Die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge Einfluss der Unternehmenssteuerreform 2008 auf die Besteuerung von Kapitalerträgen ab dem 1. Januar 2009 Spezialisierung: Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Fach: Seminar zu aktuellen Themen Dozent: Prof. Dr. Helmuth Wilke Referenten: Wintersemester: 2008/2009 Berlin, 6. Januar 2009
I. Einführung Für im Privatvermögen erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen gilt (grundsätzlich) ab dem VZ 2009 gem. 32d Abs. 1 EStG ein gesonderter Steuersatz i.h.v. 25%. Der Steuerabzug soll direkt und anonym an der Quelle vorgenommen werden ( 43 Abs. 5 EStG). Der Kapitalertragssteuerabzug erfolgt i.d.r. mit abgeltender Wirkung. Abgeltungsteuer Zu den Besonderheiten des Steuerabzugsverfahrens gehören: Die Abschaffung des bisherigen Halbeinkünfteverfahrens und der damit verbundenen Einführung des neuen Teileinkünfteverfahrens für Beteiligungen, die eine natürliche Person im Betriebsvermögen hält. Der Umfang der Erträge, die zukünftig zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, wurde erheblich erweitert. Der Abzug tatsächlicher Werbungskosten fällt weg und wird durch den Sparer-Pauschbetrag ersetzt ( 20 Abs. 9 EStG n. F.). II. Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen Der 43 EStG n. F. bestimmt, welche Kapitalerträge der Kapitalertragsteuer unterliegen. laufenden Kapitalerträge in 20 Abs. 1 EStG n. F. z.b. Dividenden, offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, Einnahmen aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter und partiarischen Darlehen, Zinserträge, bestimmte Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen, Stillhalterprämien (neu), Erträge aus Kapital-Lebensversicherungen und Rentenversicherungen. Erträge aus Veräußerungsgeschäften 20 Abs. 2 EStG n. F. z.b. Einnahmen aus dem Verkauf von Dividenden- und Zinsscheinen, Einnahmen aus Termingeschäften, aus der Veräußerung von Finanzinstrumenten, aus der Abtretung partiarischer Darlehen, stiller Beteiligungen, Hypotheken und Grundschulden sowie Einnahmen aus der Veräußerung von Versicherungsprämien, aus Wertpapieren und aus der Veräußerungen einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft. Besondere Entgelte oder Vorteile gem. 20 Abs. 3 EStG i. V. m. den Abs. 1 und 2 z.b. Sachdividenden und Bonusaktien Der einheitliche Steuersatz wird nicht angewandt, bei Einkünften, die nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen, z.b. Gewinne oder Verluste aus dem Verkauf privater Wirtschaftsgüter (Grundstücke, Antiquitäten, Kunstgegenstände oder der Verkauf des privaten Pkw). Soweit Kapitalerträge zu anderen Einkunftsarten (L+F, GewBetrieb, Selbst. Arbeit, V+V) gehören, sind sie diesen gemäß 20 Abs. 8 EStG zuzurechnen und unterliegen folglich nicht der Abgeltungsteuer. III. Ermittlung der Einkünfte Bei den laufenden Einkünften aus Kapitalvermögen i.s.d. 20 Abs. 1 EStG n. F. sind die Einnahmen anzusetzen. Als Veräußerungsgewinn von Kapitalanlagen i.s.d. 20 Abs. 2 EStG n. F. definiert 20 Abs. 4 Satz 1 EStG n. F. den Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten. Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen (wie z. B. Transaktionskosten der Bank oder Maklercourtagen), sind abzuziehen. (1) Verlustausgleichsbeschränkung i.s.d. 20 Abs. 6 EStG Grundsatz: Eine Verrechnung von Verlusten aus Kapitalvermögen ist nur innerhalb der Einkunftsart Kapitalvermögen zulässig. Durchbrechung des Grundsatzes: Für sog. Altverluste i.s.d. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 EStG a. F. besteht ein Bestandsschutz, d.h. bis 2013 erfolgt eine vorrangige Verrechnung mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen. 2
