Pragmatik II. Sprechakte Satztyp und Illokution. Pragmatik 2 1

Ähnliche Dokumente
Pragmatik Einführung in die Sprechakttheorie

12 Sprechakte Äußerungen als Handlungen Direkte Sprechakte Indirekte Sprechakte Sprechakte und Satztypen

Herbert Paul Grice ( ): Konversationsmaximen

Sprechen und Handeln; Einführung in die Sprachphilosophie unter pragmatischem Aspekt Martine Nida-Rümelin Sommer 06 Vorlesung 6

6 Pragmatik. Kerstin Schwabe (& Hubert Truckenbrodt) WS 2009/10 1

Pragmatik I. Gerrit Kentner

Sprechaktklassifikation

Folien von Manfred Krifka. Verwendung mit freundlicher Erlaubnis des Autors

TEXTPROSEMINAR John L. Austin Performative Äußerungen SS 2013

12 Sprechakte Äußerungen als Handlungen Äußerungen als Handlungen Direkte Sprechakte Indirekte Sprechakte

Sprechakte. Was sind Sprechakte? Sprechakt-Theorie. Sprechakte: Frege

Sprechakte. Einführung in die Pragmatik. Universität Potsdam. Tatjana Scheffler

Pragmatik: Handeln mit Sprache

Konstative Performative A. Umstände

Pragmatik. _kommunikativer Sinn (im Sinne von 1.3; vgl. Löbner) 2. Theorie der Präsuppositionen und Implikaturen. Sprechakttheorie: der Ansatz

Austin ( )und Searle(*1932): Kommunikationstheorie als Sprechakttheorie

Was bisher geschah. Pragmatik II

Lösungen Allgemeines. Präsuppositionen. Pragmatik II. Gerrit Kentner

Pragmatik. Ending Khoerudin Deutschabteilung FPBS UPI

Judgements and Acts. Sprechakte. (zum Großteil übernommen von Manfred Krifkas Folien zum HS Sprechakte und Satztypen, SoSe 2007, HU Berlin)

Pragmatik in der Sprache und im Comic. Präsupposition und Inferenz; kommunikative Relevanz

Was bisher geschah. Pragmatik III. Klassifikation illokutionärer Akte

Deutsch Grammatik 1 / 12 Der Konjunktiv I und II

Subjekt- und Objekt-Sätze

Die Sprechakttheorie: Teilakte, Illokutionstypen, illokutionäre Kraft

Übung zur Vorlesung Pragmatik (Einführung in die allgemeine Sprachwissenschaft)

Einführung in die Pragmatik und Diskurs: Sprechakte

1. Sprachphilosophie: Das Was?

SMS Schnell-Merk-System

Motivation für Pragmatik. Einführung in die Allgemeine Sprachwissenschaft: Pragmatik. Was Untersucht Pragmatik? Sprachliche Kommunikation

Kopiervorlagen. Schulgrammatik extra. Deutsch. 5. bis 10. Klasse. Arbeitsblätter zum Üben und Wiederholen von Grammatik

Wiederholung des Konjunktiv I. NIVEAU NUMMER SPRACHE Mittelstufe B2_2055G_DE Deutsch

Pragmatik - Pragmalinguistik

Pragmatik I. Deixis Anapher Implikatur Die 4 Grice'schen Maximen. Pragmatik 1 1

2 Bedeutung, Kontext, Kommunikation

Jojo sucht das Glück - 2 Folge 12: Kein Scherz

Behauptung. Christoph Lumer. (In: Hans Jörg Sandkühler (Hg.): Enzyklopädie Philosophie. Bd. 1. Hamburg: Meiner S )

2. Wo sich die Formen des Konjunktivs I nicht von denen des Indikativs unterscheiden, verwendet man der Deutlichkeit wegen den Konjunktiv II.

Einführung in das Studium der romanischen Sprachwissenschaft Französisch Pragmatik

Lektion 3: Sprechaktkompetenz

VP vs.?p. N V P N? N P N V Peter kommt nach Hause...dass Peter nach Hause kommt. Syntax V 2

IMPERATIV AUS PRAGMATISCHEM BLICKWINKEL

Christian Nimtz //

WERDEN-PASSIV (Es existiert ein Täter, der mit von fakultativ erwähnt werden kann)

2 Bedeutung, Kontext, Kommunikation

DIE HABERMAS SCHE THEORIE DER SPRECHAKTE (EIN BEITRAG ZUR PRAGMALINGUISTIK)

Einführung in die Linguistik, Teil 4

ONLINE - GRAMMATIK. Satzarten

Unsere Regeln. An unserer Schule sollen sich alle wohl fühlen, damit das Lernen und Leben gut gelingt.

