Fragen. Palliative Geriatrie in der Altenhilfe

Ähnliche Dokumente
Palliation. Palliation. Kuration. Kuration. SAPV und Altenpflege Freund oder Feind? Ein Paradigmenwechsel auf ganzer Linie.

Palliative Geriatrie

Palliative Maßnahmen. Caritas Ambulanter Hospizdienst Sr. M. Therese Jäger Romanstraße München

Demenz durch die Brille des Palliativmediziners

Hausärztliche Palliativversorgung. Institut für Allgemeinmedizin Prof. Dr. Nils Schneider

Palliativversorgung im Pflegeheim

Perkutane Endoskopische Gastrostomie beim alten Menschen und drohender Pflegenotstand

Palliativmedizin - Individualisierte Therapie und psychosoziale Versorgung - Ulrike Bock / Hubert J. Bardenheuer

Palliative Versorgung und Schmerztherapie

Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin. Sterbeorte in Deutschland

Behandlungsentscheidungen gemeinsam treffen wie? Demenz -Patienten

Palliativmedizin (Q13) WS 2017/2018

Palliativversorgung im Pflegeheim. Arbeitsgruppe Palliative Care im Pflegeheim des Schleswig Holsteinischen Hospiz- und Palliativverbandes (HPVSH)

Hospiz und Palliativpflege im stationären Bereich


Kooperationsvereinbarung PalliativNetz Darmstadt (PaNDa)

Best Practice erfolgreiche Projekte aus der Praxis Palliative Care

Palliative Care und Demenz

Wann Regelversorgung, wann SAPV? Qualitätszirkel Pflege

Palliative Care in der LZP:

PALLIATIVBETREUUNG GESTERN HEUTE - MORGEN HERBERT WATZKE ABTEILUNG FÜR PALLIATIVMEDIZIN MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT UND ALLGEMEINES KRANKENHAUS WIEN WIEN

Inhaltsverzeichnis. Bibliografische Informationen digitalisiert durch

Zwischen Theorie und Praxis

Die grossen globalen Herausforderungen. Frieden Freiheit Armut Umwelt Altersfürsorge

Palliativmedizinischer Konsiliardienst Informationen für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter

Die Infostelle Palliative Care Kanton Baselland. Heike Gudat. Koordinationskonferenz Palliative Care BL 31. Mai 2017, Liestal

Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene

Sicht der Versorgungsforschung

Palliativbetreuung dementer Patienten

Gespräche über Leben und Tod. Stein Husebø

Qualitätskriterien für die Langzeitpflege in der Schweiz

Das letzte Lebensjahr

Inhaltsverzeichnis. 1 Palliativmedizin Ethik... 43

Palliative Care in der Regelversorgung

Palliative Versorgung dementer Patienten in Pflegeheimen. Elke Fischer

Palliativ-Team Ortenau - SAPV was ist das? Was ist SAPV?

Zum Für F r und Wider einer künstlichen Ernährung

Palliative Care Kompetenzzentrum. Palliative Care Kompetenzzentrum. Akutspital Psychiatrie Geriatrie Palliative Care

Was bedeutet Palliativmedizin und ab wann setzt die Notwendigkeit einer palliativen Behandlung ein?

SAPV Die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung

Patienten-zentrierte Versorgungskonzepte in der Krebsbehandlung

Palliative Care. Unheilbar krank welche Wünsche begleiten Menschen aufdem letzten Lebensabschnitt? Psycho-Onkologie Tagung Rheinfelden

Hospice und Palliative Care

Ambulante Palliativpflege: Auch im Heim!?

Leben bis zuletzt Die hospizliche und palliative Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen

Was ist Kinderpalliativversorgung?

Pflege und Versorgung von Menschen in der letzten Lebensphase Der Palliativ-Geriatrische Dienst

Notfallkoffer Palliativmedizin der Einstieg

Hospizbewegung. Norbert Heyman Katholischer Krankenhausseelsorger

Palliative Care beim geriatrischen Patienten. Petersberg, 22. Mai Dr. med. Katri Elina Clemens Klinik für Palliativmedizin

WHO Definition von "Palliative Care

Wir können ihn doch nicht verdursten lassen. Fakten und Mythen zur Ernährung und Flüssigkeit am Lebensende

BAnz AT B1. Beschluss

Palliativmedizin. Eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem. Stephanie Rapp Allgemeinmedizin Palliativmedizin

Demenzkranke Was sind uns diese Menschen wert?

25. Dresdner Pflegestammtisch

Palliative Versorgung an Demenz erkrankter Menschen

Ablauf der Entscheidungsprozesse zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)

Stationäres Hospiz als Teil der Versorgung

Palliative Care für Demenzkranke

Welche Palliative Care brauchen hochaltrige Menschen?

Versorgung schwerstkranker Schmerzpatienten

Psychische Krisen und schwierige Übergänge im Verlaufe unheilbarer Erkrankungen.

Bürgertag zur Altershospizarbeit

Volksbank Delbrück-Hövelhof e.g. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügug

DAS PALLIATIVZENTRUM HILDEGARD: AUF KOMPLEXE KRANKHEITEN SPEZIALISIERT.

