Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 448 26. 08. 2011 Antrag der Abg. Guido Wolf u. a. CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. ob das Grunderwerbsteueraufkommen im Land seit Bekanntwerden der geplanten Steuererhöhung zugenommen hat und ggf. in welcher Höhe die bisherigen Ist- von den Planzahlen des Haushalts abweichen; 2. welches Aufkommen sie bei unterstellter Erhöhung von 1,5 Prozent für dieses und das kommende Kalenderjahr prognostiziert; 3. wie hoch der Anteil an der Grunderwerbsteuer ist, der sich auf bebaute Grundstücke erstreckt; 4. wie sie die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer unter dem Gesichtspunkt bewertet, dass sich diese im bebauten Innenbereich auf Grundstücke und Gebäude, im unbebauten Außenbereich nur auf das Grundstück erstreckt und wie sie den sich daraus ergebenden ökologischen Nachteil beurteilt; II. sich beim Bund 1. für eine steuerliche Begünstigung des Ersterwerbs einer Immobilie zu eigenen Wohnzwecken vergleichbar der weggefallenen Eigenheimzulage einzusetzen; Eingegangen: 26. 08. 2011 / Ausgegeben: 19. 09. 2011 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1
2. für eine Steuerreform dergestalt einzusetzen, dass der Bestandserwerb einer Immobilie im Innenbereich gegenüber dem Erwerb eines Grundstücks auf der grünen Wiese begünstigt wird. 26. 08. 2011 Wolf, Herrmann, Gönner, Jägel, Kößler, Mack, Paal, Hitzler CDU Begründung Gerade unter ökologischen Aspekten ist eine weitere Erhöhung der Grunderwerbsteuer kontraproduktiv. Die Grunderwerbsteuer ist so angelegt, dass ein Neubau auf der grünen Wiese begünstigt und der Bestandserwerb benachteiligt wird. Ohne eine umfassende Reform dieser Steuer wirkt sich eine Steuererhöhung daher negativ auf den Flächenverbrauch aus, solange der Bodenerwerb in Neuerschließungsgebieten gegenüber dem Erwerb von Bestandsimmobilien mit dem gleichen Steuersatz erfasst werden. Die Grunderwerbsteuer berechnet sich bekannter Maßen am Wert des Grundstücks. Deshalb ist beispielsweise bei einem Grundstückskauf mit anschließendem Neubau eines Hauses in der Regel die Grunderwerbsteuer nur auf den Kaufpreis des Grundstücks fällig. Dies ist kontraproduktiv zu der von der unionsgeführten Regierung in Angriff genommenen Nettonull beim Flächenverbrauch, da hierdurch Flächenverbrauch in bislang nicht bebauten Gebieten gegenüber einer Ertüchtigung des Altbestandes subventioniert wird. Im Übrigen sollte es der Landesregierung darum gehen, den Erwerb von Wohneigentum gerade durch junge Familien nicht zu erschweren, sondern auch Möglichkeiten finanzieller Erleichterungen zu schaffen. Für junge Familien mit durchschnittlichem Einkommen wird der Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung noch unerschwinglicher als bisher. In Zeiten, in denen die Politik zu mehr persönlicher Eigeninitiative und zur Absicherung des Alters aufruft, sorgen Eigenheimbesitzer mit ihrem Eigenheim für die Zukunft vor. Dies gilt es zu fördern und nicht durch Steuererhöhungen zu konterkarieren. Eine höhere Grunderwerbsteuer führt dazu, dass beim Erwerb älterer Immobilien an den nötigen Investitionen gespart wird, was nicht nur zu Lasten der Bauwirtschaft geht. Investiert wird dann auch nicht mehr in den Wohnungsbestand zur Hebung der Wohnqualität für Eigentümer und Mieter. Bei steigenden Steuereinnahmen noch Steuern zu erhöhen, ist der falsche Weg. Eine Grunderwerbsteuererhöhung trifft nicht nur diejenigen, die neues Wohneigentum erwerben wollen. Sie trifft auch diejenigen, die auf Mietwohnungssuche sind, weil Eigentümer solche gestiegenen Kosten weitergeben. Sie trifft auch Unternehmen bei Umstrukturierungen, wenn Grundstücke betroffen sind. Wenn ein junges Paar in der Familiengründungsphase Wohneigentum erwirbt, dann zählt jeder Euro für die Entscheidung, ob die Immobilie leistbar ist oder nicht. 1,5 % mehr Grundsteuer sind in dieser Phase viel fehlendes Geld. 2