KAPITEL I EINLEITUNG

Aufnahmeprüfung 2016 Deutsch. 12.März 2016 LÖSUNGSVORSCHLAG

Argumentationstheorie 3. Sitzung

sich die Schuhe zubinden können den Weg zum Bahnhof kennen die Quadratwurzel aus 169 kennen

Der Imperativ-Satz drückt einen Befehl oder eine Anweisung aus. Er endet mit einem Ausrufezeichen.

Bagatellisierung deutscher Aufforderungen durch Abtönungspartikeln

Ein Problem diskutieren und sich einigen Darauf kommt es an

UE Unterrichtssequenz Seite Kommunikative Absicht Grammatik Phonetik / Lerntagebuch 1 Die erste Stunde im Kurs. Berufe benennen und erfragen

Ein blöder Tag. Grundwissen Deutsch: das Verb - Modus. PDF wurde mit pdffactory Pro-Prüfversion erstellt.

0. Überblick; Bibliographie; Referatsthemen

Die Inhaltsangabe. am Beispiel von Kurzgeschichten Wolfgang Borcherts. -Literaturmappe zum GORILLA-Band Durch Nacht und Wind

Syntax III. Syntaktische Funktionen von Sätzen Satztypen Eingebettete Sätze

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Du weißt schon alles.

Die Modalverben. a) Vollverben: singen, spielen Die Vollverben können alleine ein Prädikat bilden. Beispiel: Ich spiele jeden Donnerstag Volleyball.

Wort. nicht flektierbar. flektierbar. Satzgliedwert. ohne Satzwert. mit Fügteilcharakter. ohne. Fügteilcharakter

Semantik III. Argumentstruktur/Theta-Rollen Typen von Extensionen/Valenz Wahrheitswerte Proposition. Semantik 3 1

Implikatur. - Implikatur = pragmatische Schlussfolgerung / erschlossene Gesprächsandeutung

Syntax - Das Berechnen syntaktischer Strukturen beim menschlichen Sprachverstehen (Fortsetzung)

KOMMUNIKATION. Definition und Ansätze

LÖSUNGEN ZU AUFGABE (41)

Lösungsansätze Bestimmung der finiten Verben

AUFNAHMEPRÜFUNG 2016 Deutsch

einmal den Unterschied zwischen einem

Wahrheit individuell wahr, doch die Art, wie wir das, was wir wahrnehmen, rechtfertigen und erklären, ist nicht die Wahrheit es ist eine Geschichte.

In diesem Abschnitt stehen Transaktionen im Mittelpunkt. Hierbei geht es darum, wie bei Mehrbenutzerbetrieb die Integrität von Datenbanken

ENGLISCH Klasse5 Zeit Unit 1: Lernbereiche Kompetenzen Anforderungen aus den Lernbereichen OL: Seite/Übung 5,5

Wirkungsvoll schreiben : Tipps zu schwierigen Kundensituationen

Mit Jesus gestorben und auferstanden!

p Texte der Hörszenen: S.140

Inhalt. Basisinfos Konjugieren Person/Numerus Tempora (Zeitstrahl) Das Verb: Stamm und Endung Zeiten. genus verbi: Aktiv-Passiv modus verbi

Swimmingpool. Und plötzlich passiert nichts nur jemand lacht, ein Glas zerbricht Plötzlich, passiert nichts Und das ist ok, wir sind ok

Um Lob auszusprechen...

4 Szene 1: Ankunft in Grünheide 5 Szene 2: Auf dem Parkplatz in Grünheide 6 Szene 3: In der Redaktion Texte der Hörszenen: S. 132

Download. Action-Hausaufgaben Mathe 1+2. Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen. Sandra Sommer. Action-Hausaufgaben MATHE. 1./2.

Magisterarbeit. Verbzweitstellung in Komplementsätzen

Was ich an dir liebe, Sohn

Die Ethik ist das Verständnis des richtigen Handelns, Brauchs und der Sitte - das Verständnis von Gut und Böse also.