Sonderregelung für Verluste aus Aktienverkäufen Sie unterliegen gem. 20 Abs. 6 Satz 5 EStG einer noch strengeren Beschränkung der Verlustverrechnung, wenn die Aktien nach dem 31.12.2008 erworben wurden. Diese Verluste dürfen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden. Verrechnungstöpfe Verrechnungstopf 1 alle Kapitalerträge, die nicht aus Aktiengewinnen/ -verlusten bestehen Verrechnungstopf 2 Gewinne und Verluste aus Aktiengeschäften Saldo wenn positiv: Abführung der AbgSt i.h.v 25% wenn negativ: Verlustvortrag ins Folgejahr oder Verlustbescheinigung beantragen und Wahlveranlagung vornehmen Saldo wenn positiv: Abzug festgestellter Altverluste Aktien nur im Veranlagungswege bis 2013 wenn negativ: Verlustvortrag durch die Bank Antrag auf Verlustbescheinigung durch die Bank und Wahlveranlagung (2) Abzugsverbot der Werbungskosten Dem Steuerabzug unterliegen die vollen Kapitalerträge ohne jeden Abzug ( 43a Abs. 2 EStG n. F.). Als Ausgleich soll die Einführung eines einheitlichen Sparer-Pauschbetrages 801 / 1.602 ( 20 Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 EStG n. F.) dienen. Ausnahmen vom Abzugsverbot: Erträge aus Kapitalvermögen, die nicht dem Abgeltungsteuersatz sondern der Tarifbesteuerung unterliegen (Kapitalerträge i.s.d. 32d Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 EStG). (3) Solidaritätszuschlag i.h.v. 5,5% bleibt bestehen. (4) Kirchensteuer wird als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer einbehalten, soweit eine Kirchensteuerpflicht besteht (gem. 51a Abs. 2b EStG). Außer im Wege der Veranlagung entfällt ab 2009 der Sonderausgabenabzug für die Kirchensteuer ( 10 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz EStG). Die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer findet durch die in 32d Abs. 1 EStG aufgeführte Berechnungsformel Berücksichtigung. IV. Ausnahmen von der Abgeltungsteuer und Veranlagungsmöglichkeiten Ausnahmen von der Abgeltungsteuer (1) Keine Einkünfte aus Kapitalvermögen Sofern die Einkünfte einer anderen Einkunftsart zuzurechnen sind, unterliegen sie nicht der Abgeltungsteuer. Bereits einbehaltene und abgeführte KapESt ist bei der Berechnung der Steuerlast als Einkommensteuervorauszahlung zu berücksichtigen. (2) Abstandnahme gem. 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG Keine Erträge aus Kapitalvermögen und damit keine Abgeltungsteuer, wenn Gläubiger und Schuldner nahe stehende Personen sind, das Kapital von einem wesentlich Beteiligten (mind. 10%) oder einer diesem nahe stehenden Person einer Kapitalgesellschaft überlassen wird (sog. Gesellschafter Fremdfinanzierung ) oder es sich um eine sog. back-to-back-finanzierung handelt. Ziel dieser Abstandnahme ist es, dass betriebliche Gewinne nicht durch die geringe Abgeltungsteuer in Form von Darlehenszinsen ausgeschüttet werden können. Diese Erträge unterliegen der Versteuerung mit dem individuellen Steuersatz. 3
(3) Option bei fremdfinanzierten Anteilen an KapG Steuerpflichtige können sich auf Antrag gem. 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG von der Abgeltungssteuer auf Erträge dieser Kapitalgesellschaft befreien, wenn sie zu min. 25% an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind oder zu min. 1 % beteiligt sind und gleichzeitig für diese beruflich tätig sind. Hierbei handelt es sich weiterhin um Einkünfte aus Kapitalvermögen, jedoch ist das Teileinkünfteverfahren anwendbar und die Versteuerung erfolgt zum individuellen Steuersatz. Bereits einbehaltene und abgeführte KapESt wird auf die Einkommensteuer angerechnet. (4) Freistellungsauftrag / Nichtveranlagungsbescheinigung Hat der private Anleger einen Freistellungsauftrag gem. 44a Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von