Das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung erweitert sich

DRK Krankenhaus Kirchen. Palliativstation

Modelle vernetzter Palliativversorgung. Standortbestimmung Möglichkeiten Gefahren

Leben mit dem Sterben Bergen Rote Kreuz Pflegeheim ein nationales Modellprojekt. Friedenskirche Potsdam

Weiterbildung Palliative Care

Spezialisierte Ambulante PalliativVersorgung (SAPV)

Wie können ethisch gut begründete Entscheidungen am Lebensende getroffen werden?

Ich bin in meiner Welt gefangen!

Dokumentation zum Sterbefasten

Symptomkontrolle in der Palliativen Geriatrie. Dr. med. Roland Kunz Chefarzt Geriatrie + Palliative Care

Autonomie am Lebensende ist denn das die Möglichkeit? Katrin Schlachte Hospizdienst Elisa Zwickau Sächsische Krebsgesellschaft Bad Elster 7.9.

Palliativstation Klinikum Mittelmosel, St. Josef- Krankenhaus in Zell

DGKP Franz Lackner 1

Pilotprojekt Adhärenz und Sicherheit bei oraler Tumortherapie SGMO/OPS Erste Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Praxis

Palliativmedizin als symptomorientierte Behandlung inkurabler (Tumor-) Erkrankungen

Zentrum für Palliativmedizin

Wie möchten die Menschen sterben. Welche Probleme ergeben sich daraus? Dr.med. Regula Schmitt Tila Stiftung, Bern

Die letzten Tage und Stunden Bettina Husebö

Palliative Care im Spital

Menschen mit Behinderung im Alter Eine gesellschaftliche Herausforderung

Leben dürfen sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? Dr. med. Roland Kunz Chefarzt Geriatrie und Palliative Care

Delia Struppek. Graduiertenkolleg Multimorbidität im Alter und ausgewählte Pflegeprobleme* Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften

Konflikte bei der Therapiebegrenzung am Lebensende

Leben bis zuletzt Sterben in Würde

Künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr: Ethische Grundlagen der Entscheidungsfindung

Medizin-ethische Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» Mediengespräch Freitag, 17. November 2017, Haus der Akademien, Bern

Was ist, wenn ich nicht mehr kann und will

Patientenverfügung. geboren am. Für den Fall, dass ich selbst nicht mehr für mich entscheiden kann, habe ich bereits eine Vorsorgevollmacht verfasst:

Was sind Forschungswünsche von Patienten und Angehörigen? Institut für Allgemeinmedizin Prof. Dr. Nils Schneider

Hoffnung - Gespräche über Leben und Tod. Stein Husebø

1 Jahr SAPV in Bayern Entwicklung und Ausblick

Selbstbestimmt leben bis zuletzt

Transkript:

Palliative Geriatrie in der Altenhilfe Perspektive eines Altersmediziners Priv.-Doz. Dr. med. Mathias Pfisterer Zentrum für Geriatrische Medizin Zentrum für Hospiz- und Palliativversorgung Evangelisches Krankenhaus Darmstadt Fragen Welchen Stellenwert hat die Palliativversorgung in der Altenpflege? Worin unterscheiden sich jüngere von älteren und nicht-onkologische von onkologischen Palliativpatienten? Was wünsche ich mir als Arzt von den Beteiligten? Seite 2

Geriatrische Patienten Leiden an chronisch fortschreitenden, meist nicht heilbaren Erkrankungen. Haben eine begrenzte Lebenserwartung. Leiden unter Schmerzen und anderen belastenden Symptomen. Sind häufig isoliert. Können sich schwer verständlich machen. Seite 3 Stellenwert Palliative Geriatrie in der Altenhilfe Für die meisten Menschen die in ein Pflegeheim einziehen (müssen) ist dies der letzte Umzug. Menschen werden am Lebensende in guten Pflegeheimen seltener in Krankenhäuser verlegt. Überragender Stellenwert der Palliativen Geriatrie für die Altenhilfe Seite 4

Unterschiede am Lebensende alt / jung jung - Krankheitsverarbeitung steht oft im Focus - Kopf klar, Körper wird schwächer - Weniger Erfahrung mit Verlusten im Leben - Oft leistungsfähiges Umfeld vorhanden - Meist Tumorerkrankung alt - Häufiger Aussage ich hab genug vom Leben - Häufiger bewusster Verzicht auf lebens-verlängernde Maßnahmen - Multiple Erkrankungen alt + kognitiv schwer beeinträchtigt - Vieles bleibt zu vermuten - Oft Umfeld seit Jahren belastet. Leidet Umfeld mehr als Patient? - Ethische Fallbesprechungen Seite 5 Todesursachen Kontext - 20 Verstorbene/Allgemeinarzt 5 Organversagen 5 Tumor 5-7 Demenz und Abbau 1-3 plötzl. Tod Lunney JR, Lynn J, Hogan C. Profiles of older Medicare decedents. J Am Geriat Soc 2002;50:1108 12. Lunney JR, Lynn J, Foley DJ, Lipson S, Guralnik JM. Patterns of functional decline at the end of life. JAMA 2003;289(18):2387 92. Seite 6