Mathem.Grundlagen der Computerlinguistik I, WS 2004/05, H. Leiß 1

> propositionaler Gehalt. Was ist der Verwendungszweck in einer bestimmten Situation? > kommunikative Funktion

Satztypen, Satz und Illokution

Sprechakte und Satztypen

Raus aus dem Hamsterrad

Was ich an dir liebe, Tochter

Beobachtungsbogen. für Beratungen im Kontext von UK (buk 1997) Personalien. Name: Datum der Abklärung: Beobachter/-in: Bemerkungen:

Jojo sucht das Glück - 2 Folge 31: Kein Sinn

Adverbiale Bestimmungen. NIVEAU NUMMER SPRACHE Mittelstufe B2_1065G_DE Deutsch

Verhalten in herausfordernden Situationen

Was man mit Verben machen kann

ICH SCHREIBE... - ICH SCHREIBE, UND ICH MÖCHTE DARÜBER SCHREIBEN, "WARUM ICH SCHREIBE". -

Transkript:

Pragmatik II Sprechakte Satztyp und Illokution Pragmatik 2 1

Reden vs. Handeln In bestimmten Äußerungen wird deutlich, dass Reden und Handeln in engem Zusammenhang stehen können: a. "Ich taufe dieses Schiff hiermit auf den Namen Lord Nelson." b. "Ich entschuldige micht für die Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes." Performative Äußerung Wenn jedoch nur Kleinigkeiten im selben Satz verändert werden, verschwindet die Performativität (konstative Äußerung): a. "Ich werde dieses Schiff auf den Namen Lord Nelson taufen." b. "Ich habe mich doch entschuldigt." Pragmatik 2 2

Reden vs. Handeln Performative Äußerungen können missglücken entweder durch unabsichtlichen Fehlschlag oder durch absichtlichen Missbrauch: Sprachliche Unglücksfälle Fehlschlag Missbrauch (Handlung kommt nicht zustande) (Handlung kommt zustande, ist aber hohl) Fehlberufung Fehlanwendung Unaufrichtigkeit Bruch Lüge Unehrlichkeit Heuchelei Pragmatik 2 3

Performative Äußerungen Beispiele a. Fehlberufung: Ehefrau zu ihrem Mann: "Ich scheide mich hiermit von dir." (Nicht rechtskräftig) b. Fehlanwendung: Priester: "Hiermit taufe ich dich." (Ohne den Namen zu nennen) c. Bruch: "Ich verspreche dir, den Brief einzuwerfen." (Macht es aber dann nicht) d. Lüge: "Peter ist nicht zu Hause", wenn Peter im Hintergrund steht. e. Unehrlichkeit: "Ich verspreche dir, den Brief einzuwerfen." (Ohne das Versprechen einhalten zu wollen) f. Heuchelei: "Mir tut es so leid, dass dein Hund gestorben ist." (Zu einer anderen Person: "Endlich kläfft das Vieh nicht mehr den ganzen Tag herum.") Pragmatik 2 4

Performative Äußerungen Im Prinzip sind alle Äußerungen Handlungen (Sprechakte). Bei manchen wird das jedoch explizit deutlich gemacht, bei manchen nicht. Explizite Performative sind Äußerungen, durch die die Handlung vollzogen wird, die von der Äußerung bezeichnet werden: Ich bitte dich, das Fenster zuzumachen! Ich behaupte, dass niemand zu solch einer Tat fähig ist. Implizite Performative sind Äußerungen, bei denen die Handlung, die durch die Äußerung bezeichnet wird, nicht ausgeführt wird: Mach das Fenster zu! Niemand ist zu so einer Tat fähig. Bei impliziten Performativen gibt es kein einleitendes Verb, das den Sprechakt deutlich macht. Auch die Form ist wenig aufschlussreich: mit Imperativsätzen kann man Befehle, Aufforderungen, Verbote, Wünsche etc. ausdrücken. Pragmatik 2 5

Aufgabe Welche der folgenden Sätze sind explizite Performative? Liegen sprachliche Unglücksfälle vor und wenn ja, welche? a. Ich lade dich hiermit zum Essen ein. b. Ich habe dich für morgen zum Essen eingeladen. c. Hiermit erkläre ich uns zu Mann und Frau. d. Komm morgen zum Essen! e. Ich bitte Sie hiermit um Verständnis. f. Ich verspreche dir, dass dir nie mehr jemand etwas Böses tun wird. Pragmatik 2 6

