung von Überschüssen. In Kombination mit einer regionalen Vermarktung bietet der Ökolandbau das Idealbild der Landwirtschaft! Jedoch wirtschaften heute, trotz des Bundesprogramms Ökologischer Landbau, gerade einmal 4 % der Betriebe ökologisch. Woran liegt das? Zunächst einmal sind viele Verbraucher noch nicht bereit, mehr für ihre Nahrungsmittel zu zahlen. Gerade einmal 14 % des Einkommens werden dafür ausgegeben. Wir müssen uns klar machen, dass die Preise für Nahrungsmittel oft nicht die Wahrheit sagen. Würden die Folgekosten für die Umwelt berücksichtigt, so müsste für Nahrungsmittel aus intensiver Produktion ein Mehrfaches gezahlt werden. Die Umstellung auf Ökologischen Landbau ist ein großer Schritt für viele Landwirte. Gerade bei Betrieben, die in Gunstregionen wirtschaften oder die sehr spezialisiert sind, ist eine Umstellung oftmals mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden und fällt dementsprechend schwer. Was tun? Um die Leistungen des Ökolandbau für die Gesellschaft zu honorieren, und um weitere Betriebe zur Umstellung anzuregen, muss der Ökolandbau weiterhin gefördert werden. Die Förderung darf sich nicht nur auf die landwirtschaftliche Produktion selbst beschränken, sondern muss auch die Information der Landwirte und Verbraucher, die Forschung im Ökolandbau sowie die Förderung der Verarbeitung und der Vermarktung ökologischer Produkte beinhalten. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau bietet gute Ansätze und muss zu einem längerfristigen Aktionsplan ausgebaut werden. Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass die restlichen 96 % der landwirtschaftlichen Betriebe trotz aller Fördermaßnahmen nicht alle ohne weiteres auf Ökologischen Landbau umstellen werden. Daher muss v.a. auch der Standard der konventionellen Landwirtschaft in Bezug auf Natur- 2

und Umweltschutz deutlich gehoben werden. Möglichkeiten dazu bieten sich im Rahmen der aktuellen Reformen genug, man muss sie nur nutzen! Tierschutz Grundsätzlich muss die Pflanzenproduktion wieder stärker mit der Tierproduktion verknüpft werden. Erst die Abkoppelung der Tierhaltung von der Futterwirtschaft machte Massentierhaltung und das damit verbundene massive Auftreten von Tierseuchen möglich. Grünland muss wieder zur Futtermittel-Basis für alle Wiederkäuer werden! In Bezug auf artgerechte Haltungssysteme war die Novellierung der Legehennenhaltungsverordnung ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ministerin Künast darf nicht zulassen, dass diese auf Initiative einiger Bundesländer wieder verwässert wird. Nun muss die Novellierung der Schweinehaltungsverordnung auch eine deutliche Verbesserung der Haltungsbedingungen in diesem Bereich bringen. Obergrenzen für die Genehmigung von Tierhaltungsanlagen müssen abgesenkt und das Baugesetzbuch muss geändert werden, um Massentierhaltung unmöglich zu machen. Die zulässige Höchstdauer von Schlachttiertransporten muss auf max. vier Stunden verkürzt werden. Gentechnik Durch zwei im Juli 2002 erlassene Richtlinien der EU besteht die Gefahr, dass im nächsten Jahr das Zulassungs-Moratorium für genetisch veränderte Pflanzen in der EU aufgehoben werden könnte. Dann wären Genehmigungen für genetisch veränderte Pflanzen wieder möglich. Jedoch: bevor nicht die Fragen der Haftung und Fragen der Koexistenz von gentechnikfreier und Gen-Landwirtschaft geklärt sind, muss das Moratorium bestehen bleiben! Fakt ist: Wenn sich erst einmal gentechnisch veränderte Organismen (GVO) im kommerziellen Anbau befinden, wird es, trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse, nicht mehr möglich sein, deren ungewollte Ausbreitung zu vermeiden. Die Auswirkungen der Grünen Gentechnik