Tumor -Krankheitsverlauf (Kurze Phase des eindeutigen Abbaus) Hoch Meist Tumorerkrankung Funktion Tod Gering Beginn der unheilbaren Tumorerkrankung Zeit: häufig wenige Jahre, aber Rückgang erscheint häufig < 2 Monate 7 M. Pfisterer Palliative Palliative Geriatrie 7. Oktober 2011 Geriatrie Seite 7 Organversagen -Krankheitsverlauf (Dauerhafte Einschränkungen mit intermittierenden bedrohlichen Episoden) Hoch Meist Herz-, Lungenerkrankung Funktion Tod Gering Zunahme der Krankenhausaufenthalte, Selbständigkeit gefährdet Zeit: 2-5 Jahre, Tod scheint oft plötzlich einzutreten Lunney JR, Lynn J, Hogan C. Profiles of older Medicare decedents. J Am Geriat Soc 2002;50:1108 12. Lunney JR, Lynn J, Foley DJ, Lipson S, Guralnik JM. Patterns of functional decline at the end of life. JAMA 2003;289(18):2387 92. 8 Seite 8

Frailty/Demenz -Krankheitsverlauf (Schleichende Abnahme) Hoch Funktion Meist Gebrechlichkeit / Demenz Tod Gering Beginn mit Defiziten bei Aktivitäten des täglichen Lebens, Sprache oder Mobilität Zeit: sehr variabel bis zu 6-8 Jahre 9 M. Pfisterer Palliative Palliative Geriatrie 7. Oktober 2011 Geriatrie Seite 9 Probleme am Lebensende 323 Pflegeheimbewohner mit fortgeschrittener Demenz Ernährungsproblem kumulative Inzidenz (%) Tod Fieber Pneumonie SL Mitchell et al. NEJM 2009;361:1529-38 Tage seit Beginn M. Pfisterer Palliative Palliative Geriatrie 7. Oktober 2011 Geriatrie Seite 10

Ernährung geriatrischer Palliativpatienten (Genz et al. ZfGG 2010) Abb. 5. Relative Häufigkeit der Einhaltung oraler Nahrungskarenz sowie der Einteilung verschiedenen Ernährungsformen, differenziert nach onkologischen (n=101) und nichtonkologischen (n=116) Patienten, PEG = perkutane Gastrostomie-Sonde, (*) p<0,001 im Chi-Quadrat Test nach Pearson Seite 11 Typische Probleme der Palliativen Geriatrie in der Altenhilfe Schwierigkeit der prognostischen Einschätzung von nicht-onkologischen Patienten Der unruhige Patient Schmerztherapie bei kommunikativ eingeschränkten Menschen Patient kann nicht schlucken und soll Medikamente einnehmen Ethische Fragestellungen Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten Gefahr der Überforderung von Pflegenden Seite 12

Das Schwierigste: (aus Geriater-Sicht) Entscheidungen am Lebensende Wie viel Wahrheit will dieser Mensch? (Verdrängung vs. Hoffnung) Seite 13 Fragen Welchen Stellenwert hat die Palliativversorgung in der Altenpflege? Worin unterscheiden sich jüngere von älteren und nicht-onkologische von onkologischen Palliativpatienten? Was wünsche ich mir als Arzt von den Beteiligten? Seite 14

Fallbeispiel Grundlagen für Entscheidungen am Lebensende Mut Verantwortung zu tragen Respekt vor diesem Menschen und seiner unantastbaren Würde Gemeinsam mit Ärztin / Arzt Wissen Status, Prognose Welche Optionen gibt es? Wünsche des Patienten Seite 16

Schwerkranke und Sterbende die wichtigsten Ziele Aktiver Plan für Palliative Care Im Laufe der ersten 24 Stunden - Kompetente Schmerztherapie und Symptomlinderung - Vorbereitende Kommunikation mit Patient und Angehörigen - Fürsorge, Sicherheit und Kompetenz rund um die Uhr - Wahrnehmung und Dokumentation Ist der Patient sterbend? Seite 17 Sterbende Patienten: Sinnlose Maßnahmen kritisch prüfen Absaugen Sauerstoffgabe Intravenöse Flüssigkeitsgabe und Sondenernährung Unnötige Medikamente = die nicht zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen Lebensverlängernde Maßnahmen Physiotherapie? Mobilisierung? Decubitusprophylaxe? Seite 18

!" # SAPV Pflegeheim Häusl. Umfeld? Arzt Apotheke M. Pfisterer Palliative Geriatrie 7. Oktober 2011 Seite 19 Versuchen wir, Optimisten zu sein: Der Optimist macht aus jedem Problem eine Aufgabe, die es zu lösen gilt! Der Pessimist macht aus jeder Aufgabe ein Problem, dem er sich hilflos ausgeliefert sieht Seite 20