Aufgabe Welche der folgenden Sätze sind explizite Performative? Liegen sprachliche Unglücksfälle vor und wenn ja, welche? a. Ich lade dich hiermit zum Essen ein. - explizit performativ b. Ich habe dich für morgen zum Essen eingeladen. - nicht explizit performativ c. Hiermit erkläre ich uns zu Mann und Frau. - explizit performativ, aber: Fehlberufung. d. Komm morgen zum Essen! - nicht explizit performativ e. Ich bitte Sie hiermit um Verständnis. - explizit performativ f. Ich verspreche dir, dass dir nie mehr jemand etwas Böses tun wird. - explizit performativ, aber: Fehlberufung Pragmatik 2 7

Übersicht: Aufbau von Sprechakten Unter der Sichtweise "Sprechen = Handeln" gibt es mehrere Ebenen, in die wir unsere Aussagen aufgliedern müssen (Searle 1969): a. Äußerungsakt: Die Handlung, Wörter oder Sätze zu äußern (z.b. auch in Ausspracheübungen) [pe:tɐ ɪst kro:s] b. Propositionaler Akt: man referiert auf etwas oder präzidiert über etwas in einer bestimmten Situation (z.b. Peter ist groß ein bestimmter Peter hat eine bestimmte Eigenschaft). - wörtliche Bedeutung c. Illokutionärer Akt: eine Proposition kann auf verschiedene Weisen geäußert werden und verschiedene Sprechakte repräsentieren (Peter verlässt Berlin./ Verlässt Peter Berlin?/Peter, verlass Berlin!) d. Perlokutionärer Akt: bezeichnet die Auswirkungen der Äußerung: Einschüchtern, Überzeugen, Umstimmen, Ausführen einer Tätigkeit Pragmatik 2 8

Beispiele: Aufbau von Sprechakten In einem Kochbuch: "Jetzt das Mehl unterrühren!" a. Äußerungsakt: Die Hervorbringung der Lautkette, grammatisch korrekter Satz. [jɛtst das me:l ʊntɐry:rən] b. Propositionaler Akt: Es gibt jemanden, der eine bestimmte Quantität an Mehl unterrührt. (Das Subjekt wird nicht explizit genannt.) c. Illokutionärer Akt: Es handelt sich um eine Aufforderung oder Anweisung an den Leser. Der Leser ist das implizite Subjekt/der Adressat. Jemand soll Mehl unterrühren. d. Perlokutionärer Akt: die Folge dieser Aufforderung sollte sein, der Hörer zu einer Handlung gebracht wird, eine Tätigkeit ausführt, nämlich dass er das Mehl unterrührt. Pragmatik 2 9

Illokutionäre Akte Die illokutionären Sprechakte lassen sich nun in 5 Untergruppen zusammenfassen: a. Assertiv: die Äußerung ist wahr, entspricht der Welt, Wort-Welt- Ausrichtung; behaupten, feststellen; psychischer Zustand: glauben b. Direktiv: jemanden dazu bringen, etwas zu tun, Welt-auf-Wort- Ausrichtung; befehlen, bitten, auffordern, fordern, fragen; psychischer Zustand: wollen, wünschen Pragmatik 2 10

Illokutionäre Akte c. Kommissiv: sich selbst auf eine Handlung festlegen, Welt-auf- Wort-Ausrichtung; drohen, versprechen, anbieten; psychischer Zustand: Absicht. d. Expressiv: drückt Gefühlslage des Sprechers aus, keine bestimmte Wort-Welt-Ausrichtung, danken, sich entschuldigen, Beileid aussprechen, gratulieren; psychischer Zustand: psychischer Zustand. e. Deklarativ: Sprecher erreicht, dass durch eine erfolgreiche Deklaration die Welt dem Wort entspricht und umgekehrt, Ausrichtung: Wort-auf-Welt UND Welt-auf-Wort; taufen, kündigen, Krieg erklären; kein besonderer psychischer Zustand. Pragmatik 2 11

Aufgabe 1) Beschreiben Sie die 4 Ebenen/Akte für folgende Äußerungen! 2) Ermitteln Sie, welcher Untertyp des illokutionären Sprechaktes vorliegt! a. Peter zu Maria: "Es tut mir sehr leid, dass ich dein Bild kaputt gemacht habe." b. Maria zu Peter (mit Blick auf das offene Fenster): "Es ist ganz schön kalt hier." Pragmatik 2 12