Da nützt es auch nichts, wenn später möglicherweise eine teilweise Entlastung bei den Kinderbetreuungskosten eintrifft. Dies kommt dann in der Regel zu spät. In der Regel ist die Grunderwerbsteuer der erste Betrag, der nach dem Kaufvertrag zu bezahlen ist. Kaum ist der Notarvertrag geschlossen, liegt schon die Rechnung über die Grunderwerbsteuer im Briefkasten. Eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer wäre allenfalls dann denkbar, wenn der Ersterwerb einer Immobilie zu Wohnzwecken steuerfrei wäre und sich die Landesregierung auf einen Konsolidierungskurs einlässt und nicht wie bislang geschehen immer neue Mehrausgaben beschließt. Stellungnahme Mit Schreiben vom 9. September 2011 Nr. 3 S453.0/5 nimmt das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. ob das Grunderwerbsteueraufkommen im Land seit Bekanntwerden der geplanten Steuererhöhung zugenommen hat und ggf. in welcher Höhe die bisherigen Ist- von den Planzahlen des Haushalts abweichen; Die Entwicklung der monatlichen Einnahmen des Landes aus der Grunderwerbsteuer in den Jahren 2006 bis 2011 ist aus der Anlage ersichtlich. Danach haben sich die Einnahmen nach dem Konjunktureinbruch im Jahr 2009 seit Februar 2010 wieder positiv entwickelt. Die hohen Minder- bzw. Mehreinnahmen in den Monaten April bzw. Mai 2011 sind auf die Umstellung des EDV-Systems der Steuerverwaltung auf Konsens I zurückzuführen und insoweit zum größten Teil technischer Natur. Ob das Grunderwerbsteueraufkommen im Land seit Bekanntwerden der geplanten Steuersatzerhöhung infolge dieses Effekts zugenommen hat, lässt sich noch nicht feststellen. Im seitherigen Verlauf des Jahres 2011 dürften vor allem Konjunktureffekte für das Einnahmenwachstum maßgebend gewesen sein. Allerdings muss realistischerweise mit einem gewissen Vorzieheffekt gerechnet werden. Bis einschl. August 2011 wird das anteilige Haushaltssoll um rd. 33 Mio. Euro überschritten. 2. welches Aufkommen sie bei unterstellter Erhöhung von 1,5 Prozent für dieses und das kommende Kalenderjahr prognostiziert; Die Landesregierung geht davon aus, dass die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer im Jahr 2011 zu einem Mehraufkommen von 10 Millionen Euro und im Jahr 2012 zu einem Mehraufkommen von 350 Millionen Euro führen wird. 3. wie hoch der Anteil an der Grunderwerbsteuer ist, der sich auf bebaute Grundstücke erstreckt; Die Grunderwerbsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer, der insbesondere die Veräußerung von Grundstücken unterliegt. Es liegt in der Natur einer Rechtsverkehrsteuer, dass alle Grundstückserwerbe unabhängig von ihrer Bebauung gleichermaßen der Besteuerung unterworfen werden. Daher gibt es auch keine Aufzeichnungen darüber, in welchem Umfang bebaute und unbebaute Grundstücke der Grunderwerbsteuer unterlagen. 3