auf Natur, Umwelt und menschliche Gesundheit sind nicht kalkulierbar. In jedem Falle bedeutet der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft einen schweren Eingriff in den Naturhaushalt, der nicht wieder rückgängig zu machen ist! Die Verbraucher lehnen den Einsatz grüner Gentechnik massiv ab und auch die Mehrheit der Landwirte will nichts von gentechnisch verändertem Saatgut wissen. Vieles hängt nun auch an dem neuen deutschen Gentechnik- Gesetz, welches zur Zeit diskutiert wird. Dieses muss so restriktiv gestaltet werden, dass der Anbau von GVO in Deutschland de facto unmöglich gemacht wird. Ganz entscheidend ist dabei die Anwendung des Verursacherprinzips. Hersteller und Anwender von GVO müssen Kosten und Risiko tragen, wenn andere durch die Anwendung der Gentechnik in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt werden. Es kann nicht sein, dass sich der Einfluss der Agrarkonzerne gegen die massiven Bedenken von Verbrauchern, Landwirten und Umweltschützern durchsetzt und unsere Zukunft bedroht. Es muss weiterhin möglich sein, 100 % gentechnikfreie Nahrungsmittel zu bekommen: dies ist beim gleichzeitigen Anbau genetisch veränderter Kulturen- auch bei noch so vielen Vorsichtsmaßnahmen- nicht möglich! Internationaler Agrarhandel Der fortschreitende Liberalisierungsprozess im Rahmen der WTO- Agrarverhandlungen birgt für den Natur- und Umweltschutz in Europa Chancen und Risiken. So ist einerseits vorgesehen, auch umweltschädliche Subventionen, die zur Intensivierung der Agrarproduktion führen, abzubauen. 3

Andererseits droht durch immer größeren Preisdruck eine fortschreitende Rationalisierung der Landwirtschaft - bzw. die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung auf weniger wettbewerbsfähigen Standorten, die tendenziell extensiver bewirtschaftet werden. Die Auswirkungen des hohen Subventionsniveaus in den Industriestaaten auf ärmere Länder sind fatal: Subventionen ermöglichen die Vermarktung landwirtschaftlicher Güter unterhalb der Produktionskosten. Niedrige Weltmarktpreise aber machen die landwirtschaftliche Produktion in vielen Entwicklungsländern, die aufgrund leerer Kassen ihre Landwirte nicht direkt unterstützen können, unrentabel. Es muss aber möglich sein, zusätzliche Leistungen der Landwirtschaft im Natur- und Umweltschutz entsprechend zu entlohnen. Daher brauchen wir weiterhin interne Stützungsmaßnahmen in bestimmten Bereichen, um die landwirtschaftliche Nutzung in Europa zu erhalten. Zahlungen an Landwirte müssen erlaubt sein, um Marktversagen im Bereich der Umweltgüter auszugleichen. Um die Grundlagen für einen gerechten Agrarhandel zu schaffen und weltweit eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion zu verwirklichen, müssen wir in den Industriestaaten Den Least Developed Countries einen zollfreien Marktzugang gewähren, Exportsubventionen abschaffen, Pauschale Stützungszahlungen abschaffen und statt dessen alle Maßnahmen der internen Stützung an ökologische und soziale Kriterien koppeln. Aktuelle Agrarpolitik Im Juni 2003 fasste der EU-Agrarrat neue Beschlüsse zur EU-Agrarpolitik. Diese bergen das Potential, die Agrarpolitik grundlegend zu reformieren - vieles bleibt jedoch der nationalen Umsetzung überlassen. Entkoppelung Bisher waren die Zahlungen an Landwirte an die Produktion gekoppelt, d.h. wer viel anbaute und viel Vieh hielt, bekam auch viel Geld. Dies förderte die Produktion von Masse und die Intensivierung der Landwirtschaft. Die aktuellen Beschlüsse sehen nun eine teilweise Entkoppelung der Zahlungen vor. Bei der Zuweisung von Prämienrechten an die Landwirte können die Mitgliedsstaaten wählen. Es gibt die Möglichkeit, eine Betriebsprämie zu