max. 801 / 1.602 den abgeltungsteuerabführenden Instituten vorgelegt, so ist bis zu dieser Höhe nach Beachtung des Verlustverrechnungstopfes keine Abgeltungsteuer einzubehalten und abzuführen. Kommt eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht in Betracht, kann durch Vorlage einer Nichtveranlagungsbescheinigung vom Steuerabzug Abstand genommen werden ( 44a Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 EStG n. F.). (5) Kein Steuerabzug an der Quelle Kapitalerträge, die keinem KapESt-Abzug im Inland unterlegen haben, z.b. Privatdarlehen, im Ausland erzielte Erträge ( 32d Abs. 3 EStG) sowie Zinserträge aus Forderungen gegenüber dem Finanzamt sind in der Einkommensteuererklärung gesondert anzugeben und werden mit 25% versteuert. Veranlagungsmöglichkeiten (1) Wahlveranlagung Bereits abgegoltene Kapitalerträge sollten dennoch in der Einkommensteuererklärung angegeben werden, wenn u.a. folgende Tatbestände nicht berücksichtigt oder geltend gemacht worden sind: Sparer-Pauschbetrag Anrechnung ausländischer Quellensteuer Berücksichtigung eines Verlustes bzw. Verlustvortrages Ersatzbemessungsgrundlage (nachteilig) (2) Option individueller Steuersatz (Günstigerprüfung) Steuerpflichtige, deren persönlicher Steuersatz unter dem Abgeltungsteuersatz von 25% liegt, können zum individuellen Steuersatz optieren. Nachteilig hierbei ist, dass sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen im Vergleich zur Abgeltungsteuer in der Einkommensteuererklärung angeben werden müssen. Das Finanzamt ist zur Günstigerprüfung verpflichtet. V. Ausgewählte Beispiele (1) Dividenden Ein Aktionär erhält im Jahr durchschnittlich 10.000 an Dividenden. (ohne SolZ + KiSt) Zuflussjahr 2007/2008 2009 Kapitalerträge 10.000 10.000 davon steuerpflichtig 5.000 10.000 Freibetrag/Pauschbetrag - 801-801 zu versteuern 4.199 9.199 Steuersatz 45% 25% fällige Steuer 1.890 2.300 negative Auswirkung AbgSt 410 4
(2) Veräußerungsgeschäfte Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung Anteilen an KapG (Rechtslage ab 2009) Betriebsvermögen Anteile sind im Privatvermögen natürliche KapG Person Beteiligung an KapG Haltedauer unerheblich Beteiligungshöhe < 1% 1% Höhe unerheblich steuerpfl. Veräußerungsgewinn 100% 60% 60% 5% Veräußerungsgewinn Aufwendungen nur Transaktionskosten abzugsfähig WK zu 60% BA zu 60% BA zu 100% Besteuerungsmethode AbgSt TEV 8b KStG Steuersatz 25% + SolZ + ggf. KiSt ESt-Tarif (max. 45%) + SolZ + ggf. KiSt 15% KSt + Solz +GewSt (Quelle: Ebner, Stolz & Partner, in: Focus Steuern, Steuern und Kapitalanlagen Abgeltungssteuer 2009 Systemumstellung für die Geldanlage v. 02.04.2007) (3) Kapitallebensversicherungen bis 31.12.2004 unschädlich, wenn Auszahlung frühestens nach Ablauf von 12 Jahren nach Vertragsabschluss laufende Erträge für min. 5 Jahre gezahlt wurden Todesfallschutz min. 60% ab 01.01.2005 unschädlich, wenn Steuerpflichtiger ist min. 60 Jahre alt Vertragsabschluss vor min. 12 Jahren bis 31.12.2004 ab 01.01.2005 lfd. Erträge unschädlich Steuerfrei 50% Tarifsteuer lfd. Erträge schädlich Veräußerung unschädlich Steuerfrei Veräußerung schädlich 50% (4) Sonstige Kapitalforderungen lfd. Erträge Veräußerung vor 2009 Individueller Steuersatz Sonstige Einkünfte-Regelung nach 2008 Abgeltungsteuer Abgeltungsteuer Ausnahme: 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (s.o.) (5) Stillhalterprämien Gemäß ( 20 Abs. 1 Nr. 11 i.v.m. 52a Abs. 9 EStG) handelt es sich bei Stillhalterprämien ab 2009 um Einkünfte aus KapV, wobei sich die BMG aus der empfangenen Stillhalterprämie abzüglich einer Glattstellungsgebühr errechnet und in der Einkommensteuererklärung angegeben werden muss. Abgeltungsteuersatz = 25%. 5