Aufgabe: Aufbau von Sprechakten a. Peter zu Maria: "Es tut mir sehr leid, dass ich dein Bild kaputt gemacht habe." Äußerungsakt: die Aussprache des Satzes. [ɛs tu:t mi:ɐ se:ɐ laɪt das ɪç daɪn bɪlt kapʊtgəmaxt hɑ:bə] Propositionaler Akt: Peter hat ein Bild kaputtgemacht. Diesen Umstand bedauert er sehr. Illokutionärer Akt: Expressiv (sich entschuldigen) Perlokutionärer Akt: Maria soll sich besser fühlen und Peter vergeben. Hierzu Folge aus Friends, Staffel 5, Episode 6, 7min29 b. Maria zu Peter (mit Blick auf das offene Fenster): "Es ist ganz schön kalt hier." Äußerungsakt: die Aussprache des Satzes. [ɛs ɪst gants ʃø:n kalt hi:ɐ] Propositionaler Akt: Der Raum, in dem sich Maria befindet, hat die Eigenschaft "kalt". Illokutionärer Akt: 2 Möglichkeiten: Assertiv (feststellen) oder direktiv (auffordern) Perlokutiver Akt: 2 Möglichkeiten: Peter soll informiert werden oder Peter soll dazu gebracht werden, das Fenster zu machen -> Indirekter Sprechakt Pragmatik 2 13

Indirekte Sprechakte Sprechakte können auf der Ebene der Illokution manipuliert werden, d.h. man kann eine Art von Illokution benutzen, um stattdessen bzw. zusätzlich eine andere auszudrücken (indirekte Sprechakte). Dies wird besonders sichtbar bei direktiven Sprechakten. Alle Beispiele auf der folgenden Folie sind in der Lage die Aufforderung x (Mach die Musik leiser!) auszudrücken Pragmatik 2 14

Indirekte Sprechakte a. Könntest du die Musik leiser stellen? b. Du kannst doch bestimmt die Musik leiser stellen. c. Mir wäre es ganz recht, wenn du die Musik leiser stellen würdest. d. Wirst du wohl die Musik etwas leiser stellen? e. Du stellst jetzt gleich die Musik ein bisschen leiser. f. Würde es dir etwas ausmachen, die Musik nicht so laut aufzudrehen? g. Es spricht eigentlich nichts dagegen, die Musik etwas leiser zu drehen. h. Wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich bitten würde, die Musik möglicherweise ein klein bisschen weniger laut aufzudrehen? Pragmatik 2 15

Indirekte Sprechakte a. Könntest du die Musik leiser stellen? - Frage, ob x (Fähigkeit) b. Du kannst doch bestimmt die Musik leiser stellen. - Behauptung, dass x c. Mir wäre es ganz recht, wenn du die Musik leiser stellen würdest. - Thematisierung des Wunsches, dass x d. Wirst du wohl die Musik etwas leiser stellen? - Frage, ob x (Zutreffen) e. Du stellst jetzt gleich die Musik ein bisschen leiser. - Feststellung, dass x f. Würde es dir etwas ausmachen, die Musik nicht so laut aufzudrehen? - Frage, ob x (Bereitschaft) g. Es spricht eigentlich nichts dagegen, die Musik etwas leiser zu drehen. - Feststellung, dass keine Gründe gegen x sprechen h. Wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich bitten würde, die Musik möglicherweise ein klein bisschen weniger laut aufzudrehen? - Thematisierung der Bitte nach x (Maxime der Art und Weise) Pragmatik 2 16

Indirekte Sprechakte Wie werden indirekte Sprechakte entschlüsselt? Kooperativität als Grundlage Schritt 1: Adressat erkennt den offensichtlich vorliegenden illokutionären Akt (z.b. Frage oder Feststellung). (Maria zu Peter: "Es ist kalt hier.") Schritt 2: Adressat erkennt, dass in der gegebenen Gesprächssituation die Beantwortung der Frage oder das Bestätigen der Feststellung nicht das Ziel des Sprecher sein KANN. (# Peter: "Ja, du hast recht.") Schritt 3: Adressat nimmt an, dass kooperatives Verhalten vorliegt und schließt deshalb darauf, dass ein anderer bzw. weiterer illokutionärer Akt angenommen werden muss. Schritt 4: Analyse der propositionalen Ebene: was passiert gerade? Sind die Bedingungen für eine Handlung gegeben? (z.b. Peter sitzt nah am Fenster und wäre in der Lage die Kälte zu verhindern -> Interpretation als Aufforderung). Pragmatik 2 17