4. wie sie die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer unter dem Gesichtspunkt bewertet, dass sich diese im bebauten Innenbereich auf Grundstücke und Gebäude, im unbebauten Außenbereich nur auf das Grundstück erstreckt und wie sie den sich daraus ergebenden ökologischen Nachteil beurteilt; Die Grunderwerbsteuer wird als Rechtsverkehrsteuer unabhängig von der Lage des erworbenen Grundstücks erhoben. Dass die Grunderwerbsteuer bebaute Grundstücke höher belastet als unbebaute Grundstücke, liegt an den allgemeinen Preisunterschieden zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken. Auch der Erwerb bebauter Grundstücke in städtischen Randbereichen führt zu einer höheren Grunderwerbsteuer. II. sich beim Bund 1. für eine steuerliche Begünstigung des Ersterwerbs einer Immobilie zu eigenen Wohnzwecken vergleichbar der weggefallenen Eigenheimzulage einzusetzen; Die Landesregierung beabsichtigt nicht, sich für eine steuerliche Begünstigung selbstgenutzten Wohneigentums vergleichbar der weggefallenen Eigenheimzulage einzusetzen. Die Wiedereinführung einer Eigenheimzulage würde zu einer Komplizierung des Steuerrechts führen. Sie würde zudem zu Mitnahmeeffekten führen und damit das erwartete Mehraufkommen aus der Erhöhung der Grunderwerbsteuer schmälern oder sogar ganz aufzehren. Zudem sind keine Mehrheiten für eine Wiedereinführung der Eigenheimzulage ersichtlich. 2. für eine Steuerreform dergestalt einzusetzen, dass der Bestandserwerb einer Immobilie im Innenbereich gegenüber dem Erwerb eines Grundstücks auf der grünen Wiese begünstigt wird. Die Landesregierung beabsichtigt die Aufnahme einer Öffnungsklausel für innerstädtische Grundstücke bei der Grundsteuer, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, für satzungsmäßig festgelegte Zonen abweichende Hebesätze zu bestimmen. Dies kann aber allenfalls im Zuge der Reform der Grundsteuer, die nicht vor 2013 zu erwarten ist, zum Erfolg führen. Dann wird entsprechend dem Koalitionsvertrag auch zu prüfen sein, ob Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von innerstädtischen Grundstücken in diesen Zonen ein geeignetes Mittel zur Beschränkung des Flächenverbrauchs sind. Dr. Nils Schmid Minister für Finanzen und Wirtschaft 4
Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg Anlage Entwicklung der Einnahmen des Landes Baden-Württemberg aus der Grunderwerbsteuer in den Jahren 2006 bis 2011 Jahr Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 1. Einzelner Monat In Mio. Euro 2006 88 96 78 52 61 59 57 62 56 68 60 76 2007 88 79 71 61 69 63 68 76 72 95 61 62 2008 82 82 73 59 69 57 68 59 67 59 56 63 2009 59 50 59 52 54 56 68 61 60 56 57 56 2010 58 68 63 56 57 62 69 71 77 67 64 80 2011 68 74 72 42 90 68 70 78 Soll 2011 1) 61 72 66 59 60 65 72 74 80 70 68 84 Veränderung in v. H. 2007 0,60-17,79-8,70 17,06 13,33 5,75 17,97 22,81 27,45 40,62 1,25-18,11 2008-7,26 3,04 3,23-2,88 0,95-9,70 0,57-22,57-7,24-37,52-7,18 1,73 2009-28,33-38,48-19,07-12,93-22,23-0,36-0,12 3,10-9,60-5,66 1,92-11,01 2010-1,93 36,40 5,96 7,75 6,20 9,45 1,17 15,98 27,22 18,70 12,14 41,80 2011 18,01 8,69 14,58-24,10 57,08 9,48 1,66 9,70 Soll 2011 1) 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 2. Aufgelaufene Monate In Mio. Euro 2006 88 184 262 314 374 434 491 553 610 677 737 813 2007 88 167 238 300 368 431 499 575 647 742 802 864 2008 82 163 237 296 365 422 490 549 616 675 731 794 2009 59 109 168 220 274 330 398 459 519 575 633 689 2010 58 126 189 244 302 363 432 503 580 646 710 790 2011 68 142 214 257 346 414 484 562 Soll 2011 1) 61 132 198 257 317 382 454 529 609 679 746 830 Veränderung in v. H. 2007 0,60-9,01-8,92-4,59-1,69-0,68 1,50 3,90 6,07 9,53 8,85 6,35 2008-7,26-2,39-0,72-1,16-0,77-2,07-1,71-4,48-4,79-8,99-8,85-8,10 2009-28,33-33,39-28,97-25,75-25,08-21,77-18,76-16,40-15,67-14,78-13,50-13,30 2010-1,93 15,73 12,29 11,22 10,23 10,10 8,57 9,56 11,60 12,30 12,28 14,68 2011 18,01 12,95 13,50 4,92 14,81 13,90 11,95 11,64 Soll 2011 1) 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 5,07 1) Soll gemäß Vierter Nachtrag 2011 5