zahlen, die sich an den bisher erhaltenen Zahlungen der Betriebe orientiert oder eine Flächenprämie, bei der je Region einheitliche Zahlungen je Hektar gezahlt werden. Wir fordern statt einer teilweisen die vollständige Entkoppelung der Zahlungen von der Produktion. Statt einer Betriebsprämie, die bestehende Ungerechtigkeiten zementieren würde, müssen flächenbezogene Zahlungen unabhängig von der angebauten Kultur eingeführt werden. Aus ökologischer Sicht ist von entscheidender Bedeutung, ob eine grünlandorientierte Milchwirtschaft betrieben wird oder nicht. Aufgrund der Beschlüsse werden die Milchpreise weiter sinken. Damit besteht die Gefahr der Aufgabe der Bewirtschaftung von weiten Landesteilen. Wir fordern: um wertvolle Grünlandstandorte zu erhalten, muss eine einheitliche Flächenprämie für Grünland- und Ackerflächen eingeführt werden! Cross Compliance Der Begriff Cross Compliance besagt, dass Zahlungen an Landwirte an das Einhalten bestimmter Vorgaben zu Umweltschutz, Landschaftsbild, Arbeitsplatzbesatz etc. gebunden werden sollen. Grundsätzlich ist dies ein sehr sinnvoller und unterstützenswerter Ansatz, jedoch sehen die aktuellen 4

Beschlüsse vor, die Einhaltung der bestehenden Vorschriften als Zahlungsgrundlage zu nehmen. Dies reicht aber nicht aus! Auch um Zahlungen an Landwirte langfristig gesellschaftlich zu legitimieren, müssen die zu erfüllenden Voraussetzungen über das gesetzliche Minimum hinausgehen. Modulation Unter Modulation versteht man die Umverteilung von Mitteln aus dem Bereich der Marktordnung (Acker- und Tierprämien, Exportsubventionen usw.), der bisher 90% des Agrarhaushaltes ausmacht, in den Bereich der Ländlichen Entwicklung (in den u.a. Agrarumweltmaßnahmen, wie die Förderung des Ökologischen Landbaus fallen). Die Beschlüsse des Agrarrates sehen nach langer Diskussion nun nur eine obligatorische Modulation von 3-5 % vor. Dies reicht aber nicht aus: Der Etat für Ländliche Entwicklung muss deutlich erhöht werden! Mindestens die Hälfte der EU-Agrarmittel muss für Maßnahmen der Ländlichen Entwicklung bereitgestellt werden. Nationale Möglichkeiten Neben der gezielten Subventionierung auf EU- Ebene bieten sich weitere Möglichkeiten, um eine umweltfreundlichere Agrarproduktion in Deutschland zu fördern: eine Steuerreform, die z.b. Energieverbrauch und damit Transport sowie chemische Betriebsmittel verteuert die Verschärfung des landwirtschaftlichen Fachrechts (aktuell wird die Änderung der Düngeverordnung diskutiert) die Erhöhung bzw. Neueinführung von Mindeststandards (wie z.b. das Einhalten einer mehrjährigen Fruchtfolge, die Verpflichtung zur tiergerechten Haltung etc.). Diese Maßnahmen dürfen jedoch, um Betriebsaufgaben zu vermeiden, nur im Zusammenhang mit gleichzeitiger Entlastung der landwirtschaftlichen Produktion in anderen Bereichen einhergehen: Leistungen im Natur- und Umweltschutz, die über die in vielen Bereichen noch zu definierende Gute Fachliche Praxis hinausgehen, müssen angemessen entlohnt werden. Den Landwirten müssen wirkliche Alternativen zur intensiven Produktion geboten werden. Fazit Mehr als alle anderen Wirtschaftszweige brauchen wir die Landwirtschaft - eine natur-, umwelt- und menschenfreundliche Landwirtschaft! Um eine solche zu erreichen, muss sich die Agrarpolitik ändern: die Förderung der Landwirtschaft muss nicht an ihren Produkten, sondern an ihrem ökologischen und sozialen Zusatznutzen bemessen werden. Auch wir Verbraucher müssen umdenken: um eine naturfreundlichere Produktionsweise zu ermöglichen, müssen wir bereit sein, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Die Landwirtschaft bietet Riesenchancen für den Natur- und Umweltschutz. Nutzen wir sie! 5