Illokutionärer Indikator Anhand des Satztyps kann man nach Searle erkennen, welcher illokutionäre Akt ausgedrückt werden soll (illokutionärer Indikator). Hierzu muss beachtet werden: Wortfolge: V2, V1, VL Betonung/Intonation: steigende oder fallende Satzmelodie Interpunktion: Punkt, Fragezeichen, Ausrufungszeichen Modus des Verbs: Indikativ, Imperativ, Konjunktiv Performative Verben: erklären, einladen, auffordern,... Pragmatik 2 18

Illokutionärer Indikator Anhand des Satztyps kann man nach Searle erkennen, welcher illokutionäre Akt ausgedrückt werden soll (illokutionärer Indikator). Hierzu muss beachtet werden: Wortfolge: V2, V1, VL Ich nehme das Auto. vs. Nimm das Auto! vs. Ob er das Auto nimmt? Betonung/Intonation: steigende oder fallende Satzmelodie Du nimmst das Auto? vs. Du nimmst das Auto! Interpunktion: Punkt, Fragezeichen, Ausrufungszeichen Du nimmst das Auto./!/? Modus des Verbs: Indikativ, Imperativ, Konjunktiv Du nimmst das Auto. vs. Nimm das Auto! vs. Würde er nur das Auto nehmen. Performative Verben: erklären, einladen, auffordern,... Ich fordere dich auf, das Auto zu nehmen./ Ich erkläre dich zu Chef. Pragmatik 2 19

Illokutionärer Indikator Fürs Deutsche werden 5 Klassen von Satztypen angenommen: a. Aussagesatz/Deklarativ: prototypisch: V2, Assertive Peter nimmt heute das Auto. b. Fragesatz/Interrogativ: prototypisch: W-Frage oder V1, Frage (Direktive) Wohin fährst du? Fährst du weg? c. Imperativsatz: prototypisch: V1, Imperativmodus, Direktive (Aufforderung) Nimm das Auto! d. Wunschsätze/Optative: V1, dass-, wenn-sätze, prototypisch: Wunsch (direktiv) Wenn er doch das Auto nehmen würde! Würde er doch das Auto nehmen! e. Exklamativsatz: verschiedene Wortfolgen, Expressive (bemerkenswert) Der sieht aber gut aus! Sieht der aber gut aus! Wie sieht denn der aus! Pragmatik 2 20

Aufgabe Ordnen Sie die folgenden Sätze den Satztypen auf der vorherigen Folie zu (Satzzeichen absichtlich ausgelassen): a. Die hat ja mal eine blöde Frisur b. Hätte ich nur den Regenschirm mitgenommen c. Peter putzt die Fenster d. Hast du den Regenschirm mitgenommen e. Nimm den Regenschirm mit f. Bitte einsteigen g. Dass du mir ja gut heim kommst h. Ob er wohl zu Hause ist i. Was hat der für ein cooles Auto j. Jetzt nerv mich nicht k. Du nimmst den Regenschirm mit Pragmatik 2 21

Aufgabe Ordenen Sie die folgenden Sätze den Satztypen auf der vorherigen Folie zu (Satzzeichen absichtlich ausgelassen): a. Die hat ja mal eine blöde Frisur! - Exklamativ b. Hätte ich nur den Regenschirm mitgenommen - Optativ c. Peter putzt die Fenster - Deklarativ d. Hast du den Regenschirm mitgenommen - Interrogativ e. Nimm den Regenschirm mit - Imperativ f. Bitte einsteigen - Imperativ g. Dass du mir ja gut heim kommst - Optativ h. Ob er wohl zu Hause ist - Interrogativ i. Was hat der für ein cooles Auto - Exklamativ j. Jetzt nerv mich nicht Imperativ k. Du nimmst den Regenschirm mit./!/? Imperativ, Deklarativ oder Interrog. Pragmatik 2 22

Zusammenfassung Es gibt prototypische Erkennungsmerkmale im Deutschen, was die Satztypen anbelangt. Vom Satztyp kann man häufig auf den prototypischen illokutionären Akt schließen. Jedoch gibt es sowohl in Form als auch in Funktion Abweichungen von dem prototypischen Merkmalen. So sind beispielsweise nicht alle Imperativsätze V1 oder finit. Insgesamt ist die illokutionäre Ebene am schwierigsten zu entschlüsseln, da auch ein indirekter Sprechakt vorliegen kann. Pragmatik 2 23